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Chroniken der Engel - Ein ramielitisches Leben

Lamariels Geschichte
von

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Kapitel - 1

Im Westen versank die Sonne wie eine glutrote Scheibe flüssigen Metals hinter dem wolkenverhangenen Horizont. Sie tauchte ab in eine bleigraue Sturmfront die ihre ersten Boten in Form von kalten Winden über das Land schickte. Unter ihm wogte das Gras der Ebenen wie Ozeanwellen, ein dichter Teppich graugrünen Grases welches sich verneigte, duckte, im aufziehenden Sturm.
 

Mit den kalten Winden kam der Geruch von Regen und dem metallischen Nachgeschmack von feuchter, dampfender, sommerwarmer Erde. Die Luft war geladen und knisterte vor Energie die nur darauf wartete sich im Sturmtoben zu entfesseln.
 

Wie Finger griffen die Böen in sein leuchtendes Gefieder, strichen hindurch, fast zärtlich, sammelten sich unter den Schwingen und hoben ihn empor. Immer schwerer wurde es für den Engel Jeremiels den Kurs zu halten, sich gegen die Winde zu stemmen die ihn immer weiter abtrieben.
 

Er hatte selbst bei gutem Wetter und optimaler Sicht seine Probleme den Weg nicht zu verlieren, auch wenn sein Scharbruder Malkiel ihm immer und immer wieder genau beschrieben hatte auf welche Landschaftsmerkmale es zu achten galt. War das dort in der Ferne etwas die Flussgabelung? War er schon so weit? Hatte den Quellsee denn überquert ohne es gemerkt zu haben? Oder war dies ein ganz anderer Fluss und er hatte sich jetzt schon rettungslos verflogen? Oh, wenn seine Augen doch nur halb so gut gewesen wären wie jene Malkiels! Der Engel Uriels vermochte selbst in schwärzester Nacht wie ein Falke zu sehen, und Lamariel war schon so gut wie blind wenn nur ein Gewitter herauf zog.
 

Zum wiederholten male verfluchte er den Umstand der ihn alleine auf so eine Reise geführt hatte. Wenn es nur darum gegangen wäre den Dokumentenbehälter in Sicherheit zu bringen wäre wohl Malkiel jetzt derjenige der mit dem Sturm kämpfen würde, doch Saphiriel hatte entschieden das Lamariels Gedächtnis und seine Beobachtungen ihrem Mentor ebenso wichtig sein konnten wie die Karten, und so hatte ihr Michaelit in seiner Weisheit beschlossen den zierlichen Ramieliten auf den Weg zurück zur Engelsfeste zu schicken. Was für eine Torheit! Aber Saphiriel, auch wenn für Lamariel diesem Gedanke ein Hauch von Ketzerei beiwohnte, war nicht wirklich der Überlegteste und Gerissenste unter den Engeln Michaels.
 

Der Rest der Schar war im Dorf verblieben um die Überreste ketzerischen Einflusses ein für alle mal zu tilgen.

Erneut griffen die Finger des aufziehenden Sturms in seine Haare, strichen durch die hüftlangen Strähnen und wehten sie auf wie ein zerfetztes Kriegsbanner.
 

Er sollte landen, sollte Schutz suchen auf dem Boden bevor er zum Spielzeug der Elemente wurde...oder vielleicht...

Lamariels Blick glitt nach oben in den dämmrigen Abendhimmel. Noch waren die Finger des Unwetters nicht ganz über ihn hinweg gezogen, noch leuchteten die ersten Sterne am dunkler werdenden Firmament welches sich langsam zuzog mit Wolkenschlieren.
 

Wenn er nur hoch genug hinauf steigen konnte dann könnte er den Sturm überfliegen. Für Malkiel wäre es wohl ein leichtes gewesen mit seinen riesigen Schwingen hinauf zu steigen. Im Gegensatz zu dem Engel Jeremiels dessen Flügel im vergleich zu denen des Urieliten fast winzig wirkten.
 

Lamariel biss die Zähne zusammen, ignorierte das ziehen im Rücken und der Flügelmuskulatur und zwang seinen erschöpften Körper zur erneuten Kraftanstrengung. Er würde es versuchen, würde versuchen den Sturm zu überfliegen, auch wenn eine Stimme der Vernunft in ihm fast verzweifelt schrie dass es der reinste Wahnsinn war.
 

Die Welt unter ihm wurde kleiner, mit jedem Schwingenschlag stieg er höher in den Himmel, den Sternen und ihrem kalten Licht entgegen. Die wogenden Wiesen wurden zu einer einzigen wabernden Masse, das ferne Glitzern der Flussbiegung verlosch und war nur noch als blasshelles Band in der Tiefe zu erkennen.
 

Starke Winde trieben ihn immer weiter von seinem Kurs ab, trafen wie Brandungswellen in Schüben auf seinen schmalen Leib und die weit gespreizten Schwingen und trieben ihn vor sich her wie Herbstlaub. Immer höher...er musste nur höher kommen, die Wolkendecke durchstoßen und...
 

Erste Blitze durchzuckten den Himmel. Der scharfe Geruch von Ozon flutete seine Wahrnehmung und ließ ihn schwindeln im ersten Moment. Und mit den Blitzen rollte auch der Donner über das Land. Es klang wie Kriegstrommeln, dem heranpreschen einer Reiterei deren Hufen die Erde beben ließ.
 

Vielleicht war es doch keine so gute Idee gewesen den Sturm überfliegen zu wollen. Noch immer strebte der Engel Jeremiels dem Himmel entgegen, glitt durch Wolkenfetzen ohne wirklich ein Ende, ein Ziel, ausmachen zu können.
 

Wieder hob er die Schwingen zu einem erneuten Flügelschlag der ihn in die Höhe tragen sollte...und noch bevor die Schwingenspitzen wieder gen Erde wiesen erstarrte er mitten in der Bewegung, mitten im Flug, mitten im stürmigen Wolkenmeer.
 

Erneut zuckte ein Blitz über den Himmel...umriss mit grellem Licht und tiefen Schatten eben jenen Schrecken der den Ramieliten mitten im Flug zur Salzsäule hatte erstarren lassen. Lamariel erwachte erst wieder aus der Reglosigkeit als eine erneute Sturmböe ihn ergriff und sein eigenes Gewicht ihn hinabsinken ließ, dem Erdboden entgegen. Hektisch begann er mit den Schwingen zu schlagen um seine Position zu halten, und mit der wieder einsetzenden Beweglichkeit flutete auch Panik sein Herz, umnebelte den Geist.
 

Und dann tauchte es vor ihm auf, durchstieß die Wolkenfetzen die wie Nebel um ihn trieben...der Engel sah sein eigenes, vielfach gebrochenes Spiegelbild im glänzenden schwarz des facettierten Dämonenauge, als die Traumsaatkreatur, von den kollosalen Ausmaßen einer Galeere, fast lautlos ihm entgegen glitt. Blitze zuckten über den insektuiden Leib, über den fast transparenten Panzer durch den gespenstig das Innenleben jenes Dämons schimmerte. Das Brüllen der Kreatur war wie rollender Donner, und wie als Antwort auf ihren Ruf zuckten erneut Blitze von ihrem Körper, den Wolken sowie der Erde entgegen.
 

Im Reflex legte der Engel die Schwingen an den Leib, ließ sich hinabsinken, ließ sich aus dem Himmel fallen, den Rücken der Erde zugewandt...noch immer waren seine Augen in Panik geweitete, den Blick auf den Dämon geheftet der in diesem Moment über ihn hinweg zog.
 

Ein erneutes Donnerbrüllen, das aufzucken von Blitzen, und weit entfernt eine Antwort...erst eine, dann eine zweite, und Lamariel glaubte nahe des Horizontes einen weiteren Koloss zwischen den Wolken ausmachen zu können.
 

Immer schneller raste sein Körper dem Boden entgegen, Wolkenschleier trieben an ihm vorbei und der Sog des Abgrundes, der Rausch des Falls verursachte ein dumpfes Gefühl von Leere in seinem Kopf, ein ziehen in seinen Eingeweiden das dem Gefühl von Vorfreude nicht unähnlich war.
 

Wie paralysiert starrte er weite auf die graue Wolkenmasse über ihm, die Traumsaat war ungerührt über ihn hinweg gezogen, das kalte Licht das ihr Leib ausstrahlte war selbst jetzt noch schwach aus zu machen, und die grellen Blitze ließen den Engel im Nachtbild vor seinen geschlossenen Liedern noch ihre Ausmaße erahnen. Ein zweite Kreatur schob sich seitlich in sein Blickfeld, um einiges tiefer als die erste Kreatur, und auch um einiges näher an ihm dran. Wie ein Schlachtschiff pflügte der Dämon durch die Wolkenmeere, elektrische Entladungen tanzten bläulich über den krotesken, durchscheinenden, vielgliedrigen Körper. Fleisch gewordene Albträume.
 

Wie viele dieser Monstren verbargen sich in diesem Sturm!?

Wieder kam hektisches Leben in Lamariels Leib. In Panik warf er sich herum um die Kontrolle über seinen rasanten Fall zurück zu bekommen, spreizte die Schwingen und keuchte auf vor Schmerz als sich Luft unter den Flügeln sammelte und mit einem Ruck an den ohnehin schon schmerzenden Gelenken sein Fall abrupt verlangsamt wurde und in ein Gleiten überging. Der Erdboden war während seines Falls gefährlich nahe gekommen. Selbst Einzelheiten wie einzelne Bäume und Hütten waren für ihn wieder zu erkennen. Er musste landen, und das gleich! Schutz suchen in einem der kleinen Wäldchen, unter einem Dach...irgendwo! Ein knapper Blick über die Schulter bestätigte nur dieses drängende Gefühl endlich aus der Luft zu kommen, wieder Boden unter den Füßen spüren zu wollen.
 

Der Koloss war näher gekommen. Schillernde, fast transparente Flügel über die ebenfalls bläuliche Lichter zuckten trugen den Dämon mit erstaunlicher Sicherheit und beunruhigender Geschwindigkeit durch den tosenden Sturm.
 

Runter, jetzt!

Die Nähe des Dämons und die elektrische Ladung die diesen wie eine spürbare Aura umgab ließ Lamariel die Haare förmlich zu berge stehen und ließen auch die Federn der Flügel nicht unbeeindruckt. Und trotz seines Wissens über das Wesen von Gewittern wollte Lamariel keine Wette darauf abschließen das er einen Blitzschlag einer solchen Kreatur überstehen würde. Selbst der Bannstrahl der Michaeliten schien anderen Gesetzten zu folgen, warum dann nicht auch jene der Dämonen!?
 

Lamariel korrigierte erneut seinen Kurs. Steuerte wieder den Erdboden an, hielt auf ein kleines Wäldchen zu das ihm wie eine Hort der Sicherheit erschien. Er spreizte die Schwingen und setzte zur Landung an.
 

Er war zu schnell, der Winkel zu steil.

Rasend schnell sprang ihm das Gehölz und Blätterdach förmlich entgegen.

Eichen - registrierte ein rationaler Teil seines Verstandes noch ehe er mitten in das Unterholz brach. Holz splitterte, Äste griffe wie Finger nach seinem Körper, zerrten an ihm, an seinen Flügeln, den Haaren, der Kleidung, kratzen über seine Haut, sein Fleisch...und überall um ihn war das brechen und splittern von Holz zu vernehmen, und das brechen von Knochen und das rauschen des Sturms.
 

In jenem Moment in dem er hart auf dem Boden aufschlug und der Schmerz in ihm explodierte wurde die Welt um ihn schwarz.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Wave
2012-11-13T21:19:27+00:00 13.11.2012 22:19
Mh, 2006 geschrieben..
Sieht also nicht so aus, als würde da etwas nachfolgen, oder?
Sehr schade eigentlich :<

Gruß


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