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Das Leben und das der anderen

suche Betaleser
von

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Genieße die Ferien

Entschuldigt bitte dass es so lange gedauert hat, aber hier ist es
 


 

Die Sonne schien, die Vögel zwitscherten ihr Morgenlied und Frau Isogara saß aufrecht im Bett, reckte sich und streckte sich und gähnte nach Herzenslust. Daraufhin stand sie auf um das Frühstück vorzubereiten, ihren Mann ließ sie noch schlafen denn er ist erst spät in der Nacht von Arbeit gekommen.

Nachdem der Tisch gedeckt war, die Brötchen und die Eier bald fertig sein werden, ging sie hoch zu Seyji um ihm zu sagen dass das Frühstück fertig ist. Sie klopfte dreimal mit dem gekrümmte Zeigefinger an die Tür und ohne auf eine Antwort zu warten machte sie sie auf. Ihr bot sich das Bild was sie jeden Morgen sah; Seyji über Bücher und Hefte gebeugt.

„Warum musst du denn immer so viel lernen? Das ist nicht gut für dich.“

„Nun ja ich möchte bei der WiSpo den ersten Platz belegen und dafür muss ich eben sehr viel wissen.“

„Du weißt auch so schon viel genug, außerdem sind sie erst in drei Wochen, bis dahin solltest du die Ferien genießen.“

„Wenn ich gut sein will muss ich eben sehr hart arbeiten.“, sagte er und wollte sich wieder seinen Büchern zuwenden.

„Aber jetzt machst du erstmal Pause und kommst gemütlich frühstücken.“ Er legte den Stift bei Seite und ging mit ihr nach unten.

Von „gemütlich“ frühstücken konnte überhaupt keine Rede sein. Seyji legte sich gerade eine Scheibe Käse auf seine Brötchenhälfte und machte dann einen großen Bissen, so das die Hälfte des halben Brötchens verschwunden war. Frau Isogara indessen hörte gar nicht mehr auf in ihrem Kaffee rumzurühren, sie überlegte krampfhaft worüber sie sich mit ihm unterhalten könnte, die WiSpo hatte sie schon tausendmal angesprochen. Wieder einmal wurde ihr bewusst wie wenig sie doch über ihren Neffen wusste. Ihr musste doch was einfallen, irgendein belangloses Thema. Wie lange ist es her das sie sich in ruhe unterhalten haben? Schnell er isst gerade sein Ei, gleich würde er wieder hoch gehen, schnell.

„Was war das eigentlich neulich für ein Zettel?“ Ja das war gut, dachte sie, ein belangloses Thema, jedoch reagierte er ganz anders wie sie das erwartet hatte. Normalerweise würde er höflich lächeln und sagen dass es nichts Besonderes währe, aber stattdessen sieht er sie mit großen Augen an. War es Angst was darin zu erkennen ist? Schließlich wurde er wieder so wie immer, sagte das es nichts Besonderes sei und verschlang den Rest seines Eis. Er stürzte seine Tasse Kakao runter, erhob sich mit den Worten, „Ich bin fertig, ich werde wieder weiter lernen.“, von seinem Stuhl und verschwand nach oben.

Frau Isogara räumte den Tisch ab und stellte das dreckige Geschirr in die Spülmaschine wo bereits schon welches drinnen war. Soso der Zettel ließ ihn nicht ganz kalt. Sie wollte unbedingt wissen was es damit auf sich hat.

Wenig später kam ihr Mann in die Küche und wünschte ihr einen guten Morgen.

„Warum bist du denn schon auf? Du solltest dich wirklich noch mal hinlegen.“, sagte sie besorgt.

„Ach!“, winkte er ab. „Ich habe lange genug geschlafen. Ich bin fit wie ein Turnschuh.“

Sein Erscheinungsbild strafte seiner Worte lügen. Er konnte kein Fuß vor dem anderen heben und schlurfte mit seinen Pantoffeln über den Boden, seine Augen waren ganz klein und unter ihnen befanden sich Augenringe, selbst der kalte Kaffee den er im wahrsten Sinne des Wortes herunterstürzte half da nicht viel.

„Das sehe ich aber anders, ab ins Bett! Du musst nachher wirklich fit sein wenn du dann Seyji mitnimmst.“

Mit leichten aber bestimmten Druck schob sie ihn wieder ins Schlafzimmer.

Am frühen Nachmittag stand er jedoch wieder auf um mit Seyji ins Krankenhaus zu fahren, als Vorbereitung auf den Wettbewerb. Sie nutzte die Gelegenheit und ging Zielstrebig in sein Zimmer und fand auch gleich was sie suchte. Der Zettel lag noch da wo sie ihn hingelegt hatte. Sie nahm einen Stift und ihren Notizblock zur Hand und schrieb die Adresse ab die dort draufstand. Man weiß ja nie.
 

Sie redeten wieder miteinander, nicht das es eine Aussprache gab, aber der Umgangston zwischen Kaori und Alex hat sich normalisiert, dennoch gibt es Dinge die nicht angesprochen werden.

Den ganzen Vormittag wuselte sie in der Wohnung herum, putzte das Bad, hing die Wäsche auf u.s.w. Zurzeit saßen beide beim Mittagstisch und stocherten lustlos in das aufgewärmte Essen aus dem Tiefkühlregal im Supermarkt was es schon zum ixten mal gab. Die Alternaiven waren Mikrowellen-Essen oder auch mal eine Bratwurst. Denn kochen konnten sie beide nicht.

„Lass mich raten.“, grinste Alex, nachdem er sich etwas Zitrone auf seine Fischstäbchen geträufelt hat. „In eurer kleinen Wohngemeinschaft hat deine Freundin immer gekocht.“

Er hätte sich Ohrfeigen können wegen seiner unbedachten Worte als er ihre Reaktion sah. Sie hat sich plötzlich versteift und die Marmelade tropfte vom Löffel den sie in der Luft hielt, außerdem ist sie etwas blass geworden.

Dann schlich sich ein trauriges Lächeln auf ihr Gesicht. „Dort habe ich das beste Essen seit langer Zeit gegessen.“ Und sie schmierte sich die Marmelade breit.

Wer kann denn auch ahnen dass ihr das immer noch so nah geht?

„Noch etwas Senf?“, fragte er um abzulenken und schob ihr das Glas näher zu.

„Ja, danke.“

Sie nahm es und bestrich ihre Fischstäbchen mit Senf. Etwas angeekelt schaute er auf ihren Teller; erst hatte sie sich Zitrone auf den Fisch drauf gemacht, was ja noch normal war, aber dann legte sie Limburger drauf, weiter ging es mit Salami, dann kam die Marmelade dran und jetzt klatschte sie auch noch Senf drauf, den extra scharfen, und vermischte es mit der Marmelade.

„Also ich muss schon sagen in letzter Zeit hast du aber ein seltsames Essverhalten. Man könnte meinen du bist schwanger.“

Sie wurde förmlich kreidebleich. „Ja, nicht? Ich kann mir das auch nicht erklären.“, lachte sie hilflos.

Er merkte sehr wohl dass er sie in eine unangenehme Lage gebracht hat. Verdammt, sagte er etwa heute nur das Falsche? „Vergiss was ich gesagt habe. Ich wollte dich nicht in Verlegenheit bringen oder dich irgendwie verletzen. Immerhin hast du Ferien und ich möchte das du sie genießt.“

„Schon gut.“, winkte sie ab.

“Ich werde den Tisch abräumen.“ Ungeachtet dessen das sie beide noch gar nichts gegessen haben, nahm Alex seinen Teller und schnappte den ihren förmlich unter der Nase weg und trug sie in die Küche.

Er war irgendwie verwirrt, das ist ihm schon häufiger passiert seit sie bei ihm wohnt, selbst bei den kleinsten Dingen.

Es klingelte an der Tür. „Ich geh schon.“, rief Kaori. Mit wenigen schritten war sie da und öffnete.

„Du hier? Ich wollte eigentlich zu Alex.“

„Wer ist denn das?“, rief Alex aus der Küche und lugte hinter der Wand hervor, „Ach du bist es Kirian. Was verschafft mir die Ehre?“

Ohne Kaori weiter zu beachten schmiss er mit dem Fuß die Tür zu und trat näher zu Alex. „Ich wollte eigentlich nur wissen ob du weißt wo Tori ist. Sie scheint verreist zu sein, jedenfalls ist sie nicht da.“, kam Kirian gleich zum Thema.

„Woher soll ich das denn wissen?“

„Ich dachte nur, schließlich bist du doch ihr Klassenlehrer.“

Du? Er duzt ihn? Warum sind die beiden denn so vertraut? Aber da war doch noch was anderes. Verreist? Warum wusste sie davon nichts?

„Das hat doch damit überhaupt nichts zu tun. Ich werde dir erstmal was zu trinken holen.“

„Nicht nötig, ich geh gleich wieder. Tschüß.“, und er wandte sich zum gehen.

„Momentmahl.“, mischte sich nun Kaori ein, „Sie ist nicht da?“

Erstaunt sah sich Kirian zu ihr um. „Huh? Wusstest du das nicht? Sie ist doch deine Freundin.“

Nun war es an Alex erstaunt zu ihr zu blicken. „Ist sie etwa bei der…?“

Kaori begann mit ihrem T-Shirt zu spielen. „Ich muss noch mal kurz weg.“, sagte sie hastig und war im nächsten Augenblick auch schon verschwunden.

„Die hat es aber eilig.“, wunderte sich Kirian und machte die Tür zu. „Was wollte sie eigentlich von dir?“

„Sie wohnt hier.“

„Ist nicht war?“ Das überraschte ihn, doch dann grinste er wissend. „Ach ich versteh schon.“

„Nicht das was du denkst.“ Alex konnte nicht verhindern dass er leicht errötete.

„Was denk ich denn?“ feixte Kirian.

Das wurde nach Alex Geschmack ein bisschen zu heikel. Er brauchte irgendwas um abzulenken. „Sie wird einmal sehr hübsch werden.“

„Findest du sie nicht jetzt auch schon hübsch? Sie ist immerhin deine Auserwählte.“

„Ich meine nicht Kaori sondern Tori.“

„Tori und hübsch? Sie ist ein Kind.“, lachte Kirian auf.

Anscheinend hat es funktioniert.

„Sie ist dreizehn.“

„Sag ich doch, ein Kind.“

„Du bist in sie verliebt.“, kam es frei heraus aus Alex.

„Was redest du denn da?“, Kirian war wirklich entsetzt angesichts solch einer Behauptung. „Das ist doch völliger Blödsinn. Ha! Ich und verliebt, also wirklich.“

„Du hast Recht, als Liebe kann man das nicht bezeichnen.", wurde Alex ein wenig ernster. "Wenn man jemanden hinterher spioniert, sie auf schritt und tritt verfolgen und bei allem was sie tut beobachten möchte, dann nennt man das wohl eher Besessenheit.“

„Das ist doch absoluter Schwachsinn, ich kann nicht besessen sein, schließlich bin ich ein waschechter Dämon, solche Gefühle sind mir fremd.“

„Bist du dir da ganz sicher?“

„Natürlich!“, sagte er fest, vielleicht mehr deshalb um sich selbst davon zu überzeugen. „Also, ich muss los.“, verabschiedete er sich.

„Wo willst du denn noch hin?“

„Na was wohl, Tori suchen!“, antwortete er. „Besessenheit.“, nuschelte er dann noch in seinen nicht vorhandenen Bart.

Plötzlich hielt er inne, wie als ob ihm noch etwas einfiele und er drehte sich noch mal rum. „Ach ja noch was, ich kann Kaori nicht leiden. Ich weiß, es geht mich nichts an wen du auswählst aber…“

„Ich sagte doch das es nicht das ist.“, wurde er von Alex unterbrochen. Wollte er etwa schon wieder damit anfangen?

„Wie gesagt, ich kann sie nicht leiden.“, sprach er ungerührt weiter. „Und willst du auch wissen warum? Weil sie als sehr Gottesfürchtig bekannt ist. Du solltest ihr sagen was du bist, bevor es ein andere tut. Ich möchte nämlich nicht das dir was passiert.“

Bei solchen Worten konnte Alex nur noch auf die leere Tür starren. Seit wann war Kirian denn so „Menschlich“? Aber ob er es nun wollte oder nicht, musste er zugeben das Kirian die Wahrheit gesprochen hatte. Was würde passieren wenn Kaori von jemand anderen erfahren würde das er, Alex, ein gefallener Engel ist, das er sich von Gott losgesagt hat? Wie würde sie reagieren wenn er es ihr selbst sagt? Er hatte Angst sie zu verlieren, das wurde ihm gerade schmerzhaft bewusst. Es ist doch egal von wem sie es erfährt, sie wird ihn hassen, wenn nicht sogar verachten. Ist es da nicht besser, wenn sie niemals etwas davon weiß?
 

KRAWUMM! Kirian trat voller Wut gegen eine Mülltonne, so dass sie umkippte und sich der Inhalt auf dem Gehweg verteilte. Eine rundliche Frau, mittleren Alters, schrie erschrocken auf und ließ ihre Einkäufe fallen.

„Hey du.“, packte er die Frau am Kragen als er sie bemerkte. „Bin ich etwa besessen?“

Die Ärmste wusste gar nicht was mit ihr geschieht. „Ich…ich…ich wei…weiß… ich weiß n…nicht.“, brachte sie stotternd hervor.

„Hmm?“

Wie er sie ansah, bekam sie gleich noch mehr Angst. „N… Nein, bist du nicht.“, beeilte sie sich deshalb zu sagen.

Das war es was er offenbar hören wollte. „Wusste ich’s doch. Er behauptet nämlich ich sei es. Kannst du dir das vorstellen? Ich und besessen. Was bildet der sich überhaupt ein? So weit geht unsere Freundschaft nun auch wieder nicht!“

Kirian merkte gar nicht wie er sie in seiner Raserei schüttelte, die Frau war einer Ohnmacht nahe. Doch als er etwas warmes und feuchtes spürte hielt er inne, die Frau hatte vor Angst ihre Blase entleert.

Voller Ekel ließ er sie achtlos fallen und sprang ein Stück zurück. Die Frau rappelte sich auf und hastete und stolperte davon, ihre Einkäufe ließ sie liegen.

Verwirrt schaute Kirian ihr nach. Was hatte sie denn? Er hatte ihr doch gar nichts getan. Erst jetzt bemerkte er dass sich eine Ansammlung von Menschen sich um ihn versammelt hatte, da hörte er auch schon ein, „Sie sind verhaftet!“ und Handschellen legten sich um seinen Gelenke. Anscheinend hatte jemand die Polizei gerufen. Aber was soll’s? Sein Vater, halt nein, sein Erziehungsberechtigter, würde die Kaution bezahlen und spätestens heute Abend ist er wieder auf freiem Fuß.
 

Die Praxis war stoppendvoll und obwohl sie ein Termin hatten saßen Natako und Nr. 101 schon seit Stunden im Wartezimmer des Kinderarztes.

Er hatte sich extra heute frei genommen und Nanny hat ihm vorgeschlagen doch die ganzen Ferien über frei zu nehmen und lieber die Ferien genießen soll. Natako wollte davon aber nichts hören, er brauchte das Geld. Dafür, dass sie ihm diesbezüglich nie Fragen gestellt hat, war er sehr dankbar. Normalerweise war Kinderarbeit verboten, aber da schaute keiner so genau hin. Nach langem hin und her kamen sie endlich überein dass er nur Halbtags arbeitet. Wenn die Schule wieder anfängt hätte er ja sowieso nicht mehr Zeit. Das bedeutete aber auch dass er die derzeitige Wohnung nicht halten könne und sich eine kleiner, billigere suchen müsse.

Die Mütter, deren Kinder quengelten was das Zeug hielt, kein Wunder wenn man vier Stunden und noch länger warten muss, schauten eifersüchtig auf Natako, dessen offenbar jüngere Schwester ruhig und brav neben ihm saß.

„Mama mir ist langweilig.“, kam es von einem Jungen aus einer Ecke

„Wir sind ja gleich dran.“, das sagte die Mutter, allerdings schon seit zwei Stunden.

„Ich will aber nicht mehr warteten, ich will nach Hause.“, und er ließ sich von der gepolsterten Bank herunter flähtzen.

„Benimm dich.“, ermahnte sie ihn. „Schau dir das Mädchen da vorne an.“, sie sah zu Nr. 101, „Warum kannst du nicht genau so artig sein wie sie?“

Das der Junge neben dem Mädchen sich wünschte das sie eben nicht so artig währe und sie lieber quengeln hörte, konnte sie ja nicht wissen.

Endlich wurden sie und das artige Mädchen mit dem Jungen aufgerufen, während sie noch in diesem Vorzimmer warten mussten gingen Natako und Nr.101 ins Behandlungszimmer.

Der Arzt stellte allerlei Untersuchungen an. Sie musste tief ein- und ausatmen und er hörte sie mit seinem Stethoskop ab. Merkwürdig, dachte er sich, ich höre ja gar nichts. Natako, der das Gesicht, mit in Runzeln gefaltete Stirn, vom Arzt sah, machte sich schon sorgen.

„Stimmt etwas nicht?“, fragte er daher nach.

„Nein, nein es ist alles in Ordnung.“

Beim Blutdruckmessen erlebte er wieder eine Überraschung.

„Die Flüssigkeit in diesem Röhrchen bewegt sich ja überhaupt nicht, Dr. Kagoshima.“, wunderte sich Natako.

„Das Gerät muss kaputt sein.“, und er ging los um ein Neues zu holen aber auch das funktionierte nicht.

Das Blutabnehmen gestaltete sich ebenfalls schwierig. Dr. Kagoshima stach mit der Nadel in ihre Haut und zog den Kolben der Spritze zurück.

„Wieso kommt da kein Blut?“

„Wahrscheinlich habe ich die Blutgefäße nicht richtig getroffen, ich werde es noch einmal versuchen.“ Aber auch ein zweites Mal und drittes Mal ging es nicht.

Natako betrachtete unterdessen seinen Schützling. Was Alex damals etwa deswegen so strikt dagegen weil er es gewusst hatte? Er schüttelte lächelnd den Kopf, das war dann doch zu weit hergeholt, oder etwa doch nicht?
 

Warum war ich so schnell davongelaufen? Weil Alex jetzt weiß wer diese Freundin ist? So ein Blödsinn, deswegen läuft man doch nicht weg. Ist es nicht eher so das ich an Tori erinnert wurde und das, wenn wir noch Freundinnen währen, was in mir heranwächst nur halb so schlimm währe? Ich klatschte mir mit meinen Händen ins Gesicht und beschloss nicht länger darüber nachzudenken.

Den Weg zu Enrico kannte ich schon in und auswendig, in den letzten Tagen war ich schon öfters bei ihm gewesen, nur um zu sagen das ich mich noch nicht entschieden hat.

Es ist schon seltsam, noch vor kurzer Zeit wollte sie es unbedingt loswerden das ich sogar bereit dazu war mir selbst den Bauch aufzuschlitzen und jetzt dieser Mangel an Entscheidungskraft. Dabei wollte ich es doch unbedingt loswerden und das will sie immer noch. Warum um Himmels willen machte ich da den so ein Drama draus und alles viel komplizierter als es ist? Es hätte schon längst weg sein können, dann würden auch nicht mehr solche Peinlichkeiten wie heute am Mittagstisch vorkommen. Er wird es nie erfahren. Wozu auch? Schließlich ging ich mit festem Willen zu Enrico um es los zu werden. Ich seufzte, den festen Willen hatte ich bei den letzten Malen auch gehabt. Und was ist dabei herausgekommen?
 

Als ich bei ihm ankam war er gerade dabei eine Frau zu verabschieden die gerade dabei war sich eine verlängerte Zigarette mit einer mindesten zwanzig cm langen schwarzen Zigarettenspitze anzuzünden. Wie alt mochte sie sein? Jedenfalls hatte sie Zentimeter dicke Schminke auf ihrem Gesicht und der Ausschnitt ihres Kleides war so großzügig dass ihr Busen heraus zu fallen drohte.

„Aufwidersehen Enrico.“, sagte sie mit rauchiger Stimme die wohl erotisch klingen sollte, sie nahm einen Zug und pustete den Rauch direkt in mein Gesicht so dass ich einen Hustenanfall bekam.
 

Es war die gleiche Marke wie mein Erzeuger sie geraucht hat. Normalerweise fand ich dass alle Zigaretten gleich stanken, aber diesen Gestank würde ich unter Millionen von verschiedenen Gerüchen wieder erkennen.

„Dürfen wir spazieren gehen?“ hatte meine Mutter jedes Mal gefragt wenn er mal wieder eine nach der anderen qualmte.

Die Antwort war jedes Mal die gleiche, sie durften es nicht.

„Darf ich wenigstens ein Fenster öffnen?“

Auch das war nicht gestattet.

Wir durften nicht mal das Zimmer verlassen. Schon bald konnte man nur noch blauen Dunst sehen und wenn sie husten musste hielt meine Mutter mir den Mund zu um ihn zu ersticken und schaute dann jedes Mal mit angstvollen Augen zu ihm. Ihren eigenen Hustenreiz unterdrückte sie, trotzdem konnte sie ein leichtes Hüsteln nicht verhindern und irgendwann brach er mit aller Macht hervor. An solchen Tagen schrie sie am Abend besonders laut.

Und eines Tages hatte sie Blut gespuckt.

„Kaori, du weist doch das deine Mama krank ist und deshalb fahre ich zur Kur nach Bad Frischlufthausen damit es mir bald wieder besser geht. Der Ort ist berühmt für seine frische Luft.“

Ich klammerte mich weinend an das Bein meiner Mutter

„Ich will aber nicht das du gehst. Bleib hier! Ich will nicht mit ihm alleine sein.“, schluchzte sich

„Das weis ich doch mein Schatz, aber du möchtest doch sicher dass deine Mama schnell wieder gesund wird.“, sprach sie beruhigend auf mich ein.

Immer noch an ihr Bein geklammert nickte ich.

„Sei stark und pass auf dich auf. Es dauert auch nicht lange. Ich bin bald zurück.“

Ihre Stimme und der letzte Satz prägten sich tief in mein Gedächtnis ein. Doch wie lange ist bald? Ein paar Tage, ein paar Wochen oder noch länger?

Nicht eine einzige Nachricht hat sie geschickt.

Und dann kam der Anruf der alles veränderte!

„Hör zu Kaori. Die Kurklinik hat angerufen. Deine Mutter ist verschwunden!“

Von diesem Augenblick an hat er aufgehört zu rauchen, dafür kam er jetzt jede Nacht zu mir. Bis heute habe ich die Hoffnung nicht aufgegeben dass sie eines Tages vor mir steht. Was würde sie sagen wenn sie wüsste dass ich sein Kind in mir trage?
 

Die Frau beachtete mich nicht weiter und ging mit wiegenden Hüften scharwenzelnd auf zwei schmierige Typen zu, anscheinend war sie eine Stammkundin von Enrico.

Auf keinen Fall möchte ich so werden wie diese Frau, alle paar Monate zu jemand wie Enrico gehen zu müssen.

„Na los, komm schon rein!“, hörte ich ihn auf einmal sagen.

Drinnen schaute ich mich um, obwohl ich wusste dass sich nichts verändert hat.

„Wie hast du dich entschieden?“

Wie immer die gleiche Frage mit der darauf folgenden gleichen Antwort. „Ich habe mich noch nicht entschieden, ich brauche noch Zeit zum nachdenken.“

„Überlege nicht zu lange sonst kann ich nicht mehr helfen und es ist unumgänglich.“ Auch das war jedes Mal dasselbe.

Wie immer nickte ich daraufhin leicht mit dem Kopf um dann nach draußen zu gehen.

„Warte!“, wurde ich aufgehalten, „Wie lange willst du dich noch vor der Entscheidung drücken? Was machst du wenn es soweit ist, wenn es wirklich unumgänglich ist? Wirst du es dann bekommen oder dich umbringen?“

Diese Fragen waren neu! Und es schockte mich. Nicht dass ich noch nie darüber nachgedacht hätte, sondern weil mir die Entscheidung bisher noch in weiter Ferne gerückt schien und jetzt mir aber bewusst wurde dass der Zeitpunkt immer näher rückt.

„Wieso fragen sie?“ Ich drehte mich zu ihm um, vermied es aber ihn direkt anzusehen. „Es ist ja sehr nett das sie sich sorgen um mich machen Enrico, aber das lassen sie mal meine Sorge sein.“, winkte ich leichtfertig ab.

„Es geht mir ausschließlich nur um das Kind!“

„Um das Kind? Sie haben gut reden, sie sind ein Mann, sie werden niemals in meine Lage kommen. Also hören sie auf solche Töne zu spucken!“ Was bildet sich dieser Fatzke überhaupt ein? Er war doch nur dazu da um das Ding in ihr weg zu machen und kein drittklassiger Psychiater der mir neugierige Fragen stellt.

„Du hast Recht, ich werde niemals in deine Lage kommen. Aber die Frage die du dir stellen musst ist doch folgende: Bin ich in der Lage mein Kind zu lieben?“ Es zu lieben? War ich wirklich dazu in der Lage es zu lieben? Die Antwort war einfach; Nein, das konnte ich nicht. Das sah man doch schon allein deshalb weil ich es als Ding bezeichne.

Ich sprach diese Antwort jedoch nicht laut aus.

„Erinnerst du dich an die Frau von vorhin? Sie ist eine meiner Stammkunden. Kannst du dir vorstellen das sie ein Kind großzieht?“

„Nein.“, sagte ich ehrlich.

„Sie nämlich auch nicht. Man kann von ihr halten was man will, aber sie ist klug genug zu erkennen das man das einem Kind nicht antut.“

„Aber das ist einfach nur Mord!“, rief ich aufgebracht.

„Einfach nur Mord? Warum bist du dann hier?“

Ja, warum war ich hier? Hatte ich nicht selbst versucht es einfach raus zu schneiden? Wie kann ich mir da das Recht heraus nehmen über andere zu urteilen?

„Was glaubst du, wie ein menschliches Wesen sich fühlt wenn es einfach liegen gelassen wird?“

Liegen gelassen? Hatte meine Mutter mich nicht auch bei ihm liegen gelassen? Ist sie deswegen nicht wiedergekommen? Hätte meine Mutter mich abgetrieben wenn sie die Möglichkeit dazu gehabt hätte? Nein, halt! Diese Gedankengänge führen zu nichts. So was stelle ich mir lieber erst gar nicht vor.

„Entschuldige bitte.“, sagte er dann und hielt sich die Hand vors Gesicht wie als ob er Kopfschmerzen hätte, „Ich wollte dich nicht unter Druck setzen. Aber tu mir ein Gefallen und komm erst dann wieder wenn du dich wirklich entschieden hast.“

„Bevor ich gehe hätte ich da noch eine Frage.“, erst jetzt sah ich ihn an.

„Und die währe?“

„Warum haben sie eigentlich so geschrieen als sie Tori gesehen haben?“

„Meinst du das Mädchen von neulich? Du erwartest doch jetzt sicher nicht dass ich dir meine halbe Lebensgeschichte erzähle, aber eins kann ich dir sagen.

Vor dreizehn Jahren fand ich ein Neugeborenes das jagte mir eine Heidenangst ein, so eine große Angst hatte ich noch nie gespürt, ich dachte ich sterbe und ich habe es mir auch gewünscht das ich es tue.“

„Ein Baby?“, lachte ich belustigt, „Babys sind doch völlig hilflos.“

„Lach nur.“, schnaubte Enrico beleidigt und setzte sich mit verschränkten Armen auf einen Schemel, von mir abwendend und schob seine Unterlippe nach vorne. Schon bald drehte er sich aber wieder um. „Jedenfalls war dieses Baby der Grund dafür warum ICH meinen Sohn liegen gelassen habe.“

Diese Worte sprach er so ernst aus das ich keinen Zweifel hatte dass er glaubte die Wahrheit zu sprechen und es nicht erfunden hatte.

Ich lehnte mich an die Wand und verschränkte ebenfalls die Arme, meine Beine hatte ich dabei über Kreuz. „Das verstehe ich nicht. Wie kann das denn sein?“

„Wenn ich das wüsste.“, schüttelte er den Kopf.

„Was hat das ganze denn jetzt mit Tori zu tun?“, es interessierte mich wirklich.

„Ich weiß es ist schwer zu glauben aber dieses Mädchen erinnert mich an dieses Baby.“

„Das ist doch lächerlich!“, Ich trat mit ausgebreiteten Armen einen Schritt auf ihn zu, „Das bildest du dir ein. Genauso gut könnte es jeder andere sein.“

„Sie ist es.“, war er fest davon überzeugt und kippelte ein wenig mit dem Schemel, „Ich habe bei ihr die gleiche Angst gespürt wie damals. Wenn ich dir einen Tipp geben darf. Halte Abstand zu ihr!“

Abstand halten? Mir blieb doch gar nichts anderes übrig. Tori sorgte doch schon selbst dafür dass wir uns nicht zu nah kommen.

„Ich glaube immer noch das sie ein friedfertiger Mensch ist und schon gar nicht eine Kreatur des Unglücks.“
 

Ein größeres Dorf, fast schon eine Kleinstadt, um den Ort herum erstreckte sich Wald wohin das Auge reicht nur ab und zu von freieren Flächen unterbrochen wo dann Wiese und Busch ihren Platz fanden. Etwas weiter weg erhob sich wie aus dem Nichts heraus ein Hügel. Auf ihm stand eine mittelalterliche Burg in der einst Fürsten oder sogar Könige gehaust haben. Wer jetzt denkt, da wohnt keiner mehr und auf ihr würden sich nur noch Touristen tummeln, der irrte sich. Diese Burg war schon immer eine Festung gewesen und bis heute hat sich nichts Großartiges daran geändert. Natürlich ging man mit der Zeit und die Verteidigungsanlagen wurden modernisiert. Der neuste technische Schnickschnack, von der Überwachungskamera bis hin zum Wärmesensor, hatte hier seinen Platz, ohne das die Burg ihren mittelalterlichen Charakter verloren hat.

Vor dem Tor aus Massivholz saß ein Mann, er war etwa 70 bis 80 Jahre alt und wenn man genau hinsah konnte man erkennen das es der gleiche Mann ist der Herrn Kichi auf dem Parkplatz das Paket überreicht hatte (siehe Kapitel 15). Er schaute einem Mädchen, gekleidet in einem pinkfarbenen Kleid mit weißen Rüschen und blonden Haaren die es offen trug, welches auf ihm zukam, entgegen.

Sie blieb vor ihm stehen und man hatte den Eindruck dass es ihr schwer fiel ihn direkt anzusehen.

„Hallo Tori, “, begrüßte er sie, „du bist ja ganz in rosa, welch ungewöhnlicher Anblick. Fühlst du dich da drin überhaupt wohl?“

Sie antwortete ihm nicht, das sonst so für sie typische Lächeln ist aus ihrem Gesicht verschwunden, so als ob es nie da gewesen war, stattdessen konnte man eine Mischung aus Verzweiflung und Entschlossenheit darin erkennen.

„Es überrascht mich nicht wirklich dass du wieder da bist. Wir haben es dir alle gesagt, du kannst kein normales Leben führen, du bist überhaupt nicht in der Lage dazu. Ich hoffe du hast deine Lektion gelernt.“

Sie senkte ihren Kopf, richtete ihre Augen schräg nach unten, wich somit seinem Blick aus. „Wie auch immer, mein Sohn wollte dich sprechen sobald du wieder da bist.“

„Ja, Großvater.“
 


 


 

Dinge die keinen interessieren die ich aber trotzdem hier hin schreibe:
 

Ich habe eigentlich überhaupt keine Ahnung von Gott Engeln, Dämonen, Teufeln und all dieses Zeug, sprich von Religion. Nur das sich da keiner wundert.

Da das aber in einer alternativen Welt spielt muss es ja nicht alles richtig sein, wie es in der Bibel steht oder so, denke ich. Nur das die Engel als die guten und die Dämonen als bösen gelten ist bei mir gleich.

Obwohl *grübel grübel* mir ist aufgefallen das die Engel in meiner Geschichte in dieser Beziehung nicht ganz so gut wegkommen, muss dringend versuchen das zu ändern.
 

Also bis zu nächsten Mal

Eure kariyami



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