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Grenzgänger

von

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Vollmond

Johannes war neu, und deshalb froh, gleich von einem freundlichem Jungen namens Markus auf eine Party eingeladen zu werden. Er war zwar auch schüchtern, bei all den vielen Menschen, die um ihn herumschwirrten, aber er hatte auch schon mit zwei Leuten gesprochen und den Grundstein für eine Freundschaft gelegt.

Kai und Klaus waren eine Zwei-Mann-Clique, die anscheinend aber auch mit allen anderen gut klar kamen. Im Moment hatten sie sich einer größeren Gruppe angeschlossen, von denen ihm einige fast schon auf den ersten Blick unsympathisch erschienen waren. Zumindest einen hielt er war rechtsradikal, da war er sich sicher. Außerdem veranstalteten sie ein Saufspiel mit etwas das sie `Franks Spezialmischung´ nannten. Er hatte an sich nichts gegen Alkohol, nur gegen den Morgen danach, den er schon zwei mal erlebt hatte. Er wusste zwar, das er von einem Betrunken sein noch weit entfernt war, aber recht bald schon würde er beschwipst sein.

Er schnappte sich deshalb erst einmal ein großes Glass Wasser und lehnte sich an eine der Birken an, die mit Lampions behangen über den Garten verteilt waren. Er atmete die etwas frische Nachtluft ein, und lauschte den Liedern im Hintergrund und stellte lächelnd fest, dass es solche Lieder waren, an die man sich nach einigen Monaten nie mehr erinnern würde...

Sein Blick schweifte durch den Garten, in dem mehr als seine Klasse verteilt waren, und jeder trotzdem noch gut Platz hatte. Die Schwester des Gastgebers stand mit ein paar anderen Mädchen an der Hauswand. Das Mädchen, das ihm am meisten auffiel, er wohl nur am Rande wahrnehmen sollen. Es hatte etwas längeres als schulterlanges braunes Haar, das aussah, als würde sie es selber schneiden, allerdings erweckte es einen niedlichen Eindruck auf ihn, anders als die hochgesteckten oder `modisch-langweiligen herunterhängenden Haaren der anderen Mädchen, die ihre blonde Farbe wohl auch nur durch eine Färbung hatten.

Ein weiterer Unterscheid war die Kleidung. Ihr Rock war der einzige, der unter den Knien endete und aus irgend einem anderem Material war, aber nicht aus dem Kord, das momentan In war, ihm jedoch erschien wie die Essenz der Hässlichkeit.

Eben jenes Mädchen wurde von den anderen Mädchen, die, wie er jetzt bemerkte anscheinend ihr Gesicht einige Zentimeter unter dem Make-up trugen, gedrängelt und von mehreren Seiten auf sie eingeredet. Man gab ihr einen Schubs in seine Richtung und die Mädchen kicherten, während das andere Mädchen langsam, mit einem hochrotem Kopf auf ihn zukam. Er spürte, wie sein Kopf den ihren nachahmte weil ihm klar wurde das sie bemerkt haben mussten, dass er sie die ganze Zeit angesehen hatte.

Sie stellte sich neben mich und lies ihre prall gefüllte Tragetasche kurz über dem Boden baumeln.
 

„Ähm..."
 

wollte sie mit ihrer sanften Stimme anfangen, doch sie unterbrach sich selbst und schaute auf den Boden. Plötzlich fühlte er sich so schuldig, fast so, als hätte er sie in diese Lage gebracht. Deshalb entschied er sich einfach irgendetwas zu sagen.
 

„Also... weißt du, ich bin neu hier."
 

Sie schaute ihn an und lächelte schüchtern, wohl froh, das er etwas gesagt hat, was keine doofe Frage war.
 

„Ich auch. Ich bin vor einer Woche erst hier hingezogen. Deshalb meinten die da hinten wohl, das wir zueinander `passen´ würden."
 

Seltsamerweise fand es Johannes schade, das sie passen so ausgesprochen hatte, als würde es für sie nicht in Frage kommen, ihn kennen zu lernen, auch wenn es nicht unfreundlich war. Er entschloss einfach nicht auf dieses Gefühl einzugehen, denn die Körpersprache des Mädchens war eher freundlich als distanzierend.
 

„Also ich bin Johannes Tagebauer."
 

„Ich bin Hanna, Hanna Züricher und uhm... können wir uns nicht irgendwo hinsetzen?"
 

Sie deutete mit einem kurzem blick auf ihre hochhackigen Schuhe. Johannes lächelte kurz und sagte:
 

„Klar, aber irgendwann muss mir mal ein Mädchen erklären, warum ihr Mädchen Dinger überhaupt anzieht, wenn sie euch doch nur stören..."
 

Dann setzten sich die beiden in Bewegung in Richtung der Bänke. Als Hanna gerade ausholen wollte um wohl etwas zu sagen wie `Also das ist so...´, wurden sie von Kai und Klaus, die schon sichtlich abgefüllt waren, abgefangen.
 

„Hey Jo! Komm doch mit uns bisschen was trinken... Deine Freundin soll auch kommen!"
 

Und schon wurden die beiden, denen das ganze sichtbar peinlich war getrennt und ihnen wurde Franks Spezialmischung aufgetischt. Bevor sie nicht ein paar Gläser getrunken hatten, wussten sie nicht, das in der Klasse Frank das Pseudonym für den Teufel war. Es stammte wohl aus irgend einem Film, der einmal Kult gewesen war.

Nach ein paar Runden, Johannes hätte sie an einer Hand abzählen können, wäre er in der Lage gewesen festzustellen, wie viele Finger sich an ihr befinden, wurden sie entlassen.

Es hatte viel Gelächter gegeben über ihren Gesichtsausdruck, als beide das Zeug das erste mal simultan wieder ausgespuckt hatten. Das Ganze war auf und um die Kerze gelandet, die auf dem Tisch stand und die Größe ihrer Flamme spontan verdoppelt hatte.

Irgendwann, etwa nach dem zweitem Glas waren sie dann ins allgemeine Gelächter eingestiegen.

Fliehen konnten sie, als die anderen die Szene in dem Frank-Film nachstellten, in der der Teufel dramatisch abtritt. Sie schlichen sich zwischen der grölenden Masse- fast alle hatten sich nun um den Tisch mit dem starkem Alkohol versammelt- zu einer abgelegenen Stelle des Gartens.

Inzwischen war es jedoch empfindlich kalt geworden und Johannes nahm den Pullover, den er um seine Hüfte gebunden hatte und zog ihn an. Auch Hanna holte einen khakifarbenen Pullover aus ihrer Tasche hervor und zog ihn sich über.

Sie setzten sich auf eine Decke, die irgendwer ausgelegt hatte und streckte die Beine aus.

Der Vollmond schaute zwischen den überall am Himmel verteilten Wolken genau auf sie herab und schien die Welt zu erleuchten, doch die Stille war zurückgekehrt. Nachdem sie den Mond betrachtet hatten, bemerkten sie einander wieder, sie schauten sich an, lächelten kurz, und schauten dann wie peinlich berührt auf ihre Füße. Johannes fühlte sich fast elend, wegen dieser saugender Stille, die nach Worten verlangte, nicht nach der Musik und dem Lachen aus dem Hintergrund.

Plötzlich zog Hanna ihre Schuhe aus.
 

„Hier. Probier mal an.“
 

„Wenn du mich so nett bittest.“
 

Etwas verunsichert und vielleicht etwas vom Alkohol geprägt antwortete Johannes auf diese unerwartete Aufforderung. Nur zögerlich zog er seine Schuhe aus.
 

"Ich dachte nur, weil du nicht verstehst warum man solche Schuhe nur anziehen kann, solltest du es einfach mal ausprobieren."
 

Auch Hanna war eher zögerlich und fast so verschüchtert wie Johannes, der jedoch die Gelegenheit ergriff um eine unangenehme Situation durch eine eher belustigerende und auch etwas interessantere einzutauschen, die er später einfach durch den Alkohol entschuldigen konnte. Er nahm ihre Schuhe in die Hand und stellte fest, das sie tatsächlich die gleiche Schuhgröße hatten, was daran lag, das sie etwas größere und er etwas kleinere Füße hatte, als der Durchschnitt ihres jeweiligen Geschlechts.
 

"Und du denkst ich verstehe es, nur in dem ich diese Dinger anziehe?"
 

Wollte er belustigt wissen, der zwar nicht daran glaubte, aber wenigstens kam man jetzt zu einen Gespräch. Hanna antwortete ebenso belustigt, wenn er auch nun heraushören konnte, das sie den Alkohol etwas schlechter vertragen hatte als er.
 

"Natürlich, wahrscheinlich wirst du nichts anderes mehr tragen wollen. Es ist zwar manchmal etwas unangenehm, aber irgendwie auch ganz nett... Ich kann’s einfach nicht beschreiben, deshalb.... Probier doch einfach. Ich kann im Moment sowieso nicht so gut darin gehen, du musst sie mir dann demnächst wiedergeben."
 

Sie schloss diese Worte mit einem unglaublich schönem Grinsen und Band sich seine Turnschuhe mit einem kleinem Ruck zu. Johannes zog Hannas Schuhe etwas langsamer an um sie etwas besser kennen zu lernen, weil ihm das ganze -trotz der Rumalberei- etwas suspekt war. Sie waren dunkelblau wie seine Jeans und sahen etwas wie Turnschuh aus, allerdings nur etwas. Sie sahen sehr viel... weiblicher aus, außerdem waren die Sohlen etwas verstärkt und es waren eben erhöhte Sohlen am hinterem Ende angebracht. Er schlüpfte in sie hinein und verschloss sie and den Schnüren. Dann schaute er mit zwei überraschenden Erkenntnissen in Hannas Gesicht. eine davon war, das sie gesagt hatte, das er die Schuhe eine Weile tragen sollte, doch die andere schien ihm interessanter:
 

"Das heißt, wir werden uns wiedersehen?"
 

Hanna errötete, was für Johannes ein ja war und in ihm verwirrende Gefühle weckte. Spontan lächelte er sie an. Sie lächelte zurück. Ihm fielen ihre wunderschönen blaugrünen Augen auf, als sie wieder aus ihrer Welt geholt wurden.
 

"Hey Leute, was macht ihr denn hier ganz alleine? auch wenn ihr neu seid dürft ihr euch doch nicht so iso... iso... isolieren!"
 

Versuchte Kai trotz Trunkenheit zu sagen und sie wurden erneut auseinandergezerrt. Bald löste sich die große Gruppe auf, und dennoch wurden beide, zu Johannes größtem Bedauern von jeweils einer anderen Clique eingeführt und unter beschlag genommen. Um ihn hatten sich ein paar Jungs aus seiner Klasse und um sie ein paar Mädchen aus ihrer Klasse gebildet. Ab und zu tauschten sie ein paar Blicke aus um sich gegenseitig anzudeuten, wie viel sie von so etwas hielten, obwohl Johannes die Chance wahrnahm um wenigstens ein oder zwei weitere Leute kennen zu lernen. Bald verloren sich die beiden leider aus den Augen.

Seltsamerweise hatte keiner von den anderen ihren Schuhtausch bemerkt. Johannes, der erst ein bisschen unsicher gelaufen war, kam nun einigermaßen damit klar, auch wenn es schwieriger wurde, je mehr er sich von Franks `Zeug´ sich aufschwatzen lies, aber zum Glück waren es nicht so viele, das er richtig betrunken wurde, bevor sich die Party langsam aber sicher Auflöste.

Johannes wohnte nur ein paar Strassen und verabschiedete sich noch kurz vom Gastgeber, inzwischen wusste er, dass dieser Sebastian hieß, und schlenderte nur etwas schwankend auf den Gartenausgang zu.

Nun, da er für sich war, wurden ihm erst die vielen kleinen unterschiede klar, die die Schuhe auslösten: Wenn er damit einigermaßen sicher gehen wollte musste er einen Fuß mehr vor den anderen setzen, als er es sonst getan hätte, und damit war sein Schwerpunkt irgendwie... verschoben. Er musste jede Bewegung etwas anders Koordinieren, als er es früher getan hatte und...
 

"Hey du",
 

hörte er von einer lächelnden Person, die er nur zu gern wiedersah. Hanna war weit mehr als nur angetrunken war.
 

"Wo wohnst du? Wirst du nicht abgeholt?"
 

Wollte Johannes besorgt wissen.
 

"Ne, is nur n' bisschen weiter von hier, Einsteinstrasse."
 

"Das liegt bei mir auf dem Nachhauseweg, komm mit."
 

Trotz, das Hanna die `besseren´ Schuhe anhatte, musste Johannes sie immer wieder etwas stützen, damit sie nach Hause kam. Sie und sich selbst im Gleichgewicht zu halten forderte ihm etwas an Konzentration ab, während Hanna sich darauf beschränkte zu holpern, zu stolpern und zu reden.
 

"Weissu, es is seltsam, isch bin kaum hier, aber alles is wie vorher. Klar sind dat alles andere Personen, aber die sind doch irgendwie alle gleich... So als wär das alles hier eine Kopie... Oder meine alte Klasse war die Kopie, aber es is doch egal Kennsu das Gefühl, so als wäre alles normal? Nich normal normal, sondern nur normal? So als wäre alles nur ein Abklatsch seiner selbst, selbst die Mode is nich neu..."
 

So liefen sie eine weile. Ein mal kamen sie auch an einem Antiquariat vorbei, vor dem sich Hanna herzlich übergab, während Johannes einen Blick hinein warf. Der Mond spiegelte sich in einem wunderschön gearbeiteten Spiegel, dessen Rahmen mit vielen Verschnörkelungen überzogen war. Das Licht schien sein Spiegelbild zu verzerren, so dass er seltsam aussah, verschwommen und auch nicht so ganz wie er selbst. Doch er hatte in zu dieser zeit einfach nicht die Kapazitäten um sich weiter Gedanken um einen Spiegel zu machen.

Bald hatte sich Hanna dann so weit erholt, das sie ihren Weg fortsetzen konnten. Hanna redend und Johannes, kaum zuhörend, und schleppend. Das was er hörte schob er dem Alkohol in die Schuhe. Er fragte sich unwillkürlich, was er schon so alles gesagt hatte, während er betrunken gewesen war. Aber ganz bestimmt nicht so etwas, dachte er sich, denn ihm erschien alles in seiner neuen Klasse... neu. Nichts war wie vorher, und das war einigermaßen schwer für ihn zu begreifen. Vielleicht für so ein hübsches Mädchen wie Hanna, aber bestimmt nicht für ihn. Er erschrak kurz über seine eigenen Gedanken, als Hanna eindeutig nach links ausschlug. Sie waren inzwischen auf der Einsteinstrasse. Hanna lehnte sich an die Wand eines größeren Hauses mit zwei Etagen und begann in ihrer Tasche zu wühlen.

Als sie etwas klimperndes hervorzog und wieder fallen ließ, nahm Johannes ihre den Schlüssel etwas besorgt um ihren morgigen Zustand ab und schloss ihr Heim auf. Es brannte kein Licht innen, aber der Fliessehnboden war gepflegt und Landschaftsbilder von Bergen und Wäldern schmückten die Wände.
 

"Bis Morgen..."
 

Sagte Hanna noch, bevor sie an in der Tür verschwand und einen sich wundernden Johannes zurückließ. Morgen, so dachte er sich, ist Samstag. Und so machte er sich, müde und ein bisschen angetrunken auf den kurzen Weg zu seinem eignem Heim und ärgerte sich ein bisschen darüber, seine Schuhe nicht zurückverlangt zu haben, doch es wunderte, wie einfach es ihm schien, darüber hinwegzusehen um sich darüber zu freuen, das er noch etwas von ihr hatte, und seien es Schuhe mit Absätzen.

Die Schuhe lagen bald neben den überall im Zimmer verstreuten Resten seiner Sachen und glänzten leicht zwischen dem Mondlicht, das zwischen den Blättern der uralten Eiche, die wie eine Heilige seit Urzeiten, im Garten stand.



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