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Stadt der Engel

Schatten und Licht, Band 1
von

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Vergangenheit und Zukunft

Die Situation schien aussichtslos. Gefangen in einem kleinen, dunklen Kellergewölbe vernahm Siri das Tuscheln und Lachen von mehreren Dutzend Männern um sich herum. Sie war von einem Kegel aus matten Licht umgeben und daher für jeden anderen im Raum gut sichtbar. Am Leib trug sie ihren schwarzen Overall, ihre langen Haare zu einem schlichten Zopf zusammengebunden, während sie ruhig und berechnend abwartete. Plötzlich trat ein hoch gewachsener Mann in den Lichtkegel. Sein Gesicht konnte Siri nicht erkennen, doch die Stiefel mit dem leeren Dolchhalfter und seine Statur ließen nur einen Schluss zu. Vor ihr stand der Räuber, den sie erst gestern im Kampf besiegt hatte und wegen dem sie die Hälfte ihrer Haare eingebüßt hatte. Kaum hatte Siri sich daran erinnert, da spürte sie schon das sanfte Kitzeln ihrer Strähnen, wie sie an ihren Rücken entlang zum Boden fielen. Sie kümmerte sich nicht um sie.

Stattdessen erschien wie aus dem Nichts ein Schwert in ihrer Hand. Ihr Gesicht verzerrte sich zu einer bösartigen Grimasse, während in ihren Augen eiskaltes Feuer loderte. Ohne Vorwarnung griff sie an. Der Räuberhauptmann zuckte nicht einmal. Fast ohne Widerstand glitt ihre Klinge durch sein Fleisch und trennte ihn in zwei Teile, vom Hals bis zur Hüfte abwärts. Sofort stürzten sich die anderen Männer mit gezogenen Schwertern auf sie. Von allen Seiten aus wurde das Mädchen bedrängt, doch sie wich den Klingen geschickt aus, so als würde sie die Bewegungen ihrer Angreifer von vorne herein wissen. Dann bemerkte sie etwas. Es war eine Eingabe, ein Impuls, der sie dazu brachte die Spitze ihrer Klinge so schnell sie konnte in die scheinbar leere Dunkelheit zu stoßen. Wieder merkte sie nur wenig Widerstand, sah daraufhin aber einen Räuber direkt vor ihren Füßen liegen. Er war tot.

Es folgten weitere Impulse, denen Siri ohne Ausnahme folgte. Sie verfiel in einen tödlichen Tanzt aus dem es kein Entrinnen gab…für die Räuber.

Die Kriegerin wirbelte herum, schlug mit dem Schwert zu, trat um sich, fegte mit ihren Beinen dicht über den Boden durch die Reihen der Räuber. Sie fielen, einer nach dem anderen. Als sie schließlich den makellosen Fluss ihrer Bewegungen beendete, stand sie in einem Meer aus Blut und Leichen. Niemand war mehr übrig. Stolz hob sie ihren Kopf und blickte grinsend um sich.

Plötzlich erschien Allen vor ihr. Seine imposante Gestalt war von einem hellen Schein umgeben. Es schien fast so, als würde sein Inneres von selbst leuchten und ihn in diese Aura aus warmem Licht tauchen. Er nickte ihr voller Respekt zu, kam dann näher, beugte sich zu ihr herab, noch näher, bis seine Lippen nur noch wenige Zentimeter von den ihren entfernt waren. Die ganze Schlacht gegen die Räuber hatte das Mädchen nicht außer Atem bringen können, doch jetzt schlug ihr Herz wie wild und ihre Brust hob und senkte sich immer schneller. Seine Lippen berührten nun fast ihr eigenen und sie schloss ihre Augen. In ihrem wirbelten Scham, freudige Erwartungen und rationale Argumente wild umher. Gelähmt von dem Chaos in ihrem Kopf wartete sie auf den einen, den einzig wahren Kuss.

Das Pochen an einer hölzenren Tür schleuderte Siri aus ihrem tiefen Traum. Stöhnend wandte sie sich unter der Decke. Nur langsam konnte sie ihre Augen zwingen sich zu öffnen. Es war dunkel. Sie fand sich in ihrem Zimmer der Herberge wieder. Der Blick zum Fenster zeigte nicht den Hauch eines Sonnenstrahls. Trotzdem hämmerte jemand gegen Tür und damit auf ihr empfindsames Trommelfell. Genervt stand Siri auf, vergewisserte sich, dass sie durch ihr Unterkleid angemessen bedeckt war, und öffnete die Tür. Im Eingang stand Allen, sanft lächeln, so wie er es immer tat, mit einen mit Wasser gefüllten Schale und einer Lampe in der Hand. Über der Schale lag ein Handtuch, auf dessen gespannte Oberfläche sich eine große Schere und ein Kamm befanden.

„Was macht ihr denn zu so später Stunde noch hier?“, wunderte Siri sich.

„Deine Frage sollte eher lauten: Meister, was kann ich für euch tun so früh am Morgen?“, verbesserte Allen sie.

„Aber es ist doch Nacht.“, widersprach sie.

„Die Sonne geht in einer halben Stunde auf.“, informierte er das Mädchen. „Willst du mich denn gar nicht herein bitten?“

„Oh ja, natürlich.“ Der Tag fing ja gut an. „Bitte kommt herein, Meister.“

Siri trat verlegen zur Seite und ließ ihn passieren. Er stellte Schale und Lampe auf den kleinen Tisch im Zimmer und rückte einen Stuhl vor der Schale zurecht. Mit einer Geste wies er seine Schülerin an sich zu setzten, was sie erst nach langem Zögern tat.

„Was habt ihr vor, Meister?“, fragte sie unsicher.

„Ich schneide dir die Haare.“, antwortete der galante Ritter, als sei es selbstverständlich. Empört sprang Siri auf.

„Ihr macht was?“, rief sie entsetzt.

„Sei leise! Möchtest du die ganze Herberge aufwecken?“, mahnte Allen und legte sie Hände auf Siris Schulter. „Und ja, ich werde dir die Haare schneiden. Mit dem Chaos auf deinen Kopf kannst du dich in keiner Stadt blicken lassen.“

Siri gab widerstrebend nach und setzte sich wieder.

„In Ordnung.“, sagte sie. „Aber nur meine Spitzen und keine Experimente!“

„Was ist mit den Strähnen vor deinen Ohren?“

„Die behalte ich. So lange ich lebe, rührt die niemand an!“

Allen ließ ihr ihren Stolz. Er zog seine weißen Handschuhe aus und entfernte das Handtuch von der Schale. Sanft drückte er ihren Kopf nach hinten über die niedrige Lehne hinweg, so dass die Spitzen ihres Haares die Wasseroberfläche berührten. Allen fuhr mit seiner Hand immer wieder erst durch das Wasser und dann durch Siris Haar. Als ihr Haar schließlich sauber war, schlang er das Handtuch über ihren Hinterkopf und rückte den Tisch von ihr weg. Mit kräftigen Bewegungen massierte er ihre Kopfhaut, während er ihr Haar trocknete. Erst sträubte ich Siri gegen das angenehme Gefühl seiner Massage, ließ sich dann aber fallen und genoss seine Aufmerksamkeit. Schließlich lag er das Handtuch beiseite, zückte Schere, setzte den Kamm an und begann damit ihre Haarspitzen auf eine Länge zu schneiden.

„Meister, kann ich euch etwas fragen?“

„Natürlich.“, antwortete der Ritter, während er weiter seiner Arbeit nachging.

„Warum habt ihr mich als eure Schülerin ausgewählt?“

„Ich sah ein sehr großes Talent vor mir und wollte schon immer jemanden ausbilden, also ergriff ich die Gelegenheit.“

„Aber ich bin ein Mädchen.“

„Das spielt keine Rolle.“

„Aber…“

„Nichts Aber.“

Siri schwieg.

„Wer war euer Meister?“, fragte sie schließlich.

„Vargas. Er hat auch Van ausgebildet.“, antwortete Allen.

„Ich weiß. Es gibt wohl kaum jemanden in Farnelia, der ihn nicht kennt.“

Wieder entstand eine Pause.

„Du erinnerst mich übrigens an Van.“, sagte er in die Stille hinein.

„Wirklich? Ich erinnere euch an seine Majestät?“, wunderte sich Siri.

„Als ich ihn kenne lernte, war er genauso hitzköpfig und talentiert wie du, und hatte den Ehrgeizig es ganz allein mit dem gesamten Zaibacher Imperium aufzunehmen. Ich musste ihn mit Waffengewalt daran hindern.“, erzählte Allen. „In der Entscheidungsschlacht um Zaibach duellierten wir uns wieder und dort hatte er mich beinahe besiegt.“

Er beendete seine Arbeit.

„Verstehst du, was ich dir damit sagen will?“, hakte er nach.

„Nein, was soll ich verstehen, Meister?“, wunderte sich Siri.

„Dass auch du eines Tages so gut sein wirst wie ich. Ich glaube sogar, dass du mich überflügeln wirst. Alles, was du dafür aufbringen musst, ist Zeit, Geduld und harte Arbeit.“, ermunterte er sie und trat ein Schritt zurück. „Wie gefällt es dir?“

Erwartungsvoll strich Siri mit ihrer Hand über die Spitzen ihrer Haare, welche auf halber Höhe zwischen Kopf und Nacken endeten. Sie lächelte zufrieden.

„Hier.“, sagte Allen und hielt ihr ein Bündel Haarbänder hin, die sie auch sogleich ergriff. Mit einem band sie ihre kürzeren Haare zusammen, so dass ein Büschel am Hinterkopf entstand. Die beiden langen Strähnen vor ihren Ohren hatte sie zu zwei kunstvollen, gerade mal einen halben Zentimeter dicken Zöpfen geflochten und band diese mit den zwei kleinsten Haarbändern zu.

„Wie sehe ich aus?“

Allen legte in sein Lächeln noch ein bisschen mehr Wärme.

„Wie eine Frau, die ihre Gegner mit ihrer Schönheit, statt mit ihrem Schwert besiegen will.“

Angesichts Allens Schmeichelei dachte Siri sofort, dass sie wieder wütend auf ihn werden sollte, doch nichts dergleichen geschah. Sie war verwirrt. Damit er nichts merkte, drehte sie sich um und sprach laut: „Bitte geht, Meister. Ich möchte mich umziehen.“

„Selbstverständlich.“, antwortete der Ritter wie ein wahrer Gentleman und ließ sie allein. Siri setzte sich auf das Bett, ließ sich fallen und blieb noch eine lange Zeit liegen. Es dauerte, bis sie die Wirbel ihrer Gedanken soweit durch Rationalität unter Kontrolle brachte, dass sie sich wieder auf die Gegenwart konzentrieren konnte. Sie richtete sich auf und legte sich ihre Kleidung zurecht. Schließlich orakelte ihr der durch das kleine Fenster einfallende, orange Sonnenschein einen schönen Tag.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Doena
2010-11-24T21:01:47+00:00 24.11.2010 22:01
hmmmm...
ist sie ewta in Allen verliebt ?^^


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