Mission Daisuke
7. Mission: Daisuke
Nur wenige Tage und einige wiederum von Dai verpatzte Gelegenheiten später, wurde Schuldig in
aller Herrgottsfrüh von dem schrillen Klingeln des Telefons geweckt. Übermüdet, da
die letzte Nacht länger als geplant geworden war, weil Daisuke sich schlicht und ergreifend
geweigert hatte, ins Bett zu gehen, solange Ken noch da war, kämpfte sich der Telepath aus dem
Bett und schlurfte ins Wohnzimmer, um das Telefon zu suchen. Mit nur einem halboffenen Auge nahm er
endlich den Hörer, meldete sich knapp und hörte dann dem Anrufer zu. Je länger der
sprach, desto wacher wurde der Telepath. Als er nach guten zehn Minuten wieder auflegte, sank er
blass auf die Couch. Hatte er gedacht, Daisuke habe ihm bisher Schwierigkeiten gemacht? Was war dann
das jetzt? Ihm blieb wirklich nur eine Wahl: Er angelte erneut nach dem Telefon und tippte Kens
Nummer. Na, der würde sich freuen, um diese Uhrzeit von solchen Neuigkeiten geweckt zu
werden...
Ken, der grade dabei war sich anzuziehen, um auf seine morgendliche Joggingtour nicht schon wieder
verzichten zu müssen, schielte zum Telefon. Stirnrunzelnd hob er es hoch und erkannte ein Bild
von Schuldig mit einem lachenden Dai auf dem Arm, das er mal geschossen hatte, als sie zusammen
Eisessen gewesen waren. Lächelnd nahm er ab und schloss mit der anderen Hand die Hose.
„Schönen guten Morgen… Du bist schon wach?“, grinste er in das Handy und setzte sich aufs Bett,
um sich die Schuhe anzuziehen. „Hat der Kleine dich geweckt und du brauchst nen Babysitter, um mal
wieder ausschlafen zu können?“ Kens Laune war unvermeidlich gut. Immer wenn er einen Anruf oder
auch mal eine SMS von Schuldig bekam, schlug sein Herz höher und pumpte Adrenalin und
Glückshormone durch seinen ganzen Körper.
„Wenn`s nur das wäre...“, murmelte Schuldig bedrückt, auch wenn Kens gute Laune seine
eigene ein wenig anhob. „Ken, ich hab ein Problem. Ich muss für etwa zwei Wochen einen Auftrag
außerhalb Japans erledigen. Crawford sagt, sie können nicht auf mich verzichten.“ Das
war zumindest die Kurzfassung, die aber im Grunde wirklich alles sagte. Damit kam er auch schon zum
schwierigeren Teil dieses Gesprächs. „Kannst du für die zwei Wochen auf Dai aufpassen? Dir
Urlaub nehmen, oder so?“
Ken hob die Brauen. Oha… Na das konnte ja was werden. „Ehm… Ich kann nachfragen… aber ich
schätze, das sieht schlecht aus…“ Ken sah zur Uhr und fuhr sich durchs Haar. „Wann musst du
weg?“, fragte er dann. Seine braunen Augen waren noch immer auf die Uhr fixiert. Es war grade mal
sieben Uhr und Ken konnte sich nur schwer vorstellen, dass Schuldig jetzt gleich los musste.
Dennoch… Der Telepath wusste, dass er immer auf Ken zählen konnte. Auch jetzt, wenn es
nötig war.
„Der Flug geht heute Nachmittag“, gestand der Telepath ein wenig kleinlaut. „Es wäre echt toll,
wenn du dich um Dai kümmern könntest. Ich weiß sonst nicht, wohin mit ihm...“ Sowas
Dummes aber auch, echt! Als würde Ken nicht schon genug für ihn tun! Und Crawford wusste
doch auch ganz genau, dass er eigentlich nicht so einfach mal eben das Land verlassen konnte...
Resigniert seufzte Schuldig auf.
Ken schmunzelte leicht, nickte dann aber. „Ich komm gegen zwölf vorbei…“, sagte er dann und das
sanfte Lächeln auf seinen Lippen war deutlich in seiner Stimme zu hören. „Und dann schau
ich, wie ich das regeln kann…“ Er erhob sich und trat ans Fenster. „Mach dir keine Sorgen… Das
kriegen wir schon irgendwie hin.“ Trotzdem spürte Ken jetzt schon, dass er den Telepathen mehr
als nur vermissen würde. Immerhin stand er seit Monaten so ziemlich jeden Tag mit dem Mann im
Kontakt und sah ihn auch praktisch genauso oft. In den letzten Monaten hatte es vielleicht zwei oder
drei Tage gegeben, an denen sie sich nicht gesehen hatten, aber keinen einzigen an dem sie nicht
telefoniert oder anderweitig kommuniziert hätten.
Eine Welle heißer Dankbarkeit flutete durch Schuldigs Körper. Früher hätte er
sich nie träumen lassen, dass ausgerechnet einmal ein Weiß sein bester Freund sein
würde. Inzwischen gab es aber wirklich keine andere Bezeichnung für Ken mehr. „Danke!“,
antwortete er schlicht, lächelte dabei ebenfalls leicht. Bei dem Braunhaarigen war Daisuke in
den besten Händen, die man sich nur vorstellen konnte. „Bis nachher!“, murmelte er noch, legte
dann auf und machte sich daran, sich um alles Nötige zu kümmern, das er brauchen
würde.
Ebenfalls auflegend lehnte sich Ken mit der Stirn gegen die kühle Fensterscheibe. Die Sonne
schien bereits, war allerdings noch am Aufgehen, sodass sie noch nicht sonderlich viel Wärme
spendete. Doch es machte dem Weiß nichts aus. Allein die Stimme des Telepathen sorgte in ihm
für jede Wärme, die man sich wünschen konnte.
Nach seinem Joggingausflug, den er dazu nutzte, um darüber nachzudenken, wie er es schaffen
sollte, zwei Wochen lang auf ein Kind aufzupassen, ohne dass irgendwer von Weiß es mitbekam,
kam er zu dem Schluss, dass es unmöglich war. Nervös trat er schließlich aus der
Dusche, zog sich an und machte sich ein wenig ängstlich auf den Weg ins Wohnzimmer, wo er Aya
wusste.
Der Rotschopf hatte es sich mit der Zeitung auf der Couch gemütlich gemacht und genoss in aller
Ruhe seinen Kaffee. Lange würde er dazu nicht mehr Zeit haben, in einer halben Stunde musste
schließlich das Koneko geöffnet werden. Aber bis dahin... Genervt eine Augenbraue in die
Höhe ziehend musterte er über den Rand seiner Lektüre hinweg Ken, der sich so
auffällig vor ihm aufgebaut hatte, dass klar war, dass er irgendetwas wollte. „Was los?“,
forderte er den Kleineren knapp auf, endlich mit der Sprache herauszurücken.
Ken schluckte schwer. Die Laune Ayas sagte ihm gleich, dass es schwer werden würde,
tatsächlich zwei Wochen Urlaub zu bekommen. „Ehm… Ich wollte nur fragen.. ob es vielleicht
möglichst wäre, dass ich… zwei Wochen Urlaub bekomme…Weil…“ Doch Ayas Blick ließ ihn
schon abbrechen. Die violetten Augen sagten ihm eindeutig, dass er diese zwei Wochen nicht bekommen
würde. Resigniert ließ er den Kopf hängen. Wäre ja auch zu einfach gewesen.
Urlaub? Das Wort kam in Ayas sonst so großem Sprachschatz gar nicht vor. „Wozu willst du
Urlaub? Du bist doch eh die meiste Zeit nicht da“, wollte er wissen, wobei unschwer zu erkennen war,
dass ihm Kens neue Angewohnheit, jede freie Sekunde außer Haus zu verbringen, sowieso nicht in
den Kram passte. „Du siehst nicht aus, als würdest du dringend Erholung brauchen. Was ist also
los?“
Verlegen fuhr der Jüngere sich durchs Haar und kratzte sich leicht am Hinterkopf. „Naja… Ein
Freund von mir braucht meine Hilfe… Und… Es ist besser, wenn ich für die Zeit bei ihm wohne,
weil… es hier wohl nicht sonderlich angebracht wäre…“, versuchte er zu erklären. Unter
keinen Umständen wollte er Aya jetzt schon davon in Kenntnis setzen, dass ein KIND hier wohnen
würde, wenn er nicht seinen Urlaub bekam. „Es wären auch wirklich nur diese zwei Wochen…
Ab heute.. und dann brauche ich erstmal keinen mehr….“ Flehend sah er seinen Leader an. Er wusste,
dass das alles in noch viel größeren Stress ausarten würde, wenn er Daisuke einfach
herholte, aber anders ging es eben nicht.
„Vergiss es. Du weißt genau, dass wir in den nächsten Tagen eine ganze Menge Arbeit haben
und auch schon Doppelschichten fahren. Es kommt also gar nicht in Frage, dass dir jetzt
einfällt, dass du irgendwem helfen musst. Das kannst du von mir aus machen, wenn die Flaute
dann wieder einsetzt, so in vier oder fünf Wochen. So lange wird das wohl noch Zeit haben.“ Das
wäre ja noch schöner, wenn Ken sich ausgerechnet jetzt vor seiner Arbeit drücken
würde, befand der Weißleader.
Ken nickte nur rasch. „Schon okay.. Ich schaff das auch so…“, meinte er hastig und ehe Aya noch
etwas sagen konnte, verschwand er aus dem Wohnzimmer und rannte nach oben. Eilig zog er seine Schuhe
an. Gut… Dann würde Dai eben eine Weile hier wohnen müssen. Irgendwie würde das schon
gehen. Und die meisten ihrer Kunden waren so vernarrt in Kinder, dass er ihn auch problemlos mit in
den Laden nehmen konnte. Schnell machte er sich dann auf den Weg zu Schuldig und achtete darauf,
dass Aya nicht mitbekam, wie er schon wieder verschwand.
Der Telepath war gerade mitten unter dem Kofferpacken, als Ken, der inzwischen selbst einen
Wohnungsschlüssel hatte, eintraf. „Ich bin hier!“, rief er ihm aus dem Schlafzimmer zu. Nur mit
einem Handtuch um die Hüften bekleidet, weil er sich zuvor noch geduscht hatte, tigerte er
zwischen dem Schrank und dem Bett, auf dem der offenstehende Koffer lag, hin und her. Daisuke
saß ebenfalls auf dem breiten Bett und schaute seinem Vater neugierig und interessiert zu. Bei
jedem einzelnen Ding, das der Deutsche in seinem Koffer verstaute, schüttelte er allerdings den
Kopf und krähte sein entschiedenes „Nein!“
Ken war etwas außer Atem, doch er war pünktlich gekommen. „Hey ihr zwei…“, hauchte er bei
dem Anblick des Telepathen und schluckte wieder hart. Leicht leckte er sich über die Lippen und
versuchte, die Stromstöße zu ignorieren, die schon wieder in seine Lenden stoben. Doch
Dai lenkte ihn ab. „Keeeeeen!“, rief er sogleich aus und strahlte den Braunhaarigen an. Der
Weiß nickte grinsend und kam zu ihm. Ein wenig unsicher ließ er sich auf dem Bett nieder
und Daisuke krabbelte sofort zu ihm, um geknuddelt zu werden.
Ken hingegen musterte noch immer Schuldig, wie der seinen Koffer packte. Er hatte es aufgegeben,
sein Interesse verstecken zu wollen, und so brauchte er auch seine Blicke nicht im Verborgenen
halten.
Die Blicke, die Ken ihm zuwarf, spürte Schuldig förmlich auf seiner Haut brennen. Wieder
einmal entzündete sich ein Feuer in ihm, das sich nur schwer unter Kontrolle bringen
ließ. Gedanklich verdrehte der Telepath die Augen. Wieso hatten sie nur immer entweder keine
Zeit, oder wurden immer dann gestört, wenn es gerade interessant wurde? Nein, ermahnte er sich
selbst, solche Gedanken waren jetzt nicht sonderlich hilfreich. Er musste sich auf seine Arbeit
konzentrieren und nicht auf die Auswirkungen, die Kens eindeutige Blicke bei ihm auslösten.
Grinsend neigte sich Ken zu Daisukes Ohr. „Einen hübschen Papa hast du da, nicht wahr?“, fragte
er leise, als wenn Schuldig ihn nicht hören könnte. Dabei wurde er wieder leicht rot und
die Schmetterlinge in seinem Bauch spielten verrückt. Doch er ignorierte das. Daisuke musterte
seinen Vater und schüttelte erneut den Kopf. „Nein!“, kam es mal wieder von ihm, was Ken zum
Schmunzeln brachte. „Warte nur ab, bis du groß bist…“, grinste er und kitzelte den Jungen
leicht, der schrill zu lachen anfing.
Kopfschüttelnd beobachtete der Telepath die beiden auf seinem Bett und unterdrückte nur
mit Mühe ein schweres Seufzen. Das war das erste Mal, dass Ken überhaupt in seinem
Schlafzimmer war... Okay, anderes Thema, entschied er spontan, ehe er mit einigen unüberlegten
Handlungen wie seinen Sohn vor die Tür setzen und dann über Ken herfallen wichtige Zeit
vergeuden konnte. Statt dessen grinste er Ken zwinkernd an und nuschelte ein viel zu raues „Danke
für deine Hilfe!“. Mit mehr Schwung als nötig schloss er den Koffer, drehte sich ein
letztes Mal zum Schrank um, um sich eine Jeans und ein Shirt herauszunehmen, und liess das Handtuch
von seinen Hüften rutschen.
Ein verlegenes Lächeln huschte über Kens Lippen. „K-Kein Problem…“, hauchte er dann, als
auch schon Schuldigs Handtuch zu Boden ging. Scharf zog er die Luft ein und hielt Daisuke die Augen
zu, schloss die eigenen schnell. Daisuke kicherte leise und schob Kens Hand bei Seite. Das war doch
alles nicht zu glauben. Nun saß Daisuke da und streckte die Arme nach seinem Vater aus,
blinzelte ihn traurig an, als wenn er genau wüsste, dass Schuldig jetzt gleich gehen
würde. Ken atmete tief durch. Wie sollte er es bloß zwei Wochen ohne Schuldig aushalten?
Gezwungenermaßen aus dem Fenster blickend, weil alles andere nur der nackte Schuldig gewesen
wäre, leckte er sich wieder leicht über die Lippen.
Der Schwarz beeilte sich, in seine Klamotten zu schlüpfen und seinen Sohn auf den Arm zu
nehmen. „Du bleibst jetzt eine kurze Weile bei Ken, ja?“, lächelte er ihn an, als würde es
ihm nichts ausmachen, ihn allein zu lassen. „Und ich beeile mich und bin ganz schnell wieder da.“
Damit tippte er Ken, der immer noch stur aus dem Fenster starrte, auf die Schulter und drückte
ihm den Kleinen in die Arme. „Tut mir leid, ich muss los“, meinte er leise; ein Hauch von
Traurigkeit huschte dabei über sein Gesicht. „Aber ich ruf euch jeden Tag an. Versprochen!“ Er
griff nach seinem Koffer, zog ihn vom Bett und schleppte ihn in den Gang, wo er noch rasch die
Schuhe anzog und sich dann auch schon auf den Weg machte.
Ken nahm den Kleinen auf den Arm und brachte mit ihm Schuldig noch zur Tür. Er wollte ihn nicht
einfach so gehen lassen. Als der Deutsche die erste Treppe schon halb hinter sich hatte, trat er aus
der Wohnung und rief: „Schu!“
Ohne so recht zu wissen, was genau er denn wollte. Hart schluckte er und drückte Daisuke leicht
an sich, sah in die grünen Augen des Telepathen, die ihn fragend ansahen.
„Pass auf dich auf…“, lächelte er schließlich und Daisuke winkte leicht. Ken schmunzelte
und winkte ebenfalls.
Statt einer Antwort nickte der Orangehead nur grinsend, drehte sich dann um und lief entschlossen
weiter. Er wollte die beiden nicht wissen lassen, wie schwer es ihm fiel, sie alleine lassen zu
müssen. Erst als er schon in seinem Wagen saß, baute er eine rasche Connection zu Ken
auf. /Du auch!/, flüsterte er ihm zu, unterbrach die Verbindung anschließend sofort
wieder. Er atmete tief durch und startete das Auto. Für die nächsten beiden Wochen war er
ausschließlich ein Schwarz und nichts anderes.
Ken atmete noch einmal tief durch, dann betrat er das Koneko. An der Hand ein kleines, langsam neben
ihn hertapsendes Daisuke, das sich neugierig umsah. Yohji und Omi waren alleine im Laden. Na
immerhin etwas Glück hatte er. So flog er nicht gleich in hohem Bogen wieder raus. Doch es war
nur eine Frage der Zeit bis Aya einen Aufstand machen würde.
Auf dem Rücken hatte Ken einen Rucksack, voll gestopft mit diversen Klamotten und dem
Lieblingsspielzeug des Kleinen. Lächelnd sah er die beiden verblüfften Kollegen an. „Hey…
Darf ich vorstellen? Daisuke…“
Omi schoss wie ein geölter Blitz um die Theke herum und kniete sich vor den Kleinen. „Wo hast
du den denn aufgegabelt?“, erkundigte er sich strahlend bei Ken, indem er an dem Älteren von
seiner Position aus hochschielte. Yohji kam ein wenig zögerlicher auf Ken zu, beäugte
Daisuke misstrauisch und sah dann Ken skeptisch an. „Hat dir deine Tussi jetzt ihr Kind aufs Auge
gedrückt, oder wie?“ Er war ja noch immer der festen Überzeugung, dass Ken ihm seine
Freundin einfach verheimlichte.
Ken grinste nur vor sich hin. „Nein… Das ist der Sohn eines Freundes von mir… Er musste für
zwei Wochen überraschend… auf Geschäftsreise und hat mich gebeten, auf ihn aufzupassen,
weil… es sonst niemand tut…“, sagte der Braunhaarige verlegen und ließ Daisuke langsam los.
Dieser strahlte Omi an und es war deutlich zu sehen, dass er jetzt schon begeistert von dem
jüngsten Weiß war. Lächelnd beobachtete Ken, wie Daisuke auf Omi zuwackelte und ihn
interessiert musterte.
„Also irgendwie erinnert mich der an wen...“, grübelte Yohji laut, kam aber anscheinend nicht
wirklich darauf, an wen. Dafür grinste er aber auch gleich wieder verführerisch, schnappte
sich Daisuke, der auf unsicheren Beinchen immer noch auf Omi zutapste, und stellte sich mit ihm auf
dem Arm neben Ken, dem er den freien Arm um die Taille legte. „Guck mal“, forderte er den Kleineren
auf und deutete mit dem Kopf auf ein Schaufenster, in dem sie sich spiegelten. „Wir würden so
als Familie mit Kind doch echt toll aussehen!“
Ken hob die Brauen und musterte das Bild, nahm den kleinen Orangehead dann wieder an sich und schob
Yohji weg. „Sorry, aber dir stehen echt keine Kinder, Yohji!“, sagte er frech grinsend und setzte
Daisuke wieder vor Omi ab. Zumindest die beiden schienen schon mal nichts gegen Daisukes Anwesenheit
zu haben. Bei Omi vertraute er darauf, dass sich das auch nicht ändern würde, aber bei
Yohji… Wenn Dai den Älteren auch nur einmal um seinen Schlaf bringen würde, wäre es
aus mit dem Familientraum des Playboys.
„Alles nur eine Frage der Gewohnheit!“, lachte Yohji amüsiert. „Und du bist sicher eine
wundervolle Ersatzmutter für meine zukünftigen Kinder...“ Grinsend sah er zu, wie Daisuke
auf Omi zustolperte und sich unter munterem Gebrabbel an den Blondschopf hängte. Als der Kleine
dann allerdings den Kopf zu ihm drehte, ihn aus den unglaublich großen Augen lachend ansah und
ein fröhliches „Nein!“ quietschte, konnte sich Yohji nicht mehr halten vor Lachen.
Schmunzelnd stellte Ken den Rucksack erstmal ab. „Ich bin für Daisuke eine wunderbare
Ersatzmutter… das reicht…“, grinste er, wuschelte dem Kleinen dabei durchs Haar. „Und glaub mir,
Yohji, wenn ich dir sage, dass DU sicher keine Kinder haben willst…“ Damit band er sich die
Schürze um und warf noch einen Blick zu Omi und Dai. Hoffentlich würde keiner bemerken,
dass es sich bei Dai um einen Telepathen handelte, denn dann würde es jedem wie Schuppen von
den Augen fallen, WER der Vater dieses Jungen war.
Durch den Lärm im Geschäft angelockt, gab sich nun auch Aya die Ehre, nachzusehen, was
seine Kollegen schon wieder trieben. Er erstarrte förmlich zur Salzsäule, als er den
orangehaarigen Jungen erblickte, seine Augen wanderten so kalt wie nie zu Ken. „Wer ist das und was
will er hier?“, richtete er seine Frage an den Fußballer, denn nur der konnte seiner Ansicht
nach daran schuld sein, dass es hier auf einmal aussah wie in einer Kinderkrippe.
Stille. Daisuke stand da, dicht bei Omi und starrte den Weiß-Leader an. Nein. Ihn mochte Dai
gar nicht. Ken schluckte hart und erwiderte den Blick seines Leaders, schaute dann zu Daisuke und
wieder zu Aya. Nur um gleich wieder wegzusehen. Dieser Blick würde ihn umbringen, wenn er ihm
lange ausgesetzt war. Er schritt zu Daisuke und hob den Kleinen auf die Arme. Und gleich
drückte sich der junge Telepath an Ken und funkelte Aya weiter misstrauisch an.
„Das… ist Daisuke… der Grund warum ich eigentlich zwei Wochen Urlaub haben wollte…“, sprudelte es
aus ihm heraus. Sicher, er hätte auch lang und breit drum herum reden können, doch er sah
ein, dass das wohl keinen Sinn hatte.
Um Selbstbeherrschung bemüht, schloss Aya die Augen. Das war jetzt aber nicht wahr, oder?
„Bring ihn hin, wo du ihn her hast. Das Koneko ist kein Kinderspielplatz!“, befahl er eiskalt,
drehte sich um, ging ein paar Schritte Richtung Wohnung, blieb dann aber stehen, wandte sich noch
einmal um und musterte das Kind auf Kens Armen eingehend. Er blinzelte, schüttelte den Kopf,
begutachtete Daisuke dann ein weiteres Mal. „Irre ich mich, oder sieht der wie Mastermind aus?“
„Das geht nicht!“, protestierte Ken auf der Stelle und von Daisuke kam ein lautes „Neiiin!“ Doch
dann blieb Ken das Herz fast stehen. Er schluckte hart und musterte Daisuke von oben bis unten.
„Wie… Mastermind?“, fragte er gespielt verwirrt und sah dann Aya wieder an. „Kann sein… Ist mir…noch
gar nicht so aufgefallen…“ /Bitte, bitte, bitte, lass es ihn nicht merken… bitte nicht!/ Wenn Aya
mitbekam, dass er hier Masterminds Sohn auf dem Arm hatte, dann würden sie wahrscheinlich
gleich beide dem erbarmungslosen Katana zum Opfer fallen.
Stirnrunzelnd kam Aya wieder einen Schritt näher und fixierte den kleinen Jungen misstrauisch.
„Er sieht ihm wirklich ähnlich“, stellte er noch einmal klar. Allerdings liess seine Stimme
schon erahnen, dass selbst er so etwas für ausgemachten Blödsinn hielt. Weder einer seines
Teams noch einer der Schwarz würde so dämlich sein und sich ein Kind anhängen lassen.
Nicht bei DEM Job... „Und jetzt bring ihn weg!“ Doch hatte er nicht mit den vorwurfsvollen Blicken
seitens Omi und Yohji gerechnet, die ihn damit förmlich traktierten. Der Rothaarige stutzte,
räusperte sich und meinte dann, an den Ältesten und den Weißjüngsten gerichtet:
„Ihr könnt doch nicht im Ernst wollen, dass der hier rumkrebst! Wir haben für sowas keine
Zeit!“
„Trotzdem!“, schaltete sich Omi ein. „Er kann sonst nirgends hin. Sein Vater ist auf
Geschäftsreise…“ Fest sah er seinen Leader an und trat neben Ken.
Auch Yohji stellte sich wieder dicht neben Ken und wuschelte Daisuke durchs Haar, der dessen Hand
auswich.
„Eben… Wir schaffen das schon, Aya… Unsere Kunden werden nichts dagegen haben, wenn hier so ein
niedlicher Fratz rumtaumelt.“ Omi und Yohji sahen Aya mit einem Blick an, der kaum zu
entkräften war. In diesem Moment war Ken selbst Yohji unglaublich dankbar und nickte. „Nur zwei
Wochen, Aya. Dann ist er wieder weg und du musst ihn nie wieder sehen…“
Das ging extrem über Ayas Horizont hinaus. Dass Ken so verrückt war, ihnen ein kleines
Kind anzuschleppen, war ja in gewisser Weise noch nachvollziehbar. Auch dass Omi sich auf die Seite
des Kleinen schlug, war fast irgendwie noch klar gewesen. Aber dass auch Yohji dafür war, den
Jungen hier zu behalten, war mehr, als ein einzelner Leader verkraften konnte. Ungläubig
schüttelte er den Kopf. „Zwei Wochen!“, warnte er Ken vor. „Keine Sekunde länger. Und ihr
kümmert euch drum, ich will nichts damit zu tun haben!“ Immer noch fassungslos trabte er aus
dem Laden. Überstimmt wegen eines Babys... Soviel zum Thema Autorität.
Ken strahlte und Daisuke gähnte herzhaft. Lächelnd drückte Ken dem Jungen einen Kuss
auf die Stirn. „Na… Heute ist jemand tatsächlich bereit für einen Mittagsschlaf?“, grinste
er und als Antwort kuschelte sich Daisuke dicht an Ken. „Ich verschwinde mal ne Stunde mit ihm nach
oben…“ Dankbar sah er noch mal zu seinen beiden Kollegen. „Dann erlöse ich euch nachher…“ Und
damit verschwand er samt Rucksack und Schürze nach oben in sein Zimmer, um sich zusammen mit
Dai für ein Stündchen hinzulegen.
Grinsend sah Omi zu, wie dem Kleinen wirklich im Zeitlupentempo die Augen zufielen, und nickte Ken
zu. „Geh nur, wir machen das schon“, strahlte er den Braunhaarigen an. Kaum dass der mit seinem
Anhängsel im Wohnbereich verschwunden war, grinste er Yohji an. „Aya hat Recht. Daisuke sieht
wirklich beinahe wie Mastermind aus. Und ich dachte, so eine Haarfarbe gibts nur einmal...“
Absichtlich zog er das ein wenig ins Lächerliche, insgeheim nahm er sich aber vor, so bald wie
möglich mit Ken über den Jungen und dessen Vater zu reden.
Ken ließ sich zusammen mit Daisuke ins Bett sinken. Noch eine kurze SMS an Schuldig, dass sie
im Koneko waren und alles glatt gelaufen war bis jetzt und schon schlummerten sie ein. Sicher hielt
Ken den Kleinen im Arm.
Doch lange sollte Daisuke nicht schlafen. Als Ken noch tief im Land der Träume war, löste
sich Dai auch schon von ihm und kullerte mehr schlecht als recht vom Bett. Sich leicht den Hintern
reibend, zog er sich schließlich auf die Beine und tapste Richtung Zimmertür. Praktisch,
dass Ken sie einen Spalt offen gelassen hatte, denn so konnte Dai ohne Probleme lautlos aus dem
Zimmer verschwinden und seinen Weg durch die Wohnung fortsetzen.
Der erste, dem er dabei über den Weg lief, war ausgerechnet Aya. Der Rotschopf starrte den
kleinen Jungen an und atmete dabei tief durch. Das war ja SO klar gewesen! Bevor der Kleine einen
gekonnten Abgang über die Treppe machen konnte – denn danach sah es gerade sehr aus –
stürmte der Weißleader die Stufen nach oben und bewahrte das Kind vor einem Flug der
besonderen Art. Dass er Daisuke dabei auf den Arm nehmen musste, liess sich leider nicht vermeiden.
Ernst sah er in die grünblauen Kinderaugen. „Das solltest du besser lassen, wenn du heil zu
deinem Vater zurück willst!“, belehrte er den Kleinen und wunderte sich dabei über den
Klang seiner eigenen Stimme, in der im Moment nicht mal der kleinste Hauch Kälte mitschwang.
Daisuke blinzelte seinen Retter an und lachte dann wieder mit kindlicher Naivität. Seine
kleinen Ärmchen streckten sich nach Ayas Gesicht aus und spielerisch zog er an den roten
Strähnen. Seine Augen strahlten so unschuldig wie Kinderaugen nur strahlen konnten und er
quietschte wieder erfreut auf. So niedlich war der Kleine schon wieder, dass nicht mal Aya etwas
dagegen sagen konnte.
Seufzend schaute der Rotschopf das lebhafte Bündel in seinen Armen an. Na ganz toll... Strahlte
ihn der Kleine hier an wie ein Christbaum. Zaghaft erwiderte Aya das Grinsen mit einem schmalen
Lächeln. „Okay“, meinte er dann resignierend. „Ich glaub, du brauchst erst mal was zu Essen,
oder?“ Daisuke immer noch festhaltend, lief er wieder nach unten und stellte den Jungen in der
Küche auf den Boden. „Was hältst du von Misosuppe?“, bot er ihm an, das kategorische
„Nein!“ verursachte ein kleines Schmunzeln bei ihm. „Na komm, das kennst du sicher“, versuchte er,
Dai zu locken, der auch tatsächlich tollpatschig und unsicher auf ihn zu tappte.
Tatsächlich ließ er sich nach einigen vergeblichen Versuchen auch dazu durchringen und
aß, was ihm aufgetischt wurde. Dabei saute er wie üblich alles in einem Umkreis von zwei
Metern ein, inklusive Aya, doch er störte sich nicht groß daran. Immerhin hatte Aya ihn
zum Essen verführt, dann musste der nun auch mit den Konsequenzen leben können. Schmatzend
und immer wieder quietschend aß er und versuchte Aya auch zu füttern. Wieso sollte er
sich dauernd füttern lassen? Sollte der Andere doch auch mal das Angebot annehmen.
Gerade als Aya sich dazu durchringen konnte, sich von Daisuke etwas in den Mund schieben zu lassen,
bemerkte er, wie der Kleine förmlich grün anlief. Allerdings reagierte er einen Tick zu
spät, was zur Folge hatte, dass sämtliche Suppe, die der Kleine gegessen hatte, auf seinem
Shirt landete. Frustriert schaute er Rotschopf den Jungen an, das erste, was ihm dazu einfiel, war:
„Übertreib nicht so, SO schlecht schmeckt sie auch wieder nicht!“
Leise wimmerte Daisuke und begann dann herzerweichend zu weinen. Er wischte sich mit den schmierigen
Fingern übers Gesicht und schmiss bockig seinen Teller vom Tisch. Laut hallte sein Heulen durch
die Wohnung, sodass bald Omi auf den Plan gerufen wurde. Entsetzt stand er in der
Küchentür. „Was…“ Doch die Frage blieb ihm im Hals stecken, als er sah, was sich ihm da
für ein Anblick bot.
Beinahe dankbar über Omis Auftritt drückte Aya dem Blonden das schreiende Paket in die
Hand. „Stell den da ruhig und dann schau, dass die Küche wieder in Ordnung kommt!“, befahl er
dem Kleineren und raste aus der Küche, wobei er sich im Laufen schon das vollgesaute Shirt
über den Kopf riss. Hätte der Kleine nicht einfach sagen können, dass es ihm nicht
schmeckte? Grummelnd warf er sein Oberteil in die Waschmaschine, die Jeans gleich hinterher und
stellte sich dann unter die Dusche.
Daisuke hörte augenblicklich auf zu schreien und sah Omi an, grinste dann breit. Wieder ein
Grinsen, das arg an den Schwarz-Telepathen erinnerte. Erfreut wieder bei Omi zu sein, schmuste sich
der Kleine an den jüngsten Weiß und saute auch ihn mit der Suppe ein, die überall an
ihm klebte. Ken hingegen schlief immer noch seelenruhig. Auch ihn hatten die letzten Tage sehr
geschafft, sodass er sich jetzt nicht einfach vom Babygeschrei ein Stockwerk tiefer aufwecken
ließ.
„Du bist ein Ferkel!“, stellte Omi augenblicklich klar, erwiderte dann aber Dais Grinsen, als der
wieder sein bestimmtes „Nein!“ verlauten liess. Kopfschüttelnd musterte er den Jungen noch
einmal intensiv, stieg dann die Treppen nach oben und stieß die Tür zu Kens Zimmer auf.
„Schau dir den Faulpelz an!“, meinte er lachend zu dem Kind auf seinem Arm, stellte sich neben das
Bett und rief Ken direkt ins Ohr: „Hey! Dein Kleiner braucht was frisches zum Anziehen!“ Er
rümpfte ein wenig die Nase und fuhr dann fort: „Und eine neue Windel.“
Daisuke quietschte erfreut auf und zappelte mit den Armen nach dem Schlafenden. „Keeen!“, rief er
wieder aus und grinste noch immer. Der Angesprochene schreckte hoch und starrte die zwei verpeilt
an. „Ach je… Dai… Wie siehst du denn aus?“, murmelte er und gähnte herzhaft. Dann grinste er
leicht und erhob sich. „Was hast du mit ihm gemacht, Omi?“, fragte er frech und nahm Dai an sich. Er
setzte ihn auf dem Boden ab und zog den Kleinen aus. „Versucht ihn zu füttern, hm?“
Omi lachte glockenhell. „Ich nicht. Aya. Und anscheinend hat er Dais Geschmack nicht ganz
getroffen...“ Wie es dazu gekommen war, dass ausgerechnet ihr Leader sich um den Jungen
gekümmert hatte, wollte er im Moment gar nicht so genau wissen. Statt dessen nutzte er lieber,
dass er mit Ken gerade ungestört war. Tsukiyonos Miene wurde ernst, als er sich daran machte,
das auszusprechen, was ihm seit vorhin nicht mehr aus dem Kopf gegangen war. „Ken? Daisuke ist
Masterminds Sohn, nicht wahr?“
Ken verpasste Daisuke grade schmunzelnd eine frische Windel, als ihn Omis Frage erstarren
ließ. Hart schluckte er und sah zu Omi auf. Er wusste, dass er ein schlechter Lügner war.
Und erst recht, was Omi anging. Er konnte und wollte seinem besten Freund nicht so gradewegs ins
Gesicht lügen. Also atmete er tief durch und nickte dann langsam. „Ja… scheint fast so…“,
murmelte er verlegen und schaute Dai an. „Eigentlich ist es doch ziemlich erkennbar, hm?“ Unsicher
sah er wieder zu Omi auf und lächelte ihn schwach an, während Dai fasziniert mit einer
seiner eigenen kleinen Socken spielte.
Okay, irgendwie kam es Omi so vor, als hätte er im Moment lieber etwas anderes als das
gehört. „Es lässt sich nicht wegleugnen, nein“, meinte er auf die verblüffende
Familienähnlichkeit hin. Über das direkte Geständnis hin setzte er sich reichlich
neben der Spur auf Kens Bett und ließ die Schultern hängen. „Wie um alles in der Welt
bist du denn DAZU gekommen? Ich meine... Mastermind! Der Schlimmste von allen!“
Ken lächelte wieder und schüttelte den Kopf, während er Daisuke anzog. „Du irrst
dich, Omi….“, sagte er sanft und nahm den Jungen dann wieder hoch, setzte sich mit ihm neben Omi
aufs Bett. „Mastermind ist nicht schlimm… Genau wie wir macht er einfach nur seinen Job…“ Er seufzte
leise und sah Daisuke eine Weile schweigend an. Dann erzählte er Omi die ganze Geschichte,
erzählte, wie lange es nun schon so ging und was er schon alles zusammen mit Schuldig und
Daisuke erlebt hatte. Dabei ließ er bestimmte Details lieber weg, wie zum Beispiel die
Tatsache, dass Dai sie beide immer wieder erfolgreich davon abhielt, wie Tiere übereinander
herzufallen, und stellte alles so dar, als wäre nichts weiter als eine Freundschaft zwischen
ihm und dem Telepathen entstanden. „Naja... Und jetzt musste Schuldig nun mal für zwei Wochen
weg… Und wer hätte sonst auf den kleinen Racker hier aufpassen sollen?“
Als wenn er jedes Wort verstehen würde, übernahm Daisuke den Teil, den Ken ausließ,
indem er gewisse Bilder in Omis Kopf aufblitzen ließ. Omi wurde zuerst kalkweiß und
sofort darauf knallrot, sein Blick flog zu dem kleinen Jungen und anschließend mit einem
eindeutig panischen Ausdruck zu Ken. „Er ist...“, stotterte er entsetzt, bevor ihm aufging, dass
etwas anderes wichtiger war. „Du bist... Du hast... Ken, das ist WIDERLICH!“
Ken starrte Omi an und konnte sich schon denken, was geschehen war. Immerhin hatte Dai ihm diesen
Streich auch oft genug gespielt. Tadelnd sah er den Jungen auf seinem Schoß an. „Danke,
Daisuke… vielen herzlichen Dank…“ Er setzte den Jungen neben sich aufs Bett und erhob sich. „Ja und?
Dann findest du es eben widerlich! Auch wenn ich grade von DIR etwas anderes erwartet hätte!“,
fauchte Ken und blitzte Omi aus funkelnden Augen wütend an. „Denk dir deinen Teil dazu, oder
lass es bleiben… aber verschwinde!“
Nein… Das letzte, was er grade brauchen konnte, war ein ‚bester Freund’, der ihn ‚widerlich’ fand.
Daisuke sah ihn traurig an und Ken ließ nur ein abwertendes ‚Pff’ verlauten und wandte sich
ab, machte sich daran, die schmutzigen Sachen von Dai zusammenzusammeln.
„Nein, so hab ich das doch gar nicht gemeint!“ Omi hatte endlich einen guten Teil seiner Fassung
zurückerlangt und konnte sich genau vorstellen, wie sehr Ken ihn missverstanden haben musste.
„Ich find`s doch nicht widerlich, wenn dir Jungs lieber sind als Mädchen...“ Wie denn auch,
wenn man mit einem Yohji Kudou in einem Haushalt lebte und mitbekam, wie der regelmäßig
alles anbaggerte, was bei drei nicht auf den Bäumen war, einschließlich Ken und Omi
selbst. „Ich meinte... muss es ausgerechnet ein Schwarz sein?“ Hilflos und bedrückt betrachtete
er die Rückansicht seines Freundes, die der ihm beleidigt zudrehte.
Ken wirbelte herum. „Ich weiß, dass ich mir niemanden hätte aussuchen können, der
unpassender gewesen wäre! Aber ich kann auch nichts für meine Gefühle! Verdammt, Omi!
Schuldig ist kein Monster! Er ist auch nur ein Mensch. Und noch dazu Vater von einem wundervollen
Jungen!“ In Kens Augen glitzerten Tränen. Omi hatte ihm schmerzlich bewusst gemacht, in was
für einer Lage er sich befand. Und für ihn war klar, dass er noch nie nur mit Schuldig
hatte schlafen wollen, um dann wieder alleine zu sein. Er wollte diesen Mann ganz und gar. Und er
würde nicht aufgeben. Egal mit wem er sich dafür noch alles anlegen musste.
Einen Moment erstarrte Omi. Gefühle? Das war aber jetzt nicht Kens Ernst! „Du... du hast dich
verliebt?“ Ein Blick in die braunen, warmleuchtenden Augen des Anderen reichte, um Omis Verdacht zu
bestätigen. Seufzend schüttelte er den Kopf. „Du hast recht. Du hättest dir wirklich
keinen Unpassenderen aussuchen können...“ Es tat ihm in der Seele weh, seinen Freund so zu
sehen. „Und was ist mit ihm? Mag er dich auch?“ Wenn dieser Wahnsinn schon sein musste, so hoffte er
doch wenigstens, dass es auf Gegenseitigkeit beruhte und der Braunhaarige zumindest glücklich
war.
Ken zuckte nur leicht mit den Schultern und wandte sich wieder ab. „Das hoffe ich doch…“, murmelte
er nur und hob die Sachen hoch, die Daisuke mal wieder so eingesaut hatte. „Ich geh… das jetzt
waschen… passt du kurz auf ihn auf?“, fragte er dann leise. Doch er wartete nicht lange auf eine
Antwort, sondern verschwand aus dem Zimmer ins Bad, um die Klamotten in die Waschmaschine und die
Windel in den Müll zu verfrachten.
Daisuke saß da und sah Ken nach, blickte dann zu Omi auf und lächelte wieder mit einer
Unschuldsmiene, wie nur er sie drauf haben konnte. Er krabbelte auf den Blonden zu und ließ
sich auf dessen Schoß plumpsen, wobei er fast vom Bett kullerte.
Nachdenklich sah Omi Ken hinterher. Mitleid und eine dunkle, tiefe Trauer erfüllten ihn.
Automatisch hielt er Daisuke fest, als der es sich auf ihm gemütlich machte, aber so wirklich
bei der Sache war er nicht. Es dauerte eine ganze Weile, bis Omi sich so weit gefangen hatte, den
Sohn des verhassten Telepathen wieder anzusehen. Dabei wurde ihm bewusst, dass gerade er verstehen
sollte, dass man Kinder nicht nach deren Vätern beurteilen durfte. Sogar Aya hatte das
irgendwann begriffen, wofür Omi ihm heute noch dankbar war. „Mal ehrlich“, wandte er sich an
den Kleinen. „Glaubst du, dass das mit ihnen klappt?“ Daisukes Antwort war nicht gerade ermunternd.
„Neiiiin“, quietschte es wieder aus dem grinsenden Gesicht des Jungen. Ken nutzte diesen Moment, um
zurückzukehren. Er seufzte leise und schloss die Tür wieder hinter sich. „Wenn er nichts
für mich empfindet… dann ist das eben so… Aber ich hab den kleinen Teufel da ziemlich ins Herz
geschlossen in den letzten Monaten… Und er sollte nichts damit zu tun haben…“ Ken seufzte und setzte
sich wieder aufs Bett, nahm Daisuke an sich und sah ihn mit ausgestreckten Armen an. „Auch wenn er
sich mehr einmischt als mir recht ist…“
Wieder erklang das schrille „Nein!“ von Daisuke, das Omi so langsam zum Lachen brachte. „Kann der
eigentlich auch was anderes sagen?“, wollte er grinsend wissen, kam dann aber auf das
ursprüngliche Thema zurück und sah Ken ernst an. „Du kannst mir nicht erzählen, dass
es dich nicht stören würde, wenn er dich nicht auch mögen würde“, erklärte
er dem Anderen. Sein Blick wanderte wieder zu dem orangehaarigen Jungen, der vergnügt
strampelte und scheinbar auf den Boden gestellt werden wollte. „Er ist ein ziemlicher
Romantikkiller, was?“ So munter, wie der Kleine war, war es wohl leichter, einen Sack Flöhe zu
hüten.
Ken schmunzelte leicht und setzte den Jungen ab. „Ja… das ist er in der Tat…“, zwinkerte er Omi zu
und beobachtete Daisuke, wie der durchs Zimmer lief. Seine Art zu rennen ließ in einem immer
die Sorge aufkommen, dass er jeden Moment hinfallen könnte und immer wieder zuckte Ken leicht,
als wolle er aufspringen und Dai vor einem Sturz bewahren. „Ich werde schon sehen, wie sich das
alles entwickelt… und dann kann ich immer noch entscheiden, wie ich weiter mache…“ Und ob ihm der
Gedanke, dass Schuldig ihn einfach nur vögeln wollte, etwas ausmachte. Doch Ken konnte sich das
nur schwer vorstellen. Er wusste nicht warum, aber irgendwie hatte er das Gefühl, dass da mehr
war.
~*~tbc~*~