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First Love/Last Love

von

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First Love / Last Love

Sein Puls rast. Nervös nagt er an seiner Unterlippe. Verdammt, warum ist er nur so aufgeregt?
 

Dieses Mädchen. Sie hat ihm in den letzten Tagen und Wochen völlig den Kopf verdreht. Dabei hat alles so harmlos angefangen. In einem Internet Forum. Sie haben geplaudert. Über dies und das. Dann gechattet. Und irgendwie sind sie sich immer näher gekommen. Gleiche Interessen, gleiche Gefühle. Vereint im Geist, in der Seele voneinander berührt. Dieses Mädchen ist tief in ihm drin, als wäre sie schon immer dort gewesen. Ist sie nicht 'on', fühlt er sich krank und elend. In Sehnsucht verzehrt er sich nach ihr. Ist sie da, geht ihm das Herz auf. Dass sie dasselbe fühlt, steht für ihn außer Frage. Wie soll man solch ein Gefühl nennen, wenn nicht Liebe?
 

Und heute werden sie sich zum ersten Mal treffen. Es ist ein herrlich warmer Sommertag. Leise rascheln die Blätter der alten Parkbäume im Wind. Er atmet tief ein, Blütenduft kitzelt seine Nase. Sein Blick schweift über die große Wiese, auf der Gänseblümchen ihre Blüten dem Sonnenlicht entgegenstrecken, zu einer im Schatten einer großen Eiche malerisch daliegenden Parkbank. Aus der Ferne dringt Kinderlachen an sein Ohr. Der ganze Park wird von der Sonne in ein milchiges, unwirkliches Licht getaucht. Doch wo ist sie? Wird sie überhaupt kommen?
 

Er spürt einen Blick in seinem Rücken und dreht sich um. Das gleißend helle Licht der Sonne blendet seine Augen. Vorsichtig blinzelt er, dann stockt ihm der Atem. Im Schatten eines Baumes zeichnet sich schwarz die Silhouette eines schlanken Mädchens ab. Haare, die fast bis zum Boden fallen, flattern sanft im Wind. Sie kommt ihm vor, wie ein Engel. Sollte SIE es sein?
 

Verlegen blickt er an sich hinab. Hat er das richtige Äußere gewählt? Ein einfaches Leinenhemd, vor der Brust geschnürt. Eine enge, schwarze Jeans.

Vorhin kam er sich noch cool vor, doch jetzt? Klein und schäbig fühlt er sich, im Vergleich zu IHR.
 

Mit vor Staunen weit geöffneten Augen sieht er das Mädchen aus dem Schatten treten. Oh mein Gott, ist sie schön! Ihr hüftlanges Haar glänzt türkis, aus tiefgrünen, großen Augen blickt sie ihn liebevoll an. Sie trägt einen silberglänzenden, enganliegenden Einteiler. Ein kleines Lächeln huscht über ihre schmalen Lippen. Wie gebannt steht er da. Für einen Augenblick überlegt er sogar, wegzulaufen, so aufgeregt ist er.
 

"Ha..., hallo, ich... ich...", stottert er.

Das Mädchen strahlt über ihr wunderhübsches, herzförmiges Gesicht.

"Psst...", macht sie und legt Zeige- und Mittelfinger auf seinen Mund.

Ganz verdattert steht er da und lässt sich von ihr an die Hand nehmen.

Langsam führt sie ihn zu der Bank.

Er könnte platzen vor Stolz. Was für eine Traumfrau! Sie ist ein wenig größer als er, aber was macht das schon. Immer wieder weht der Wind Strähnen ihres langen Haares in sein Gesicht. Es riecht so gut. Und diese außergewöhnliche Farbe. Warm und weich liegen ihre schlanken Finger in seiner Hand.
 

Schweigend setzen sie sich auf die Bank. Diese Augen! Er könnte darin versinken. Als würden sie sich magnetisch anziehen, kommen sie sich immer näher, bis sich ihre Lippen sanft berühren. Ganz automatisch schließt er die Augen, konzentriert sich darauf, wie ihre Lippen auf den seinen liegen.

Leicht öffnet er den Mund und schon spürt er, wie ihre Zunge sich warm und weich auf die Suche nach seiner macht. Ist das ein Gefühl! Langsam wird er mutiger, umarmt sie mit der Linken, hält ihren Kopf mit der Rechten und küsst sie, küsst sie, wie er nie zuvor einen Menschen geküsst hat. Immer wieder berühren sich ihre Zungen, wie das kribbelt! Ganz warm wird ihm, fast ist es, als würden sie miteinander verschmelzen.

Der Kuss scheint eine Ewigkeit zu dauern, als würde die Zeit um sie herum stehenbleiben. Minutenlang liegen sie sich noch schweigend in den Armen. Soviel Liebe braucht keine Worte.
 

Doch plötzlich ist da etwas in ihrem Blick, etwas trauriges, melancholisches. In ihrer Brust zuckt es und sie greift sich an ihr Herz.

Milde lächelnd, fast als hätte sie es erwartet, flüstert sie "Es ist Zeit für mich. Ich muss jetzt gehen."

Das erste Mal, dass er ihre liebliche Stimme hört! Und dann spricht sie so schreckliche Worte.

"Nein, nein, das kannst du nicht. Du kannst doch jetzt nicht gehen, jetzt, wo es gerade so schön ist. Nein, bitte bleibe noch!"

"Ich kann nicht", traurig schlägt sie ihre Lider nieder, "es war schön mit dir."

Zärtlich streicht sie über seine Wange und blickt ihm tief in die Augen.

"Nein, geh nicht, bitte nicht." Entschlossen ergreift er ihre Schultern, drückt sie an sich und versucht sie festzuhalten, doch sie scheint sich zwischen seinen Händen in Luft auflösen.

"Vergiss nie, dass ich dich liebe..." verhallt ihre Stimme leise im Wind.

"NEEEEEEIIIIIN!"

Dann ist sie weg. Der Park liegt da wie ehedem. Doch ihm erscheint er nur noch wie ein böser Traum. Eine große Leere breitet sich in ihm aus. Einsam und tieftraurig flüstert er "EXIT".
 

Schweigend schaltet die Schwester das Beatmungsgerät ab und trennt die Infusionsschläuche. Vorsichtig nimmt sie der Verstorbenen den Cyberhelm ab.

"Mein herzliches Beileid."

"Danke", schluchzt die Frau, die immer noch die Hand ihrer verstorbenen Mutter hält. "Sie hatte ein erfülltes Leben. 92 Jahre sind ein stolzes Alter. Sie sieht so friedlich und glücklich aus, was mag sie wohl in ihren letzten Minuten gesehen haben?"

"Wir wissen nicht, was die Sterbenden mit dem Cyberhelm erleben. Aber seit wir ihn verwenden, scheint ihnen das Sterben leichter zu fallen, als würden sie sanft und friedlich in den Tod gleiten."

"Das ist gut zu wissen", erwidert die Tochter und wischt sich erleichtert eine Träne aus dem Augenwinkel.
 

In einer anderen Stadt, kilometerweit entfernt, nimmt ein Junge niedergeschlagen seinen Cyberhelm ab. Kalter Novemberregen prasselt auf die Dachflächenfenster, doch dem schenkt er keine Beachtung. Tränen schießen ihm in die Augen. Wie konnte sie einfach so verschwinden, gerade jetzt, wo sie sich endlich so nah waren? Sie hat doch nicht einmal EXIT gerufen. Er versteht das nicht. Nach und nach dämmert ihm, dass er sie nie mehr wiedersehen wird. Und das macht ihn traurig. Todtraurig. Den Kopf auf die Hände gestützt, lässt er seinen Tränen freien Lauf. Mehr und mehr durchfeuchten sie das Mathebuch auf seinem Schreibtisch. Die Arbeit morgen wird er wohl verhauen. Was soll's, muss er die 9. Klasse halt wiederholen.

Welche Rolle spielt das jetzt noch, jetzt, wo er SIE verloren hat?



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