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Hölleneis und Himmelsfeuer

Die Geschichte Lucifers - und des Teufels, der hinter ihm stand
von

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Rochade

Kurzer Hinweis:

Zum einen haben einige nach dem letzten Kapitel geäußert, Auriel nicht vollkommen und Lucifer weniger „unfähig“ darzustellen. Ich werde diesbezüglich keine Änderung an dem Kapitel vornehmen, weil dieser Eindruck durchaus beabsichtigt war. Tatsächlich handelt es sich dabei um eine Art Kunstvorgriff, den ich an dieser Stelle noch nicht weiter erläutern kann!

Zum anderen bitte ich euch, verstärkt die Entwicklung der Figuren zu beobachten =)

In dieser Geschichte steckt außerdem unglaublich viel Symbolik!

Tatsächlich kann man aus beinahe jedem Satz und jeder Geste eine Menge herausinterpretieren! Also an alle interpretations- und diskutierfreudigen unter euch:

Lasst euren Geist frei fliegen, den DIES ist dieses mal wirklich ein Text, bei dem sich die Autorin WIRKLICH bei allem etwas gedacht hat!
 

Ein samtener indigoblauer Himmel erstreckte sich sanft über dem Wasser, als die Sonne in leuchtenden Orangetönen hinter den Horizont tauchte, umhüllt von federgleichen sanften Wolkenfetzen, die wie eine durchscheinende Barriere aus goldenen Lichtstreifen das Abendrot durchzogen.

Das schiff, dessen weiße Leinensegel gespannt und nur von einer sachten Brise hin und wieder leicht bewegt wurden, schwebte leise über das ruhige dunkle Wasser, aus dem, so nahe an der Küste, in der Ferne glitzernde Felskegel auftauchten, einige wenige einzelne Wogen spiegelten in wirbelnden Facetten das atemberaubende Farbenspiel am Firmament wieder.

Nur wenige Personen befanden sich an Deck des kleinen Segelbootes, wurde es doch nur zu kleinen Fahrten am Rande der Felsengebirge an Land genutzt.

Die meisten von ihnen lehnten gedankenverloren an der glatt polierten Reling oder wanderten gemütlich über das kaum hörbar knarrende Holz, um dem letzten Erstrahlen der Sonne in ihrem alltäglichen Kampf in stummer Ehrfurcht zu bewundern.

Lucifer stand erhobenen Hauptes vorne am spitz zulaufenden Bug und spürte, wie kleinste Tröpfchen der Gischt seine Haut benetzten.

Er beobachtete das Wasser, das sich vor der Spitze des Schiffes sacht zerteilte, kurz schäumte, und dann schließlich verebbte, wenn sich die kleinen Wellen in der ewigen blauen Weite verloren.

Neben ihm hatte Auriel beide Arme auf das kühle Holz der Reling gelegt und betrachtete den glühenden Horizont, dem das im Vergleich dazu winzige Schiff trotzig entgegensegelte, als könne es seine goldenen Welt eines Tages erreichen.

„Es ist schön hier.“, sagte er leise und ließ den Blick wie im Traum in Richtung Küste schweifen. „Wie heißt dieses Land?“

Lucifer wandte sich dem schroffen Felsgebirge zu seiner Linken zu, das seine grauen kantigen Finger gierig gen Himmel streckte.

„Es ist das Land Alamor, das Reich des Königs Dagor. Es wird auch das Land der Reiterstämme genannt. Kein König der Menschen hat Pferde wie er. Die Ländereien sind bedeckt mit dichten Wäldern und den Felsen des Adlergebirges. Der Boden hier ist rau und hart, deswegen züchten die Menschen hier Pferde und andere Tiere, die Besten, wie ich meine.

Hier her komme ich oft, wenn ich alleine sein möchte.

Mir ist, als wäre das Meer an diesem Ort schöner und friedlicher als sonst wo in der Welt...“

Er wandte das Gesicht wieder der Sonne zu und beobachtete, wie die goldene Scheibe langsam hinter dem feuerroten Rand der Welt versank.

Auriel beugt sich unterdessen weit über die Reling und versuchte mit den Fingerspitzen das türkisblaue Wasser zu streifen.

„König...“, sagte er leise und streckte sich noch weiter nach unten. „Er ist der Herrscher des Volkes. Warum wählen die Menschen einen Mann, um sie zu beherrschen?“

„Ich weiß es nicht“, antwortete Lucifer nach kurzem Überlegen, „ es ist nun mal ihre Art. Wir Engel regieren nicht über sie, wir schützen sie nur und ihre Welt, die auch die unsere ist. Vielleicht ist es ihnen ein Bedürfnis einen Anführer zu haben. Sie wollen nicht ohne jemanden sein, der sie vertritt und als ihr Hauptmann gesehen wird.“ Nachdenklich gestimmt über diese Frage schaute er Auriel zu, dessen Finger ab und zu eine sanfte Welle streiften. Sein Gesicht war von silbernem Haar verdeckt, das im Lichtschein fast golden glänzte.

„Aber warum?“

Er zog seine Hand wieder zurück und verfolgte das wirbelnde Spiel des Salzwassers gebannt. „Weil es ihn erlaubt, selbst nicht mehr denken zu müssen? Wenn ein Einziger von ihnen bestimmt und alle Entscheidungen trifft, muss sich der Rest keine Gedanken mehr machen...“

Lucifer lachte, als er Auriels Worte vernahm.

„Du hast seltsame Vorstellungen! Vielleicht fühlen sie sich sicherer mit einem König, wer weiß, doch deswegen sind sie nicht gleich dumm oder unfähig!“, sagte er und fuhr sich mit den Händen über das Hemd, während er weitersprach. „Meine Kleidung ist immer noch nicht trocken. Das Salz wird wohl darin kleben bleiben, wie Honig!“

Auriel lächelte. „Du musst eben das nächste Mal vorsichtiger sein und dich nicht von einer halben Portion ins Meer werfen lassen.“

Verstohlen musterte Lucifer Auriel aus den Augenwinkeln. Wenn er hier lehnte, wirkte er um einiges netter als auf den Klippen.

Plötzlich richtete er sich auf und testete mit ein paar wohl überlegten Schritten, wie stark das Boot schaukelte. Dann drehte er sich schwungvoll um, wobei ihm das lange schwarze Haar von einer stärker wehenden Brise aus dem Gesicht geweht wurde und fragte geradeheraus: „Möchtest du eine Partie Schach spielen?“

„Schach?“, wiederholte Auriel verdutzt und sah ehrlich verwirrt drein.

„Ja Schach, ein Spiel der Menschen – komm, ich werde es dir zeigen!“

Einige Zeit später, als das Abendlicht schwand und sich das Schiff mit geblähten Segeln wieder auf den Heimweg zum Strand machte, um seine Passagiere von dieser reinen Vergnügungsfahrt zurückzubringen, saßen sich die beiden Engel gegenüber, zwischen sich einen zierlichen Tisch, den man umsichtig an den hölzernen Boden festgeschraubt hatte, auf dem sich nun ein Schachbrett aus Elfenbein befand.

Die weißen und schwarzen Figuren, glänzend im Schein der Fackeln an den Schiffsrändern, die tanzende Schatten an den Mast warfen, standen zum wiederholten Male in ihrer ursprünglichen Position und warteten auf den ersten Zug.

Die Arme verschränkt, beobachtete Lucifer sein Gegenüber, wie er die Stirne krauste und seinen weißen Springer aus den Reihen der Bauern ausbrechen ließ.

Sie spielten bereits ihr siebtes oder achtes Spiel, nachdem Auriel die ersten paar Male sehr schnell verloren hatte.

Er kannte das Spiel tatsächlich nicht und so hatte Lucifer ihm geduldig die Regeln und Möglichkeiten der einzelnen Figuren mehrmals erklärt, wobei Auriel weniger mit den Spielregeln, als mit dem Begriff „Spiel“ selbst zu anfangs Probleme gehabt zu haben schien.

Des weiteren zeige ihm Lucifer die verschiedensten Züge und Strategien, damit er sich daran gewöhnte. Währen der ersten Partien hatte Lucifer, der es selbst zu einem wahren Meistergeschafft hatte, ihn schon nach wenigen Zügen matt gesetzt, doch Auriel lernte schnell und war rasch besser geworden, was Lucifer ungemein freute. Er war selbst ein ausgezeichneter Spieler und kannte überdies nur wenige seiner Art, die seine Begeisterung für die Spiele der Menschen teilten.

Auriel dagegen schien aufrichtig Freude daran zu haben, was Lucifer tatsächlich auch ein wenig verwunderte.

Nachdem sie beide abwechselnd ihre Figuren in verschiedene Positionen geschoben hatten und das schwarz-weiß gemusterte Brett völlig ungeordnet wirkte, musterte Lucifer den silberhaarigen Engel erneut, dessen Augenbrauen sich wieder nachdenklich verzogen hatten.

Eigentlich war er gar nicht so unfreundlich, wie er anfänglich gedacht hatte.

Frech, zweifelsohne, ja das war er, respektlos, wenn man sein Alter bedachte und unverschämt, wenn er wollte, wahrlich seine Erziehung schien aufrichtig gescheitert zu sein.

Aber nachdem er ihn nach dem unfreiwilligen Bad fragte, ob er ihn zu einer Bootsfahrt begleiten wolle, willigte er, überrascht wie Lucifer fand, ein.

Auf dem Schiff dann hatten sie, nachdem er selbst seinen gekränkten Stolz überwunden hatte, allmählich begonnen sich zu unterhalten.

Auriel hatte eine spöttische Zunge, doch das ignorierte Lucifer erfolgreich.

Wenn er nun ehrlich zu sich selbst war, musste er sich eingestehen, dass ihr Gespräch tatsächlich interessant gewesen war.

Sie hatten über Magie gesprochen, soviel sie beide eben darüber wussten, denn Lucifer war beileibe kein Experte, dann über die Welt der Menschen, ein Thema, bei dem Auriel in Lucifer einen kundigen Erzähler gefunden hatte.

Anschließend waren sie in Schweigen versunken.

Ja, wirklich, irgendwie war Auriel ihm – trotz seiner höhnischen Art – sympathisch – irgendwie.

Das alles ging Lucifer durch den Kopf, als er Auriel beim Überlegen zusah, dessen Miene sich kurz darauf aufhellte. Er nahm eine der vollkommen glatten Figuren in die Hand, stellte sie drei Felder weiter links ab und sagte lächelnd: „Schach matt.“

Ungläubig beugte Lucifer sich über den kleinen Tisch, dann brach er in leises Gelächter aus. „Tatsächlich! Kein schlechter Zug, das habe ich dir nicht gezeigt.“, gab er nickend zu und bedachte Auriel mit einem stolzen Blick, der sich ungemein zufrieden zurücklehnte und vergnügt lächelte, ein Ausdruck, der an ihm ungeheuer schön aussah, wie Lucifer flüchtig wahrnahm.

Schließlich grinste er. „Ich sehe, ich muss mir mehr Mühe geben! Das nächste Mal werde ich dich vernichtend schlagen!“, er warf einen kurzen Blick auf das ruhige Meer hinaus, um die restliche Dauer der Fahrt abzuschätzen, „für eine Runde ist noch Zeit – aber sieh dich vor, ab jetzt werde ich dich nicht mehr wie einen Anfänger behandeln.“

„Tu, was du nicht lassen kannst“, meinte Auriel fröhlich, während Lucifer die Figuren wieder in ihrer Ausgangsposition aufstellte.

„Sag mal...“, er beobachtete Lucifer angestrengt und stellte seine Figuren genauso wie Lucifer zurück, „... müsste ein Erzengel wie du sich eigentlich nicht ständig um den Rat kümmern?“

Kaum hatte er das gesagt, gab Lucifer ein unterdrücktes Schnauben von sich.

„Keine Sorge, das übernimmt Michael schon!“, knurrte Lucifer unüberhörbar und sah augenblicklich wieder um einiges finsterer drein.

Nachdenklich stützte Auriel sein Gesicht mit der linken Hand, wobei er den Arm auf die Lehne seines ebenfalls am Schiffsboden befestigten Stuhls legte.

Er ließ seinen Blick mit glitzernden Augen, in deren tiefen Blau der Schein der Lampen flackerte, auf Lucifer ruhen.

„Ist er nicht dein Halbbruder?“, erkundigte er sich schließlich nach einer kurzen Pause mit wachem Blick.

Lucifer sah kurz in den Himmel, bevor er antwortete. „Das schon... aber das ändert nichts an unserem Verhältnis.“

Für gewöhnlich sprach Lucifer nicht über diese Dinge.

Es war allgemein bekannt, dass er und Michael so manche Auseinandersetzung und unterschiedliche Auffassungen hatten, doch außer seinem innerlichen (und manchmal auch äußerlichen) Toben konnte er schlecht darüber reden.

Natürlich regte er sich – vielleicht auch zu oft, wie er wusste – über Entscheidungen, die von Michael gefällt wurden, auf, weil sie nicht seinem Willen entsprachen, und hatte tagelang schlechte Laune, doch wie sich über jemanden beklagen, der dies selbst auch nicht offen über ihn tat?

Wie sollte er zu irgendjemanden frei sprechen, wenn ihm der Gedanke kam, wie ungerecht dies alles war, in einer Welt, in der es so etwas wie wahren Zorn, Hass und Neid nicht gab?

Nein, natürlich, neidisch war er nicht, und her hasste Michael selbstverständlich nicht – was für ein schreckliches Wort, Hass, sollte es tatsächlich irgendwo Wesen geben, die solche Gefühle hatten – zumindest dachte Lucifer das.

Er mochte ihn einfach nicht; nein, das war es nicht... Er ärgerte sich schlicht und ergreifend darüber, von ihm wie ein unmündiges Kind, wie ein kleiner Bruder, der er nicht war, behandelt zu werden.

Aber wie sollte er das in Worte fassen?

Wie vor Varga oder Ezekiel oder einem anderen zugeben, dass er sich ungerecht behandelt fühlte, wie konnte er sich vor ihnen beschweren und über Michael schimpfen, in einer Welt, in der dies niemand außer ihm tat, weder Mensch noch Engel?

Sie wären entsetzt, dessen war er sich sicher, erschrocken über das, was er dachte und fühlte.

Nein, so etwas tat man einfach nicht. Niemand käme überhaupt auf den Gedanken.

Lucifer seufzte lange und tief. Ein Blick in die schwarze Nacht hinaus sagte ihm, dass sich die Sterne, die sich in der Welt der Menschen seltsamerweise über ihm am Himmel befanden, bereits enthüllt hatten und nun ihren sichelförmigen silbernen Herren umstrahlten.

„Es ist nicht so, dass ich ihn nicht leiden kann“, begann er schließlich, wobei ihn plötzlich die unheilvolle Ahnung überkam, dass es doch so war, „allerdings verstehen wir uns nicht besonders gut... aber- “

Er zögerte für einen Moment.

„Verdammt noch mal, manchmal könnte ich ihn direkt mit einem Tritt aus dem Saal werfen!“

Lucifer verstummte. Ihm war klar, er hatte etwas unerhörtes gesagt, aber in diesem Moment war es ihm egal.

Missmutig schaute er Auriel an, darauf gefasst nun unverständliche Blicke zu ernten.

In Auriels Gesicht dagegen spiegelten sich zu seiner Überraschung weder Empörung noch Verwunderung.

Auriel überlegte kurz einige Sekunden lang, ehe er einen weiteren Zug tätigte und seine König um ein Feld vorrücken ließ, bevor er das Wort ergriff.

„Er übergeht dich?“

„Ja!“, erwiderte Lucifer heftig und war erstaunt über diese Antwort. Seltsamerweise fiel jegliche Angespanntheit von eben von ihm ab.

„Es ist... ich kann sagen was ich will, er scheint gegen mich zu arbeiten. Er beschließt wichtige Angelegenheiten ohne meine Zustimmung und fällt Entscheidungen einfach über meinen Kopf hinweg – dabei ist ihm meistens durchaus klar, dass ich anderer Meinung bin. Alle Mitglieder des Rates sind in gleicher Weise stimmberechtigt, er selbst hat nur den Vorstand inne, das Recht als Leiter der Verhandlungen zu fungieren!

Er glaubt offenbar, er wäre der Ältere – dabei wurden wir praktisch gleichzeitig erweckt – und hält sich damit für meinen Vormund. Darauf zumindest lässt sein Verhalten schließen. Mir ist klar, ich sollte nicht so über ihn sprechen. Doch mit seinem Anführergehabe geht er mir schlicht auf die Nerven und jeder... jeder ermahnt mich nur. Ich solle das nicht so eng sehen. Ich solle mich zügeln.“

Die Bitterkeit in Lucifers letzten Worten legte sich wie ein schwerer Schleier um sie in der kalten Nachtluft.

Auriel nickte nach einiger Zeit.

„Es macht dich wütend, da er dich wie ein Kind behandelt.“

Wieder seufzte Lucifer, dieses mal lang und tief, mit einem Anflug schlechten Gewissens.

„Ja.“

„Inwiefern?“, fragte Auriel stirnrunzelnd.

„Nun... lass es mich dir an einem Beispiel erklären. Im letzten Krieg etwa, bei der Schlacht von Ancaidrar am schwarzen Tor...“, begann Lucifer und versuchte sich an dieses Ereignis vor beinah fünfzehn Jahren zu erinnern.

„Wir versuchten die Dämonen aus dem dunklen Land zu bezwingen, die sich damals gewaltsam Zugang in diese Welt verschaffen wollten - “

„ – ich dachte, der Weg nach Ungôr wäre versperrt?“, unterbrach ihn Auriel neugierig und beugte sich ein wenig weiter nach vorne.

Lucifer musterte ihn kritisch. Für jemanden, der zum Zeitpunkt der letzten Kämpfe gerade einmal das Licht der Welt erblickt hatte, wusste Auriel augenscheinlich zu viele Namen von Orten, die noch nie jemand betreten hatte.

„Das dunkle Land liegt weit jenseits des großen Meeres an der Küste unserer Stadt. Deswegen ist es auch niemandem möglich, dorthin zu gelangen, das Meer ist zu groß und zu weit. Glücklicherweise.“

„Aber wie konnte das Heer der Engel dann gegen diese dämonischen Kreaturen kämpfen?“

„Nun, ein Teil dieser abscheulichen Wesen schaffte es, das schwarze Tor zu passieren und war auf einer nahe gelegenen Insel gestrandet.

Zu unserem Glück bemerkte Raphael sie früh genug, um ihren Einfall in diese Welt zu verhindern. Auf dieser Felseninsel ereignete sich die Schlacht.“

„Und was befindet sich dort? Was genau ist das dunkle Land? Ich habe gelesen, es wäre das Reich der Götter...“

„Das soll es wohl einmal gewesen sein“, stimmte Lucifer langsam zu, innerlich geschockt darüber, welche Bücher dieser Bursche bereits in die Finger bekommen hatte, „Einst lebten die Götter wohl dort... vor langer Zeit. Heute befinden dort Kreaturen, die nicht wie wir erweckt wurden. Diese Wesen sind dunkel und ihre Seelen sind schwarz... soviel ist uns Engel bekannt.

Mittlerweile geht keine Gefahr mehr von ihnen aus, doch damals wollten sie sich gewaltsam Zugang zu dieser Welt schaffen!“

Während Lucifer diese Worte sprach, überkam ihn auf einmal gewaltige Erleichterung bei dem Gedanken daran, dass Auriel wie er ein Engel und kein Mensch war.

Es wäre verantwortungslos, einem Menschen von jenen Dingen zu erzählen, die sich weit jenseits ihrer Grenzen befanden und die hier unbekannt warten – und Jedermann war froh darüber, das Unsägliche weit fort zu wissen.

Das zumindest war den Erzengeln bekannt:

Es war verboten, sich auch nur in die Nähe des schwarzen Tores zu wagen, es sei denn, es wäre unvermeidbar, geschweige denn das dunkle Reich zu betreten, ja, allein die bloße Idee an sich war schon erschreckend genug.

Niemand, auch die Höchsten des Volkes des Lichts nicht, wusste was sich wirklich dort befand. Man kannte nur einige der Kreaturen, die sich einst einen Weg über das Meer bahnen wollten und was immer sie waren, fest stand eines: Sie waren gefährlich. Denn sie töteten.

Nach einer kurzen Pause, währenderen sein Läufer das Brett beinahe in einem Zug überquerte, fuhr Lucifer fort.

„Es muss nun beinahe fünfzehn Jahre her sein. Vermutlich erinnerst du dich nicht daran...“

„Doch“, warf Auriel ein und gab seinem Turm einen kleinen Schubs, „mein Vater zog mit in die Schlacht.“

Lucifer nickte. „Nicht nur er, beinahe alle Engel wurden zum Kampf aufgerufen. Ich selbst kämpfte als Heerführer an vorderster Front. Die Dämonen waren allerdings listiger, als wir im Allgemeinen angenommen hatten. Sie versteckten sich in einer der Höhlen im Inneren der Insel. Zuerst dachten wir, wir hätten sie nun in die Enge getrieben, da sie sich selbst in ein Gefängnis eingeschlossen hatten. Da wurde ich stutzig. Zusammen mit Varga erkundigte ich die Höhle von außen. Sie wirkte, als gäbe es neben einem großen Gewölbe noch ein oder zwei Nebengänge. Als wir zurück kehrten rieten wir Michael davon ab, die Dämonen in ihrem eigenen Grab anzugreifen. Es schien mir zu unklug, sich ausgerechnet dort zu verstecken, wo sie keinerlei Fluchtmöglichkeit hatten.“ Lucifer lachte bitter. „Er überhörte meinen Rat, wie gewöhnlich. Zusammen mit Raphael und Uriel griff er an.“

Jäh verdüsterte sich Lucifers Gesichtsausdruck.

„Es war eine Falle. Wie sich herausstellte, hatten Varga und ich Unrecht. Es gab keinen einzelnen Nebengang.

Es gab Tausende.

Sie hatten sich in den engen Nischen der Dunkelheit verkrochen und nur auf uns gewartet. Sie versperrten unseren Ausgang. Am ende saßen wir selbst in der Falle. Unzählige Wesen des Lichtes von uns starben in der finsteren Dunkelheit... allein Gabriels Fähigkeiten auf dem Gebiet der Lichtmagie, der damals beinahe noch ein Kind war, haben uns gerettet. Ich habe nie wieder so viele tote Gesichter gesehen.

Wenn er nur auf mich gehört hätte...“, schloss Lucifer leise. Schließlich sah er zu Auriel auf, doch er konnte keinerlei Gefühlsregung in seinem Gesicht ablesen und somit nur raten, was in ihm vorging.

„Ich wusste nicht, dass so viele ihr Leben in diesem Krieg lassen mussten“, gab Auriel nach einer Weile zu, den Blick auf das Schachbrett gerichtet, das bereits der meisten seiner Figuren beraubt war. „Ich war damals noch zu jung, um die Erzählungen meines Vaters zu verstehen.“

Just in diesem Moment fiel Lucifer wieder ein, dass sich Auriels Vater selbst in seinem eigenen Hause erhängt hatte. Plötzlich bereute er es, diese Geschichte erzählt zu haben.

Ein leises Rascheln und knirschender Sand kündigte das Ende ihrer Fahrt an.

Die Nacht war mit all ihrer Schwärze und Dunkelheit hereingebrochen.

Schwankende Lampen und flackernde Fackeln erleuchteten spärlich das dünne Brett, das von der Reling bis zum sandigen Untergrund darunter reichte, auf dem sich nun die wenigen Passagiere an Land begaben.

Bevor er ausstieg, drehte sich Lucifer noch einmal um, um das nun im Dunkeln liegende Schachbrett zu begutachten.

„Remis“, sagte er schließlich und packte die kleinen Figuren sorgfältig in einen kleinen Beutel.

„Ja, allerdings. Es ist nur die Frage, für wen.“, meinte Auriel mit einem Blick zu den Sternen, bevor er auf das Brett trat und leichtfüßig auf dem noch immer warmen Sand landete.

Verwirrt folgte ihm Lucifer, doch so sehr er in der von zitternden Lichtern erhellten weichen Dunkelheit auch grübelte, wurde er dennoch nicht schlau aus diesem Satz.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Salahadin
2008-09-22T18:07:31+00:00 22.09.2008 20:07
Also, ich weiß immer noch nicht was Rochade und Remis heißt xDD Ich google mal.
Jedenfalls, ein schönes Kapitel wo Auriel seine.... mhh „Arbeit“ beginnt, ne? XD Merkt man beim Schachspiel :3 Wo sie über Michael und den Krieg gesprochen haben. Wie alt war da Gabriel eigentlich???? XDDDDD Luca sagt ja, er war da fast noch ein Kind!

So Remis und Rochade gegoogelt xD.
„...was soviel bedeutet wie „zurücklegen“ oder „zurückstellen“. Somit ist das „Zurückstellen“ die Wiederherstellung des Ausgangszustandes (mit gleichen Chancen) bzw. die „Zurückstellung der Entscheidung“ bis zur nächsten Schachpartie.“
....also xD’ Sozusagen eine Pause vom Spiel bis zum nächsten Mal? Das is mir grad zu hoch x____X
Ich hab früher ja mal Schach gespielt x_D aber irgendwie sagt mir das nichts. Rochade scho eher aber Remis u_u

Back to Topic.
Was mich noch beschäftigt. Uriel.
Ist Uriel im RPG schon mal aufgetaucht? Nicht oder?
(Ist alle klar mit ihm/ihr? Also...lebt er/sie noch?)
Er/sie.... also WAS ist Uriel jetzt? XD In Persona ist...Gabriel ne Frau und Uriel ein Typ. Ja, ich weiß Engel, geschlechtlose Dinger xD

Aber ich fands schön, wo die zwei sich unterhalten haben vor dem Schachspiel, das Pairing ist einfach klasse ^_^
Lucifer wurde für Auriel geschaffen und Auriel....wurde dafür geschaffen, damit wir wen zum anbeten und vergöttern haben xDDDD

Von: abgemeldet
2008-04-19T18:53:36+00:00 19.04.2008 20:53
Hi^^
sorry, hab diesmal etwas länger gebraucht, lag aber draan, das ich morgen konfirmation hab und noch was vorbereiten musste -.-
naja, auf jeden fall hab ich diesmla keine Rechtschreibfehler entdeckt^^ Däumchen!
Ich finde die Story so geilo *-*
besonders wie du das alles beschriebst *-* deswegen versteh ich deinen Edit auch nicht, denn du ahst das so geilo geschrieben und man versteht die Zusammenhänge auch voll gut *-*
Von:  Satnel
2008-01-13T22:00:23+00:00 13.01.2008 23:00
Ein schönes Kapitel.
Zwar mussste ich mich wieder etwas einlesen, doch ich bin die Letzte die sich wegen der langen Wartezeit beschwert. Da muss ich mich eher an der eigenen Nase fassen^^.
Ich freu mich auch über die Benachrichtigung, ansonsnten hätte ich es wohl kaum bemerkt.
Ich hoffe es gibt bald ein neues Kapitel.

Lg
Von: abgemeldet
2008-01-13T17:26:05+00:00 13.01.2008 18:26
Herrlich das Kapitel!!!
Allgemein ist es sprachlich sehr schön, ruhigeres tiefgründigeres Kapitel, das das Genre Tragikomödie verdeutlicht. Kleinere Erzählungen zu dem Land, das ja offensichtlich noch nicht die heutige Erde ist erweitern das Bild von der Welt die du um Auriel siehst. Und auch die Beschreibungen der umgebung liefern eindrucksvoll die gewünschte Atmosphäre als kleineren Hinweiß auf folgendes Unheil.
Ich würde jetzt ungern auf deine Symbolik eingehen, weil ich dafür Halbwissen einsetzten würde, das ich schon so nebenher aus Dir herausgekitzelt habe, und damit einige Leute hier spoilen würde. Aber es sind hier sehr schöne Andeutungen drin, besonder, da man Auriel irgendwie nicht richtig einschätzen kann (ich weiß ja nicht wirklich viel über ihn), so mal nett und fröhlich, mal ziemlich undurchsichtig und emotional so berechnend. Die kleine Erzählte Episode aus diesem Krieg, wo deutlich wird, dass Lucifer kein Blut und Tod sehen mag und auch die Ideale der Engel für sich als Maßstab sieht, auch wenn er sich irgendwie schon als Sonderling und vielleicht schon "vom bösen gedankengut infiziert" sieht. Die Diskussion über die Machtverhältnisse auf der Erde sind ganz amüsant, obwohl wir in der Bibel reichlich wenig demokratisches Gedankengut finden um die These, dass die Engel das so seltsam finden zu rechtfertigen (Ja, ich hab ne grobe Ahnung, wie das Königstum und die Bibel entstanden sind)
Ich freue mich auf weitere Einzelheiten aus Auriels und Lucifers leben
Alc


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