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Das Leben geht weiter

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Erklärungen

Langsam öffnete ich die Augen und blinzelte ein paar Mal. Müde rieb ich mir die Augen und sah aus Gewohnheit auf den Platz neben mir. Aber er war leer. Doch halt, es gab noch mehr, was hier anders war. Ruckartig setzte ich mich auf, doch ließ ich mich gleich wieder zurück in die Kissen fallen. Mein Kopf brummte so sehr, dass mir alles vor den Augen verschwamm. Ich wartete einen Moment bis sich alles wieder gelegt hatte und setzte mich dann langsam auf. Mein Blick wanderte durch das Zimmer, das eindeutig nicht mein Schlafzimmer war. Ich hatte keine Ahnung wo ich war und noch weniger wusste ich, wie ich hier her gekommen war. Ich schlug die Bettdecke beiseite, schwang die Beine über die Bettkante und stand langsam auf. Wieder überkam mich ein kurzes Schwindelgefühl und ich fragte mich, warum das so war. Hatte ich gestern etwa zu viel getrunken oder was war passiert? Es dauerte einen gewissen Moment bis mir die Erinnerungen so langsam kamen, aber egal wie lange ich überlegte, es wollte mir absolut nicht einfallen, warum ich hier war. Aus einem mir nicht bekannten Grund fehlten mir schlichtweg ein paar Minuten in meiner Erinnerung. Aber wenn sie mir wirklich fehlten, dann würde es auch nichts bringen, wenn ich weiter versuchte sie zurück zu bekommen. Da musste ich wohl jemanden fragen, der anwesend gewesen war. Zwei Namen fielen mir ja noch ein, auch wenn ich nicht gerade viel Lust hatte, mich noch einmal mit Per oder Jules zu unterhalten. Ich war ehrlich gesagt froh, wenn ich sie eine Weile lang nicht sehen musste und sie sollten sich ja hüten, mir so schnell nochmals über den Weg zu laufen. Ein wenig suchend sah ich mich im Zimmer um, bis ich meine Sachen gefunden hatte, die fein säuberlich auf einem Stuhl lagen. Sie waren sauber und sie waren trocken, aber wieso? Es hatte doch gestern geregnet und ich war der Meinung, dass sie alles andere als sauber gewesen waren. Irgendwas war hier doch los. Aber was? Leicht schüttelte ich den Kopf und zog mir meine Sachen an, bevor ich das Schlafzimmer, von dem ich keine Ahnung hatte wem es gehörte, verließ. Ich sah mich kurz um und setzte dann leise einen Schritt vor den anderen. Ich wusste ja nicht ob ich alleine war oder nicht und da ich keine Ahnung hatte wem das alles gehörte war es vielleicht gar nicht so falsch, sich leise aus dem Staub zu machen.
 

„Wie ich sehe bist du wieder wach“, sagte eine Stimme in meinem Rücken und erschrocken drehte ich mich um. Jetzt nicht weil ich die Stimme nicht kannte, weil das tat ich natürlich, sondern weil ich mich so darauf konzentriert hatte leise zu sein, dass ich auf sonst nichts geachtet hatte. Ich hatte nichts unrechtes getan und dennoch fühlte ich mich ertappt.

„Ähm... Ja also ich denke mal schon“, murmelte ich und fuhr mir verlegen durch die Haare. „Zumindest habe ich die Augen offen und ähm ja liege nicht mehr im Bett.“

Es war ein sehr seltsames Gefühl jetzt so vor ihm zu stehen und nicht zu wissen was in der Nacht geschehen war. So mal gar nicht zu wissen was man eventuell gemacht haben könnte.

„Sehr gut“, meinte Benedikt mit einem kleinen Lächeln. „Dann würde ich mal sagen du kommst jetzt mit, weil ich könnte mir vorstellen, du hast Hunger.“

Mit leicht fragenden Blick sah ich ihn an. Er schien das alles so locker zu nehmen, so als wäre es etwas ganz natürliches dass ich bei ihm in der Wohnung war. So als wäre es nicht das erste Mal, wobei es genau das war.

„Ähm ja irgendwie schon aber... Ich meine... Nun also....“, stammelte ich und sah ihn weiterhin fragend an.

Leise lachte Benedikt auf, der sich wohl denken konnte was mir gerade durch den Kopf ging, welche Fragen ich mir stellte. Er schien genau zu wissen was vorgefallen war, auch wenn ich mich nicht daran erinnern konnte ihn gestern gesehen zu haben. Zumindest nicht nachdem ich das Büro verlassen hatte. Ruhig kam er auf mich zu und legte mir den Arm um die Schultern.

„Jetzt isst du erst einmal etwas, trinkst einen Kaffee und dann werde ich dir deine Fragen beantworten“, meinte er mit einem breiten Grinsen. „Aber erst dann und nicht schon vorher.“

Woher nur wusste er eigentlich immer was in meinem Kopf vorging oder dass ich Fragen hatte. Manchmal hatte ich echt das Gefühl ich war für ihn ein offenes Buch in dem er nur herumblättern musste um genau zu wissen was los war. Aber vermutlich wusste er im Augenblick über Dinge Bescheid, die mir in meinen Erinnerungen fehlten. Wenn ich also wissen wollte was am Abend zuvor passiert war, dann blieb mir wohl nichts anders übrig, als mit zu kommen und zu frühstücken. Unsicheres Gefühl hin oder her. Also folgte ich ihm in die Küche, setzte mich an den Tisch wo tatsächlich schon etwas zum Essen und eine dampfende Tasse Kaffee stand. Noch bevor ich etwas anderes machte, langte ich nach der Tasse und trank einen riesen Schluck. Beinahe im gleichen Augenblick kamen die Lebensgeister zurück und die Müdigkeit verschwand aus meinem Körper. Die Tasse wanderte zurück auf den Tisch und ein Brötchen suchte sich seinen Weg auf meinen Teller und wurde kurzerhand in 2 Hälften geschnitten. Erst jetzt merkte ich wie sehr doch mein Magen knurrte und die Fragen die mir auf der Zunge lagen, waren erst einmal wieder vergessen. Schweigend saß Benedikt am Tisch, während ich mich hungrig über das Essen hermachte. Er musste jetzt bestimmt denken ich hätte seit Tagen nichts mehr gegessen so wie ich gerade zulangte, aber es war mir egal. Irgendwann einmal schob ich den Teller von mir und lehnte mich in meinem Stuhl zurück.

„Noch einen einzigen Bissen und ich platze“, meinte ich lachend und rieb mir über den vollen Magen.

„Und ich darf dann schon wieder putzen“, antwortete Benedikt ebenfalls lachend und schenkte uns beiden nochmals Kaffee nach. „Aber abgesehen davon wäre es schade. Wer heftet mir denn dann die ganzen Unterlagen ab?“

„Ach ja? So ist das also“, meinte ich grinsend und sah ihn an. „Ich habe schon gedacht du würdest mich als ernsthafte Unterstützung ansehen.“

„Du machst einen hervorragenden Job und es wäre wirklich ein großer Verlust“, sagte Benedikt nun wieder ernster und das gefiel mir nicht wirklich. Irgendwie befürchtete ich, dass nun nichts gutes kommen würde und ehrlich gesagt wollte ich es auch gar nicht hören. „Also mach so eine Dummheit wie gestern bitte nicht noch einmal.“

Mit einem etwas fragenden Blick sah ich ihn an. Dummheit? Von was für einer Dummheit sprach er denn? Hatte ich gestern etwa etwas gemacht was ich nicht hätte tun sollen?

„Benedikt es hört sich jetzt bestimmt seltsam an, aber von was für einer Dummheit sprichst du denn?“

„Du kannst dich wirklich an nichts mehr erinnern von dem was heute Nacht passiert ist?“

„Ähm Nein?“, meinte ich und schüttelte den Kopf. „Ich weiß noch dass ich mich mit Jules gestritten habe, aber dann ist da nur noch ein schwarzer Fleck bis zu dem Punkt wo ich heute morgen die Augen aufgemacht habe.“

Nicht zu wissen was passiert war, was man getan oder gesagt hatte, war ein sehr seltsames Gefühl. Man kam sich so hilflos vor. Wie jemand dem man alles noch einmal beibringen musste.

„Ja du hast dich mit Jules gestritten auch wenn ich nicht weiß um was es im Detail ging“, sagte Benedikt und stützte sich mit den Ellenbogen auf dem Tisch ab. „Du warst am Grab deines besten Freundes gewesen, während alle anderen nicht wussten wo du steckst. Sie haben sich alle Sorgen gemacht, besonders da Max alle verrückt gemacht hat indem er sie alle halbe Stunde angerufen hatte um zu fragen ob du dich bei ihnen gemeldet hättest.“

Als der Name 'Max' fiel zog sich alles in mir zusammen und ich musste erst einmal schlucken. Ich wusste noch genau warum ich zum Grab gefahren war und auch was ich dort alles gesagt hatte. Wusste noch genau den Grund, so genau wie ich noch Maxs Worte in meinen Ohren hörte, so als würde er neben mir stehen und sie immer und immer wieder wiederholen.

„Mitten in der Nacht klingelte bei mir das Telefon und Per bat mich zu kommen“, erzählte Benedikt weiter. „Er meinte sie hätten dich gefunden und alles würde aus den Bahnen laufen. Sie wüssten nicht mehr weiter und bräuchten meine Hilfe. Ich wusste im ersten Moment nicht was los war, es hatte mir ja keiner gesagt was vorgefallen ist. Also bin ich losgefahren und was ich da gesehen hab... Ich möchte es nicht noch einmal sehen. Du standest total neben dir, Jules erzählte mir du wärst beinahe vor ein Auto gelaufen und ich stand da und wusste nicht warum und wieso und noch weniger was ich jetzt tun sollte. Es hat eine ganze Weile gebraucht bis du mal gesagt hast was los war, dass Max dich betrogen hat...“

„Ich war gerade dabei es zu verdrängen“, fiel ich Benedikt leise ins Wort und seufzte auf.

„Und die Puzzleteile fügten sich langsam zu einem Bild zusammen“, sprach Benedikt weiter und überging mein Gemurmel einfach. „Ich hielt es dann für besser dich mit zu mir zu nehmen anstatt dich zurück in deine Wohnung zu bringen. Ich wusste ehrlich nicht zu was du in dieser Nacht noch fähig gewesen wärst und ich wollte das Risiko es einfach drauf ankommen zu lassen auch nicht eingehen.“

„Es scheint dass ich allen ziemlichen Ärger gemacht habe“, meinte ich leise und senkte entschuldigend meinen Blick.

„Ärger weniger... Du hast sie in Angst und Sorge versetzt. Keiner wusste wo du warst, keiner wusste ob nicht vielleicht etwas passiert sein könnte. Es wussten ja alle Bescheid und deswegen haben sich auch alle Sorgen gemacht als du dich stundenlang nicht gemeldet hattest, wie vom Erdboden verschluckt gewesen bist. Max wollte sogar zu Fuß durch Berlin laufen und dich suchen und glaub mir, er hätte erst aufgehört, wenn er dich gefunden hätte.“

Ich wusste jetzt nicht was ich dazu sagen sollte. Ein Teil von mir sagte sich, dass er doch ruhig hätte suchen sollen und wenn es Tage gebraucht hätte. Ein anderer Teil sagte sich dass ich ihm wohl doch etwas bedeuten musste, wenn er sich solche Sorgen gemacht hatte und so einen Aufwand betrieben hatte nur um mich zu finden.

„Ich denke ich kann dir versprechen, dass es nie wieder dazu kommen wird“, sagte ich zu Benedikt. Wie auch sollte es noch einmal dazu kommen? Es war vorbei und somit gab es auch keine Möglichkeit eines solchen Vorfalls mehr.

Für einen kurzen Augenblick warf mir Benedikt einen fragenden Blick zu, so als ob er ahnte welche Gedanken mir in diesem Moment mit durch den Kopf gingen, aber er unterließ es weitere Fragen diesbezüglich zu stellen. Er nahm es einfach wortlos hin, wenn auch er sich bestimmt seine eigenen Gedanken dazu machte.

„Das einzige Versprechen dass ich von dir hören möchte ist, dass du nicht aufgibst“, sagte er zu mir und sah mir in die Augen. „Weder heute, noch morgen, noch irgendwann sonst in der Zukunft.“

Konnte ich ihm das Versprechen denn geben? Wie sollte man jemanden versprechen nicht aufzugeben, wenn man noch nicht einmal wusste, was einem die Zukunft noch bringen würde, welche Hürden sie einem stellte oder was für Steine sie einem in den Weg legte. Wie sollte man jetzt etwas versprechen, wenn noch so viele Jahre vor einem lagen? Es war einfach ein Versprechen dass ich nicht geben konnte. Weder heute noch morgen noch sonst irgendwann.

„Du weißt dass du ein Versprechen verlangst, dass ich dir nicht geben kann“, erwiderte ich ihm und sah ihn genauso an, wie er mich ansah.

„Ich weiß dass es viel verlangt ist, aber nur wenn du es gibst, weiß ich, dass du es versuchen wirst“, antwortete er mir und ich verstand ein wenig was er mir damit sagen wollte. Vermutlich hatte er sogar recht. Wenn ich es ihm nicht versprach, dann würde ich es wohl nicht einmal versuchen. Ich würde mich einfach treiben lassen, auch wenn der Fluss mich hinab in die Tiefe führen würde. Tief atmete ich ein und langsam wieder aus.

„Ich verspreche dir nicht aufzugeben. Weder heute, noch morgen, noch in Zukunft“, sagte ich dann mit ruhiger Stimme und schickte zugleich ein Gebet in den Himmel, dass ich diesen Schwur nicht einmal bereuen würde.

Zufrieden und auch mit einem Lächeln nickte Benedikt mit dem Kopf, erhob sich von seinem Platz und fing dann an den Tisch ab zu räumen. Auf meine Frage ob ich ihm nicht helfen sollte, winkte er nur ab. Nachdem alles aufgeräumt war, sah Benedikt zu mir.

„Ich denke mal du würdest jetzt gerne heim oder?“

„Irgendwie schon...“, meinte ich mit ein wenig unsicherer Stimme, denn ich wusste ja nicht so wirklich, was mich daheim erwarten würde und ehrlich gesagt hatte ich keine große Lust dazu, Max über den Weg zu laufen.

„Da brauchst du nicht weiter nachdenken, er wird nicht da sein“, meinte Benedikt so als wüsste er schon wieder was ich gedacht hatte.

„Wie kannst du dir da so sicher sein, dass er nicht dort ist?“

„Ich hab Per gesagt er solle Max sagen, dass er die nächste Zeit erstmal wieder daheim wohnen soll.“

„Du hast was gesagt?“

„Nun ich dachte dass es einfach besser ist wenn ihr euch so schnell nicht wieder über den Weg lauft, jeder Zeit für sich hat zum nachdenken und da war das nun einmal der einfachste Weg.“

„Das heißt doch aber noch lange nicht, dass er sich auch daran hält. Ich meine....“

„Er wird nicht da sein Andrea. Per wird es ihm gesagt haben und wohl auch deutlich gemacht haben, denn erstens hab ich ihm deutlich gemacht wie wichtig es ist und außerdem ist Per auf Max gerade auch nicht besonders gut zu sprechen.“

Das war jetzt eine dieser Informationen auf die ich gut und gerne verzichtet hätte. Was zwischen mir und Max vorgefallen war, war eigentlich eine Sache die auch nur uns Beide etwas anging. Es sollte nicht passieren, dass es seine Kreise zog und auch andere da mit reingezogen wurden. Weder Per, noch Stefan noch sonst jemand aus der Band. Es durfte nicht passieren dass ein zwischenmenschliches Problem zu Spannungen in der Band führte, denn da stand einfach zu viel auf dem Spiel. Vielleicht sollte ich doch ein Wörtchen mit Per reden, auch wenn ich vor kurzer Zeit noch das Gegenteil tun wollte. Aber manchmal musste man eben seine Entscheidungen überdenken und notfalls rückgängig machen.

„Ok dann vertraue ich dir einfach mal“, meinte ich schlussendlich mit einem kleinen Lächeln, denn etwas anderes blieb mir wohl auch kaum übrig. Ich musste es einfach darauf ankommen lassen ob Max sich nun daran hielt oder ob er es nicht tat. Entweder die Wohnung war verlassen oder er hielt sich dort auf. Eine andere Möglichkeit gab es nicht.

„Falls doch etwas schief gehen sollte, du weißt ja wie du mich erreichst.“

Benedikt zwinkerte mir zu, nahm seinen Schlüssel vom Tisch und ging zur Türe. Ich folgte ihm und auch wenn ich äußerlich ruhig zu sein schien, so war ich das gewiss nicht. Ich wusste nicht was mich daheim erwarten würde und das machte mich nervös. Irgendwie freute ich mich darauf nach Hause zu gehen, zurück in eine vertraute Umgebung und doch machte mir genau das Angst. Dort gab es so vieles was mich an ihn erinnerte, was an eine gemeinsame Zeit erinnerte und ich wusste wirklich nicht, ob ich damit klar kommen würde. Aber herausfinden würde ich es wohl nur dann, wenn ich es versuchte.
 

Es dauerte eine Weile bis wir bei mir daheim angekommen waren, denn scheinbar war heute halb Berlin auf den Straßen unterwegs und die Ampeln schienen ihre Vorliebe für Rot entdeckt zu haben. Kurz ließ ich meinen Blick über die Fenster wandern um zu schauen ob sich dahinter etwas bewegte, aber nichts dergleichen ließ sich feststellen. Es schien wirklich niemand daheim zu sein. Ich schnallte mich ab, öffnete die Türe und sah noch einmal zu Benedikt.

„Danke“, sagte ich leise. Er war immer für mich da gewesen, wenn es kompliziert wurde und nie hatte er eine Gegenleistung erwartet oder gar gefordert. Manchmal sogar hatte ich ein wenig das Gefühl ihn auszunutzen, auch wenn er das wohl vehement abgestritten hätte, wenn ich ihm von dem Gefühl erzählt hätte. Aber er gab so vieles und ich nahm oftmals nur, weil es nichts gab was ich ihm hätte geben können. Ich hoffte nur ich würde irgendwann einmal die Chance erhalten, mich für all das bei ihm zu revanchieren.

„Pass einfach nur auf dich auf. Ok?“

„Ok“, sagte ich, stieg aus dem Wagen aus und schloss die Wagentüre hinter mir. Mit langsamen Schritten ging ich auf das Haus zu und blieb davor stehen. Ich warf einen Blick über meine Schulter zurück zum Wagen und mir wurde klar, dass Benedikt wohl so lange dort stehen würde, bis ich in der Wohnung verschwunden war. Aber so lange wollte ich ihn nicht warten lassen, also kramte ich meinen Schlüssel aus der Hosentasche, steckte ihn ins Schloss und öffnete die Türe. Vorsichtig trat ich ein, lauschte, doch kein Geräusch war zu hören. Sie schien wirklich verlassen zu sein. Also schloss ich die Wohnungstüre hinter mir und im gleichen Augenblick drang das Geräusch eines startenden Wagens von draußen herein. Ich hängte meinen Schlüssel an das Schlüsselbrett, zog meine Schuhe aus und betrat das Wohnzimmer. Langsam ließ ich meinen Blick durch das Zimmer schweifen. Auf dem Sofa entdeckte ich das Telefon das sonst auf dem Schrank stand, auf dem Tisch lagen beinahe ein halbes dutzend leere Zigarettenschachteln und der Aschenbecher auf dem Balkon schien über zu quellen. Ich ließ meinen Blick weiter wandern bis er an dem leeren Bilderrahmen hängen blieb, in welche ein gemeinsames Bild von mir und Max gewesen war. Es war verschwunden und ich konnte nur spekulieren wohin. Ich verließ das Wohnzimmer und betrat die Küche. Sie sah noch immer so aus, wie zu dem Zeitpunkt an dem ich das Haus verlassen hatte. Die Einkäufe von gestern standen noch immer an dem Platz an dem ich sie hingestellt hatte. Wenn die leeren Zigarettenschachteln auf dem Tisch nicht wären und der volle Aschenbecher konnte man fast das Gefühl bekommen, hier wäre die Zeit stehen geblieben. Aber das war sie nun mal nicht, aber man konnte sie auch nicht anhalten oder gar zurückdrehen. Seufzend machte ich mich daran die Arbeit die ich gestern angefangen hatte zu Ende zu bringen um so einfach ein wenig Normalität in mein Leben zu bringen, das aktuell einem reinen Trümmerhaufen glich. Zumindest in meine Augen.

Nachdem die Küche wieder in Ordnung gebracht war, machte ich mich daran die leeren Schachteln zu entsorgen, die ein stummes Zeugnis davon waren, wie sich Max wohl gefühlt haben musste, als ich mich nicht gemeldet hatte. Welch Sorgen er sich gemacht haben musste und vermutlich auch Vorwürfe. In diesem Moment wünschte ich mir ich könnte Gedanken lesen, wüsste was jetzt in seinem Kopf vorging, wie er sich fühlte und wo er jetzt steckte. Ja ein Teil vermisste ihn sogar und wünschte sich nicht mehr, als dass er jetzt durch die Türe treten würde und alles würde sich wieder regeln. Es war meine Wohnung und dennoch fühlte sie sich fremd an. Er fehlte, auch wenn er überall präsent war. Die Gitarre die an der Wand stand, die Blätter mit Textfetzen auf dem Tisch... Es sah alles so aus, als würde er jeden Moment zurückkommen und wäre nur kurz weg um etwas zum essen zu holen. Aber er war nicht nur kurz weg und es stand in den Sternen ob er zurückkehren würde. Ob er es überhaupt noch wollte.

Leise seufzend knotete ich die Enden der Mülltüte zusammen und entschied, sie gleich in den Mülleimer zu werfen. Auf dem Rückweg würde ich einen Blick in den Briefkasten werfen, denn es konnte ja gut sein, dass mal etwas anderes darin lag als nur Rechnungen oder Werbung. Irgendetwas erfreuliches wie zum Beispiel eine Gewinnbenachrichtung oder eine Urlaubspostkarte von jemanden. Ich nahm den Schlüssel wieder vom Haken, öffnete die Türe und ging hinüber zu den Mülleimer. Ich öffnete den Deckel und warf die Mülltüte hinein und ertappte mich dabei, wie ich für den Bruchteil einer Sekunde nach einem zerissenen Foto schaute. *Andrea du spinnst jetzt völlig*, meinte ich in Gedanken zu mir selbst und ließ den Deckel des Mülleimers wieder runter. Nein Max würde wohl niemals ein gemeinsames Foto zerreißen, wohl nicht einmal wenn er wütend war. Ich steckte eine Hand in die Hosentasche und ging zurück in die Wohnung. Ich wollte gerade wieder in das Wohnzimmer, als mir einfiel, dass ich ja noch in den Briefkasten schauen wollte. Also drehte ich mich um, öffnete den Briefkasten und langte mit der Hand nach dem Berg Papier der darin lag. Man konnte schon auf den ersten Blick sehen, dass er zum größten Teil aus Werbung bestand, die umgehend den Weg in das Altpapier finden würde. Ich zog meine Hand zurück und wollte mich gerade auf den Weg in die Küche machen, als ein leises Klirren meine Aufmerksamkeit auf sich zog. Mein Blick wanderte langsam über den Flurboden, bis er an einem Schlüssel hängen blieb der direkt unter dem Briefkasten lag. Die Finger die den Inhalt des Briefkastens hielten, öffneten sich, so dass sich das Papier auf dem Boden verteilte. Wie große, bunte Schneeflocken fielen sie zu Boden, aber ich achtete nicht drauf. Wie gebannt starrte ich auf den Schlüssel am Boden. Ich wusste sofort was für ein Schlüssel das war, auch ohne dass ich ihn in die Hand hätte nehmen müssen. Der Anhänger an dem der Schlüssel hing, war mir vertraut. Langsam hob ich den Schlüssel vom Boden auf und schloss meine Finger darum. War das jetzt das Ende? Gab es denn ein Zeichen was noch deutlicher war als jemanden den Schlüssel zur gemeinsamen Wohnung zurück zu geben? Ich wusste es nicht und irgendwie wollte ich es auch gar nicht wissen. Der Teil in mir der ihn vorher noch vermisst hatte, war schweigsam geworden, so als würde nun auch ihm so langsam vieles klar werden. Ohne mich um das herumliegende Papier zu kümmern ging ich ins Wohnzimmer, ließ mich auf das Sofa sinken und legte den Schlüssel vor mir auf den Tisch. Schweigend starrte ich auf das kleine silberne Stück Metall, ehe meine Hand zum Telefon griff...



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