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Zigarettenrauch

Zorn
von

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Liebe

Auf der Vorderseite des Theaters hatte er sich mit dem Rücken an die Mauer des Gebäudes gelehnt, sein Blick ins Nichts gerichtet. Er sah bereits das Programmheft der Erstaufführung des Musicals vor sich: Stefan Neumann (Graf von Krolock), Daniel Zingerle (Graf von Krolock, Zweitbesetzung)

Der Anblick der Heftseite vor seinem inneren Auge schmerzte, schmerzte tief und schien in der Leere des Nichts zu enden. Da war kein Zorn, kein Hass, der ihn vor diesem Schmerz hätte bewahren können, es schien als wäre er am vorigen Abend gebrochen worden, doch Daniel war sich nicht darüber im Klaren, ob es sein Zorn war, der gebrochen wurde, oder sein Selbst.

Die Stadt schien ihm grauer denn je, trostlos, unpersönlich voll. Es war als wäre ihm alles genommen: Sein Zorn, sein Spiel, sein Gesang, seine Freunde – sein ganzes Sein.

Zwischen der gähnenden Leere und dem brennenden Schmerz in seinem Herzen hin und her gerissen gab es nun nur noch eine letzte Fluchtmöglichkeit für Daniel. Langsam ließ er seine Hand in die Hosentasche gleiten, tastete nach der Packung Zigaretten, die er stets bei sich trug – doch sie war fort. Stattdessen ertastete seine Hand etwas Längliches, das er irritiert hervor zog.

Sein Blick fiel auf einen roten Filzstift und sogleich tauchte das lachende Gesicht eines kleinen Mädchens vor Daniels innerem Auge auf: Nina...

„Ich habe dich schon ganz oft im Theater gesehen, du singst wunderschön!“

Dieser Satz hallte in seinen Ohren wider, einer alten, fast vergessenen Erinnerung gleich. Es schien ihm Jahre her, seit er dem Mädchen begegnet war, seit sie ihm ihr Lächeln geschenkt hatte...

Fast von allein krampfte sich seine Hand um den roten Stift – sie liebte es, wenn er sang, doch diese Freude würde er ihr nicht mehr bereiten können. Das Theater in seinem Rücken schien fern, unerreichbar lag es im Schatten seiner Selbst.

Langsam hob Daniel den Kopf und blickte in den bewölkten Himmel empor. Dieses Grau... Ja, dieses Grau war es, welches ihn erfüllte, ein trostloses Grau ohne Hoffnung, dass einige Strahlen der Sonne es durchbrechen könnten, so grau...

Wie in Zeitlupe löste sich die Verkrampfung Daniels linker Hand, bis der Stift aus ihr herausgleiten konnte und kurze Zeit später zu Boden fiel; das Geräusch, welches er hierbei verursacht haben musste, wurde von grauen Wolken, Abgas und lautem Motorengeräusch geschluckt, sodass es schien, als hätte es ein Solches niemals gegeben, als hätte es den Filzstift niemals gegeben – und als hätte es Daniel niemals gegeben.

Unbarmherzig schickte der Himmel Wasser zur Erde hinab, erst nur einige vereinzelte Tropfen, dann einen heftigen Schauer, der Daniel bis auf die Haut durchnässte, doch er spürte die Kälte und Nässe kaum; er war nun ein Teil von beidem, ein Teil des Himmels, ein Teil der Stadt. Leer.

Ein paar kräftiger Hände packte Daniel bei den Schultern und presste ihn unsanft mit dem Rücken gegen die harte Wand des Theaters.

„Was machst du hier draußen, du Idiot?“, schrie ihn eine Männerstimme an, wütend, besorgt.

Erst jetzt, langsam, fast in Trance, senkte Daniel den Blick, wandte ihn vom Himmel ab – und erblickte Laines' verzerrtes Gesicht nur einige Zentimeter von dem Seinen entfernt. Sein Haar war noch fast gänzlich trocken, der Schirm, mit dem er sich vor dem Regen geschützt hatte, lag noch geöffnet neben ihm auf dem Gehweg, scheinbar achtlos fortgestoßen und vergessen.

„Ich habe auf dich gewartet“, war alles, was Daniel über die Lippen brachte.

Er wusste nicht, wer diese Worte für ihn geformt hatte, doch sie waren aus seinem Herzen entsprungen und schienen ihm wahrer als jede Wahrheit, die ihm je begegnet war, so rein wie der Schnee an einem Wintermorgen.

„Idiot.“

Im Bruchteil einer Sekunde hatte Laines' Kopf die letzten Zentimeter, welche ihn von dem Daniels trennten, überwunden und die Augen geschlossen. Ihre Lippen vereinten sich zu einem Kuss, einem zärtlichen Kuss, einem innigen Kuss, in welchen jeder der beiden Männer all seine Gefühle gelegt hatte. Ein Kuss der Liebe, ein Kuss der Verzweiflung, ein Kuss der Angst und Scheu, ein Kuss der Innigkeit.

Und während sich Daniels Hände um Laines' Schultern klammerten, versank das Grau der Stadt um ihn herum in einer Welt aus verschwommenen Farben und er spürte, dass es geendet hatte.

Der Schmerz, die Einsamkeit, die Verzweiflung.

Es würde ein Morgen geben, ein Übermorgen. Jeder Tag eine Herausforderung und doch jeder schöner als der Vorige.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Caro-kun
2008-09-21T15:38:40+00:00 21.09.2008 17:38
Ich fand es toll, dass er sich nochmal an Nina erinnert ^^

Wie du den Kuss beschrieben hast, das war irre ^^ Wirklich total schön XD

Klar, finde ich es schade, dass er nicht die Hauptrolle spielt, aber wichtiger ist doch, dass er in Laines die Erlösung gefunden hat: Die Erlösung von den Schmerzen und von der Einsamkeit.

Du nimmst den Leser immer richtig in deine Geschichten mit hinein … und das finde ich großartig X)

Von: abgemeldet
2007-10-07T19:48:25+00:00 07.10.2007 21:48
Wow ich mag dieses ff.
Leider ist es zu ende......
*depri schieb*
kannst du nicht noch ein ganz kleines Kapi hinzufügen??
*ganz lieb guckt*

Das ende ist sehr schön geschrieben und einfach nur...ja schön mehr kann man nicht sagen. Jedes andere Wort wäre zu viel.Obwohl das Wort "schön" es auch nciht perfekt beschreibt.nein es ist besser:^^



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