Die untergehende Sonne tauchte den Raum in flammendes Rot, streichelte den blassen Körper, der verhüllt von der Decke immer noch in seinen wirren und endlosen Träumen verloren war. Dem Betrachter schickte diese Schönheit immer wieder ein Lächeln auf die Lippen. Das lange, rotbraune Haar lag in einer weichen, weiten Welle über das schwarze Kissen, teilweise bedeckte es auch die schwarzbezogene Matratze. Deutlich hob sich der blasse, makellose Körper von dem dunklen Untergrund ab. Entspannt lag er in der Decke verwickelt in dem verlassenen Bett. Doch es schien ihn nicht zu stören, er schlief den verdienten Schlaf. Wie ein Engel, doch die schwarzen, gefiederten Flügel waren ihm nicht gewachsen, die hatte er sich tief unter die weiche Haut gestochen. Der Betrachter dachte sich, dass er solchen Körberschmuck nicht mochte, doch bei seinem Engel war es eine Ausnahme, da dieser nur anzeichnete, was ihm fehlte. Weiche, flauschige Flügel. Engelsflügel.
Das leise Aufseufzen des Schläfers lenkte seine Aufmerksamkeit auf das sanfte Gesicht. Unter diesen Lidern lagen Augen, die die Welt noch nie zuvor gesehen hatte. Von einem solchen Braun, mit winzigen goldenen Funken durchzogen, voller Wärme, voller Vertrauen, voller kindlichem Gemüt, voller Liebe. Diese Liebe, die nur für ihn bestimmt war.
Heiße, ungestüme, alles verzehrende Liebe. Doch auch wenn der Schläfer seinen Betrachter liebte, so blieb er unbeugsam. Er war wie der Wind, wild und frei. Ihn konnte man nicht einsperren, der Strick, der diesen Engel hielt, war noch nicht geflochten. Unnachgiebig war er in diesem Punkt, er hielt es nicht aus in einem Raum eingesperrt zu sein, denn schon sein Körper war ihm eine Zelle genug.
Angespannt beobachtete der Betrachter den Schlafenden, dieser drehte sich auf den Rücken und gab den Blick frei auf seinen Bauch, wo in dem schwächer werdenden Sonnenlicht der kleine, silberne Ring im Nabel glitzerte. Er hasste dieses Schmuckstück, es zerstörte den Makellosen Anblick. Zerstörte die Vollkommenheit dieses Engels. Doch er konnte ihm keine Vorschriften machen. Dieses wunderbare Himmelwesen hatte seinen Willen immer vereidigt, kämpfte für seine Freiheit, seine Meinung, bis Blut floss, riss sich von jeder Kette, brach aus jeder Regel aus.
Irgendwoher drang eine leise Melodie an das Ohr des Betrachters, es war eine bekannte, wunderschöne, melodische und sehr traurige Tonfolge. Langsam nur streckte sich der Schlafende um sein Handy vom Nachtisch zu nehmen. Doch er nahm den Anruf nicht an, sondern setzte sich bedächtig auf, um dann auf seinen Knien zu bleiben. Kniend saß er auf dem Bett und blickte in Richtung Fenster.
Der Betrachter blickte stumm zurück. Sagte kein Wort. Und der eben Erwachte blickte eben so wortlos zu ihm.
Dann schüttelte er leicht den Kopf und kroch aus dem Bett, seine nackten Füße machten ein leises Geräusch auf dem Marmorboden, der sich unter ihnen erstreckte. Der Beobachter folgte ihm ins Badezimmer, wo sein Engel die letzte Hülle in Form einer Boxershorts fallen ließ. Er gab den Blick auf einen vollkommenen Po frei, klein und knackig. So wie der schweigende Beobachter ihn immer gemocht hatte. Das Wasser, welches über diesen göttlichen Körper rann, wurde in derselben Sekunde beneidet, als es den warmen Leib von ihm berührte.
„Ga-chan?“, flüsterte der Engel nun, schob den Duschvorhang zur Seite und blickte seinem Betrachter direkt in die Augen.
„Du kleiner Spanner“, schimpfte er weiter, schnell wickelte sich Hyde das Badetuch um die Hüfte und hob den rabenschwarzen Kater hoch, der sich das maunzend gefallen liess. Er trug ihn in die Küche und gab ihm sein Futter.
Dann kehrte der Engel wieder in das Badezimmer zurück, er bemerkte seinen Beobachter gar nicht. Dieser saß auf dem Badwannenrand und weinte eine silberne Träne, die ihm sanft von der Wange rollte. Gackt war nicht böse, er fühlte sich geschmeichelt, dass sein Engel seinen neuen Begleiter seinen Namen gegeben hatte.
Dennoch fühlte es ihn mit Trauer, dass außer seinem Namen nichts mehr geblieben war. Doch nun, da er gesehen hatte, dass es seinem Engel gut erging, konnte er in Frieden ruhen.
Was Gackt aber nicht mehr mitbekam, waren die kristallklaren Tränen, die über das weiche Gesicht von Hyde liefen. Das Zittern seiner sinnlichen Lippen, als er seinem eigenen Spiegelbild zu flüsterte...
„Ich werde dich immer lieben! Immer! Ga-chan... für immer.“