Twilight Time
Titel: Twilight Time
Autor: ShiraLinh
Part: 1/1
Fandom: Bakuten Shoot Beyblade
Pairing: KaRe
Genre: Romance
Widmung: fin_wölfin – Sie weiß, warum.
Dank: geht an KeiraX für die Beta.
A/N: Dieser One-Shot ist zum Großteil auf der Zugrückfahrt von der LBM ’o7 entstanden. Offenbar haben mich die ganzen KaRe Fans auf einem Haufen inspiriert *lach* Viel Spaß beim Lesen!~
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Twilight Time
Kai ließ seinen Oberkörper rückwärts auf die Wolldecke sinken, die unter ihm im Gras ausgebreitet war. Er streckte sich einen Moment, breitete dabei seine Arme aus, so dass er kühle Grashalme unter den Fingerspitzen seiner linken Hand fühlen konnte, wo die Decke nicht mehr hinreichte. Schon seit einiger Zeit war er nicht mehr nüchtern – genauso wenig, wie alle anderen - und der Alkohol machte sich bereits in einer angenehmen, leichten Dumpfheit in seinen Gedanken bemerkbar, ohne ihn jedoch auf irgendeine schlimmere Art und Weise zu beeinflussen. Er richtete sich kurz auf, griff nach der Flasche Wodka, die neben ihm auf der karierten Wolldecke lag und nahm einen großen Schluck daraus. Dann ließ er sich zurücksinken, schaute nach oben in den langsam dunkelnden, aber noch blauen Himmel, welcher aus seiner Perspektive von Bäumen gesäumt war.
Es wehte ein leichter Wind, aber es war klar, dass es auch bis in die späten Abendstunden warm genug bleiben würde, um sich draußen aufzuhalten.
Es war ein ungewöhnlich warmer Frühlingsabend Anfang Mai, an dem sie sich dieses Mal im Park trafen. Sie waren mittlerweile alle um die neunzehn Jahre alt; zu alt, um noch zu bladen, aber gerade erst im Begriff, eine neue Lebensphase ohne das Bladen zu beginnen und an Studium und Arbeit zu denken. Es hatte wohl keiner von ihnen damit gerechnet, welch großen Teil ihres Lebens das Bladen tatsächlich ausgemacht und wie orientierungslos es die meisten von ihnen zurückgelassen hatte, als die neuen Generationen von jungen Bladern gekommen waren und fast erschreckend selbstverständlich ihre Plätze eingenommen hatten. Allen voran Takao hatte das getroffen, der den Jubel und die Begeisterung der Fans stets besonders genossen hatte.
Aber es ging nicht nur um die Anerkennung der Fans, die auf einmal fehlte. Als sie zunehmend von ihren Plätzen in der Bladerelite verdrängt worden waren, war ihnen allen nach und nach klar geworden, dass sie aus dem Bladesport herausgewachsen waren. Die frühere Begeisterung und Leidenschaft, das Ideenreichtum für neue Technik, neue Taktiken und Strategien fehlten, der ewige Wettstreit um den begehrten Weltmeistertitel barg nichts Neues und Ehrgeizerweckendes mehr. Sie waren älter geworden, reifer; ihre Prioritäten, was ihr Leben anging, hatten sich so still und fast unmerklich verschoben, dass die Entscheidung, das Bladen aufzugeben, zu plötzlich gekommen war, als dass sie sich auf ein Leben ohne Bladen entsprechend hätten vorbereiten können.
Es schien ein merkwürdiger Zufall zu sein, dass diese Entwicklung so viele ihrer Bladergeneration - und dabei viele aus fast all den damals bestehenden erfolgreichen Teams - betraf. Zumindest Kai hatte sich dies so erklärt, dass sie praktisch die Generation gewesen waren, die dem Bladesport zu seiner Popularität verholfen hatte. Natürlich hatte es auch vorher schon Teams gegeben und Weltmeisterschaften, aber damals war der Sport nicht bekannt genug gewesen, um den Spielern zu erlauben, ihr Leben so sehr auf das Bladen zu konzentrieren, wie sie es in ihrer Generation hatten tun können und auch getan hatten.
Kai war sich nicht mehr sicher, wie es aus dieser Entwicklung tatsächlich dazu gekommen war, dass sich die Mitglieder von Teams, die unterschiedlicher nicht hätten sein können und deren Heimatländer auf dem ganzen Globus verstreut lagen, sich zu einer Gemeinschaft zusammen gefunden hatten. Die meisten von ihnen verstanden sich mit den ehemaligen Teamkollegen immer noch am besten, kannten sie sich einfach besser. Es hatten sich jedoch auch neue Freundschaften in ihrer zusammengewürfelten und buntgemischten Truppe gebildet.
Sie wohnten nicht alle zusammen in einem Haus, doch es hatten sich einige kleinere Wohngemeinschaften gebildet. Sie sahen sich trotzdem alle häufig – manchmal fast täglich -, gingen abends zusammen weg, verbrachten ganze Tage und halbe Nächte im Park oder verabredeten sich bei einem von ihnen zu Hause. Die Treffen hatten nichts pflichtähnliches. Diejenigen unter ihnen, die ständige Gesellschaft nicht ertrugen, blieben weg, wenn es ihnen zu viel wurde, und konnten Verständnis aller anderen erwarten. Ihr Umgang miteinander verlief freilich nicht immer reibungslos, schon gar nicht bei ihrer konkurrenzbehafteten Vergangenheit, aber sie schafften es immer wieder, sich gegenseitig am Riemen zu reißen. Auch wenn weder Kai selbst, noch einer der anderen jemals ausgesprochen hatte, wie wichtig ihre Gemeinschaft, ihr Zusammenhalt für sie geworden war, um die Stütze zu bilden, die sie brauchten, um ihr Leben in neue Bahnen lenken zu können, wussten sie dies doch alle. Sie bemühten sich dementsprechend um ein gutes Auskommen untereinander.
Der Graublauhaarige wurde aus seinen Gedanken gerissen, weil jemand ihn mit dem Finger in den Bauch piekste. Er öffnete etwas unwillig die Augen, nur um einen grinsenden Rei rechts von ihm auf der Decke sitzen zu sehen.
„Reichst du mir mal die Wodkaflasche?“, fragte der Schwarzhaarige, auch seine Aussprache war längst nicht mehr klar. Kai nickte, tastete mit seiner linken Hand nach der Flasche, die im Gras lag, nachdem er sie nach seinem letzten Schluck achtlos beiseite gestellt hatte, und überreichte sie Rei.
Nicht zum ersten Mal drängte sich ihm die Frage auf, ob die Mengen an Alkohol, die sie an manchen Wochenenden zu sich nahmen, wirklich auf ein normales Verhalten für junge Menschen in ihrem Alter zurückzuführen waren oder ob sie nicht eher aus Gründen der Verdrängung so häufig zur Flasche griffen. Man konnte keinesfalls von Abhängigkeit sprechen, aber trotzdem beschäftigte diese Frage Kai ab und an.
Kurze Zeit später starrte er wieder nach oben in den dunkelblauen Himmel, beobachtete einen Moment die Zweige, die sich im Wind wiegten und deren kleine grüne Blätter in demselbigen leise raschelten, bevor er seine rubinfarbenen Augen schloss.
Er nahm die Geräusche um ihn herum nun deutlicher wahr, hörte, wie Rei mit einem knirschenden Geräusch offenbar die Wodkaflasche zu drehte, hörte Lachen aus der Ferne und Gesprächsfetzen von Yuriy und Bryan, die ein Stück weit entfernt saßen. Er hörte das Zwitschern der Vögel, das ihm vorher nicht bewusst gewesen war, und deutlicher noch die Geräusche des Windes, wie er durch Blätter und Zweige fuhr.
Der Graublauhaarige fühlte, wie Rei sich neben ihm auf die Decke legte, denn dessen weiche Haare kitzelten leicht an seinem nackten Unterarm. Nur wenige Augenblicke später bewegte sich der schwarzhaarige Chinese erneut und Kai konnte das Gewicht von Reis Kopf spüren, welches er an seinen Bauch gelehnt wahrnahm. Die Wärme drang bald durch sein T-Shirt, aber sie war nicht unangenehm. Jedem anderen hätte der Russe wohl nicht erlaubt, es sich auf seinem Bauch bequem zu machen, aber Rei...
Die Luft roch nach Frühling, wie Kai feststellte, als er tief einatmete, um sich von dem angenehmen Gefühl von Reis Körper an seinem eigenen abzulenken. Es war schwer zu beschreiben, wie der Frühling roch. Die Luft war irgendwie weicher, sanfter als die kalte, oft schneidend klare Winterluft, die von ihr abgelöst wurde. Manchmal konnte man leichte Spuren von Blütenduft darin erkennen, zarte Duftnoten von austreibenden Blättern und sich in zunehmender Wärme öffnenden Blüten. Des Tages ließ einen die Luft ein Gefühl von Leichtigkeit und Frische fühlen, das man nach dem Winter längst vermisst hatte. Doch wenn sich abends die Temperatur wieder senkte und der Wind auffrischte, dann war klar, dass auch der Sommer noch nicht erreicht war, der des Abends nur allzu oft die deutlichen Zeichen von tagsüber brütender Hitze in der Luft zurückließ.
Man befand sich mitten in der Übergangsphase zwischen Winter und Sommer, es war weder das eine, noch das andere - es war Frühling. Die Zeit war meist bestimmt durch die Erleichterung, den vorangegangenen Winter hinter sich gelassen zu haben, aber für Kai trug sie zudem eine Sehnsucht in sich. Eine Sehnsucht, die auf merkwürdige Art zu spät war. Es war die Sehnsucht nach dem Frühling selbst, die man jedoch erst verspürte, wenn man den ersten Hauch von Frühlingsduft in der Luft bereits wahrnahm.
Der Frühling war eine Zwischenzeit, eine Zeit des Zwielichtes. Zwielicht, das für einen kurzen Moment eine wunderbare Stimmung erschuf, welche jedoch nicht andauern konnte, weil jenes Zwielicht, weil jene Dämmerung einem der Extreme Nacht oder Tag weichen musste, ebenso wie der Frühling zwischen Winter und Sommer seinen Platz zwischen zwei Extremen fand.
So wie der Moment der Dämmerung oft schöner war als Tag oder Nacht, weil er einfach um einiges vielfältiger und facettenreicher war als diese, was zum Beispiel Farbe und Licht in jenen Momenten betraf, so war der Frühling auf die gleiche Weise schöner als Sommer oder Winter. Er war weder das eine, noch das andere Extrem, barg Elemente von beiden Jahreszeiten in sich, die sich so miteinander verflochten, dass sich der Frühling als schöner und erfüllender präsentierte als sie selbst.
Kai realisierte in diesem Moment, dass er sich selbst mitten in einer solchen Zeit des Zwielichtes befand. Nicht nur im eigentlichen Sinne an diesem Frühlingsabend, welcher sich in der Dämmerung der Nacht entgegenneigte, nicht nur im Sinne eines Frühlings als Zwielichtszeit, Übergangszeit, sondern vor allem im Bezug auf sein Leben in einem viel weiteren Sinne.
Zum einen sah er seine Beziehung zu Rei in einem Zustand des Zwielichtes. Er war sich selbst nicht ganz im Klaren darüber, wie weit sie beide auf ihrem gemeinsamen Weg die Freundschaft hinter sich gelassen hatten, sie waren aber auch noch nicht zusammen. Sie tasteten sich vor, näherten sich einander langsam, fast unmerklich immer mehr an, ohne je über diese Entwicklung zu sprechen. Es war vermutlich jene Sicherheit, dass sie dasselbe empfanden, dass sie dasselbe wünschten, die fehlte, um den entscheidenden Schritt zu tun. Sicherheit, die ihnen ein Gespräch hätte geben können. Aber die Entscheidung, ein solches Gespräch mit dem anderen zu beginnen, hatte keiner von ihnen beiden bisher zu treffen vermocht. Die Art, auf die sie in ihrer Zeit des Zwielichtes miteinander umgingen, war auf gewisse Weise angenehm, riskierten sie dabei nichts, mussten sie keine endgültige Entscheidung treffen, hatten trotzdem die Möglichkeit, gegenseitige Nähe zu genießen. Zumindest Kai trug jedoch das Wissen in sich, dass das Zwielicht kein Dauerzustand war, ebenso so wenig wie im Wechsel zwischen Tag und Nacht, wie auch in ihrer Beziehung.
Zum anderen waren es die gesamten Umstände, in denen er gerade mit den anderen lebte, die für ihn eine Zwielichtszeit darstellten. Abgesehen von Johnny und Robert, die ihr Fachabitur nachmachten, ging keiner von ihnen mehr zu Schule. Trotzdem hatte der Großteil von ihnen keine klare Zukunftsvorstellung. Der einer oder andere ihrer Truppe jobbte, erledigte hier und da ein paar Gelegenheitsarbeiten, um Geld zu verdienen. Aber es war alles nichts längerfristiges – sie standen eben noch immer zwischen Schule und Beruf und lebten mehr oder weniger in den Tag hinein. Die Nachdenklicheren unter ihnen dachten ab und an darüber nach, wie ihre Situation aussah und wie es weitergehen würde. Nur allzu oft verdrängten sie diese Gedanken, genossen die Zeit miteinander, die von nur so wenigen Pflichten und Nöten bestimmt war.
Noch war es wesentlich bequemer und angenehmer, erst am Morgen darüber nachzudenken, was der Tag für sie beinhalten würde, anstatt sich ihr momentanes Gefühl von Freiheit durch Verpflichtungen, Termine, feste Zusagen vermindern zu lassen.
Solange sie keine Entscheidung trafen, würden sie auch nicht mit den Konsequenzen dieser umgehen müssen, kämen sie nicht in Gefahr, möglicherweise die falsche Entscheidung zu treffen.
So wie das Zwielicht angenehmer war als seine Extreme...
Der Graublauhaarige sah zu Rei hinunter, als er merkte, dass dieser sich leicht bewegte. Ihr Blick traf sich einen kurzen, aber bedeutenden Augenblick lang, bevor Kai seinen Blick weiter über die leicht abschüssige Wiese und die anderen Besucher des Parks wandern ließ.
Und er erblickte den Flaschensammler mit dem entstellten Gesicht, der bei den Mülleimern neben den Bänken stand, darin wühlte, und dessen Augen dankbar aufleuchteten, wenn man ihm die eigenen Flaschen überließ, wenn er vorbeikam.
Und durch die Bäume sah er die anderen wiederkommen, lärmend, lachend, sorglos; alle eventuellen Sorgen für diesen Moment im Alkohol ertränkt.
Und ihm fiel das Blatt ins Auge, welches sich in diesem Moment sanft von einem Zweig löste und im Wind trudelnd auf seine Wolldecke segelte, grün und dennoch leblos dort liegen blieb.
Was er sah, ließ ihn merkwürdig ernüchtert zurück, holte ihn unvermittelt aus dem sanften Schleier hervor, den der Alkohol zuvor über sein Bewusstsein geworfen hatte.
Es war in diesen Augenblicken, dass er realisierte, dass die Zeit nicht auf ihn wartete, selbst wenn er das lange nicht hatte wahr haben wollen. Die Zeit wartete nicht darauf, bis er sich bereit fühlte, Entscheidungen zu treffen, Wagnisse einzugehen – und das Zwielicht, das wartete schon gar nicht. Er musste sich selbst bereit machen und nicht darauf warten, bereit zu werden. Kai suchte den Blick des anderen abermals.
„Rei? Es ist Zeit, das Zwielicht hinter uns zu lassen. Kommst du mit?“
Goldene Augen sahen zu ihm hoch, leuchteten in der Dunkelheit der Abenddämmerung wie eine Zustimmung auf.
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Ich hoffe, es hat euch gefallen ^-^ Lob, Kritik, Anmerkungen sind herzlich willkommen XD
Anmerkung noch für alle, die den erwähnten Alkoholkonsum etwas kritisch gesehen haben: Bitte lest euch dazu die OS-Entstehungsgeschichten durch, die in meinem Weblog zu finden sind (und in der Kurzbeschreibung verlinkt sind). ^.~