Zum Inhalt der Seite

Sakura

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Subaru setzte sich ins feuchte Gras und lehnte sich an den Stamm des voll erblühten Kirschbaums. Er seufzte. Die Leute um ihn herum wirkten alle so fröhlich. Nur ein paar Kinder hatten die Arme verschränkt und starrten schmollend auf die Decken, auf denen sie saßen und darauf warteten, endlich essen zu dürfen. Er zog die Beine an und legte den Kopf auf die Knie. Mit geschlossenen Augen schienen die Schreie der Kinder von weit her zu kommen. Nach kurzer Zeit schon hatte er alles ausgeblendet, nur noch ein leises Rauschen wehte alle paar Sekunden durch seinen Kopf, wenn eine Erinnerung ihn aus der Ruhe und zurück in die reale Welt ziehen wollte. Er hatte es nie mehr geschafft, so weit wegzugehen wie damals, als Seishirou ihn... er schüttelte den Kopf. Gerade war wieder ein lauter, klarer Schrei in seine Ohren gedrungen. Das musste aufhören. Er wollte einfach nur den Tag genießen. Das war doch nicht zuviel verlangt. Na ja, vielleicht hätte er sich nicht unter einen Kirschbaum setzen sollen. Das war eine dumme Idee gewesen. Der Baum erinnerte ihn allzu sehr an vergangene Zeiten. Lang vergangene Zeiten. An Hokuto. Er sah sie vor sich, wie sie die Hände in die Hüften stemmte und ihm befahl, etwas zu essen, sich dann schlafen zu legen, am besten natürlich zu Seishirou ins Bett.

Er fühlte, wie seine Wangen glühten. Widerwillig öffnete er die Augen. Es war immer noch besser, den herumrennenden Kindern zuzuschauen, als sich abschotten zu wollen. Sie erinnerten ihn an andere schlimme Dinge, aber wenigstens nicht an die zwei Menschen, die er... Moment.

Ein paar Kirschblüten rieselten auf ihn herab. Eine fiel ihm in den Mund, schmolz und legte sich über seine Zunge. Dann löste sie sich langsam auf. Subarus Augen weiteten sich. Der Mann im schicken schwarzen Anzug wollte so gar nicht in die Umgebung passen, wo alles hellrosa von den Blüten und bunt von den Menschen war. Sein Mantel war viel zu lang für diesen warmen Tag. Subaru stand auf, als der Mann vor ihm stand und zu ihm herunterlächelte. „Seishirou.“

„Subaru!“ Seishirou nickte ihm zu und drückte ihm den Korb in die Arme. Er hob fragend eine Augenbraue, doch Seishirou hatte schon das Tuch zurückgelegt, eine Decke aus dem Korb gezogen und breitete sie unter dem Kirschbaum aus. Dann setzte er sich hin und machte „aah!“

Subaru sah in den Korb. Ein typischer, prall gefüllter Picknickkorb. Er wandte den Blick wieder an Seishirou, der neben sich auf die Decke klopfte. Eine Wurzel zuckte. Subaru stolperte und fiel beinahe auf Seishirou. Der reagierte gekonnt (kein Wunder, dachte Subaru, die Wurzel hat sich bestimmt nicht von alleine bewegt) und stützte ihn. Subaru stieß sich von ihm ab. Er taumelte und fiel nach hinten, wo er sitzen blieb und Seishirou anstarrte. Was sollte das überhaupt? Seelenruhig packte er den Picknickkorb aus und verteilte die Sachen auf der Decke. Der Geruch war gut; ob er das gekocht hatte?

Subaru räusperte sich. Tatsächlich, Seishirou wandte sich ihm zu! Was hatte er überhaupt sagen wollen? Ach, richtig: „Was machst du hier?“

„Ein Picknick. Wenn du es genauer wissen willst: Ein Picknick mit dir!“ Er schob die Butter zwischen den Brotkorb und die Teekanne.

Subaru schüttelte den Kopf. Wenn Seishirou meinte, dass er sich das gefallen lassen würde, hatte er sich geschnitten. Aber mitten im Park unter all den Leuten konnte er ihn schlecht angreifen. Das würde auffallen, und Kekkais waren nicht dafür gedacht, Privatfehden auszutragen. Er setzte sich in den Schneidersitz und verschränkte die Arme.

„Jetzt siehst du schon aus wie Hokuto!“, sagte Seishirou.

Ihm wurde ganz schlecht. Diesen Namen aus dem Mund dieses Menschen – das war so ziemlich das letzte, was er je hatte hören wollen. Er biss sich auf die Zunge. „Wir können nicht einfach zusammen picknicken.“

Seishirous Mundwinkel wanderten ein kleines Stück nach unten. Wenigstens verhielt er sich nicht wie früher, holte ein Taschentuch hervor und tat so, als würde er in Tränen ausbrechen vor Enttäuschung. „Wieso denn nicht?“

Subaru verdrehte die Augen. „Du hast meine Schwester getötet!“

„Was ich mit dir gemacht habe, ist dir ganz egal?“ Seishirou war dabei, sich ein Brötchen aufzuschneiden.

Er holte tief Luft. „Das hängt so ziemlich alles zusammen.“

Seishirou nickte und zog die Brötchenhälften auseinander. „Stimmt.“ Ohne vorher nachzufragen zog er einen Becher aus dem Korb, stellte ihn vor Subaru und goss ihm Tee ein. „Vorsicht, heiß.“

Er betrachtete den Teebecher. Es roch süß, nach Beeren, aber nicht zu süß. Er hob den Becher, ignorierte dabei, dass seine Finger rebellierten und nippte am Tee. Wenn er ihn schon nicht loswurde, dann konnte er ihn wenigstens ignorieren. Außerdem war der Tee lecker.

Er blinzelte und schielte hinüber. Seishirou starrte ihn an. Als er den Blick erwiderte, neigte er den Kopf und zwinkerte ihm zu. Subaru zog eine Grimasse und widmete sich wieder dem Tee. Wieso? Weshalb? Warum? Zumindest das Wie war klar: Seishirou hatte ihn wegen der Pentagramme aufgespürt. Er hatte keine Handschuhe angehabt. Zähneknirschend nahm er die Brötchenhälfte an, die Seishirou ihm unter die Nase hielt. Er hatte sie dick mit Honig bestrichen. Als Subaru den Mund öffnete, um abzubeißen, hielt er inne. Seishirou starrte ihn schon wieder an. Er biss ab und kaute. Seishirou starrte weiter. Dass sich eine Biene auf sein Brötchen gesetzt hatte, schien er entweder nicht bemerkt zu haben, oder aber es war ihm egal. Subaru hoffte auf ersteres – vielleicht würde er direkt reinbeißen. Normalerweise war er ja nicht schadenfroh, aber jetzt merkte er, wie seine Mundwinkel zuckten; er grinste.

„Ist irgendwas? Hab ich was im Gesicht?“, fragte Seishirou und wischte sich über den Mund. „Dabei hab ich noch gar nichts gegessen.“

Subaru nahm schnell noch einen Bissen. Das erstickte sein Prusten im Keim. Seishirou hob eine Augenbraue, öffnete den Mund und! ... die Biene flog freundlich summend davon.

„Verflucht!“

„Na so was?“ Seishirou kaute langsam. „Alles in Ordnung, Subaru?“

Subaru faltete seine Brötchenhälfte, drückte es zusammen und stopfte sich den Rest in einem Stück in den Mund. „Befftens“, blaffte er. Geschah Seishirou denn nie etwas schlechtes? So ein Bienenstich hätte ihn sicher nicht umgebracht...

Seishirou zuckte die Achseln und aß weiter. Er saß locker da und beobachtete die Kinder. Wenn er nicht seinen Anzug anhätte, dachte Subaru, würde er gar nicht weiter auffallen. So jedoch blieben ständig Kinder in drei Meter Entfernung stehen, legten den Kopf schief und sahen zu, wie Seishirou einfach dasaß und nichts tat. Nichts, was man von jemandem erwartete, der aussah, als würde er ein hohes Amt bei den Yakuza bekleiden.

Subaru rupfte Gras und Blumen aus der Erde. Einfach abhauen? Sicher nicht. Seishirou würde entweder einen Aufstand machen oder ihm folgen. Oder ihn einfach gehen lassen und ihm damit das Gefühl geben...

„Du bist ja gar nicht bei der Sache!“ Seishirou fuchtelte mit den Händen vor seinem Gesicht herum, dass ihm ganz schwarz und weiß vor Augen wurde. Subaru griff nach seiner Hand. Seishirous Finger krochen zwischen seine. Die meiste Zeit über fühlte er sich blutleer, wie eine Leiche. Umso erstaunlicher fand er es, dass sein Kopf und besonders seine Ohren glühten als würde man Feuerzeuge darunter halten. Er zog die Hand an sich. Seishirou ließ sich einfach mitziehen.

Subaru sah zur Seite. Ein paar Kinder erschraken, als er ihnen einen bösen Blick zuwarf und rannten weg. „Du Kinderschreck“, sagte Seishirou und lachte an sein Ohr. Sein Atem war kühl und schnitt auf der heißen Haut.

„Wenigstens kein Mörder“, erwiderte Subaru und rutschte noch ein Stück zurück. Er spürte den Baumstamm in seinem Rücken. Die Rinde schien nach seinem Hemd zu greifen und es festzuhalten.

„Was nicht ist, das kann ja noch werden.“

Subaru schloss die Augen. Nein, er schloss sie nicht einfach, er drückte die Lider fest zusammen. Seishirous Atem an seinem Ohr, seiner Wange, seinem Hals. Er schluckte. Sein Körper zitterte. Wegstoßen? Sicher nicht. Und seine Konzentration war auch im Eimer. Seishirou einen Spruch auf den Hals jagen kam somit nicht in Frage. Ganz abgesehen davon, dass er die ganzen Familien und Pärchen damit in Gefahr gebracht hätte.

„Ich hoffe nur, die Kirschblütenzeit ist bald rum“, sagte Subaru. Er bereute es augenblicklich, als er merkte, dass er nicht einfach nur Seishirous Wange gestreift hatte beim Reden, sondern dessen Lippen. Kein Atem kam mehr aus Seishirous Mund. Er hielt die Luft an! Wie auch Subaru selbst.

Zitternd atmete er aus, in der Hoffnung, es würde nichts bedeuten, kein Startsignal, keine Erlaubnis. Seishirous Hände waren in seinem Gesicht, hielten seinen Kopf fest, nur ganz sanft, wie ein Berg aus Kirschblüten. Dann berührten sich ihre Lippen.

Als Subaru die Augen aufschlug, sah er einen Wirbel aus Blüten um sich wehen. Langsam, Blüte für Blüte fielen sie zu Boden. Der Picknickkorb stand verlassen auf der Decke.



Fanfic-Anzeigeoptionen
Blättern mit der linken / rechten Pfeiltaste möglich
Kommentare zu diesem Kapitel (2)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2009-04-26T18:34:28+00:00 26.04.2009 20:34
wie süß >.<
Ich hab ja schon so einige FF von dir gelesen, aber die hier, vorallem das Ende, übertrifft alle bisherigen =D
*kreisch*
alles top, keine kritik ^^

Von:  nama-kuriimu
2008-06-17T21:31:46+00:00 17.06.2008 23:31
schööööön!!!!!! einfach nur schön!!!! mehr kann ich dazu eigtl nicht sagen. mir fallen keine passenden worte ein. ich finds wirklich einfach nur total toll!!!!!


Zurück