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Gebrochene Flügel

von

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O N E - S H O T

Die Nacht war herein gebrochen, seine Schwärze kroch durch die Straßen und Gassen dieser kleinen Stadt, in der wir uns derweil befanden. Wir waren nicht heimatlos, eher wie Vögel, die weiterzogen, wenn die Jahreszeiten wechselten.

Der Nachthimmel war bedeckt mit Wolken, hinter denen irgendwo der Mond schien, doch man konnte ihn nicht sehen, verschluckt von der Nacht. Ich war froh, dass wir einen Gasthof gefunden hatten, der noch ein Zimmer für diese Nacht hatte. Morgen würden wir weiterziehen, in den Süden, in den Osten. Dorthin, wo der Wind uns treiben würde. Des Nachts wurde man auf den Strassen selber zum Schatten, zum Schwarz der Nacht.
 

Mein Blick fiel auf Tito, er schien zu schlafen. Die Decke fest um sich geschlungen sah er aus wie ein Engel, ein Engel mit gebrochenen Flügeln, der nicht mehr fliegen konnte. Und wieder versetzte es mir einen Stich, er hatte sein Augenlicht verloren. Den Himmel, den er suchte, er würde ihn nie sehen, wenngleich er unter ihm ging. Die Vögel, die er finden wollte, er würde sie nie finden...
 

Ich fragte dich, wieso du deine Augen immer wieder öffnen und dieses Lächeln bewahren konntest, obwohl es doch für immer schwarz bleiben würde. Doch du lachtest nur sagtest: „Nicht alles ist schwarz, ich sehe Farben, ich sehe Bilder aus der Zeit, in der ich sehen konnte, und ich sehe dich, Storck...“ Lass mich deine Augen sein, lass mich für dich nach dem blauen Himmel schauen, der über uns weilt, während wir weiterziehen, lass uns zusammen die Vögel sehen, die du immer sehen wolltest. Schau durch meine Augen.
 

Wie ein Vogel warst du damals vom Himmel gefallen, doch wann verlässt du dein Nest wieder? Wann wirst du aus meinen Armen entschwinden? Und wenn ich deine Flügel breche, wirst du dann hier bleiben? Doch vielleicht war dieses schon geschehen.
 

Ich drehte mich wieder um und stand dann auf, um das Fenster zu schließen und die Kälte zu bannen. Als ich mich umdrehte, schreckte ich zusammen. Auf meiner Bettkante saß Tito, er sah mich aus seinen starren Augen an. Wenn er mich so anblickte, kam es mir so vor, als würde er alles sehen, auf seine eigene Weise.
 

"Was hast du Tito?" fragte ich und setzte mich neben ihm aufs Bett. "Kannst du nicht schlafen?"

Er schüttelte den Kopf. "Doch, aber du nicht... ." Er pustete die beiden Kerzen aus, die den Raum die ganze Zeit vage erhellt hatten und legte sich zu mir ins Bett. Ich lächelte leicht, er schien mir wieder wie damals, als ich den kleinen Vogel auffing, als er aus dem Nest fiel. Doch seither waren viele Jahre vergangen, der kleine Vogel war groß geworden.

"Du machst dir Gedanken über etwas?" er schmiegte sich sanft an mich, erst zögerte ich ein paar Sekunden, legte dann aber meinen Arm um ihn und zog ihn etwas mehr zu mir.

"Nein, ist schon okay..." hauchte ich und spürte mit der Zeit, wie sein Atmen immer gleichmäßiger wurde, wie er langsam einschlief, in meinen Armen, wie damals.
 

Viel Zeit war vergangen, die Jahreszeiten wechselten und auch meine Gefühle änderten sich für dich. Aus Freundschaft wurde tiefe Zuneigung, wurde Liebe. Ich wünschte, du würdest immer bei mir bleiben, kleiner Vogel. Auch wenn deine Wunden verheilt sind und du deine Schwingen wieder ausbreiten kannst...
 

~owari~



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  halfJack
2010-03-10T12:38:20+00:00 10.03.2010 13:38
Der Schreibstil passt wahnsinnig gut zu der Wortwahl des Mangas, ein wenig altmodisch, malerisch und melancholisch, dabei allerdings nicht zu ausschweifend. Auch im Manga waren die Texte manchmal sehr kurz, aber in diesem ganz bestimmten Klang verfasst, der einem das Gefühl gibt, dass die Sätze noch nachhallen, auch wenn nicht allzu viel gesagt wurde. Die Sprache wird dadurch einerseits bildhaft und andererseits stimmt sie unwillkürlich traurig, obwohl es schließlich nicht darum geht, dass in diesem One-Shot (genauso wenig wie in der Vorlage) keine Hoffnung vorherrschen würde. Gerade diese Hoffnung ist es, die Stigma immer so trist erscheinen ließ, trotz der Farben - und genau diese Atmosphäre hast du geschafft aufzugreifen. Besonders am Schluss, als Stork davon spricht, Tito könne sicher dereinst seine Flügel wieder ausbreiten, musste ich dabei unwillkürlich daran denken, dass eine solche Tatsache alles mögliche bedeuten kann. Es könnte den Tod bedeuten. Es könnte bedeuten, dass sich Tito von Stork befreit, dass sie einander irgendwann gehen lassen. Auf der anderen Seite bleibt nur die Gefangenschaft, wie bei einem schönen Vogel, den man nur deshalb behalten kann und gern anschaut, weil man ihn in einen Käfig gesperrt hat. Freiheit würde in diesem Fall bedeuten, dass Stork Tito verliert.

Ich finde es nur ein wenig seltsam, dass du zwischen der Perspektive wechselst, auch wenn du aus Storks Person die Situation beschreibst. Vielleicht hätte es besser gewirkt, wärst du bei dieser Du-Perspektive geblieben, sodass der gesamte One-Shot von Stork an Tito gerichtet ist. Oder du hättest die Passagen, in denen Tito direkt angesprochen wird, wie im Manga mit einer anderen Farbe unterlegt oder kursiv geschrieben. Ist vielleicht eine blöde Idee, aber dieser Perspektivwechsel hat mich im ersten Moment ein wenig irritiert.

Ansonsten ist deine Fanfiction sehr schön und sehr traurig geschrieben.
Von: abgemeldet
2009-12-05T00:44:23+00:00 05.12.2009 01:44
Die FF ist nicht mehr die Jüngste, aber dennoch voll schön.
Natürlich merkt man dem Stil von dir heute den Unterschied zu deinem Stil von gestern an, aber ich mag die Gedankengänge dieser so ruhigen und wirklich melancholischen Stelle.
Ich kenne die Serie dazu nicht, aber ich habe in deiner Version von ihnen wirklich Gefühle zu ihnen aufbauen können.
*poke*
Schreib mehr FFs. >D


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