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Das Blut der Lasair

von

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Ein aufrichtiges Angebot

Ein aufrichtiges Angebot
 


 

Nach weiteren zehn Minuten hielt Lea noch einmal an, um Catherine zu zeigen, wo sie den Schlüssel für die alte Holztür am anderen Ende des Ganges versteckt hatte.

„Als ich das erste Mal hier war, hat er von innen in der Tür gesteckt. Er liegt seither hier zwischen den beiden Steinen in der Wand.“ meinte sie und zog einen verrosteten großen Schlüssel aus der Nische zwischen den beiden Steinen, auf die sie deutete. Catherine hielt die Taschenlampe, sodass sie das Schlüsselloch fand. Sie sah, dass es nicht einfach war, das Schloss zu öffnen, doch dann hörte sie, dass der Riegel innen zurücksprang. Lea zog die Tür zu sich und blickte zu Catherine.

„Bist du bereit, Cate?“ Die Luft wurde langsam frischer.

„Wofür? Wo sind wir jetzt?“ fragte Catherine und betrachtete die ausgetretenen Steinstufen, die nach oben führten.

„Das wirst du gleich sehen. Ahnst du es noch nicht?“ entgegnete Lea und ging wieder voran. Catherine ahnte etwas, doch sie hatte dort im unterirdischen Gang jeglichen Sinn für Orientierung verloren, weshalb sie nichts sagte. Sie kletterten die Stufen hinauf und leuchteten die Decke ab. Es sah aus, als seien als Decke einfach mehrere Holzbretter aneinander genagelt worden, die immer noch recht dicht zueinander abschlossen. Plötzlich blieb Lea wieder stehen und Catherine stieß gegen sie.

„Entschuldige! Sag’ nächstes Mal, wenn du stehen bleibst.“ meinte sie leise.

„Wieso flüsterst du?“ fragte Lea amüsiert, erwartete jedoch keine Antwort von Catherine.

Catherine schnaubte nur mit der Botschaft: ‚Das weiß ich selbst nicht.’, während Lea die Decke abtastete und sich schließlich mit aller Kraft gegen sie stemmte. Ein Knarren ertönte und die Decke begann sich ein Stück zu heben.

„Ich habe übertrieben!“ stöhnte Lea unter Anstrengung und Catherine kletterte ein Stück höher.

„Womit?“

„Ich habe die Tür mit zu viel Erde abgedeckt. Um sicher zu gehen.“ erklärte Lea und stemmte sich noch einmal dagegen. Da Catherine aber noch nicht in Reichweite der Tür war, blieb das noch ohne Erfolg.

„Jetzt sieht man sie nicht nur nicht, man kommt auch nicht mehr hinaus.“ bemerkte Catherine amüsiert und erreichte nach einer weiteren Stufe die Decke mit ihren Händen. Gemeinsam stießen sie die schwer mit Erde beladene Holzplatte zurück und kühle Nachtluft strömte in den Tunnel. Lea knipste ihre Taschenlampe aus und kletterte ins Freie. Catherine tat es ihr gleich.
 

Oben angekommen sah sich Catherine erst einmal um. Es dauerte eine Weile, bis sie in der Dunkelheit etwas erkennen konnte, doch dann bestätigte sich, was sie geahnt hatte: sie befanden sich bei den alten Gräbern. Catherine erkannte das Kreuz, an dem sie die Frauengestalt gesehen hatte, in unmittelbarer Nähe zum Ausgang des Geheimganges. Es stand direkt vor ihr. Catherine berührte es mit ihren ohnehin schon schmutzigen Händen und fuhr über die steinerne Oberfläche, die beinahe vollständig unter Efeuranken verschwunden war. Nur das obere Ende des Kreuzes und Teile des steinernen Querbalkens mit den eingemeißelten Knotenmustern als Verzierung blickten darunter hervor.

„Was denkst du, warum du vergessen hattest, dass der Gang existiert?“ fragte Catherine und wandte den Blick zu Lea, die sich auf einen Baumstumpf gesetzt hatte.

„Ich weiß es nicht. Was denkst du?“ entgegnete sie und blickte zum Schloss. Catherine folgte ihrem Blick. Unzählige erhellte Fenster übersäten die Fassade. Sie erkannte die Bibliothek, hinter deren Fenster mehrere Mädchen mit Büchern gingen. Um wen es sich handelte, erkannte sie nicht.

„Ich weiß nicht, was ich denken soll, Lea. Deine Großmutter sagte vor einigen Tagen zu mir, dass die meisten Mädchen hier gar nicht so große Kräfte besäßen. Sie selbst und deine Mutter und auch du seien da aber eine Ausnahme.“ erzählte Catherine und antwortete damit nicht auf Leas Frage. Entspannt lehnte sie sich gegen das Kreuz und starrte in die Nacht hinein. „Wieso hast du mir gezeigt, wo sich der Gang befindet? Wieso mir und sonst niemandem?“ fragte sie vorsichtig. Lea schwieg eine Weile, dann meinte sie:

„Ich erinnere mich nicht nur daran, dass ich ihn als Kind schon einmal entdeckt habe. Ich erinnere mich auch daran, dass ich damals aufgeregt zu meiner Oma gerannt bin und ihr davon erzählt habe. Ich habe sie hingeschleift. Und dann hört meine Erinnerung auf. Deshalb sage ich es heute dir. Ich denke, dann vergesse ich es nicht.“ Lea nickte noch einmal zur Bekräftigung, das hörte Catherine am Rascheln ihrer Kleidung. Catherine schwieg und fuhr mit den Fingerspitzen über die Efeublätter an der Seite des Kreuzes. „Seit du hier bist, ist alles anders.“ meinte Lea nach einer kurzen Pause.

„Das tut mir leid.“ gab Catherine betroffen zu. „Ich kann mir vorstellen, dass du nicht gerade gut auf mich zu sprechen bist, denn immerhin verursache ich das ganze Chaos und die Spannungen zwischen mir und deiner Großmutter beziehungsweise deiner Mutter. Die sind wahrscheinlich auch nicht sehr hilfreich.“ Lea sagte nichts. „Trotzdem musst du mir glauben, dass ich wünschte, ich könnte in mein altes Leben zurückkehren und aus deinem verschwinden.“ Lea lachte leise.

„Nein, das tust du nicht. Du weißt doch, dass du mit deinem Wissen nie wieder die Unwissende sein könntest.“

„Was weiß ich denn schon? Absolut nichts … fast nichts!“ entgegnete Catherine und schüttelte heftig den Kopf. „Es trägt zumindest nicht dazu bei, dass ich einem Ergebnis entgegen sehe. Ich komme mir nur noch verlorener in diesem Spiel vor.

„In diesem Spiel? Ist es das für dich? Ein Spiel?“ fragte Lea und wandte den Blick zu Catherine.

„Versteh’ doch: ich komme mir hier einerseits so wichtig vor wie die Dame beim Schachspiel, andererseits allerdings so unwichtig und unnütz wie der Bauer bei diesem Spiel. Einerseits will deine Großmutter mich bei den Besprechungen dabei haben, andererseits verheimlicht sie mir wichtige Informationen. Ich kann hier keinem trauen…“

„Kannst du auch mir nicht trauen?“ unterbrach Lea Catherine scharf.

„Du bist noch sehr jung…“

„Ach, ein Kind also. Und deshalb kann man einfach so übergangen werden. Ernst genommen wird man ja ohnehin nicht. Oder wie soll ich das verstehen?!“ vermutete Lea wütend und gestikulierte mit ihrer Hand vor Catherine herum.

„Du bist noch sehr jung. Ich bleibe dabei. Du solltest dich damit nicht befassen – zumindest nicht, wenn es nicht sein muss.“

„Und du entscheidest, ob es sein muss oder nicht. Oder meine Großmutter und meine Mutter. So ist es doch immer.“ Catherine lachte leise und bitter.

„Ich habe mit vierzehn Jahren meinen ersten Auftrag von der Bruderschaft erhalten. Mit vierzehn Jahren wurde ich als vollwertiges Mitglied derjenigen angesehen, die eben die Aufträge ausführen. Und ich war noch ein Kind. Ich war nicht bereit dafür. Es hat niemanden interessiert. Vielleicht wollte ich dir das ersparen.“

„Ich bin keine vierzehn mehr.“ murmelte Lea und Catherine nickte.

„Aber fünfzehn. Und das macht keinen sehr großen Unterschied, denke ich. Wenn ich dir zu wenig zugetraut habe, dann tut mir das ehrlich leid, aber ich habe getan, was ich für das Beste hielt.“ Lea entgegnete nichts, sondern blickte nur wieder zum Schloss. Catherine atmete ruhig die kühle Nachtluft ein und wartete. Nach einer Weile ergriff Lea wieder das Wort:

„Auch wenn du mir nicht vertraust…“

„Das habe ich nicht gemeint. Ich vertraue denjenigen nicht, denen ich vertrauen sollte. Das ist mein Problem.“

„Wie auch immer. Ich vertraue dir. Und deshalb möchte ich dich etwas fragen. Und zwar… Glaubst du, meine Großmutter hat etwas damit zu tun, dass ich den Geheimgang vergessen habe? Ich meine, ich war bei ihr. Sie wusste davon. Und dann wusste ich nichts mehr. Meinst du, das ist möglich?“ Catherine brauchte eine Weile, bis sie antwortete:

„Ich weiß es nicht, Lea. Ich weiß nicht, ob sie so etwas tun würde und warum sie es tun sollte. Deshalb möchte ich dir nicht sagen, dass ich es glaube. Glaubst du es?“ Lea stützte das Kinn auf ihren Knien ab und meinte:

„Ich sollte so etwas nicht denken oder gar aussprechen, aber ich halte es für möglich. Ich werde den Gedanken einfach nicht los, dass es so war. Was rätst du mir?“ Catherine traf diese Frage unvorbereitet, doch sie überlegte schnell.

„Hm, was ich dir rate… Abgesehen davon, dass ich kaum objektiv gegenüber deiner Verwandtschaft bin – Großmutter wie Mutter – rate ich dir, dass du die Augen offen halten solltest.“ Catherine sah, dass Lea sich erhob.

„Mein Urteil muss ich mir also selbst bilden. Willst du das damit sagen?“ Catherine nickte und gab ein zustimmendes Geräusch von sich. „Das hat Louis auch gesagt…“ murmelte Lea und Catherine ging nicht darauf ein. Sie wusste ja, dass sie längere Zeit mit Louis geredet hatte. Wahrscheinlich hatten sie auch über Elatha und Elizabeth gesprochen.

„Ich werde dir nicht in deine Meinung hineinreden, Lea, aber du kannst zu mir kommen, wenn du jemanden zum Reden brauchst. Du kannst mir erzählen, was dich beschäftigt.“ bot Catherine deshalb nur an und suchte in der Dunkelheit Leas Blick, doch Lea sah weiterhin zum Schloss hinüber.

„Danke. Und was ist mit dir? Brauchst du niemanden, mit dem du reden kannst? Es ist sicher nicht gut, wenn du alles mit dir ausmachst. Was ist zum Beispiel mit den Vorbehalten gegen meine Großmutter? Willst du dir die nicht von der Seele reden?“ erwiderte Lea und drehte sich nun doch zu Catherine um.

„Netter Versuch!“ lachte Catherine, erhob sich und ging in Richtung auf das Schloss. Lea rannte hinter ihr her und nickte. Schweigend verließen sie den Park.



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