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Das Blut der Lasair

von

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Wandeln auf verworrenen Pfaden

Wandeln auf verworrenen Pfaden
 


 

Lea saß gegenüber von Catherine, die völlig ruhig im Schneidersitz verharrte, ruhig atmete und die Augen geschlossen hielt. Sie wusste, dass Catherine den Zustand der vollständigen Meditation beinahe erreicht hatte, doch sie wollte noch ein wenig warten, bis sie versuchte, in ihre Gedanken und ihre Seele einzudringen. Sie machte sich auf viel gefasst, wenn Catherine ihr gesamtes Leben einfach so einen Schutzschild aufrechterhalten hatte, den nicht einmal die Vampire mit ihren gesteigerten mentalen Fähigkeiten durchbrechen konnten. Lea konzentrierte sich ebenfalls auf sich und schloss die Augen. Sie musste selbst in sich gefestigt sein, wenn sie den Vorstoß wagen wollte, sonst würde Catherine sie sehr leicht abwehren. Catherines Worte schwirrten ihr immer noch in ihren Gedanken umher. Sie solle nicht erschrecken. Sie würde auf vieles stoßen, was sie nicht erwartet habe… Was hatte Catherine alles schon erlebt? Was hatte sie schon alles angestellt? Hatte sie gemordet und… Nein, das hielt sie nicht für möglich. Trotzdem musste es viel geben, das Catherine lieber für sich behalten hätte, aber wem ging das nicht so? Lea war erstaunt, dass sie nicht länger darüber nachgedacht hatte, sondern schnell zugestimmt hatte, Lea in ihren Gedanken, Gefühlen und Erinnerungen herumwühlen zu lassen. Lea war nicht neugierig und die Tatsache, dass sie Catherine bald in einem Zustand haben könnte, in dem sie alles preis gab, löste in ihr kein Gefühl der Überlegenheit und Macht aus, sondern eher ein bisschen Unbehagen. Sie hatte Catherine stets als eine undurchsichtige Persönlichkeit gesehen, die ihr in so vielem voraus war und dabei hatte sie nie gesehen, dass sie auch Catherine in vielem überlegen war, weil es ihr so unwichtig erschienen war. Catherine war diejenige, die Pläne hatte und sagte, was getan wurde. Catherine war diejenige, deren Vorfahren ihr ein unwillkommenes Erbe hinterlassen hatten, das im Moment nur für Schwierigkeiten sorgte – sie selbst konnte da mit ihrer Familie aus Mördern und Betrügern nicht wirklich mithalten. Lea atmete tief durch. Sie wollte nicht übertreiben. Das brachte sie nicht weiter. Sie musste ruhig bleiben und sich konzentrieren. Vor allem musste sie ein bisschen von der Scheu abbauen, die sie überfiel, wenn sie nur daran dachte, Catherines Inneres bald nach ihrem eigenen Belieben studieren und erforschen zu können.
 

Lea wartete noch einen Augenblick und wagte dann, als sie sich selbst gefestigt hatte, ihren ersten Versuch, zu Catherine hindurch zu dringen. Sie konzentrierte sich gleichzeitig auf sich und Catherine, löste dann ihre Konzentration auf ihren eigenen Körper etwas und bemühte sich, irgendwelche Schwingungen, die von Catherine ausgingen, zu erfassen. Sie spürte etwas. Sie spürte förmlich, dass Catherine vor ihr saß und ihre Gedanken und Empfindungen konnte sie scheinbar schon undeutlich wahrnehmen, doch plötzlich wurde sie von Catherine wieder zurückgestoßen und ihr der Zugang verwehrt. Lea atmete tief durch und sammelte sich wieder. Sie hatte doch gewusst, dass es nicht leicht sein würde, also sollte sie nun nicht aufgeben. Sie würde es eben wieder und wieder versuchen und irgendwann würde Catherine sich selbst zurückhalten und ihr den Zugang erlauben. Catherine hatte immerhin in das Unternehmen eingewilligt.
 

In den nächsten zwei Stunden änderte sich nichts an der äußerlichen Situation: Catherine und Lea saßen weiterhin gegenüber auf dem Bett und rührten sich nicht. Lea hatte weitere Versuche unternommen und ein paar Mal war sie kurze Zeit in Catherines Gedanken ‚herumspaziert’, doch hatte sich nicht lange dort aufhalten können. Sie hatte Fetzen von unwichtigen und belanglosen Gesprächen gehört, die sie nicht zusammensetzen konnte, doch darum ging es auch nicht. Lea wusste, dass Gespräche nicht reichten. Wenn sie erfolgreich in Catherines Gedanken eingedrungen war, würde sie zuerst nur Bilder sehen, dann Empfindungen fühlen und schließlich konnte sie wirklich in Catherines Erinnerung herumspazieren wie sie wollte. Skeptisch zog Lea eine Augenbraue hoch, da sie das nicht so recht glauben konnte. Bisher hatte sie nur darüber gelesen und sie hatte, als sie diese Kunst gelernt hatte, immer vorher aufhören müssen, damit sie nur theoretisch wusste, wie es zu sein hatte. Sollte sie auch jetzt besser die Finger davon lassen? Nachdenklich schüttelte sie den Kopf. Catherine wollte ihr Bewusstsein erweitern und das war im Moment das einzige, wobei Lea ihr wirklich helfen konnte. Alles andere konnte sie auch allein. Lea warf ihre letzten Bedenken über Bord und konzentrierte sich wieder.
 

Immer länger wurden die Aufenthalte in Catherines Gedanken und nach anfänglichen Gesprächsfetzen und Bildern, die nach und nach privater wurden, gelang es Lea auch, einige Bildersequenzen wie kleine Filmchen aus Catherines Erinnerung zu sehen. Sonnenschein und Sommer. Die letzten Klausuren. Catherine und ihre Freunde von der Schule. … Abends in einem Club. Die Freunde hatten Spaß. Catherine mit einem Mann, der etwas älter war als sie, beim Tanzen. Sie kannte ihn gut. Sie standen sich nah, obwohl er nicht wusste, was sie tat. Das Handy klingelte. Catherine musste gehen. … Catherine und Lucien und ihr Streit. Wieder Gesprächsfetzen über Pflichterfüllung und den Schwur der Societas, den Catherine brach. Lucien war verzweifelt. Er liebte sie doch! Sie konnte ihn nicht verlassen. Lea schüttelte den Kopf. Wenn du deine Schwester so liebst, wärst du ihr lieber gefolgt, als bei dieser Bruderschaft zu bleiben, die ihr nach dem Leben trachtet. Catherine mit Freunden, die nicht verstanden, dass sie nicht mitkommen konnte. Lügen über eine entfernte Tante, die im Krankenhaus lag und besucht werden wollte. … Lea hielt inne und machte eine Pause. Es kostete sie Kraft und noch ließ Catherine nicht zu, dass sie jeden Winkel durchsuchte. Sie musste sich Zeit lassen und auch Catherine nicht durch ihre Ungeduld in einen Zustand bringen, in dem sie sich fühlte, als müsse sie sich verteidigen, sodass sie Lea wieder ausschloss. Sie musste behutsam vorgehen und einfach noch eine Weile ansehen, was aus Catherines Erinnerungen auf sie zukam.
 

Filmsequenz reihte sich an Filmsequenz und Lea unterbrach immer wieder ihre Touren durch Catherines Inneres, um dann erneut den Faden wieder aufzunehmen. Catherine war ein Mädchen und wollte ängstlich die Hand ihrer Mutter ergreifen, die ihr verwehrt wurde. Sie hatte Angst vor den Männern in den schwarzen Anzügen und vor ihren Worten. Sie verstand sie nicht. Lea schüttelte in Gedanken den Kopf. Catherine stand mit vielen andern Kindern, die dennoch älter als sie zu sein schienen, in Kellergewölben. Sie trug eine schwarze Kutte mit Kapuze und einer Kordel um die Taille. Dort war auch ihr Bruder in derselben Kutte. … Catherine und ihr Bruder. Teenageralter. Sie verbrachten jede freie Minute miteinander. Sie standen sich unglaublich nahe und kannten sich in - und auswendig. … Das Warten auf die Eltern. Catherine zweifelte an ihrem Tun für die Bruderschaft. … Die Bruderschaft. Gesichter. Wieder Gesichter. Salieri. Er lächelte und meinte, sie sei etwas Besonderes.

‚So jung wie du, war bisher noch keiner meiner Schützlinge, Catherine.’

Catherine war jünger als alle anderen, als sie von der Bruderschaft in Anspruch genommen wurde. Ihr Bruder begann erst nach ihr mit seinem Dienst. Lea stutzte wieder kurz und tauchte dann wieder ein. Wann würde endlich der Augenblick kommen, in dem sie nicht mehr auf diese wirre Reihenfolge angewiesen war, die Catherine ihr gewährte? Das machte sie noch völlig wahnsinnig. Es war einfach nur verwirrend. Zumindest konnte sie an Catherines Alter immer die etwaige Reihenfolge bestimmen. Catherine und Lestat. Der kleine Streit im Trainingsraum und die fliegende Sai-Gabel, die sich neben Lestat in die Tür bohrte. Spannung und Interesse auf Catherines Seite. Lestats Augen, die ebenfalls für sich sprachen. … Lestat und Crossbost. Die Kälte, die Runen, die Küsse und Catherines Gefühlschaos zwischen Vernunft und Verlangen. Es war falsch, aber es fühlte sich zu gut an, um falsch zu sein. Lestat fühlte sich an wie das einzige Reale in ihrem unlogischen und verwirrenden Leben. Lestat. Lestat. Gott, du tötest mich, wenn du gehst. Liebe. Abhängigkeit. Catherine hasste Abhängigkeit, doch sie liebte ihn. Sie würde alles geben, um ihm nahe sein zu können. Auch sich selbst. Nein, sie war wahnsinnig. Ein entsetzlicher Kampf in Catherine zwischen ihm und ihr. Wissen und Glauben. Vernunft und Verlangen. Leben und Tod. Es war einerlei. Lea stockte. Wusste Catherine, was sie fühlte? War es das, was sie nicht erschrecken sollte?



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