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Das Blut der Lasair

von

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Krisengespräch am Morgen

Krisengespräch am Morgen
 


 

In der Küche herrschte reges Treiben, denn bald würden die ersten zum Frühstück im Saal erwartet. Catherine setzte sich an den Tresen und begnügte sich mit einem Kaffee und einem Croissant, lehnte aber etwas anderes als Butter als Aufstrich ab. Das war ein richtiges französisches Frühstück. Catherine biss in das Croissant und dachte über den Traum nach. Sie musste später unbedingt aufschreiben, woran sie sich noch erinnerte. Am Schluss schien so eine Art Prophezeiung gesagt worden sein… Die war bestimmt wichtig. Und dann wollte sie unbedingt noch weiter im Tagebuch der kleinen Mary lesen, doch auch die Runen wollte sie sich noch einmal ansehen. Es war so viel zu tun, dass sie kaum wusste, wo sie anfangen sollte. In Gedanken versunken nahm sie einen Schluck Kaffee und bemerkte überhaupt nicht, dass Lea sich neben sie setzte.

„Morgen, wie geht es dir?“ fragte sie und blickte Catherine prüfend an.

„Morgen. Es ging mir schon besser, aber im Großen und Ganzen… eigentlich gut. Und dir?“ Lea atmete erleichtert aus.

„Ein Glück!“ presste sie durch ihre Lippen und dankte der Angestellten, die ihr Brötchen, einen Tee und eine riesige Auswahl an Aufstrich, Käse und Wurst vor die Nase stellte. „Ich habe gestern noch so Panik bekommen!“

„Wieso das? Hast du so etwas Schlimmes in meinen Erinnerungen gefunden?“ fragte Catherine mit gedämpfter Stimme und nahm sich doch noch ein Brötchen von Leas Teller.

„Das auch… Aber darüber wollte ich mit dir nicht sprechen… Die Sache mit Sebastien ist aber schon heftig… Na, egal. Du willst mit Sicherheit nicht darüber reden, nicht wahr?“ Catherine nickte und Lea fuhr fort: „Nein, gut. Also: ich habe gestern Abend noch in den Büchern nachgeschaut, in denen solch ein Vorgang dargestellt ist, und bin dann über eine kleine Notiz gestolpert…“ Catherine zog die Augenbrauen hoch und nickte.

„Über was für eine Notiz?“ Lea rieb sich die Stirn und wirkte leicht verlegen.

„Nun, ja. Ich wollte noch einmal nachlesen, ob ich überall war, wo man in deinem Kopf herumspazieren konnte… Insgesamt hat sich für mich übrigens kein abgeschlossenes Bild gezeigt… und ich habe festgestellt, dass es wohl fast soweit war.“

„Nur fast? Ich hatte den Traum wieder… Darauf kam es mir ehrlich gesagt vor allem an.“ meinte Catherine und schenkte sich noch Kaffee nach. Lea nickte.

„Richtig, aber ich habe einen schweren Fehler gemacht. Ein Fehler, der bei einer schwachen Person zu gewissen Veränderungen führen kann… Damit will ich nicht sagen, dass du eine schwache Person bist, aber: naja…“

„Du siehst, es ist alles in Ordnung. Was hast du also falsch gemacht?“

„Ich hätte dich nicht einfach so aus der Meditation holen dürfen. Ich hätte dich langsam und in deinem Kopf darauf vorbereiten müssen, dass ich fertig bin, dass du nicht länger in Meditation bleiben musst… Und dann hätte ich abwarten müssen, bis du selbst bereit bist.“ Lea nickte und fuhr dann fort: „Aber dann hat meine Mutter geklopft. Nein, da wusste ich ja noch nicht, dass sie es ist, aber es hat geklopft. Und da bin ich in Panik geraten und hat dich geschüttelt und an dir gezogen.“

„Stimmt. Daran kann ich mich erinnern. Und? Habe ich danach irgendwie seltsam auf dich gewirkt?“

„Seltsam? Nicht wirklich, aber du warst etwas anders. Du bist meiner Mutter mit kalter Wut ziemlich hasserfüllt begegnet…“

„Deshalb brauchst du dir keine Sorgen zu machen: Das war nicht das erste Mal.“

„Nicht?“ fragte Lea noch einmal nach, worauf Catherine den Kopf schüttelte. „Okay, sagen wir: du warst gleich nach dem Aufwachen du selbst…“ Catherine nickte. „…Wo warst du heute Nacht?“

Lea biss in ihr Brötchen und verschluckte sich fast, als sie Catherines überraschten Blick sah. Einen Moment lang sagte sie nichts und reagierte auch nicht auf Leas Fragen und Erklärungen, die sie noch zusätzlich in den Raum warf. Dann meinte sie leise:

„Zelten…“

„Hä?“ Lea ließ ihr Brötchen nun endgültig sinken und fasste Catherine an die Stirn.

„Lass’ das, mir geht es wirklich gut. Du warst also, nachdem du diese Notiz über das Aufwecken und die Gefahren gelesen hast, noch einmal in meinem Zimmer… Und ich war nicht da?“ Lea nickte. „Und das Fenster?“

„Das Fenster war verschlossen. Deine Schuhe waren noch da und deine Jacke, aber du warst weg.“

„Tja, ich kann mich nicht erinnern, wo ich war. Ich erinnere mich nicht einmal, dass ich weg war, aber… Was sind eigentlich die Veränderungen?“

„Unzurechnungsfähigkeit. Wahnsinn. Und … Amnesie.“ fasste Lea zusammen und blickte Catherine prüfend an. „Cate, bist du sicher, dass alles in Ordnung ist? Ich verzeihe mir das nie, wenn ich dich in die Klapsmühle gebracht habe.“

„Bis auf eine leichte Amnesie konnte ich bisher nichts feststellen. Wirke ich irgendwie verrückt auf dich?“ Lea schüttelte den Kopf. „Siehst du? Es ist alles halb so schlimm.“ Lea nickte und Catherine überlegte eine Weile, bevor sie weitersprach. „Wie kommst du darauf, dass es nur beinahe soweit gewesen ist?“ fragte sie schließlich. Lea trank von ihrem Tee und nickte.

„Nun, es ist… eigentlich nur so ein Gefühl. Vor allem war das Ende zu abrupt, dass dein Geist mit der veränderten Einstellung abschließen konnte. Es ist aber wahrscheinlich, dass du es immer noch nicht kontrollieren kannst. Ich denke, dass du gestern Nacht ein wirklich erweitertes Bewusstsein hattest und Dinge gesehen hast, die dich dazu veranlasst haben, dein Zimmer zu verlassen. Ich habe wirklich keine Ahnung, was du alles getan hast.“ Catherine nickte.

„Du sagtest, schwache Personen würde es in den Wahnsinn treiben. Was ist mit stärkeren? Was geschieht mit denen, wenn sie bei so etwas unterbrochen werden?“ fragte sie und Lea erklärte:

„Da du heute wieder völlig normal zu sein scheinst, wird sich dein Schutzschild wieder erholt haben. Das ist gut für dich, allerdings war dann das Training gestern Abend umsonst.“ Catherine nickte wieder nur und blieb stumm. „Wir könnten das wiederholen, Cate. Das ist, denke ich, kein Problem.“

„Nein. Zumindest nicht gleich. Es gibt noch so viel anderes zu tun. Das Tagebuch. Ich kenne ein weiteres Stück des Traumes, das mir auch schon viel mehr sagt. Die Runen… Ja, die Runen lassen mir auch keine Ruhe. Und dann habe ich gestern Nacht noch Anhaltspunkte aufgeschrieben. Zwei oder sogar drei von ihnen sagen mir etwas, der vierte nicht. Dem werde ich auch nachgehen. Ich denke, damit sind wir in der nächsten Zeit ausreichend beschäftigt… Zumal wir beim nächsten Versuch, den wir in dieser Bewusstseins-Sache starten, richtig dafür sorgen sollen, dass uns niemand stören kann.“ verkündete Catherine und Lea stimmte ihr zu.

„Du musst allerdings leider allein anfangen. Ich muss zur Schule, sonst bekommt Elatha einen Anfall.“ schränkte Lea das weitere Vorgehen ein.

„In Ordnung. Wann kommst du wieder?“

„Gegen halb fünf heute Abend.“ meinte Lea zähneknirschend. „Und das nur, weil wir noch Schwimmen haben…. Wer braucht schon Schwimmen. Ich kann ja schwimmen, aber wer braucht schon Delphinschwimmen oder Kraulen auf Zeit? Ich jedenfalls nicht!“ Catherine nickte geistesabwesend.

„Sag’ mir doch noch einmal bitte, wo die Bücher stehen, in denen du diese Notiz gefunden hast!“

„In Reihe B4 ab Nummer 1756. Bis… pfff... ungefähr Nummer 1788. Es lässt dir keine Ruhe, oder?“

„Vielleicht komme ich noch dazu.“ meinte Catherine und verabschiedete sich kurz darauf von Lea, die schon spät dran war.
 

Catherine saß schon lange mit einigen der Unterlagen in ihr Zimmer und schrieb den Traum nieder. Der grobe Verlauf. Die Folter und dann die Verurteilung und der Beginn der Hinrichtung. Catherine war klar, dass der Traum noch nicht zu Ende war. Sie blickte auf. War er wirklich noch nicht zu Ende? Er endete mit Husten. Mylady erstickte. Ende. Einfach so. Catherine lehnte sich zurück und schloss die Augen. Die Prophezeiung war nicht vollendet worden… vielleicht doch, aber nicht in ihrem bisherigen Traum. Sie musste die Worte aufschreiben, um sie nicht zu vergessen. Nachdenkend lehnte sie sich wieder nach vorne und ließ ihre Feder über das Blatt gleiten. ‚Der Tag wird kommen – und mögen Jahre vergeh’n/ da jemand erscheint, der vom Schicksal auserseh’n/ Doch ihm sollen dreimal sieben gewesen sein/ zu erfüllen des enttäuschten Herzens wütende Rache/ zu beenden der gebrochenen Seele folternde Pein/ Indem schweres Blut sich ergieße und Feuer entfache/ Indem das Rad des Schicksals erneut dreht das Sein…’ Catherine las die Worte immer und immer wieder durch und blieb bei der dritten Zeile immer wieder hängen. ‚Ihm sollen dreimal sieben gewesen sein.’ Das konnte alles bedeuten. Und nichts. Catherine atmete tief durch und konzentrierte sich. Zeile für Zeile ging sie die Worte noch einmal durch. Die erste Zeile war klar: Ein Tag würde kommen… egal, wie lang es dauerte. Die zweite Zeile verstand sie auch: An diesem bestimmten Tag kam ein Auserwählter. Die dritte Zeile…. übersprang sie schnell und ging weiter zur vierten und fünften: Dieser Auserwählte sollte Rache erfüllen und Schmerzen beenden – höchstwahrscheinlich die Rache und Schmerzen der Myady. Die letzten beiden Zeilen empfand Catherine auch als etwas verwirrend. Das alles sollte geschehen, indem schweres Blut sich ergoss und Feuer entfachte und das Rad des Schicksals gedreht wurde und das Sein veränderte. Das Rad des Schicksals. Catherine ließ ihren Füller sinken und erhob sich. Das Rad des Schicksals… Sie erinnerte sich an ihre Namensgebung und blickte noch einmal hinunter auf das Blatt. Schweres Blut und Feuer. Schweres Blut. Sie lächelte unwillkürlich, doch gleichzeitig beschlich sie ein schockierender Gedanke: War das alles nun der Beweis, dass sie der… die Auserwählte war?



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