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Das Blut der Lasair

von

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(Ein-)Geständnis einer Schwäche

(Ein-)Geständnis einer Schwäche
 


 

Catherine stieg aus dem Taxi und ließ sich von dem Fahrer ihr Gepäck reichen. Niemand hatte sie vom Flughafen abgeholt. Kein bekanntes Gesicht war ihr begegnet. Die Fassaden der Häuser hatten sie auf ihrer ruhigen Fahrt hierher gleichgültig aus der Dunkelheit angestarrt. Seltsam weit weg erschienen Catherine die Erinnerungen aus ihrer Kindheit, die Erinnerungen von vor wenigen Monaten. Paris schien ihr in diesen vergangenen Monaten fremd geworden zu sein.

„Sind sie sicher, dass wir hier richtig sind, Mademoiselle? Meiner Meinung nach sieht es hier ziemlich verlassen aus.“ meinte der Fahrer und stellte die Tasche auf den Boden.

„Das hat schon seine Richtigkeit, Monsieur.“ versicherte sie schnell.

„Gut, dann einen schönen Abend… guten Morgen. Wie auch immer.“ murmelte der Fahrer und stieg wieder ein, nachdem sie ihm das Geld gegeben hatte.

Catherine nahm ihre Tasche vom Boden und ging langsam die breiten Stufen zur Haustür hinauf. Das Taxi schlich die Auffahrt hinunter und bog schließlich nach links auf die Straße hinaus. Mit zitternden Fingern öffnete Catherine die Haustür und trat in die dunkle Villa. Unsicher tastete sie nach dem Lichtschalter für die wenigen Wandleuchten auf ihrer rechten Seite und knipste das Licht an. Ein scharfer Atemzug entwich ihren Lungen, als sie sah, dass sich nichts verändert hatte. Was hatte sich auch verändern sollen? Catherine stellte ihre Tasche ab, schloss die Tür und ging in den Salon.
 

Sie wusste nicht, wie lange sie schon allein in diesem Raum saß und aus dem Fenster in die Dunkelheit im Park starrte. Dieses Mal bewegte sich kein Schatten draußen. Es war still. Es war niemand hier. Es tat gut, allein zu sein. Irgendwie. Langsam erhob sie sich, verließ den Salon wieder und warf einen kurzen Blick in die anderen Räume des Erdgeschosses, ehe sie ihre Tasche wieder vom Boden aufnahm und ruhig die Treppe nach oben stieg. In ihrem Zimmer hatte sich nichts verändert. Catherine sah sich noch einmal um und nickte dann bei sich. Es war alles, wie sie es zurückgelassen hatte – zumindest soweit sie sich erinnerte. Auf ihrem Schreibtisch stapelten sich noch Bücher über Psychologie und schienen ihr wie ein Überbleibsel aus einem längst vergangenen Leben. Catherine spürte die Tränen aufsteigen und presste die Augen zusammen. Gott, sie hatte einmal mehr allen Grund dazu, doch sie hatte doch gelernt, sich zusammenzureißen! Catherine packte ihre Tasche aus, warf ihre sauberen Kleider in den Schrank und eilte dann hinüber ins Badezimmer, wo sie sich ein Bad einließ. Ihre Eltern waren tot. Ihr Bruder verloren. Die Villa leer. Verlassen. Tot. Diese Erkenntnis traf sie nun da sie wieder zu Hause war, viel stärker als jemals zuvor. Die Vergangenheit hatte sie nun doch endlich eingeholt. Die Vergangenheit und die immer noch nicht bewältigte Trauer um ihre Eltern, die wie sie in ihr altes Leben gehörten, in dem ihr immer ein älterer Bruder zur Seite gestanden hatte. Catherine zog sich langsam und schwerfällig aus und stieg in die Wanne. Kaum berührte ihr Körper das heiße Wasser, entspannten sich ihre Muskeln und ihr Herz löste sich aus der starren Umklammerung ihres Verstandes. Sie konnte den Schmerz nicht länger zurückhalten, der tief in ihr gegen sie und ihre vernunftbetonte Kontrolle aufbegehrte. Tränen brachen heftig an die Oberfläche und erschwerten ihr das ruhige Atmen. Ihre Kehle brannte feurig. Ihre Lider spannten. Ihre Lippen bebten. Starke Finger schienen sich um ihr Herz gelegt zu haben und pressten es mit aller Kraft zusammen, ehe sie es gänzlich auseinander rissen. Viele kleine Stücke – achtlos in ihrem Körper verteilt… Oder achtlos weggeworfen und mit den Schuhen zertreten. Sie wusste es nicht. Es machte keinen Unterschied. Sie wusste überhaupt nichts mehr. Ihre Hände bedeckten ihre Augen und pressten sich fest gegen sie. Wenn sie nur wüsste, was sie eigentlich gerade fühlte! Wenn sie das Gefühl doch nur klar einordnen könnte! Trauer. Schmerz. Erleichterung. Hoffnung. Ruhe. Unruhe… Alles zusammen. Schwäche. Schwäche. Sie war schwach. Nicht stark. Sie wollte, dass es aufhörte. Sie wollte nicht mehr. Sie konnte nicht mehr. Gott, es tat gut, sich das einzugestehen!
 

Sanft legten sich warme Finger auf ihre nassen Hände und führten sie weg von den Augen. So sanft, dass Catherine nicht einmal erschrecken konnte. Sie war nur überrascht und zog scharf die Luft durch ihre Zähne, bevor sie in ein ruhiges Gesicht sah, das sie gelassen betrachtete. Lestat. Sie war unfähig zu sprechen. Nicht einmal sein Name kam ihr über die Lippen. Sie ließ ihre Hände sinken und sah seiner nun freigewordenen rechten Hand entgegen, die langsam nach ihrem Gesicht tastete und einige Tränen abwischte. Er strich über ihre Wange und über ihre Stirn, an ihrer Schläfe und ihrer Kieferlinie entlang und betrachtete sie schweigend. Catherine sank etwas tiefer in die Wanne. Der Badeschaum bedeckte sie nur dürftig, aber er hatte sie eh schon nackt gesehen. Im Moment schien er sich auch nicht für ihren Körper zu interessieren – sein Blick suchte ihre Augen. Wie aus Reflex ließ sie die Lider sinken und betrachtete die Schaumhügel auf der Wasseroberfläche. Seine Hand legte sich, ohne dass er ein Wort sprach, an ihr Kinn und hob es leicht an. Mit der federartigen Führung seiner Finger gegen ihre Haut zwang er sie, ihn anzusehen. Tränen klebten noch immer in ihren vollen und langen Wimpern. Ihre Augen schimmerten unbeständig und zeigten ihm, dass sie ihren Blick unruhig über seine Gesichtszüge wandern ließ. Ihr Atem streichelte unwillkürlich über die Innenseite seines rechten Handgelenkes, das nur etwas unterhalb ihres Kinns zur Ruhe gekommen war. Noch nie war sie zerbrechlicher gewesen. Noch nie bezaubernder. Catherine hielt seinem Blick nun stand und wartete. Ein anderes Gefühl breitete sich wärmend in ihr aus. Ruhe. Geborgenheit. Und ein Hauch von Leidenschaft. Langsam ließ er seine Hand sinken und brachte etwas mehr Abstand zwischen sie, indem er auf dem Badwannenrand ein Stück nach hinten rutschte.

„Wie kann ich dir helfen? Was kann ich für dich tun?“ brach er schließlich das Schweigen.

Seine Stimme klang rau und beinahe unwirklich. Nein, er war wirklich hier, bei ihr… in ihrem Badezimmer. Langsam schüttelte sie den Kopf.

„Ich denke, du hast schon genug für mich getan, Lestat. Gerade eben.“ flüsterte sie ehrlich und sank mit dem Kopf gegen die Wand.

„Ist etwas geschehen? Ich meine… Warum…? So habe ich dich noch nie gesehen.“ entgegnete er.

„Einmal… im Keller, als ich mich erinnerte, was ich getan habe, dass ich… dass ich auf Lucien eingestochen habe.“

„Damals hast du nicht geweint.“ stellte er fest, doch er nickte.

„Bist du schon lange da? … Ich meine, wie viel von meinem Gefühlsausbruch hast du mitbekommen?“ fragte Catherine mit zittriger Stimme.

„Ist das wichtig?“ fragte Lestat und Catherine nickte. „Ich habe eine Weile gezögert, bevor ich... dich wissen lassen konnte, dass ich da bin.“ gestand er und blickte sie ernst an.

„Das tut mir leid.“

„Was denn?“

„Dass du das eben mitbekommen hast. Ich denke, du solltest mich so nicht sehen.“ erklärte sie, worauf er ein verächtliches Geräusch von sich gab.

Er näherte sich ihr wieder und beugte sich über sie. Sie musste den Blick heben, um seine Augen zu sehen, dann verschwanden sie über ihr. Sein Oberkörper näherte sich ihrem Gesicht, während seine Lippen den Ansatz ihrer Haare und ihre Stirn berührten. Genüsslich zog er ihren Duft ein.

„Wie kommst du darauf, dass das eine Seite an dir ist, die ich nicht sehen will?“ fragte er.

„Sie hat dich anscheinend überfordert… du hast gezögert und wusstest nicht, was du tun solltest…“ begann Catherine und bemerkte selbst, dass das keine wirklichen Gründe waren.

„Falsch.“ meinte er schlicht und ließ seine Lippen zu ihrer Schläfe wandeln.

„Wie ‚falsch’?“ wollte Catherine verwundert wissen.

„Ganz falsch.“ flüsterte er an ihr Ohr.

Catherine jagte seine Stimme so dicht an ihrem Ohr einen wohligen Schauer über ihren gesamten Körper. Sein Mund sank weiter nach unten, folgte der Linie ihres Halses und blieb auf ihrer Schulter liegen.

„So geht das nicht weiter.“ meinte er plötzlich und Catherine hob den Kopf.

Verdutzt versuchte sie, sein Gesicht zu sehen, doch er hatte seine Lippen noch immer gegen ihre Schulter gepresst und schien auch nicht das geringste Verlangen zu haben, ihr mit einem Blick zu begegnen. Lag es am heißen Dampf des Badewassers, dass sie seinen Gedankensprüngen nicht folgen konnte? Oder konnte man das auch so nicht?

„Wie geht was nicht weiter?“ fragte sie vorsichtig und hob ihre Hand an seinen Oberarm.

Seine Lippen nahmen den Weg zurück über ihren Hals und über ihren unteren Kieferknochen, während seine Hand über die Wölbung ihres Schlüsselbeins fuhr und ihr Dekolleté hinab strich. Knapp oberhalb der Wasseroberfläche hielt er inne und hob den Kopf. Er musste sie nun ansehen. Nur Zentimeter trennten sie voneinander. Catherines Augen brannten auf ihm.

„Willst du wissen, weshalb ich gezögert habe?“ fragte er leise.

„Ja, sag’ schon… Du warst überfordert. Gib’s zu!“ hauchte sie gegen seine Lippen.

„Falsch… Ich wollte nur sicher gehen, dass du dieses Mal nichts nach mir wirfst. Es war keine Sai-Gabel in Sicht, aber der Schwamm oder die Shampooflasche wäre sicher nicht angenehm gewesen.“ grinste er, worauf Catherine leise lachend den Kopf schüttelte.

„Ich habe dich nicht getroffen. Um Haaresbreite.“ erinnerte sie ihn.

„Das ist wahr. Nicht mit der Waffe…“ überlegte er scheinbar laut.

Nachdenklich legte sie den Kopf schief. Es fühlte sich so gut an, ihn so dicht bei sich zu haben. Niemals hatte sie diese Momente in Frage gestellt, aber diese Situation war anders… Sie spürte es.

„Was geht so nicht weiter?“ wiederholte sie ihre Frage und bemerkte, dass er zusammenzuckte.

„Es ist mir egal, ob es Seiten an dir gibt, die du selbst nicht gerne zulässt. Ich will sie sehen. Ich will sie kennen, Catherine.“ meinte er zögernd. „Gott, ich kann nicht glauben, dass ich das wirklich sage!“

Catherine blickte ihn nur schweigend an. Sie war auf ein solches Geständnis nicht vorbereitet – nicht im Geringsten. Es fühlte sich gut an, keine Frage, doch…

„Vielleicht hattest du doch Recht und ich war überfordert… Ich bin Wesen wie dich nicht gewohnt.“ Er lachte leise und schüttelte leicht den Kopf. „Ich bin es leid, mir etwas anderes einzureden. Ich will dich. Catherine, ich will alles von dir.“ brach es schließlich aus ihm heraus.

Ein Kribbeln breitete sich in ihr aus. Hatte er das wirklich gesagt? Sie wusste, dass sie ihn liebte, auch wenn sie sich genau wusste, warum das so war. Sie wusste es, seit er ohne ein Wort verschwunden war. Sie wusste, dass sie ihn begehrte, selbst wenn er sie nur ansah… Weiter kam sie nicht. Seine Lippen fanden fiebrig und drängend ihre und raubten ihr den letzten, verbleibenden Funken von klarem Verstand und die letzten Zweifel. Ihre Hände tasteten nach seinem Oberkörper und legten sich um seinen Hals, an seinen Nacken, als er sie aus dem Wasser zog und ihren nackten, nassen Körper an seinen presste.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  -Engel-
2009-02-08T18:20:16+00:00 08.02.2009 19:20
*kicher* Die Vorstellung wie Lestat nen nassen Schwamm abbekommt find ich doch recht amüsant


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