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Das Blut der Lasair

von

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Das Buch der Vergangenheit

Das Buch der Vergangenheit
 


 

Catherine tastete stumm nach dem Lichtschalter auf der linken Seite und warmes Licht flutete den sich anschließenden Raum, wobei er trotzdem den Eindruck einer Mischung zwischen kleiner Lagerhalle und Krankenzimmer erweckte. Rechts waren drei Regale mit Büchern, die man unmöglich in der recht zugänglichen Bibliothek aufbewahren konnte, während links kleine Schränke mit Verbandszeug, Medikamenten und Erste-Hilfe-Artikel und eine medizinische Liege standen. Im hinteren Bereich befanden sich Schusswaffen und Munition, sowie allerhand Stichwaffen, die schon seit Monaten nicht mehr genutzt worden waren.

„Catherine?“ fragte David neben ihr und blickte sie fragend an.

Catherine blieb stumm, ging langsam in den Raum hinein und schloss für einen Moment die Augen. Hinten bei den Waffen hatte sie sich immer vorbereitet, ihre Waffen kontrolliert und ausgewählt. Normalität von damals und doch kam es ihr heute so weit weg vor. Vielleicht würde sie wieder kämpfen müssen, doch sie bezweifelte, dass Lestat das zulassen würde. Er war um so vieles stärker als sie und schon deshalb würde er sie bestimmt auch aus ihrem eigenen Kampf heraushalten. Doch das konnte sie nicht mit Sicherheit wissen.

„Das ist… Du siehst es doch! Bibliothek, Waffenarsenal und Notaufnahme in einem.“ erklärte Catherine und ging zum hinteren Bücherregal durch.

„Und was suchst du?“

„Das weiß ich noch nicht. Doch, ich weiß es schon, aber ich weiß nicht, ob ich es hier finde.“ gab sie nur zurück und Lea schloss zu ihr auf.

„Die Chronik?“ fragte sie scharfsinnig, worauf Catherine nickte.

„Sie könnte trotz allen vorhergehenden Annahmen hier sein. Sie könnte… meine Familie könnte sie doch noch besessen haben, doch ihre Existenz geheim gehalten haben.“

„Alles ist möglich, nicht wahr?“ lächelte Lea.

„Wir verlieren zumindest nichts, wenn wir sicher gehen…“ begann Catherine, doch wollte sich dann nicht weiter erklären.

Es leuchtete ihr ja selbst kaum ein, warum sie sich so sicher war. Es konnte sein, das wusste sie, und deshalb ging sie ihrer Intuition nach. Langsam fuhren ihre Fingerspitzen über einige Buchrücken und hielten schließlich inne, als sie mit den Augen, die schon etwas weiter waren, das Wappen ihrer Familie entdeckte.

„Oh, mein Gott.“ murmelte sie kaum hörbar und im nächsten Augenblick stand Lestat neben ihr und blickte sie besorgt und fragend an.

Catherine schüttelte stumm den Kopf und streckte ihre Hand nach dem Buchrücken aus.

„Das ist sie.“ flüsterte sie und räusperte sich, damit sie weitersprechen konnte. „Das ist die Chronik. Die …“ Catherine zog das dicke, schwere Buch aus dem Regal und betrachtete den Buchdeckel. „Die, die wir brauchen, denke ich.“ fuhr sie fort und strich vorsichtig über das Leder und das Wappenemblem, das auf der Vorderseite wiederholt wurde.

„Dann sollten wir keine Zeit verlieren.“ meinte Lea, machte kehrt und ging zurück zum Tisch.

Catherine zögerte, schlang ihre Arme um das Buch und presste es gegen sich. Ihre Familie war in diesem Buch verewigt, auch wenn diese Familie überhaupt nicht mehr existierte. Eine Familie auf Pergament gebannt – dutzende von Leben und Schicksalen aufgelistet in einem Buch, in dem so die Vergangenheit festgehalten wurde. Konnte sie auch einen Hinweis auf die Zukunft geben, die in diesem speziellen Fall nicht zufällig war? Bedeutete die Tatsache, dass die Chronik noch hier war, dass sie viel früher hätte zurückkommen sollen? Bedeutete sie, dass ihre Eltern stets gewusst hatten… nein, bedeutete es vielleicht, dass es gar nicht so ein großes Geheimnis – was wusste die Bruderschaft über ihre Familie, das Catherine selbst nicht wusste? Sanft legte sich eine liebevolle Hand auf ihre Schulter und Catherine blickte auf. Lestat legte den Kopf leicht schief und wartete darauf, dass Catherine zum Tisch zurückkehrte, damit die Recherchen weitergehen konnten.

„Mir ist nicht wohl dabei.“ flüsterte sie.

„Wobei?“

„Die Chronik war die gesamte Zeit hier. Mein Vater hatte sie einem Ältesten der Bruderschaft ausgeliehen, aber zurückerhalten. Weshalb hat er sie ausgeliehen? Weshalb hat er sie zurückerhalten? Wieviel weiß die Bruderschaft? Wieviel Zeit haben wir noch? Was wird geschehen? Wer…“

„Shh, Catherine, shh! Darum kümmern wir uns doch.“

„Entschuldige. Ich mutiere zum psychologischen Härtefall.“

„Hast du nicht angefangen Psychologie zu studieren? Du könntest dich selbst therapieren.“ schlug Lestat vor und Catherine schüttelte amüsiert den Kopf.

„Ich habe weder mein Studium abgeschlossen, noch könnte ich das selbst tun.“ meinte sie.

„Komm’, ma cherie. Ich kümmere mich auch um dich und übernehme die Verantwortung, wenn du unzurechnungsfähig wirst.“ meinte er leise und wies mit seiner Hand zum Mittelgang, um ihr zu bedeuten, dass sie weitermachen sollten.

Catherine nickte bei sich und presste das Buch enger an sich, ehe sie es an ihre Lippen hob und sie sanft auf das Leder drückte.

„Gut.“ murmelte sie leise und ging an ihm vorbei, wobei sie spürte, dass er ihr seinen Arm um die Hüfte legte und sie zurück zum Tisch führte, ohne sie loszulassen.

Verwundert blickte sie ihn an, doch Lestat hatte seinen Blick auf Marius gerichtet, der sie und ihn flüchtig musterte, dann kurz nickte und dann weiter dem Gespräch folgte, das David mit Armand führte. Catherine setzte sich wieder an ihren Platz und legte das schwere Buch vor sich auf den Tisch. Zögerlich öffnete sie es und blätterte darin über die vielen Seiten hinweg, die den Stammbaum der Familie aufzeigten, nachdem sie sich versichert hatte, dass diese Chronik 1587 mit der Geburt von Margaret Barcley begann und auf Marguerite de Valois als ihre Mutter verwiesen wurde. Es war die richtige Chronik. Die einzige, die ihnen weiterhelfen konnte, wenn das momentan überhaupt ein Buch vermochte.

Lestat blickte ihr über die Schultern und lauschte dem Gespräch zwischen Armand und David nur mit einem Ohr, da es immer noch um den Titel und seine Bedeutung ging – nun aber nicht mit der Fragestellung ‚Warum hat George den Titel eines Gedichts als Name gewählt?’, sondern ‚Worum geht es eigentlich in dem gesamten Gedicht und was für eine Bedeutung kann ein solches Gedicht für den Hexenzirkel gehabt haben?’. Solche Ansätze brachten die Recherchen nicht unbedingt voran, doch er wollte ihnen ihre Diskussion lassen. Vielleicht stießen sie ja doch auf etwas Interessantes, das dann allerdings wieder rein hypothetischer Natur sein würde.

Inzwischen war Catherine bei der Gegenwart angekommen und stellte fest, dass die Affaire zwischen Vincent du Ravin und Elizabeth Abbotsford in der Chronik festgehalten wurde, da Charlotte Abbotsford – Elatha – als Kind der beiden verzeichnet war und auch Lea einen Platz im Stammbaum erhalten hatte.

„Sie haben es gewusst?“ fragte Lestat verwundert und Catherine nickte.

„Ich möchte nicht wissen, wie es meiner Großmutter dabei gegangen ist.“ murmelte sie und empfand Mitleid mit ihrer Großmutter, die so einen Verrat und so eine Enttäuschung wahrlich nicht verdient hatte – doch wer hatte das schon?

„Charlotte war die erste weibliche Nachfahrin von George. In der Linie gab es bis dahin nur Männer, sonst hätte sich der Namen auch nicht erhalten.“ meinte Lestat.

„Wieso ist ihr das Ganze dann nicht passiert, was mir passiert, wenn du das schon so betonst?“ fragte Catherine und Lestat überlegte kurz.

„Du bist allerdings die erste weibliche Nachfahrin der direkten Linie, deine Eltern waren rechtmäßig verheiratet und du bist genau vierhundert Jahre nach Margaret Barcley selbst geboren. Vielleicht ist das der Grund.“

„Kein sehr guter Grund, um ein Leben auf den Kopf zu stellen.“ murmelte Catherine, nickte aber und hob den Blick.

Lestat lächelte sie an und schüttelte den Kopf, dann wandte er sich wieder der Chronik zu. Catherine blätterte weiter.

„Was ist das nun?“ fragte Lestat und beugte sich ein Stück weiter nach vorne.

„Wenn man es mordern ausdrücken würde, könnte man das wohl als Rekrutierungsunterlagen bezeichnen.“ erklärte Catherine und überflog die Zeilen vor sich, die den Inhalt der nächsten Seiten angaben. „Sie sind chronologisch geordnet und geben stichwortartig die wichtigsten Etappen im Dienst der Bruderschaft wieder… Hm, Rekrutierung oder Berufung, wie es bei der Bruderschaft heißt, Vereidigung, Unterricht und Training, Missionen, Positionen innerhalb der Bruderschaft und Beförderungen und so weiter. … Hier sind noch Vermerke für besondere Dienste oder Fähigkeiten.“ meinte Catherine und blickte wieder auf.

Armand und David hatten ihr Gespräch beendet, doch schienen zu keinem besonders bahnbrechenden Ergebnis gekommen zu sein, und hörten nun still zu.

„Das hat bisher gefehlt, nicht wahr?“ fragte Lea. „In der anderen Chronik, die du in der Hand hattest, meine ich.“

„Ja, aber das ist logisch. Das hier sind Informationen, die die Bruderschaft betreffen. Da Elatha und du zwar vom Blut her mit dieser Familie verbunden seid, aber nicht in der Bruderschaft, werden diese Informationen natürlich nicht weitergegeben. Es ist schon verwunderlich, dass es auf Thirlestane Castle überhaupt eine Chronik gab, denn normalerweise sind Chroniken den Mitgliedern der Bruderschaft vorbehalten. Egal, das soll uns jetzt nicht weiter aufhalten.“

„Wann trat deine Familie in den Dienst der Bruderschaft?“ fragte Marius, um die Recherche voranzutreiben.

„Soweit ich weiß im 18. Jahrhundert, doch nach der Chronik… Moment, bitte!“ entgegnete Catherine und blätterte einige Seiten vor, die nicht beschrieben waren, und wieder zurück und wieder vor, bis sie die erste Eintragung fand. „Nach der Chronik war der Beginn des Dienstes tatsächlich 1714.“

„Hast du etwas anderes erwartet?“

„Ja, ich dachte, es stimmt wieder nicht, was man Lucien und mir immer erzählt hat.“ gab Catherine zu und zog die Augenbrauen hoch. „Das hier ist allerdings seltsam.“ fuhr sie fort.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  -Engel-
2009-04-10T12:59:55+00:00 10.04.2009 14:59
Was für eine Schande dass hier wieder keiner kommentiert hat.

Die Story ist wie immer fesselnd und faszinierend.
Dein Schreibstil ist genial, ich kann mir lles bis ins kleinste Detaille vorstellen.

Lass dich nicht entmutigen weil kaum wer kommentiert, wenigstens ich werde immer treu lesen ^^


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