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Lost Things

von

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Das Geben und Nehmen

Man erinnere sich an Regen. Die einmalige Erscheinung der in sich verworrenen Wolkenfetzen, die in einem schmutzigen Grau auf die Erde weinen. Unbedeutende Schauer und grandiose Gewitter. Kaum noch Licht, aber dafür nasse Wege. Es ist ein zu schönes Schauspiel, als dass man es nicht sollte genießen.

Dieser Tag war ein Regentag.

Die Wohnung stand voll mit braunen Pappkartons. Kaum ein Schrank stand mehr herum. Die Wände waren kahl und begannen immer mehr zu schallen je mehr aus ihrem Innenraum entfernt wurde. Es wirkte so karg und trostlos.

Victoria wickelte die letzten Gläser, die noch auf dem Küchentisch standen, in Zeitungspapier ein. Es war ihr etwas komisch bei dem Gedanken alles hinter sich zu lassen und in eine neue Welt einzutreten, die ihr bis dahin vollkommen unbekannt gewesen war. Sie würde in das skurrile und ominöse Leben der Vampire, ihrer Artgenossen, eintreten.

Sie fühlte sich, wie kurz vor dem Eintritt in eine neue Schulklasse. Es absolut neues Erwachen würde es werden; neu und unwahrscheinlich beängstigend.

Während sie ein Glas mit Zeitung füllte streifte ihr Blick gedankenverloren durch die Küche, die noch als einziger Raum mit dem Bad noch Mobiliar hatte. Es war kaum noch eine persönliche Note von den Einwohnern, welche sie und Leif waren, übrig geblieben. Alles war sauber und in genau dem Zustand, wie vor ihrem Einzug. Außer dem Ding aus Glas, welches vorerst auf den Küchenschrank gestellt worden war.

Sie hatte es behalten. Schließlich war trotz seines Zustandes ihr Baby. Und sie hatte auch vor ein weiterhin zu behalten, als gute und schlechte Erinnerung.

Victoria hatte ihren Sohn in eine Position gedreht, dass sie ihn direkt ansehen konnte. Ihr war selbst unerklärlich, wie sie es fertig brachte dieses Wesen fast zu vergöttern. Sie schob es auf ihren Mutterinstinkt. Sie schaute lächelnd zu ihm hinüber und schickte ihm sogar einen Kuss zu. Ja, sie war wieder glücklich.

An der Haustür rüttelte jemand an der Klinke und hatte offensichtlich Schwierigkeiten den Schlüssel im Schloss umzudrehen. Vic lauschte dem Geräusch, aber machte fuhr mit ihrem Verpacken unvermindert fort.

Es dauerte nicht lange als sich die Tür schließlich öffnete und Leif entnervt fluchend über die Tür eintrat. Er war vollkommen durchnässt gewesen und in vollständiger Motorradmontur ein. Seine Schuhe hinterließen nasse Abdrücke auf dem Flurboden. Vic eilte zu ihm und meinte besorgt:

"Das muss jetzt aber für heute reichen, Leif. Der Regen wird immer schlimmer und du bist nass bis auf die Knochen."

Leif strich sich die Haare aus dem Gesicht und entgegnete:

"Einmal muss ich noch hin. Von dem blöden Regal aus dem Wohnzimmer fehlen die Schrauben."

"Das kann doch auch bis Morgen warten.", beharrte Vic.

"Ach, was. So sind wir heute schon damit fertig und brauchen uns Morgen nicht damit abzuquälen.", sagte er scherzend und vermittelte, dass er ihren Einwand nicht ernst nahm.

"Aber Leif, bitte!", wand sie penibel ein, "Ich will nicht, dass dir etwas passiert."

Er drückte ihr sorglos einen Kuss auf die Wange, doch Victoria behielt ihren sorgenvollen Gesichtsausdruck bei.

"Mach dir keine Gedanken, Darling. Ich bin in etwa einer Stunde wieder hier; unversehrt und in einem Stück."

Beklommen schaute sie kurz zu Boden. Ihr war nicht wohl bei dem Gedanken, ihn bei diesem nicht zu durchblickenden Regen draußen zu wissen. Und plötzlich kam ihr ein unheilvolles Bild in den Kopf, welches sie schon fast vergessen hatte. Ihre Augen weiteten sich und sie sah ihn entsetzt an.

"Was hast du?", fragte Leif verwirrt.

"Geh nicht", bat sie kleinlaut und drückte sich an ihn, auch wenn sie seine nasse Jacke als unangenehm empfand, "Ich hab ein ungutes Gefühl, du bei Regen auf diesen mörderischen Straße, das ist …"

"Es wird schon gut gehen, Vic. Mir kann doch gar nichts Schlimmes passieren. Ich bin schließlich ein Vampir."

Seine fröhlich klingende Voraussicht beruhigte Vic um keinen Deut. Aber sie konnte ihn nicht aufhalten, da er ein viel zu sturer Kerl war, als dass er sich hätte von ihr belehren lassen. Er ist so dumm!, dachte sie sich und sah zu, wie er sich die Tüte mit den Schrauben griff und erneut durch die Tür ging.

Seufzend faltete Vic ihre Hände vor der Brust und meinte nervös:

"Das du mir bloß gesund wieder kommst!"

Hilfesuchend wandte sie sich an das Baby, dass in seiner gelblichen Flüssigkeit schwebte. Sie umarmte es, wie ein lebendiges Wesen und flüsterte ihm zu:

"Dein Dad ist unverbesserlich."
 

Feucht war sie. Absolut feucht. Er dachte nicht im Traum daran überhaupt zu erwägen, dass man diese "Feuchtigkeit" schon als nass bezeichnete. Der Himmel war fast nachtdunkel geworden, aber Leif störte sich nicht daran. Er wollte schnell in die neue Wohnung und das Regal aufstellen. Er gehörte, und darauf war er sogar sehr stolz, zu jenen Menschen, die, wenn sie eine Sache begonnen hatten, diese auch schaffen wollten. Leichtsinn? Nicht die Spur! Zumindest nicht für Leif.

Sein Motorrad fuhr auf der Straße sicher wie bei schönem Wetter auch. Er hatte alles unter Kontrolle und seines Erachtens nach, hätte er auch schneller fahren können, ohne auch nur die geringsten Schwierigkeiten damit zu haben. Die Tüte mit den Schrauben hatte er in die Innentasche seiner Jacke gesteckt und seine wachen Augen überblickten scharf seine Fahrstrecke. Es herrschte kaum Gegenverkehr.
 

Gavin Wrighley fuhr in seinem Truck durch die Stadt. Er hatte bereits einige Stunden hinterm Lenkrad hinter sich gebracht und trank nun gegen seinen ansteigende Müdigkeit einen heißen Kaffee nebenbei. Er hatte schon oft solche Arbeitsmomente gehabt, in welchen er kaum noch die Augen aufhalten konnte und sich nach nichts mehr sehnte als nach einem gemütlichen, warmen Bett. Und dies war wieder so ein Moment. Wrighley vertröstete sich mit dem Gedanken, dass er die Müdigkeitsphase bald hinter sich hatte und er dann ohne Mühe locker noch ein paar Stunden bis zum nächsten Truckstore durchhalten konnte. Er war ein kräftiger Kerl und kannte genau die Grenzen seines Körpers.

Gemächlich fuhr er den Highway entlang und begleitete dies mit gelegentlichem Gähnen.
 

Leif nahm die nächste Ausfahrt und wechselte auf den Highway. Die Strecke war auf diese Weise schneller zu ende und er konnte recht bald wieder bei seiner Vic sein.

Der Regen wurde indes immer stärker und seine Sicht wurde arg beeinträchtigt. Er verengte die Augen, trotz seines Helms, der seinen Blick vor Wasser schützte und blinzelte unkontrolliert. Sein Blinzeln lenkte ihn hierbei besonders ab. Er hatte es schwer sich auf die Straße zu konzentrieren und musste seine Arme regelrecht zwingen den Lenker gerade zu halten. Leif wurde es etwas bang.
 

Wrighley zügelte seine Fahrgeschwindigkeit. Es erschien ihm bereits schon sehr gefährlich überhaupt auf der Straße zu sein. Schnell trank er seinen Kaffee in einem Zug aus und warf den Becher auf den Beifahrersitz. Er war sich sicher, dass er nun seine ganze Aufmerksamkeit auf den Fahrtweg richten musste. Ihm blieb nun keine Zeit für eine Kaffeepause, wenn er heil an sein Ziel kommen wollte,

Der Scheibenwischer vor seinen Augen zog behände die Regentropfen von der Scheibe. Aber der Regen war hartnäckig und legte sich sogleich wieder auf das Glas, sobald die Fläche für eine Sekunde frei war. Es war kein guter Tag, um nicht zu Hause zu sein, dachte Wrighley.
 

Leifs Jacke war vollkommen durchnässt und er konnte bereits seine Sachen an seinem Körper spüren, welche ekelhaft klebten. Er wagte sich kaum noch seinen Brustkorb zum Atmen zu heben, weil es ihn so ekelte. Er war froh, dass wenigstens seine Hände durch die Handschuhe vorm Regen geschützt waren. Doch durch seine festen Griff, kamen ihm seine Finger schon bald wie eingeschlafen vor. Sie kribbelten und waren schwer wie Blei.

Leif versuchte, sie kurz zu bewegen. Er begann mit der rechten Hand und lockerte seine Griff, sodass er seine Finger etwas strecken konnte und packte sofort wieder nach dem Lenker. Als er die erste Hand problemlos hinter sich hatte, versuchte er es mit der linken. Diese war zu seiner Überraschung nicht ganz so leicht wieder in Funktion zu bringen; sie hatte sich verkrampft als er die Finger gestreckte hatte. So war er gezwungen die Übung zu wiederholen. Aber als er die Hand zu einer Faust formte, entfernte er die Hand zu weit vom Lenker und er verlor auf der glatten Straße das Gleichgewicht.

Leif schrie entsetzt auf. Er hatte sein Motorrad nicht mehr unter Kontrolle und schusselte Hin und Her.
 

Wrighley schaute angestrengt nach vorn und konnte nur gering etwas anderes als den Regen erblicken. Als er noch ein paar hundert Meter gefahren war, konnte er vor sich ein Licht erkennen, welches unvorhersehbar von einer Fahrbahn auf die andere wechselte.

"Was in drei Teufelsnamen?", meinte der Trucker perplex zu sich selbst und trat augenblicklich auf die Bremse.

Der Truck kam nicht sofort zum Stehen. Er schlitterte noch ein paar Meter bevor er endlich anhielt.

Doch es war zu spät gewesen!
 

Ein dumpfer Aufprall! - Metall schmetterte auf dem Asphalt! - Räder rutschten auf der regennassen Straße! - Ein wildes Zucken durchfuhr den Fahrer, welcher durch die Luft geschleudert wurde! - Dann Blaulicht und Sirenen! - Viele Töne auf einmal, ohne einen Punkt, von woher aus diese kamen! - Und das Blut floss in eine Pfütze! - Es schimmerte herrlich rot!



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