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Sorglospunks forever

von

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Traumberufe

Traumberufe
 

„Aber das Rechnungsstellungsdatum und der Eingangsstempel besagen, dass wir noch über zwei Wochen Zeit haben, Ihnen das Geld anzuweisen. Sie haben also kein Recht, uns bereits jetzt mit einer Mahnung zu drohen.“ Mit diesen Worten beendete Easy das Telefonat, ehe sie sich dann auf ihrem Bürostuhl um die eigene Achse drehte und zu ihrem Kollegen hinüber sah. „Ist denn das zu fassen? Bloß weil bei denen in der Buchhaltung jemand die Rechnung zu spät erstellt hat, glauben die auf einmal, wir würden uns mit der Zahlungsanweisung beeilen, damit deren Chef das nicht merkt. Wenn sie wenigstens lieb und nett angefragt und uns die Sache erklärt hätten, hätte man ja vielleicht darüber reden können, aber uns gleich mit einer unrechtmäßigen Mahnung zu drohen…“ Gefährlich pulsierte eine Ader an dem Hals der jungen Frau.

„Ganz ruhig, Easy“, versuchte sie der etwas untersetzte Mann mittleren Alters zu beruhigen. „Komm, lass uns in die Teeküche gehen und einen Kaffee trinken, und dann schauen wir mal, bis wann wir das Geld einbehalten können, ohne ernsthaft mehr als eine Mahnung zu riskieren.“ Er grinste. Genau wie seine junge Kollegin waren Zahlen sein Leben, und der Anblick langer Kolonnen von Ziffern, die gegeneinander addiert hübsche Summen und somit Kontostände im Plus und Minus ergaben, war für ihn immer wieder ein so schöner Anblick, dass daneben selbst die Mona Lisa oder die berühmten Seerosen von Monet verblassten. Aber er hatte nicht ganz das Temperament Easys, weshalb er seiner energischen Kollegin gerne derartige Anrufe wie den heutigen überließ. Zum Ausgleich dafür schwang er dann aber hinterher brav den Schaumschläger, damit sie auch richtigen Milchschaum zum Capuccino bekamen.

Wie nicht anders zu erwarten gewesen war, war Easy von der Aussicht auf Kaffee sofort begeistert, ließ Telefon Telefon sein und Buchhaltungsprogramm Buchhaltungsprogramm. Denn Kaffee war Lebenselixier schlechthin. Kaffee und Schokolade.

„Wieso heißt das eigentlich Teeküche, wenn wir dort doch eh alle nur Kaffee trinken?“
 

„Und dann habe ich ihm erklärt, dass die Mehrwertsteuer etwas ist, das alle Bürger gleichermaßen zu zahlen haben, und dass er sie nicht als Werbekosten von der Steuer absetzen kann. Also wirklich, Ideen haben die Leute.“ Jack schüttelte den Kopf und schlürfte genüsslich den leicht mit Schokoladenpulver bestäubten Milchschaum von ihrem Cappuccino. „Das war fast so schön, wie der Kfz-Schildermacher, der mir erklären wollte, dass er seine Umsatzsteuer in Form der Kfz-Steuer seiner Kunden bereits bezahlt hätte.“

Easy kicherte. „Als ob wir nicht rechnen könnten.“

Genau wie bei ihrer Zwillingsschwester gehörte Jacks große Liebe den Zahlen, nur dass es sie nicht in die Privatwirtschaft gezogen hatte, sondern sie lieber als Finanzbeamtin Steuererklärungen bearbeitete.

„Und dann erst dieses Belegchaos… Ich hatte heute bestimmt wieder drei Steuererklärungen, wo die Leute einfach jeden Kassenzettel in eine große Plastiktüte gestopft hatten, frei nach dem Motto: Wer suchet, der findet, und die beim Finanzamt werden schon die richtigen Zettel finden. Als ob der Wocheneinkauf bei Aldi von der Steuer absetzbar wäre“, erzählte Jack weiter. „Von den großzügigen Rechenfehlern beim Addieren der einzelnen Steuerkartenbeträge ganz zu schweigen. Sag mal, Chris, was bringst du deinen Schülern eigentlich heutzutage bei? Dass 1+1=3 ist? Zumindest, solange es um Beträge geht, die sie bekommen können? Und dass immer dann, wenn sie die Beträge zahlen müssen 1+1 plötzlich nur 1,5 ergibt?“ Herausfordernd sah die junge Frau das dritte Mitglied des 0=0-Clubs an. Sie alle liebten Zahlen, erlagen regelmäßig der Faszination der Ziffer ohne Wert und trafen sich nach Möglichkeit einmal in der Woche zum gemeinsamen Kaffeetrinken.

Chris lachte. „Na ja, wenn man lange genug auf dem Taschenrechner herumrechnet, kommt irgendwann was anderes bei raus. Aber das hängt mehr mit den Nachkommastellen zusammen, die der Chip in dem Rechner speichern kann, als mit korrekter Mathematik. Doch ich kann dich gut verstehen, Jack.“ Er nippte an seinem Kaffee. „Ich habe heute den Fehler begangen, in Erdkunde eine Matheaufgabe zu stellen. Wenn der Lago Maggiore mit einer Gesamtfläche von 212,5 km² zu 19,28% auf Schweizer Territorium liegt, wie groß ist dann die Fläche in km², die zur Schweiz gehört?“

Augenblicklich konnte man den beiden jungen Frauen ansehen, wie es in ihren Köpfen ratterte, als Chris die Aufgabe, die er seinen Schülern gestellt hatte, nannte.

„40,97 km²“, verkündete Easy nach wenigen Augenblicken und warf ihrer Schwester einen triumphierenden Blick zu, hatte sie Jack doch mal wieder im Kopfrechnen geschlagen.

Aber diese zuckte nur gelassen mit den Schultern. Aus dem Alter, sich wegen so kindischer Wettstreite zu ärgern, war sie schließlich schon längst hinaus. Dass sie sich überhaupt noch auf solche Wettrechnereien einließ lag einzig am Sportsgeist. Stattdessen sagte sie: „Lass mich raten: Es kam alles zwischen 2,125 und 100 km² raus, wobei die Leute mit 2,125 wenigstens noch versucht haben zu rechnen, wohingegen die Leute mit 100 einfach wild geraten haben.“

„So ungefähr“, stimmte Chris zu. „Dabei weiß ich, dass sie alle im letzten Jahr erst bei mir Prozentrechnung gehabt haben. Aber es geht wohl heutzutage nichts über ein gutes Kurzzeitgedächtnis und ein paar geschickte Spickzettel, um die Klassenarbeit zu bestehen und hinterher alles wieder zu vergessen.“ Chris seufzte. Dabei war er doch Lehrer aus Leidenschaft und versuchte wirklich alles, damit die Schüler am örtlichen Gymnasium die Schönheit von Ziffern und Landesgrenzen ebenfalls erkannten. Meist aber war es vergebene Liebesmüh.

In diesem Moment unterbrach ein leises Handypiepsen die gemütliche Runde. „Piep! Piep! Piep!“

„Verflixt, das hatte ich ja beinahe vergessen. Ich hab heute Abend Elternabend“, sagte Chris und fischte sein Mobiltelefon aus seiner Jackentasche.

Auch Easy und Jack schauten überrascht auf die Uhr, hatten sie doch gar nicht bemerkt, wie schnell die Zeit bei ihren gegenseitigen Erzählungen aus den jeweiligen Zahlenalltagen vergangen war.

„Ich muss dann mal los.“ Damit beendete Chris das Treffen des 0=0-Clubs.

„Piep! Piep! Piep! Piep!“

„Hä? Aber Chris ist doch schon weg, wieso piepst es dann noch?“, fragte Easy Jack ein wenig verwirrt, als das Handygeräusch blieb.
 

„Piep! Piep! Piep!“
 

„Chris, mach dein Handy aus“, grummelte Easy und kuschelte sich tiefer in ihre Bettdecke. Doch das nervige Geräusch blieb. Allerdings es dauerte noch geschlagene fünf Minuten, ehe die Frontfrau der Sorglospunks registrierte, dass das penetrante Piepsen kein Bestandteil des Traumlebens mit Traumberufen und Traumkaffee war, sondern ihr Handywecker, der sie in die Realität zurückholte. Und vor allem, dass dieser Traum gar kein Traum, sondern viel mehr ein Alptraum war. Buchhalterin? Sie sollte Buchhalterin gewesen sein? Oder war das am Ende gar kein Traum, sondern die Wirklichkeit und ihre Band nur der Traum?

Jetzt schon beinahe panisch stürzte die Bandsängerin in die Küche, wo Jack und Chris schon bei der ersten Tasse Kaffee saßen.

„Jack, was ist der aktuelle Mehrwertsteuersatz in Deutschland?“, fragte Easy mit schreckensweiten Augen. Denn wenn ihre Zwillingsschwester wirklich Finanzbeamtin wie in dem Traum war, dann wusste sie diese Frage aus dem Stegreif zu beantworten.

„Öhm, keine Ahnung. Sechzehn Prozent?“, kam es mutmaßend zur Antwort.

„Neunzehn!“, ließ sich da aus dem im Vorgarten residierenden Fass die Stimme des Bandphilosophen und Finanzgewissens durch das gekippte Fenster vernehmen.

Erleichtert ließ sich Easy auf einen Stuhl fallen. „Puh, dann war das also alles nur ein Traum, und wir sind keine Finanzbeamten, Buchhalter oder Mathelehrer.“ Auf den Schock brauchte sie erst einmal einen Kaffee.

„Hä? Finanzbeamte? Mathelehrer? Scheint ja echt ein übler Traum gewesen zu sein“, sagte Chris und überließ Easy großzügig seine Tasse.

„Oh ja, und was für einer. Davon kann ich euch echt ein Lied singen“, seufzte die Frontfrau und gönnte sich erst einmal einen großen Schluck des koffeinhaltigen Gebräus.

Jack spitzte die Ohren. „Du kannst uns ein Lied davon singen?“, fragte sie grinsend. „Dann lass mal hören! Denn wir könnten gut mal wieder einen neuen Song gebrauchen.“
 

Nun ja, so spontan wurde das mit dem Singen dann doch nichts, zumal Chris seine liebe Mühe hatte, seine Kaffeetasse zu retten, als Easy ihren Kopf mit einem frustrierten „Klonk“ auf die Tischplatte hatte fallen lassen. Aber weil sie der Traum wirklich den ganzen Tag über nicht loslassen wollte und weil abranka die Frontfrau mit jeder Menge Motivationsschokolade bei ihrer Traumbewältigung unterstützte, kam am Ende doch noch ein brauchbarer Song heraus:
 

Finanzbeamter ist ein Traum

Die Welt umher bemerkt es kaum

Wie gut der Job, wie schön die Zahl

Addiert, geteilt, exponential
 

Ohohoho
 

Umsatzsteuer, Mehrwertsteuer

Zahlendschungel-Abenteuer

Umsatzsteuer, Mehrwertsteuer

Zahlendschungel-Abenteuer
 

Das Rechnen und die Länderkunde

Versüßt so manche Lehrerstunde

Mit Pi-Quadrat und Integral

Erstrahlt beinahe jede Zahl
 

Ohohoho
 

Mathearbeit, Notenfeuer,

Zahlendschungel-Abenteuer

Mathearbeit, Notenfeuer,

Zahlendschungel-Abenteuer
 

Rechnungen mit einem Skonto

Zahlt man heute – freut das Konto,

Buchhaltung als Elixier

Zahlen, Zahlen wollen wir
 

Ohohoho
 

Rechnung, Mahnung, das wird teuer,

Zahlendschungel-Abenteuer

Rechnung, Mahnung, das wird teuer

Zahlendschungel-Abenteuer
 

Ich wache auf, ein Alptraum nur

Ein Zahlenleben – Horror pur

Ich bleibe lieber Sorglospunk

Und trage Knöpfe auf die Bank.
 

Ohohoho
 

Ein Song, drei Punks, ein Auftritt heuer

Sorgloskonzert-Abenteuer

Ein Song, drei Punks, ein Auftritt heuer

Sorgloskonzert-Abenteuer
 

Ein Song, drei Punks, ein Auftritt heuer

Sorgloskonzert-Abenteuer

Ein Song, drei Punks, ein Auftritt heuer

Sorgloskonzert-Abenteuer
 

(Repeat and fade)



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