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Sorglospunks forever

von

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Computerliebe

Merkwürdige Ereignisse, egal wie vorhersehbar sie eigentlich sind, treffen einen immer unvorbereitet. Und die Sorglospunks bilden da keine Ausnahme…

Es war viel zu früh an einem eigentlich schönen Sommermorgen, irgendwo im noch schöneren Schwabenland, als das Unheil zuschlug. Tatsächlich war es so früh, dass noch nicht einmal die Vögel im Garten richtig erwacht waren, als ein ebenfalls noch nicht wirklich wacher Chris leise die Treppe ins Erdgeschoss hinuntertappte. Doch der Gitarrist der sorglosesten Punkband diesseits wie jenseits des Rio Spätzle hatte einen ausgezeichneten Grund, an diesem Tag bereits in aller Herrgottsfrühe aufzustehen: Umeko. Seit seine Freundin wieder in Japan weilte, war Chris einmal mehr auf die Kommunikationsmittel der modernen Neuzeit angewiesen, um mit ihr in Kontakt zu bleiben. Doch egal wie schnell die Internetleitung war, es nutzte wenig, wenn derjenige, mit dem man sprechen wollte, nicht da war, um zu antworten. Und angesichts der Tatsache, dass Japan zeittechnisch nicht weniger als neun Stunden dem Schwabenland voraus war, bedeuteten die Chats mit Umeko nicht selten ein exaktes Zeitmanagement. Unter anderem, dass man(n) eben zu nachtschlafender Zeit aufstehen musste, wenn man(n) mit Umeko ein Schwätzchen zur Mittagspause halten wollte. So wie heute.

Einen Vorteil, so gestand sich Chris ein, hatte diese Frühaufsteheraktion ja: Man(n) musste sich nicht mit der Bandmanagerin Nifen um den schnellen PC prügeln.

Durch diesen Gedanken noch ein wenig mehr mit der frühen Stunde versöhnt, schaltete Chris den Computer ein und ging dann in die Küche, um sich erst einmal mit dem Lebenselixier aller Sorglospunks zu versorgen: Kaffee. Auf diese Weise entging ihm die merkwürdige Betriebssystembereitschaftsmelodie, die der Rechner an diesem Morgen statt der üblichen vier Töne anstimmte. Als er jedoch zurückkehrte und statt der üblichen Benutzeroberfläche nur einen schwarzen Hintergrund sah, auf dem sich am laufenden Kilometer Herzchen trafen, begann Chris dumpf zu ahnen, dass heute irgendwas anders war. Doch natürlich ließ man(n) sich davon nicht so schnell aus dem Konzept bringen. Hatte er eben heute etwas länger bei der Organisation des Kaffees gebraucht und irgend so ein Scherzkeks – er hatte da ganz arg die Bandmanagerin im Verdacht – hatte wohl seine allmorgendlichen Frühchateinlagen mitbekommen und beschlossen ihn mit diesem ultrakitschigen Bildschirmschoner zu ärgern. Ein kurzes Mauszucken würde genügen und der Rechner hätte vergessen, dass Chris ihn lange genug allein gelassen hatte, um dieses animierte Grauen zu laden. Gedacht – getan. Doch nichts änderte sich! Noch immer flirrten die roten Herzen über den Schirm.

Also kein Bildschirmschoner und somit Zeit für Plan B. Plan B bedeutete einfach einen Neustart, denn wie sagte Nifens Onkel stets bei allem, was Computerprobleme betraf: Reboot tut immer gut!

Dieses Mal hörte Chris die veränderte Eingangsmelodie, mit welcher der Rechner eigentlich seine Bereitschaft signalisierte. An dem Herzchenbild auf dem Schirm änderte aber auch der Neustart nichts. Und ein Blick auf die Wanduhr verriet Chris, dass Umekos Mittagspause unaufhaltsam verrann, ohne dass er in der Lage war, sich mit ihr in Verbindung zu setzen. Denn jetzt erst noch den langsamen Rechner zu starten, hatte wenig Sinn. Am Vorabend hatte Bandmaskottchen Kiwi beim Spielen den rückwärtigen Hauptschalter des Rechners erwischt und dadurch ein unplanmäßiges Herunterfahren erzwungen. Dieses brachiale Gewaltabschalten hatte zur Folge, dass der Computer heute beim Erststart ein Überprüfen der Festplatte fordern würde und käme man dieser Forderung nicht nach, würde der eigensinnige Rechner garantiert die Funktion, die man benutzen wollte, blockieren. So eine Festplattenüberprüfung dauerte aber immer ewig und ewig dauerte bekanntlich länger als eine japanische Mittagspause.

Unter diesen Umständen war es wohl wenig verwunderlich, dass nur Sekundenbruchteile später ein langgezogener, gequälter Schrei durch das Sorglospunkshauptquartier gellte und die übrigen Hausbewohner unsanft aus dem Schlaf riss. Mit müden Augen und zerknitterten Gesichtern gesellte sich die Truppe zu Chris, der wie ein hypnotisiertes Kaninchen die Uhr anstarrte, ganz so als wollte er damit die Zeit zwingen, stehen zu bleiben.

„Was ist los? Was soll das Geschrei?“, fragte Easy, Frontfrau und Songschreiberin der Band, gähnend. Es war einfach zu früh für ihr übliches, quirliges Auftreten.

Stumm deutet Chris auf den Computer.

„Reboot…“, murmelte Jack, die Bandvernunft, nur verschlafen und drückte schon mal auf den Einschaltknopf um die Zwangsabschaltung zu bewirken.

„Meinst du, da wäre ich nicht schon selbst drauf gekommen?“, fauchte Chris das Multi-Percussions-Talent an. Egal wie sanftmütig der Bassist sonst war, wenn man(n) durch die Tücken der Technik an der Kommunikation mit der Liebsten gehindert wurde, konnte es schon zu aufbrausendem Verhalten kommen.

Doch Jack zuckte nur mit den Schultern. Konnte ja nicht schaden, die ganze Prozedur noch einmal zu durchlaufen. Einen Knopfdruck später hörte man das vertraute Summen des Lüfters. Gerade als die ungekrönte Bandvernunft sich triumphierend zu Chris umwenden wollte, ertönten abermals die verräterisch falschen Betriebsbereitschaftstöne.

Ohne sich dessen recht bewusst zu sein – ihr Gehirn arbeitete noch im Schlafmodus –, hatte Nifen den Melodiefetzen aufgenommen und weitergeführt.

Überrascht stupste Bandmuse Abranka Nifen mit ihrer Wolke an. Denn dass die Managerin neuerdings unter die Komponisten gegangen war, wäre ihr neu. Easys Sorgloshits zu vertonen war schließlich Chris’ Aufgabe. Also, so schloss Abranka, hatte Nifens musikalisches Unterbewusstsein das Lied wiedererkannt und die Folgetöne abgespielt.

„Hö?“, fragte Nifen, die sich mehr oder weniger krampfhaft bemühte, nicht allzu wach zu werden. Sie hatte nämlich gerade so schön geträumt, als Chris’ Klagegeschrei durch das Haus getönt war und hoffte, dass sie, wenn sie nicht allzu wach würde, nach Bereinigung der Krise wieder zu dem Traum zurückkehren könnte. Dass das meist nicht klappte, hielt die Managerin nicht von dem Versuch ab.

„Kennst du das Lied?“, fragte Abranka, und um sich einer Antwort zu versichern, drehte sie die Temperatur ihrer Musenwolke ein wenig herab und stupste Nifen gleich noch ein paar mal an.

Dergestalt gegen ihren Willen wachgestupst, sah die Managerin die Bandmuse unwillig an.

„Das Lied?“, wiederholte Abranka, mit einer Geduld, wie sie nur Musen so früh am Tag haben konnten.

„Welches Lied?“ Offenbar hatte Nifen ihre Gesumme wirklich nicht mitbekommen, aber hilfsbereit brachte die Bandmuse sie auf einen Wachwissensstand der Vorgänge. Trotz dessen wusste Nifen immer noch nicht, welches Lied sie gesummt haben könnte, doch einmal wach arbeitete ihr Gehirn wieder in den gewohnten Bahnen und so hatte sie auch gleich eine Idee und zückte ihr Hell-o-Berry. „Jack, könntest du noch mal einen Neustart initiieren?“, bat die Managerin das Percussionswunder.

Chris hatte sich derweil schmollend auf die Sitzecke verzogen. Denn eigentlich war das doch im Moment sein Computer. Aber ein Stück Schokolade von Abranka tröstete ihn schnell darüber hinweg und inspirierte ihn stattdessen auf seiner Gitarre ein ‚Ich vermiss dich’-Lied für Umeko zu komponieren.

Bei dem erneuten Neustart hatte Nifen dann die Liederkennungssoftware ihres Hell-o-Berrys genutzt, um die Töne zu identifizieren. „Computerliebe“, murmelte sie, als sie den Eintrag auf dem Display ablas. „Könnte es sein, dass der Computer nach all dem Liebesgesäusel, das zwischen Umeko und Chris durch seine Leitungen gelaufen ist, selbst gelernt hat, zu lieben und nun einfach aus lauter Verliebtheit nicht mehr daran denkt, normal zu arbeiten?“, fragte sie in die Runde. Das mochte zwar auf den ersten Blick reichlich abwegig klingen, aber die Sorglospunks hatten im Laufe der Zeit einfach zu viele merkwürdige Dinge als gegeben hinzunehmen gelernt, als dass sie ein verliebter Computer noch größer aus der Fassung hätte bringen können. Und die über den Bildschirm schwebenden Herzchen unterstützten eindeutig diese Theorie. Aber was tun mit einem liebeskranken Computer? Der normale Computerfachmann würde ihnen nicht glauben, geschweige denn ihnen weiterhelfen können…

„Was meinst du, Abranka, ob die olympischen Dienstleistungsunternehmen hier vielleicht einen passenden Spezialisten parat hätten?“, wandte sich Jack jetzt an die Muse, während Easy einwarf, dass Computer doch auch nur Menschen seien und als solche das Recht hätten, sich zu verlieben, und sie folglich den armen Rechner in Ruhe lassen sollten. Es war eben der Zeitpunkt vor dem ersten Kaffee.

Da Jacks Vorschlag zumindest einen Versuch wert war, zückte Abranka ihr Musentelefon und ließ sich mit der Auskunft der OLKOMOD, der Olympischen Kommunikationsvereinigung Olympischer Dienstleister, verbinden.
 

Keine halbe Stunde später klingelte es an der Tür des Sorglospunkshauptquartiers. Sofort war Chris wie ein geölter Blitz beim Eingang. Schließlich ging es hier um die Heilung des Computers und somit einer in greifbare Nähe gerückten Hoffnung auf baldige Kommunikation mit Umeko. Allerdings hätte er vor Schreck beinahe wieder die Tür zugeworfen, als er sah, wen die olympische Computeragentur geschickt hatte: Es war niemand anderes als die Hexe Himeka!

„Hime!“, begrüßte Abranka ihre ehemalige Musenkollegin. „Hast du schon wieder den Beruf gewechselt? Bringt das Hexendasein nicht mehr genug ein?“

„Man muss mit der Zeit gehen“, sagte Himeka grinsend und stellte Jensen, ihren Besen, ab. „Als moderne Hexe reicht es nicht länger nur Tränke zusammenzubrauen, man muss sich auch online behaupten. Und gegenüber den Kollegen der alten Edgar-Abteilung hab ich den Vorteil, dass ich auch alternative Heilungsmethoden für Computer anbieten kann. Wo der Schraubendreher versagt, kann ich immer noch mein Glück mit Tränken und Pulvern versuchen. Aber im Moment ist die konservative Konkurrenz eh mit ihrem Altmetall beschäftigt. Irgendeine Infektion hat den Schrott erfasst, absolutes Chaos.“

Bei der Nennung der gefloppten Musen-Computer klingelte irgendetwas unsanft in den Hinterköpfen der Sorglospunkstruppe, aber als Meister des Verdrängens unangenehmer Erinnerungen, ignorierten sie dieses Warnsignal und führten Hime stattdessen zu dem liebeskranken Computer.

Schnell war die Sachlage erklärt, die vermutete Diagnose unterbreitet und, seitens Himeka, der Schraubendreher gezückt. Denn, so die Hexe, sollte es sich tatsächlich um eine unplanmäßige Entwicklung von Gefühlen handeln, dann kam dafür nur Prozessor XY37QVTZ in Frage. Und der war naturgemäß ganz tief in den elektronischen Eingeweiden versteckt. In der für Laien gebräuchlichen Übersetzung hieß das: Das kann dauern. Also ging die Truppe erst einmal in die Küche, um sich mit dem überlebenswichtigen Kaffee zu versorgen, denn allen war klar, dass eine Rückkehr ins Bett jetzt nicht mehr in Frage kam.

Man saß noch beisammen und spielte eine Runde munteres Zuckerkrümel-Songschreiben, als Himeka plötzlich mit einer Art Geigerzähler in die Küche geeilt kam. Hektisch das Gerät auf und ab bewegend, begann sie Abranka abzuscannen. „Wann hattest du das letzte Mal mit einem Edgar Kontakt?“, fragte die Hexe ganz geschäftsmäßig.

Die Bandmuse sah Hime etwas verwundert an und erwiderte dann: „Vor drei Jahren oder so. Wieso?“

„Mist!“, entfuhr es der Ex-Muse und derzeitigen Computerhexe. „Dann kommst du als Kontaminationsquelle nicht in Frage.“ Ein leises Piepsen des Messgerätes bestätigte die Aussage.

„Was ist los? Was soll die Frage nach diesem Edgar?“, wollten die anderen wissen.

„Edgar, war das nicht dieser Songschreibcomputer, den Easy irgendwann angeschleppt hat?“, meinte Nifen sich dunkel zu erinnern.

Die Bandmuse nickte.

„Ihr hattet einen Edgar im Haus?“, fragte Himeka alarmiert, ohne auf die Fragen der Sorglospunks einzugehen.

„Ist, wie gesagt, Jahre her“, erwiderte Abranka, die nun langsam aber sicher auch um Geduld rang und es stand zu befürchten, dass sie selbige bald verlieren würde, sollte Himeka nicht endlich mit ein paar Antworten aufwarten. Ungeduldig abwartend starrte sie die Hexe an. Und die Blicke einer ungeduldigen Muse haben weit mehr Wirkung als die Blicke ungeduldiger Menschen. Tatsächlich wirkten diese Blicke so gut, dass sich sogar eine Ex-Muse wie Himeka unter ihnen unwohl fühlte und sich deshalb letztlich beeilte Licht in das Dunkel zu bringen.

„Vor etwa zwei Jahren kam es zu einer bislang ungeklärten, globalen Störung der übernatürlichen Observationssysteme. Die Störung dauerte nur kurz, aber währenddessen ist es einem extraterrestrischen Computerohrwurm, dem sogenannten Paso Doble-Ohrwurm, gelungen, in die Atmosphäre einzudringen. Dieser Wurm ist nur mit übernatürlichen Computern kompatibel, da er nicht-rechnerische Daten anzapft, wie etwa Inspiration oder Vorhersehung. Die meisten Computer auf dem Olymp, in der Hölle und im Himmel verfügen über aktuelle Schutzprogramme, so dass der Ohrwurm von vorn herein abgewehrt wurde, aber die Edgars auf ihrem Schrotthaufen, hatten diesen Schutz nicht. Weshalb sie jetzt, nach beendeter Inkubationszeit, in herrlicher Kakophonie ‚Herz an Herz’ und ‚Computerliebe’ von sich geben. Symptome, wie sie auch euer Computer aufweist. Weshalb sich mir die Frage stellt: Was habt ihr mit dem Edgar von vor drei Jahren gemacht? Denn mit all den nicht handelsüblichen überirdisch-unterirdischen Modifikationen, die euer Rechner aufweist, könnte er sich mit dem Ohrwurm angesteckt haben, wenn er lokaler Nähe eines bereits infizierten Edgars ausgesetzt war.“

Das waren keine guten Neuigkeiten. Nach kurzem Schweigen erwiderte eine inzwischen deutlich wachere Easy: „Ich glaube, ich hab den Edgar zu dem anderen Gerümpel in den Keller getan. Als Musencomputer konnte ich ihn ja schlecht zum örtlichen Sperrmüll geben.“

„Aber wie kann sich unser Edgar, der ja seit wenigstens drei Jahren keinen Kontakt mehr mit anderen Edgars hatte, mit dem Ohrwurm angesteckt haben, wenn der Wurm doch erst seit zwei Jahren hier auf der Erde ist?“, wollte Abranka wissen.

„Die olympischen Wissenschaftler konnten als Heimat dieses Computerohrwurms einen Planeten namens Sarms identifizieren…“

„Pinky und Co haben das verursacht? Na herzlichen Dank!“, unterbrach Nifen Himeka stöhnend, ehe sie ihr Hell-o-Berry zückte, um ihrem sarmsianischen Kontakt gehörig den Marsch zu blasen.

„Ihr hattet Kontakt mit Sarmsianern?“, fragte Hime neugierig.

Die Sorglospunks nickten. „Weltrettung, du weißt schon“, meinte Jack achselzuckend.

„Wir waren sogar auf ihrem Planeten für einen Gastauftritt“, fügte ihre Zwillingsschwester hinzu.
 

Nun, da Ursache und Wirkung geklärt waren, war die Wiederherstellung der alten Zustände kein Problem mehr. Der Edgar im Keller erwies sich als tatsächlich infiziert, wurde aber von Himeka fachgerecht auf dem olympischen Schrottplatz entsorgt. Dem schnellen Rechner verpasste die Computerhexe ein Notimpfungsschutzprogramm, das auch im Nachhinein noch derartige Würmer erledigen konnte. Natürlich legte die Überprüfung durch das Programm den Rechner für den Rest des Tages lahm, aber bei der Aussicht am nächsten Morgen in aller Herrgottsfrühe nicht wieder so ein Theater zu erleben, konnte sogar Chris mit dem einen Tag Umeko-Entzug leben.



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