Die Tage zogen vorbei wie finstere Schatten, und der Platz des Brünetten in der Schule blieb noch immer Leer. Es war beinah so, als hätte es ihn nie gegeben. Auch wenn ihn seine Klassenkameraden des öfteren fragten, wie es Kouyou ging.. so konnte er ihnen nicht Antworten, oder er erfand einfach Lügen und sagte „Es geht ihm besser!“
Aber sein Herz schmerzte, jedes mal wenn er an seinem Haus vorbei lief. Es war ein Reflex, weil er ihn sonst nach der Schule immer nach Hause gebracht hatte. Doch den Mut fand er nicht ein einziges mal. Er konnte nicht reingehen, er konnte ihn nicht besuchen.. er konnte ihm nie wieder in die Augen sehen. Das alles war so schwer, dabei wollte er das nicht.. er wollte wieder in seiner Nähe sein, wollte ihn lachen sehen, wollte dabei sein wenn es ihm besser ging.. wenn er sich erholte. Doch auch heute, an diesem regnerischen Tag stand er einfach nur vor dem Haus seines besten Freundes und starrte zu seinem Fenster hinauf. Aber nichts tat sich... der Vorhang war immer zugezogen. Er sah ihn nicht ein einziges mal.
Ein seufzen glitt über seine Lippen, während er den Regenschirm etwas in seiner Hand drehte. Wie lange wollte der Blonde eigentlich noch hier stehen? Es würde doch eh nichts bringen.. aber irgendwann musste er den Mut finden um Kouyou wieder unter die Augen zu treten und ihm zu sagen das es ihm leid tat. Das er ihn nicht hatte so verletzten wollen.
Doch als er sich Bewegung setzten wollte, hielt er wieder inne. Vor ihm stand Kouyous Älteste Schwester, und sah ihn fragend und besorgt zugleich an. „Akira-kun? Schön dich mal wieder zu sehen.. wie geht es dir?“ Fing sie schließlich an, und suchte in ihrer Handtasche nach dem Schlüssel. Akira schluckte leicht, als er etwas bei Seite sah, und sich dabei erwischte wie er wieder zu Kouyous Fenster hinauf sah. Ein leises seufzen glitt über seine Lippen. „Mir geht es soweit gut.. was.. macht Kouyou?“ Diese Frage kam wie automatisch über seine Lippen, wo er sich doch eigentlich vorgenommen hatte niemandem nach ihm zu Fragen, außer ihn selbst. Doch wenn er in diesem Augenblick die junge Frau angesehen hätte, so hätte er sicherlich ihren mehr als überraschten Blick gesehen. „Wieso fragst du das? Weist du denn nicht bescheid?“ Nur ganz langsam wagte es Akira seinen Blick wieder zu ihr zu wenden, und er schluckte leicht als er das Entsetzen in ihrem Blick sah. „Bescheid? Wo.. worüber?“ Jetzt war er es, dessen Blick auf die Sekunde genau etwas fragend wurde. Jetzt verstand er gar nichts mehr.. „Akira-kun... Mein Bruder ist doch blind.. hat er dir nichts davon gesagt?“
Das was in diesem Moment passierte, spielte sich alles wie in Zeitlupe ab. Akiras Hand öffnete sich, und mit einem mal glitt sein Schirm zu Boden, landete in eine der großen Pfützen und kullerte langsam in Richtung Straße. Der Regen prasselte auf seine Haare und auf seine Kleidung, eh er verunsichert einen Schritt zurück trat. Es traf ihn wie einen schlag.. Dieses eine kleine Wort, war wie die gewaltige Antwort auf seine Fragen die er bisher gesucht hatte. Blind.. das schallte in seinen Ohren wie eine gewaltige Ohrfeige. Kouyou war blind.. deswegen hatte er ihn nicht angesehen, deswegen hatte er immer wieder beiseite geschaut.. deswegen hatte er sich also geweigert ihn sehen zu wollen, weil er es schlicht und ergreifend nicht konnte. Wut auf sich selbst sammelte sich in ihm an, als er dann doch zitternd seine Hände hob und sie in ihrem Kleid vergrub, sie ansah. „Wo.. ist er?“ fragte er mit bebender Stimme, doch sie wand nur ihren Blick ab und hob ihre freie Hand, legte sie auf die seine. „Er.. ist in die Reha.. sie hoffen das er dort vielleicht zu Ruhe kommt.. und mit der neuen Situation klar kommt...“ Akira presste seine Lippen aufeinander, und er zitterte, eh er seinen Blick senkte, ihm seine blonden Strähnen ins Gesicht fielen. Das konnte doch nicht wahr sein. Wenn er das gewusst hätte. Warum hat Kouyou nichts gesagt? Aber egal wie sehr er jetzt darüber nachdenken würde, eine Antwort konnte er nicht finden. Er musste mit ihm reden, egal zu welchem Preis, er musste wissen was es bedeutete, ob er noch Gefühle für ihn hatte und ob er seine nähe wieder zuließ. Mein Gott, er hätte ihn doch niemals fallen lassen, egal was ihm geschehen war. Er liebte ihn.. von ganzem Herzen.
Jetzt war es wirklich passend das es regnete, denn so konnte niemand seine bitteren Tränen sehen die er weinte. Er spürte mit einem mal ihre Hand auf seinem Kopf, und wie sie ihm darüber streichelte. „Du weißt gar nicht wie sehr er leidet.. er braucht dich..“ wisperte sie leise und sah sich um, wie als würde sie darauf achten das niemand dies sah. Irgendwas war hier Faul, aber bis jetzt konnte noch keiner sagen was es war das hier Falsch gelaufen war, und was Kouyou so verletzlich hatte werden lassen, das er nicht mal mehr zuließ das sein bester Freund bei ihm war. Akira spürte nur, wie sie ihm etwas in die Tasche steckte, und ihn leicht an sich drückte. „Bitte.. du musst zu ihm.. du musst ihm helfen..“ Mit einem mal lies sie ihn los, lächelte den Blonden leicht an und nickte ihm zu. Ihr Gesicht wirkte müde und erschöpft.. und sie schien wirklich all ihre Hoffnungen in den besten Freund ihres Bruder zu sehen.. vielleicht schaffte er es ja wirklich...
Sie wand sich ab, öffnete die Tür und sah ihn nicht mehr an. Akira stand hier, verloren und verlassen, und seine Hand glitt in seine Tasche und tastete nach einem Stück Papier welches er Augenblicklich hervor zog und begann die in Schwarz geschrieben Lettern zu lesen....
Niemals zuvor war er so schnell nach Hause gelaufen wie jetzt. Er hatte seiner Mutter nur ein kurzes „Hallo“ entgegen geworfen und war die Treppe hinauf gestürzt. Seine Nasse Kleidung klebte an seinem Körper, aber jetzt war ihm alles egal. Er riss die Tür zu seinem Zimmer auf, während er dabei war sich die Jacke seiner Schuluniform auszuziehen und eine der Schubladen der Kommode aufzureißen. Irgendwo musste er doch noch das ersparte haben..
Alles war mit einem mal egal geworden. Das einzige was jetzt noch zählte war der Gedanke an Kouyou, und das er zu ihm wollte. Egal was es kosten würde, egal ob er ihn sehen wollte oder nicht – im Übertragenen Sinne natürlich. Sein Atem raste, eben so schnell wie sein Puls, und er zitterte am ganzen Körper während er sich das Geld einfach in die Tasche stopfte und sein Zimmer wieder verlies, die Treppe genau so eilig hinunter rannte, wie er sie vor einigen Minuten hinauf gerannt war. Seine Mutter stand im Flur, beobachtete die Panik ihres Sohnes, und zupfte an ihrer Schürze. „Akira.. was ist los?“ fing sie schließlich an, und er stoppte in seinen Bewegungen, sah sie ernst an. „Ich.. muss weg.. warte nicht mit dem Essen auf mich.. ich.. erklär es dir morgen..!“ Sie wusste das sie ihren Sohn nicht aufhalten konnte wenn dieser erst einmal in Rage war und er nicht mehr wusste was er tun sollte. Aber es musste etwas passiert sein, und wenn sie eins und eins zusammen zählte, dann war die Antwort : Kouyou. Sie kannte ihren Sohn gut genug um zu wissen was war, ohne das er mit ihr Sprach und sie lies ihn gewähren. Auch wenn es ihr schwer fiel, und sie seufzen musste als der Blondschopf das Haus verlies und die Tür hinter sich zuknallte. Sie selber konnte nur hoffen das alles wieder gut werden würde, egal was kommen würde. Sonst war dies das Ende ihres Sohnes...
Nichts konnte Akira jetzt in diesem Augenblick aufhalten. Alles war ihm zu langsam, selbst der Bus fuhr ihm nicht schnell genug den er genommen hatte um zum Bahnhof zu kommen. Dabei wusste er nur den Ort an den er Fahren musste, und nicht mal mehr die Straße oder ähnliches. Aber er hatte genug Geld dabei um sich ein Taxi zu nehmen.. der Taxifahrer würde sicherlich wissen wo er seinen Freund fand, wo diese verfluchte Klinik war.
Als der Bus schließlich hielt, war der Blonde der erste der Ausstieg und die Stufen des Bahnhofs hinauf eilte. Er musste ein Ticket kaufen, er musste schauen wann der Zug fuhr.. und trotzdem war er so aufgebracht, das man ihm sofort ansah das etwas nicht stimmte. Aber er ignorierte alle Menschen um sich herum. Einzig und alleine getrieben von dem Gedanken das Kouyou seine Hilfe brauchte. Wie dumm war der Brünette eigentlich? Das er glaubte das Akira ihm keine Hilfe mehr sein würde.. das er ihn einfach fallen lies und ihm nicht sagte was nicht Stimmte. Während er sich seiner Gedanken erneut hingab, bemerkte er nicht mal mehr, das er inzwischen bereits im Zug saß und aus dem Fenster starrte. Nicht mehr lange, und er würde bei ihm sein.. nicht mehr lange, und er würde ihn wieder in die Arme schließen können. Vergessen war der Tag an dem er sich von ihm getrennt hatte, vergessen war das was am Ende mit Takanori geschehen war. Jetzt galt es ihre Freundschaft zu retten und das bisschen Liebe und Gefühl das sie noch füreinander besaßen. Kouyou konnte ihn doch nicht hassen, irgendwo musste er doch noch so etwas wie Liebe in sich haben.
Vielleicht hatte er einfach aus Angst so gehandelt? Er kannte die Labilität seines Freundes bis ins kleinste Detail, wusste das er oft Falsch reagierte wenn ihn die Situation zu sehr belastete. Und dann war er einfach gegangen und hatte nicht mehr hinterfragt was gewesen war.
Ein leises seufzen glitt über seine Lippen, als er seine Hand hob und sich durch das Nasse Haar strich. Irgendwie fror er auch, und er merkte langsam die Kälte bis tief in seine Knochen. Aber das alles spielte nun keine Rolle mehr. Er war nicht wichtig, auch wenn er wohlmöglich bald mit eine Grippe flachliegen würde.. das war so was von unwichtig. Er schüttelte leicht den Kopf, und fand sich dann in der Realität wieder, und starrte auf die Regentropfen die ihre feinen Wettrennen an dem mit Graffiti besprühten Fenster des Shinkansen zogen. Leicht hob er seine Hand, legte sie an das eben so kalte Glas und schloss kurz die Augen. //Kouyou... warte auf mich...// dachte er nur, auch wenn dieser Gedanke doch irgendwie Schwachsinn war. Vielleicht hatte er auch die letzten Tage immer gewartet das der Blonde zu ihm zurück kehrte, und war doch nur bitter enttäuscht worden, aber das sollte sich nun ändern.
Die Zeit verging nur in Zeitlupe, und Akira wurde immer nervöser je näher er seinem Ziel kam. Den Bahnhof hatte er lange hinter sich gelassen und saß nun in einem Taxi. Es hatte aufgehört zu regnen, aber es war bereits dabei zu dämmern. Der Abend hatte längst begonnen und an sich bezweifelte er, das er so ohne weiteres in das Gebäude kommen konnte um seinen Freund zu sehen. So ein Mist.. Leicht ballte er die Hand zur Faust, und knurrte, als das Taxi mit einem mal zum stehen kam, und der Fahrer im sagte, das sie da waren.
Die Fahrt hingegen war wirklich nicht billig gewesen, doch zahlte Akira diesen Preis gerne, auch wenn das Geld eigentlich für etwas eben so wichtiges gewesen war, so musste es nun dafür dienen das er Kouyou sehen konnte. Aber mit keinem Geschenk der Welt konnte er seinen Freund wohl aufmuntern, außer mit sich selbst.
Der Eingang dieser Klinik wirkte so Steril wie alle Krankenhäuser die er kannte und jedes mal überkam ihn dieses mulmige Gefühl. Er hasste es hier zu sein, und doch trat er ein...
An der Information saß eine ältere Dame und telefonierte, und Akira wartete mit dem letzten funken Geduld den er besaß bis sie fertig war. „Ja?“ gab sie von sich und schob ihre runde Brille auf der Nase nach oben. „Ich will zu Takashima Kouyou... wo kann ich ihn finden?“ Die Dame hob überrascht eine Augenbraue. „Zimmer 215, 3 Etage.. aber Sie wissen schon das die Besuchszeit für heute vorbei ist oder?“ Akira sah etwas nach oben, und sein Blick fiel auf die Uhr an der Wand hinter der Dame.. Es war bereits 20:34 Uhr ... hatte die fahrt wirklich so lange gedauert? Eigentlich wollte er grade noch Antworten, aber in diesem Moment klingelte das Telefon und die Dame suchte in einer Schublade nach ihren Unterlagen. Sollte er den Moment nutzen? So eine Riskante Aktion hatte er bisher noch nie gemacht, aber sicher hatte sie ihn gleich wieder vergessen. Jetzt oder nie war die Divise, und er trat einige Schritte bei Seite, eh er langsam den Flur entlang schlich. Den Aufzug sollte er besser nicht nehmen, also konnte er nur die Treppen benutzen. Die 3te Etage musste ja wohl zu finden sein.
Und endlich hatte er auch sein Ziel erreicht, doch schimmerte aus einem Raum Licht und er hörte sich anscheinend zwei Schwestern unterhalten. Na wunderbar.. die schoben hier wohl Nachtwache oder ähnliches. Aber sie waren wohl sehr beschäftigt, und so schlich er sich einfach den Flur entlang. Irgendwo hier musste das Zimmer doch sein. Gott war er nervös. Das war wie in einem dieser Videospiele in denen man sich an den Gegner vorbei schleichen musste um das nächste Level zu erreichen.
Es dauerte nicht lange, eh an einer Tür die Zahlen 215 vor ihm prangten. Er hatte es also geschafft, doch sein Herz raste, als er seine Hand hob und versuchte so leise wie möglich die Tür zu öffnen. Kouyou würde doch sicherlich schon schlafen..
Der Raum wirkte dunkel und kalt, es brannte nicht mal mehr Licht. Die Vorhänge waren geöffnet, und das Licht des Sonnenuntergangs fiel hinein. Er schluckte leicht, als er die Tür hinter sich schloss. Das war also das Zimmer seines besten Freundes. Akiras Augen weiteten sich leicht, als er den Brünetten auf dem Bett liegen sah. Er schien scheinbar wirklich zu schlafen. Wie es ihm wohl ging? Es dauerte einige Augenblicke bis er sich traute auf das Bett des anderen zuzugehen, und sich davor zu stellen. Kouyou schlief so friedlich, auch wenn sein Gesicht so blass wirkte und das trotz des rötlichen Lichtes welches hinein fiel.
Akira presste seine Lippen aufeinander und seufzte leise, eh er es wagte sich etwas vorzubeugen und Kouyou eine Strähnen aus dem Gesicht zu streichen. „Kouyou...“ wisperte er leise, und sein Freund verzog etwas das Gesicht. Das sah ungefähr so aus, wie als würde man einem kleinen Kind ins Gesicht pusten. Er sah.. einfach niedlich aus. Aber das war doch jetzt nicht wichtig. „Hmm...“ murrte er leise, und hob seine Hand, rieb sich etwas über das Gesicht und öffnete seine Augen....
Dieser Moment war wirklich kostbar.. vielleicht auch etwas seltsam... doch als sich ihre Blicke trafen, weiteten sich die Augen des Brünetten und er rieb sich leicht darüber..
Zitternd setzte er sich auf, hob seine Hände und legte sie seinem Gegenüber auf die Wangen.. streichelte ihn sanft.
„Akira...“
„Ja.. ich bin’s...!“
Ein leichtes lächeln legte sich auf die Lippen des Blonden, als er eben so eine Hand hob und sie auf eine von Kouyous Händen legte, sie sanft streichelte. Er selbst schloss die Augen, genoss diesen Augenblick der zwischen ihnen gerade herrschte. So wirklich konnte es wohl keiner von beiden glauben, das der Andere endlich wieder bei ihm war. Kouyou spürte fast Augenblicklich wie ihm die Tränen kamen, und er selbst schloss seine Augen. Es brauchte vielleicht jetzt keine Worte... das einzige was Akira jetzt in diesem Moment tat, war sich vorzubeugen, und seine Lippen sanft auf die seines Freundes zu legen, ihn kurz und doch zärtlich zu küssen..
„.. Kouyou... ich liebe dich...“