Entropie
Hallo an alle Lesenden,
erstmal wieder vielen Dank an die fleißigen Kommi Schreiber.^^
Nachdem ich darauf hin gewiesen worde, sage ich nun noch kurz etwas zur Kategorisierung der Beziehung von Masao und Noriko.
Die beiden sind quasi so lange befreundet wie Ran und Shinichi und sie haben sich zumindest so weit gefunden, dass sie wissen, sie lieben sich gegenseitig.
Aber das war es auch so ziemlich.
Die Wohnung bezahlen sie beide, sehen sie aber fast eher noch als WG an. Sie haben zwei getrennte Betten und sind eigentlich nie wirklich sich näher gekommen.
Nur, damit das Ende auch verständlich wird, so hoffe ich.
Nun zum jetzigen Kapitel. Die Sterbenachricht ist im Kleinformat jetzt in der Charaliste, aber im Großformat und vor allem richtig herum in meinem Steckbrief.
Ach ja, etwas muss jetzt noch gesagt werden. Normalerweise freue ich mich natürßlich über alle Verbesserungsvorschläge, aber diesmal gibt es einen bewussten inhaltlichen Fehler im Kappi. Ist so gewollt. Wenn jemand also darauf kommen sollte, nicht verraten. *shht!*
Ansonsten wünsche ich viel Spaß
mit dem neuen Kapitel.
lG, Diracdet
P.S.: Danach wisst ihr endlich um meinen User-Namen hier Bescheid...
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Kapitel 7: Entropie
Die Augen gingen den Beteiligten fast über, als sie die zwei Linien und zwei kleinen Punkte auf dem Laminatboden erkannten. Die zwischen ihnen liegende Hand und insbesondere der ausgestreckte Zeigefinger dienten als Vergleichspunkt. Die Linien waren tatsächlich so dick, wie seine Finger.
Der Kommissar näherte sich langsam den Zeichnungen, die scheinbar das Opfer kurz vor seinem Tod fabrizierte.
„Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen, Kommissar Megure. Ich habe Ihre Leute angewiesen, diesen Bereich genauer zu fotografieren, da er später untersucht werden müsse.“
Er nahm Fudos Rechtfertigung kaum wahr, aber Masaos Vater blickte ihn neugierig an. Dann beugte er sich, die älteren Knochen am Rücken stützend, zu seinem Vorgesetzten.
„Und der?“, murmelte er ihm ins Ohr, woraufhin Megure aus seinen Gedanken hoch schreckte.
„Wer? Was?“
„Na dieser junge Mann da. Ist das Kudo?“
„Äh, nein, das ist noch ein Student, Yamato. Hier ist kein Detektiv, glauben Sie mir. Sein Name ist Fudo Nakano.“ Er wollte in der Hoffnung, die Geschichte wäre geklärt, ihn gerade nach seiner Meinung bezüglich der Nachricht fragen, als Inspektor Yamato sich unwillkürlich umdrehte, aufbäumte und Fudo tief in die Augen sah.
„Du bist dieser Fudo? Masao hat mir schon von dir erzählt. Du sollst zwar sehr schlau, aber auch ziemlich eingebildet sein. Und du sollst...
Moment. Heißt das, du bist Mamoru Ietasu?“ Als hätte er alles vergessen, was er eben noch sagen wollte, wendete er sich vom verdutzt drein schauenden 'eingebildeten Schlaukopf' zum noch verwirrter wirkenden Mamoru.
„I...Ich?“, stotterte er unbeholfen, mit dem Finger auf sich selbst deutend.
„J...Ja, der bin ich...“.
Mit einem Satz stürmte der Inspektor auf ihn zu und packte ihn bei den Armen, dass er ja nicht zurückweichen konnte.
„Masao hat schon so viel von dir erzählt, Mamoru. Er war immer schon von deinen Fähigkeiten und deiner Art zu denken, beeindruckt. Ebenso, wie als Freund, er hat dir immer voll und ganz vertraut.“
Etwas unbeholfen wollte sich Mamoru bedanken, wusste aber beileibe nicht, wie er das in dieser Situation anzustellen hatte. Es stimmte, er war besonders mit Masao befreundet, er und Takai. Und ihm ging dieser Tod sehr nahe, das sah man.
Oder war es nur Nervosität?
„Ähem... Herr Inspektor?“, holte ihn Takagi zurück in die Realität und wies ihn händewinkend zu Megure.
Dieser kniete immer noch vor der mit Blut geschriebenen Nachricht, richtete sich nun aber langsam wieder auf.
„Herr Fudo Nakano. Ich würde es begrüßen, wenn Sie sich, so hilfreich Ihre Einmischungen auch waren, an gewisse Protokollarien halten und nicht noch weiter hier alles verwüsten würden.
Sonst könnte man noch meinen, Sie wollten irgendetwas vertuschen.“
Er sah zu Fudo, um sich zu vergewissern, dass dieser verstand, aber der Student lehnte gerade wieder am Fensterbrett und kritzelte etwas mit einem Kuli in sein kleines Notizheft. Nur unwillkürlich schien er zu registrieren, dass ihm gerade die Aufmerksamkeit galt.
„Äh, haben Sie etwas gesagt, Herr Kommissar? Ich hab mir nur die Nachricht übertragen in mein Heft.“
Ein leichtes Zittern am linken Auge Megures deutete seine Unzufriedenheit an, aber er wurde durch das Wort Nachricht dazu gebracht, sich wieder auf den Fall zu konzentrieren.
Er gab zunächst einem Mitarbeiter der Spurensicherung Anweisung, das Bild zu fotografieren und eine Blutprobe zu Vergleichszwecken zu nehmen, bevor er mit Takagi und Yamato sich um den Arm des Opfers versammelte.
„Nun...“, begann er mit gedämpftem Ton, nachdem er sich räusperte.
„Mal angenommen, das hier ist das Blut des Opfers, dann müssen wir wohl tatsächlich davon ausgehen, dass es sich um die wahre Sterbenachricht von Masao Yamato handelt.
Und ich denke, Sie wissen, was das bedeutet.“ Sein ernster Blick wurde von Takagi bestätigt.
„Es bedeutet, dass Herr Nakano und Herr Ietasu mit all ihren Schlussfolgerungen recht hatten. Er wurde ermordet und er kannte den Täter, den er uns hiermit nennen wollte. Es ist eine dieser fünf Personen.
Aber ehrlich gesagt, ich kann nicht viel mit diesen Linien anfangen.“
„Schon klar, ich auch nicht.“, stellte Megure resignierend fest.
„Vielleicht sollten ja auch nicht Sie, sondern einer von Masaos Mitschülern diese Botschaft lesen.“
Es dauerte einen Augenblick, bis die drei Herren der kleinen Stimme unterhalb ihrer Sphären gewahr wurden.
Conan kniete sich vor die Zeichnung und begutachtete sie genau.
„Seine... Mitschüler? Du meinst wohl Kommilitonen, Conan?“, klärte ihn der Kommissar auf.
„Ja sicher, aber das Wort kann ich nicht aussprechen, ich bin doch noch ein Kind.“, grinste er verlegen, sich am Kopf kratzend zurück.
„Ich meinte nur, selbst wenn Masao wusste, wer sein Mörder war, so konnte er ja nicht genauer wissen, was für ein Polizist den Fall untersuchen würde, ob es vielleicht ein Anfänger war oder so ein Rategenie wie sie, Herr Kommissar.
Ihm war lediglich klar, dass in so einem Fall wohl auch die anderen Kommi... Konnti..., Sie wissen schon, dass diese den Tatort und die Nachricht zu Gesicht bekommen würden.
Wenn er also nicht einfach den Namen des Täters oder etwas anderes offensichtliches geschrieben hat...“
„Dann heißt das, er wollte verhindern, dass der Täter ihn durchschaut und hat ein Rätsel daraus gemacht, von dem er überzeugt war, einer seiner Kommilitonen könne es lösen!“
Takagis Augen leuchteten auf angesichts dieser Erkenntnis.
„Beeindruckend, Takagi. Es ist sehr schön, Sie wieder im Außendienst zu haben. Und nun holen Sie die Studenten her!“
„Äh, haha, kein Problem, Herr Kommissar, äh, achso ja, die Studenten...“
„Wir sind ja schon da!“, fauchte ihn Kiyoko von der Seite an. Und tatsächlich hatten sie sich bereits alle um die Polizisten versammelt.
„Was zum...“
„Wir sind nicht schwerhörig, Herr Kommissar – im Unterschied, ich hoffe, es kränkt Sie nicht allzusehr, zu Ihnen, Inspektor Yamato. Sagen wir einfach, Ihre Gespräche waren entsprechend gut zu verstehen.“ Fudos Ruhe war immer noch vollkommen, keinerlei Regung in seinem Gesicht, wie noch vorhin, bevor sie auf die vermeintliche falsche Sterbenachricht trafen.
Was war das nur mit diesem jungen Mann? Die Frage stellten sich nicht nur der Kommissar und die Inspektoren sowie Conan. Ran ging eine ähnliche Frage durch den Kopf.
'Was ist das nur? Etwas an ihm ist so anders. So merkwürdig anders. Und woher kenne ich das nur?'
Inspektor Yamato registrierte die Äußerung über sein Gehör nur beiläufig.
„Wow! Zwei Linien und zwei Punkte. Tut mir Leid, wenn ich Sie enttäuschen muss, aber ich habe kein Ahnung, was das sein soll.“, stellte Takai zunächst ironisch, dann ernüchternd fest.
„Allerdings hatte ich so etwas auch schon befürchtet. Masao hatte ein Faible für komplizierte Rätsel.
Mag sein, dass der Junge recht hat mit seiner Absicht diese Zeichen betreffend, aber es kann durchaus sein, dass er unsere Fähigkeiten dabei überschätzt. Also machen Sie bitte auch Ihre übliche Arbeit, damit wir den Täter schnell finden.“
„Natürlich, Herr Usunomo.“, entgegnete Megure in gewohnter Ruhe.
„Frau Asuno, können Sie etwas dazu sagen?“
Er unterließ es, Noriko zu fragen, sie hatte sich zwar auch getraut, die Nachricht zu begutachten, wendete sich aber sofort wieder angewidert ab.
Kiyoko schien eine Weile in Gedanken versunken, murmelte schließlich nur...
„...er passt...“, und nahm scheinbar überhaupt keine Notiz vom Kommissar.
„Wie 'er passt'? Wer passt wo?“
Aber sie antwortete ihm einfach nicht, sie stand nur da und dachte nach. Mamoru übernahm die Antwort.
„Na, der Zeigefinger, er fügt sich nahtlos ins Bild mit ein. Und das ist durchaus ein sehr beeindruckender Punkt, findest du doch auch, nicht wahr, Fudo?“
Mit einem ganz schwachen Grinsen blickte er zu seinem Freund, der sein Notizheft wieder hervorholte und die Seite herauskramte.
„Eine Tabelle. Genau das denke ich auch, Mamoru.“
„Tabelle?“ Der Kommissar schaute reichlich verwirrt von der Nachricht zu Fudo und zurück.
„Die beiden Linien liegen nahezu parallel, einen gewissen Fehler mag man Masao im Moment seines Todes zugestehen.
Die Verbindungslinie der beiden Punkte ist dazu auch parallel und sogar der Zeigefinger passt in diese Aufreihung, wie Kiyoko schon sagte.
Umgekehrt sind auch senkrecht dazu parallele Linien vorhanden. Die Spitze der langen Linie und des oberen Punktes. Deren Verbindungsstrecke ist genau parallel zur Verbindungslinie des unteren Endes des oberen Punktes und der Spitze der kurzen Linie, sowie die Verbindungslinie des unteren Punktes mit der unteren Spitze der kurzen Linie.
Nehmen wir mal ein Raster wie beim Schach an: parallel zu den Linien nummerieren wir in arabischen Ziffern von links nach rechts, und senkrecht dazu von unten nach oben die Buchstaben des lateinischen Alphabets.
Der untere Punkt liegt dann auf dem Feld B1 und die parallelen Linien verlaufen entlang der Zahlenreihen, so ist der zweite Punkt bei D1, die lange Linie geht von A3 nach D3 und die kurze Linie von B4 bis C4.“
Mit den letzten Worten hielt er ihnen das Heft hin, auf welchem auf kariertem Papier die einzelnen Felder gemäß der Erläuterung mit Kuli ausgemalt waren.
Tatsächlich schien sich das Muster genau zu replizieren.
„Was ist das denn?“, erkundigte sich Megure, nachdem er einen Moment die Zeichnung im Heft überflog, wegen eines Kreuzes im Feld D2.
„Na sieht man doch. Darauf weist der Finger. Das heißt, wenn wir wissen, was es mit der Tabelle selbst auf sich hat, wissen wir auch, wer der Mörder ist, denn an diesem Punkt finden wir die Lösung.
Siehst du, Takai, es ist alles gar nicht so schwer, wenn man ein bisschen drüber nachdenkt.“
Diesen hielt beim letzten Satz gar nichts mehr. Wütend stürmte er auf Fudo los.
„Du mieses, kleines... Wie kannst du es wagen, dich so aufzuführen. Masao war auch dein Freund.
Zumindest dachte ich das bisher, aber das war wohl eine Fehleinschätzung. Und überhaupt, was plusterst du dich hier so auf, als hättest du den Fall schon gelöst? Alle Erklärungen stammen doch von dir. Wer sagt, dass du uns nicht belügst und selbst der Mörder warst?“
Fudo wehrte sich zunächst nicht, als er von seinem Gegenüber am Kragen gepackt wurde, griff dann aber mit der linken Hand an Takais rechter Handwurzel und binnen Bruchteilen von Sekunden ließ dessen Hand unter schmerzverzerrtem Gesicht los.
'War das ein Griff aus dem Kampfsport?' Ran konnte es nicht genau einordnen, es war kein Karategriff, und über die anderen Arten wusste sie nicht viel. Die Art, wie Takai ihn gepackt hatte, erinnerte ein wenig an Judo. Vielleicht daher.
Takagi baute sich zwischen den beiden Streithähnen auf.
„Meine Herren bitte, beruhigen Sie sich, oder Sie müssen den Tatort unter Aufsicht verlassen.“
Takai hielt sich immer noch die Hand, nickte nur ganz kurz und zog sich zurück.
Fudo versteckte seine Hand wieder in der Hosentasche.
Conan begutachtete ihn eine Weile.
'Er ist so völlig anders als vorhin. Als wir ihn kennen lernten. Oder auch, als er nach dem Autogramm gefragt hatte. Da war er doch so total freundlich.
Etwas komisch zwar, aber ganz anders als jetzt.
Als ob er eine Maske aufgesetzt hat. Oder diese fallen gelassen...
Stört ihn etwas neben dem Mord? Oder ist es etwas mit dem Mord selbst?'
Der Kommissar schritt auf ihn zu.
„In einem Punkt hat Herr Usunomo durchaus recht. Sie haben uns jetzt die Mehrheit der Hinweise geliefert, zugegeben, teilweise auch mit Herrn Ietasu zusammen, aber der hat laut Aussage von Ran und Conan ein wasserdichtes Alibi.
Sie hingegen hatten einen gewissen Zeitraum, in dem Sie unbeobachtet waren. Und Sie bestehen darauf, dass die Tat nicht geplant war. War sie aber geplant und vor allem darauf ausgelegt, als ungeplant zu wirken, dann hätten Sie beste Chancen.
Und noch etwas, was mir seit Längerem auffällt, Herr Nakano. Wie Herr Usunomo und vorhin auch Frau Asuno bestätigten, waren auch Sie ein Freund von Herrn Yamato. Wenn Sie nicht der Täter sind, warum scheint Sie die Tatsache, dass er hier tot auf dem Boden liegt, kaum zu belasten?“
Für einen Augenblick wandelte sich sein Gesicht von Ruhe zu Ernst. Sein Blick bekam etwas leicht melancholisches.
„Ich muss dazu ein wenig erklären, Herr Kommissar.
Zunächst entschuldige ich mich aber bei dir, Takai, dass ich dich so getriezt habe und dann auch noch diesen Griff bei dir anwandte. Ich sah nur keine andere Möglichkeit, dich zu beruhigen.
Denn sehen Sie, es ist so, dass wir tatsächlich alle Freunde sind.
Allerdings sind Mamoru und Takai neben Noriko die allerbesten Freunde Masaos gewesen. Deshalb gab es für ihn auch kein Halten mehr, als ich mich in so einer Situation über ihn... wohl lustig gemacht habe.“
Takai nickte noch einmal, als Fudos Blick ihn in diesem Moment traf und er fuhr fort.
„Die Länge meiner alibifreien Zeit habe ich selbst zu verantworten, weil ich mich noch einen Moment mit Conan unterhielt, bevor ich aus Mamorus Wohnung zurückkehrte. Sie müssen wissen, dass ich ihn extra eingeladen hatte, weil ich von seinen Fähigkeiten so beeindruckt war.“
Sein Blick fiel nun auf Conan, der etwas verdutzt auch nur abnickte. Mit einem Zwinkern, wandte sich Fudo wieder Megure zu.
„Nun, und was meine Ruhe angeht, die ist erst seit kurzem da.
Innerlich bin ich bei weitem nicht so ruhig, wie Sie glauben, gerade weil dort die Leiche eines Freundes liegt. Und seit der falschen Sterbenachricht auf dem Computer ist mir klar, dass eine andere Person, die sich auch als mein Freund ausgibt, hinter diesem Mord steht.
Ich werde trauern, Herr Kommissar, aber erst, wenn ich weiß, wer dieser falsche Freund ist.“
Eine Weile herrschte Stille im Raum. Fudos Worte hatten ihre Wirkung nicht verfehlt, zumal sein zutiefst ernst gewordener Gesichtsausdruck es untermalte: er war wegen dieses Falls verbittert und hatte sich darauf versteift, ihn zu lösen, und die Person zu enttarnen, die er seiner Freundschaft nicht mehr für würdig erachtete.
„Vielleicht zeigt er auch nur dahin.“, brach es mit einem Mal von Conan in die Stille hinein. Eigentlich hatten die anderen sich noch gar nicht so recht von Fudos Rede erholt, sodass sie zunächst gar nicht verstanden, worauf er hinaus wollte.
„Was meinst du Conan, worauf sollte das Opfer zeigen?“
„Na sein Zeigefinger ist doch ausgestreckt. So auf dem Boden kann er ihn ja nicht mehr heben, wenn er tot ist, aber er zeigt doch in etwa in Richtung der drei Poster, da an der Wand.“
Genau wie Masao streckte Conan nun seinen Zeigefinger aus, und richtete ihn dabei in etwa passend auf die angedeuteten Wandgehänge.
Drei unterschiedliche Personen waren darauf abgebildet, wohl eine Art Ehrengalerie, so konnte man denken.
Megure trat etwas näher heran und betrachtete das rechte Bild.
Es war in schwarz weiß gehalten und zeigte einen etwa 40 bis 50 jährigen Mann in vornehmem Anzug vor einer mit Formeln und Grafiken vollgeschriebenen Tafel.
Ohne sich von dem Bild abzuwenden, fragte er in die Runde hinein.
„Wissen Sie zufällig, wer diese Person sein soll?“
„Natürlich...“, begann Fudo, wurde dann aber von Mamoru abgelöst.
„Und nicht nur zufällig, Herr Kommissar, sondern sehr bestimmt. Das ist Paul Adrian Maurice Dirac. Ein englischer Physiker und wohl einer der brilliantesten des 20. Jahrhunderts.“
„Begründer der relativistischen Quantenmechanik...“
„Der Theorie magnetischer Monopole...“
„Der quantenstatischen Beschreibung von Fermionen...“
„Der abstrakten schreibweise quantenmechanischer Zustände...“
„Der Deltadistribution...“
„Der zeitabhängigen Störungstheorie...“
Reihum zählten die Studenten die Verdienste Diracs auf, ohne sichtbar zu ermüden.
Es war Megure im Prinzip klar, dass es sich um einen Physiker handelte, aber jetzt wusste er es bestimmt und hatte viele neue Begriffe gelernt, die er sicher sehr bald wieder vergessen haben würde..
„Allerdings... er war kein besonders netter Mensch, sehr pragmatisch, fast schon hölzern. Aber bei jemandem wie ihm übersieht man wohl gerne solche Eigenarten.“, ergänzte Fudo zum Abschluss die Kurzbiografie.
„Schon gut, das genügt, die Frage war wohl falsch gestellt. Aber dieses linke Bild...“
Er schwenkte herüber und betrachtete ein weiteres schwarz weiß Foto. Der Mann darauf wirkte etwa 40 und war leger gekleidet. Auf seinen Knien hielt er zwei Bongos, auf denen er, in die Kamera grinsend, spielte.
„Ist das ein Jazzmusiker?“
„Aber nein...“, wollte ihn Mamoru gerade korrigieren, als Conan sich einmischte.
„Das ist Richard Feynman, nicht wahr?“
Das Erstaunen der anderen war kaum zu überhören, aber er hatte sich ein Stück weit mitreißen lassen. Nicht zuletzt, weil sein Fan ihn ja bereits geoutet hatte und auch ein wenig Geltungsbedürfnis mitschwang.
„Woher...“
„Ich hab mal davon gehört, dass es einen sehr berühmten Physiker gab, der auch ein ausgezeichneter Bongospieler war. Feynman. Da dachte ich mir, dass das unter dem Aspekt, der andere ist auch ein Physiker, passen könnte.“
Sein Lächeln zum Abschluss wurde mit gleichem Lächeln von Mamoru quittiert.
„Richard Phillips Feynman. Das ist sein vollständiger Name.
Der einzige, der wohl Dirac an Genialität noch übertroffen hat, wenn das geht.
Und was das Bongospielen angeht, haben Sie gar nicht so unrecht mit Jazzmusiker, Herr Kommissar.
'Jedesmal, wenn ich zu einer Jazzcombo eingeladen und dann vorgestellt werde, hält es der Moderator aus irgendeinem Grund nicht für notwendig zu erwähnen, dass ich auch theoretische Physik betreibe...'
Das hat er häufig darüber gesagt.“
„Der Begründer der Feynmandiagramme zur Beschreibung aller Quantenstatistischen Prozesse sowie aller Zerfallsprozesse. Das war ein Teil seines physikalischen Beitrages.“, führte Fudo aus.
„Darüber hinaus war er am Manhattenprojekt beteiligt, wo er auch öfters als Safeknacker sich engagierte.
Er spielte Bongo, übersetzte Hieroglyphen, war autodidaktischer Ingenieur, ideeller Begründer der heutigen Nanotechnologie, ein ziemlich guter Lyriker und ganz nebenbei...“
„Der wohl beste Didakt in der Geschichte der Physik.“, setzte nun Kiyoko fort.
„Er hat das ganze System der Physikausbildung neu angeordnet, auf eine so völlig andere Art und Weise, dass man eigentlich immer neben dem normalen Stoff die Feynmansche Variante lesen müsste, um wirklich zu verstehen.
Vor allem aber konnte er begeistern, wie kein anderer. Er hat seine Studenten vom ersten Tag an in den Bann gezogen.
Im großen Physikhörsaal in Kalifornien hing damals eine Bowlingkugel an einem etwa 10 Meter langen Seil in der Mitte vor der Tafel.
Als Feynman das erste Mal reinkam, ging er wortlos auf die Kugel zu, zog sie zu sich und ging damit bis zum Eingang, wo sie am straff gespannten Seil direkt vor seiner Nase hing.
Er ließ sie los, sie fuhr einmal quer durch den Hörsaal, machte am anderen Ende kehrt und kam zurück, und hielt natürlich direkt vor seiner Nase wieder an.
Feynman hat sich keinen Zentimeter gerührt, oder auch nur die Augen geschlossen.
Dann trat er vor die Studenten und meinte:
'Der Grund, warum ich das eben getan habe, war um Ihnen zu beweisen, dass ich an die Dinge glaube, die ich Ihnen in den nächsten zwei Jahren beibringen werde.'“
Das Leuchten in ihren Augen wurde von den anderen Studenten ehrlich geteilt. Bewunderung stand da und wohl die Einigkeit über die Meinung zu dieser Person.
Als sie der etwas skeptisch drein blickenden Nichtphysiker gewahr worden, verzog sich dieses Leuchten und der Ernst trat zurück.
Nur Mamoru wandte sich noch kurz an Ran und flüsterte ihr zu.
„Erinnerst du dich an das Zitat von Bohr, dass jeder, der behauptet, Quantenmechanik verstanden zu haben, sie nicht verstanden hat?“ Sie nickte kurz.
„Feynman hat die Aussage vervollständigt:
'Ich denke, ich kann mit Sicherheit behaupten, dass niemand Quantenmechanik versteht.'“
Sie schaute zunächst etwas verwirrt drein, lächelte dann aber.
'Das heißt wohl, er hat mich noch nicht ganz vergessen, und wir können nachher noch einmal reden.'
„Ähem... Also schön, die Damen und Herren Physikstudenten.“, holte Magure sie zurück.
„Dürfte ich dann vielleicht noch erfahren, welcher Physiker für sein Tennisspiel berühmt war oder ist?“
Er hatte sich gar nicht mehr zur Wand umgedreht, sondern nur noch auf das mittlere Bild gezeigt.
Dieses war in Farbe und zeigte einen Mann Mitte 20 in Sportkleidung, wie er einen Tennisschläger in der Hand dem kleinen gelben Ball entgegen hechtete.
Mit einem mal brach ein lautes Prustern unter den Studenten aus, was Megure doch sichtlich in seiner Souveränität erschütterte.
„Hab... ich... was... falsches... gesagt...?“
Takagi trat heran und flüsterte ihm ins Ohr.
„Aber Herr Kommissar, das ist doch kein Physiker, das ist...“
„Ähem... Können wir dieses Spielchen jetzt lassen?“ Fudo war als erstes wieder ernst geworden.
„Ich weiß zwar nicht, ob Masao auf eines dieser drei Poster zeigen wollte, aber in jedem Fall scheint uns das ja nun nicht weiter zu bringen, über die Leistungen der einzelnen zu diskutieren. Wenn wir Mamoru ausschließen, können uns diese Bilder gar nichts weiter sagen, und er hat ja, wie Sie meinten, ein wasserdichtes Alibi. Und ich denke, Conan hat uns auch noch etwas zu sagen.“
Der kleine Detektiv, den die anderen beim 'Bilderraten' aus den Augen verloren hatten, besah sich immer noch die Hand des Opfers, holte ein Taschentuch heraus und hob sie an.
„Sehen Sie mal, Kommissar Megure!“
Er hielt die Hand, in der der Zeigefinger bereits unter der beginnenden Leichenstarre aufgerichtet blieb, dem Polizisten hin.
„Der Zeigefinger hat gar kein Blut. Und hier an der Seite sieht man auch mit geballter Faust, dass auch der kleine Finger frei von Blut ist. Wirklich merkwürdig.“
„Du hast Recht, Conan, könnte das heißen...“
Er nahm die Hand und drückte mit seiner Kraft die noch nicht ganz erstarrten Finger auseinander.
An den Fingerspitzen der drei übrigen Finger befand sich das Blut.
„Also hat er in die Wunde an seiner Vorderseite gefasst und nur die drei Finger mit Blut benetzt.
Moment, dann könnte das ja ein Versehen sein und er nahm den Zeigefinger vielleicht als Hilfslinie.
Wie sagten Sie, Frau Asuno? Der Finger passt perfekt.“
Fudo holte augenblicklich sein Notizheft wieder heraus.
„Schön, dann wären auch die Felder A2 bis C2 belegt. Umgekehrt bedeutet es, dass der Finger nicht auf den Täter zeigt, sondern diese Darstellung selbst den Täter nennt. Der Finger sie nur vervollständigt.
Ich muss mich korrigieren, Takai. Masaos Nachricht könnte doch recht knifflig werden.“
„Na das ist doch gar nicht so schlecht.“, stellte Mamoru fest.
„Das heißt, die Entropie steigt.“
Ein leicht ironisches Lächeln ergriff Fudos Lippen, während diesmal alle anderen, auch die Studenten, nicht wussten, woran sie waren.
Als der Kommissar etwas verlegen zu Takai blickte, klärte dieser auf.
„Entropie ist eine dieser schwer zu beschreibenden Größen, die den Verlauf der Dinge im Universum charakterisieren.
Allgemein sagt man gerne, das ist ein Maß für die Unordnung, also die Variation in einem System. Der Zustand des Gleichgewichts ist stets der Zustand der maximalen Entropie, das heißt, bei umkehrbaren Prozessen bleibt sie konstant, bei nicht umkehrbaren steigt sie an. Das ist der zweite Hauptsatz der Thermodynamik. Die Entropie definiert damit die Richtung der Zeitentwicklung im Universum. Ich weiß nur nicht, was das nun mit dem Fall zu tun hat.“
Er zuckte mit den Achseln und wartete auf Mamorus Erklärung.
„Kriminologen haben diesen Punkt schon recht früh erkannt, nur nie als Spezialfall eines physikalischen Gesetzes angesehen. Das entscheidende bei einem Fall ist die Unregelmäßigkeit, die Abweichung vom Gewöhnlichen.
Sie ist stets der Angriffspunkt, um den es geht. Man kann fragen, warum ist das anders. Wenn etwas normal ist, kann man schlecht fragen, warum es so ist. Die Antwort ist offensichtlich banal und im Allgemeinen nicht für den Fall relevant, oder besser, man kann nicht entscheiden, ob es für den Fall relevant ist.
Der Tod Masaos ist ein irreversibler Prozess. Die Gesamtsituation, die der Täter hier hinterlassen hat, das ist das neue Gleichgewicht, für die er diese merkwürdigen Aktionen unternahm.
Die falsche Nachricht.
Die schlampige Verwüstung.
Die Mordart.
Und natürlich die Tür...“
„Die Tür, was ist mit der Tür?“, Megure wirkte etwas erstaunt.
„Wir kamen zwar nicht dazu, es direkt zu erfragen, aber erinnern Sie sich noch? Noriko sagte, sie hatte Masao gar nicht hier erwartet.
Das heißt also, du hast die Tür aufgeschlossen, oder?“
Er blickte zu der verunsicherten Frau.
„Äh... ja, es ging etwas schwerer als sonst, aber sie schloss sich ganz normal auf.“
„Der Schlüssel von Masao lag im Schlafzimmer, wo er immer noch liegt. Die Tür dahin war auch zu. Wir haben keinen Schlüssel, denn Noriko und Masao haben die zwei, die es gibt.
Ein Punkt für die Idee mit dem Selbstmord, denn der Raum... war offensichtlich abgeschlossen.“
Megure hatte es tatsächlich im Zuge der Ereignisse wieder vergessen. Natürlich hatte er danach gefragt, und den Schlüssel im Schlafzimmer bemerkt, das hat ihn ja auch auf den Selbstmord gebracht. Aber nachdem Mamoru und Fudo alles durcheinander gebracht hatten, waren seine Gedanken noch nicht an dem Punkt, alle Details zu rekapitulieren und neu zu ordnen.
„Ein Mord im verschlossenen Zimmer also?“
„Exakt, dazu die echte Nachricht, die Möglichkeit, es könnte etwas mit den Postern zu tun haben...
Die Entropie steigt wieder, das heißt wir nähern uns einem neuen Gleichgewicht.
Und zwar dem, in dem wir uns von einem weiteren Freund verabschieden müssen.“