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The Right Touch

von

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Nathalie

Mit den Neuen in der Firma wurde kurzer Prozess gemacht. Eine 60-minütige Begrüßungs- und Einführungsveranstaltung und schon wurde von Zoey und ihren ebenfalls neuen Kollegen – allesamt Ferienjobber - erwartet, alle nötigen Kenntnisse und Fertigkeiten auf Anhieb gelernt und verinnerlicht zu haben.

Zum Glück kamen ihnen nur die unwichtigsten Aufgaben zu: E-Mails und Telefonanrufe beantworten und weiterleiten, inoffiziell natürlich auch noch Kaffee kochen, Zeug kopieren und den Laufburschen spielen. Aber das machte Zoey nichts aus. Sie würde laufen, so viel es ihre Chefs und Kollegen wollten, Hauptsache, sie wurde dafür bezahlt.
 

Doch etwas nervös folgte sie der kleinen Gruppe - es waren hauptsächlich Mädchen - die ebenfalls in die Personalabteilung kommen würden. Für die nächsten drei Monate war das also ihr Arbeitsplatz.

Sie schaute sich um, als sie in einem Großraumbüro im ersten Stockwerk des großen Gebäudes ankamen, und es war genauso, wie sich jeder so ein Büro vorstellte und wie man es immer im Fernsehen sah: viele Schreibtische mit Computern und Papierstapeln darauf, ständig wuselten irgendwelche wichtig aussehenden Menschen geschäftig durch die Gegend, oder aber es wuselten wichtig aussehende Menschen gemütlich mit einer Kaffeetasse durch die Gegend. Hier und da standen vereinzelt Zimmerpflanzen, um den großen Raum wohnlicher zu gestalten und eine der Wände bestand vollkommen aus einer Glasfront, dahinter lagen anscheinend ein paar der wichtigeren Büros. Die meisten von ihnen wurden durch Jalousien vor den neugierigen Blicke der Außenstehenden abgeschirmt, nur in eines hatte man einen guten Einblick. Eine junge Frau im grauen Hosenkostüm saß an ihrem Schreibtisch und telefonierte, wobei sie eine wütende Gestik und Mimik an den Tag legte und wild mit dem freien Arm in der Gegend herumfuchtelte. Leise war es nicht im Büro, viele unterhielten sich, manche laut, manche flüsternd, aber insgesamt herrschte eine recht lockere Atmosphäre.

Ein bisschen verwundert war Zoey darüber schon. Sie hatte immer gedacht, Arbeit in einem Büro wurde ernst genommen und jeder hätte leise zu sein, aber anscheinend musste sie ihre Ansichten noch mal überdenken. Trotzdem war sie ein wenig erleichtert, nachdem sie gesehen hatte, dass es hier nicht mit Peitschen und Zuckerbrot zuging – sondern, ehrlich gesagt, nur mit Zuckerbrot. So kam ihr die Arbeit gleich ein bisschen entspannender vor, hatte sie doch mit absoluter, beklemmender Stille und strengen, grimmig dreinschauenden Chefs gerechnet.
 

Sie wurden alle in eine Ecke des Großraumbüros geführt, von der erklärt wurde, dass dort die Ferienjobber saßen – die die urlaubsreifen Angestellten der Firma mehr oder weniger ersetzen sollten -, und durften an den Schreibtischen Platz nehmen.

Links von Zoey war das Fenster, das in den trostlosen, grau asphaltierten Innenhof der Firma führte, in dem gerade ein Lastwagen ausgeladen wurde, rechts von ihr saß ein braunhaariges Mädchen - es war keines von denen, die heute hier angefangen hatten - und lächelte sie freundlich und auch ein bisschen neugierig an.

Ein wenig wacklig lächelte Zoey zurück. Sie traute sich nicht so recht, Hand an den PC zu legen, aus Angst davor, was sie erwarten und ob sie alles richtig machen würde. Wie sollte sie anfangen? Und womit?

"Hi", sagte das Mädchen neben ihr - es musste etwa im selben Alter sein, schätzte Zoey. "Ich bin Nathalie, aber alle nennen mich Nat. Also nicht alle, nur meine Freunde, die Vorgesetzten natürlich nicht...", sprudelte es fröhlich aus ihr heraus und dann hielt sie kurz inne und runzelte nachdenklich die Stirn. "Obwohl... ich hatte da mal eine Lehrerin, die hat mich auch Nat genannt... Das war seltsam..."

Verständnislos starrte Zoey sie an. Das waren zu viele Informationen auf einmal und Nathalie - Nat - war unheimlich begabt darin, schnell zu sprechen, das merkte Zoey sofort – es war nicht zu überhören. Es wunderte sie, dass Nat nicht über ihre eigenen Worte stolperte.

Nathalie schien das nichts auszumachen, denn sie strahlte Zoey nur weiterhin fröhlich an. "Na, ist ja auch egal. Und wie heißt du?"

"Zoey", antwortete Zoey einsilbig und kramte in ihrem Kopf nach irgendetwas, das sie noch hinzufügen konnte - etwas über ihren Spitznamen oder über die Lehrer in ihrer Schule, doch ihr fiel nichts Brauchbares ein, also beließ sie es einfach dabei.

"Cooler Name, Zoey. Ich bin schon seit zwei Wochen hier. Bleibst du auch bis zum Studiumsbeginn? Die meisten sind über die Sommerferien hier, bis die Uni anfängt. Ich bin jeden Sommer für ein paar Monate hier, um mir was dazuzuverdienen. Wenn du Fragen hast, kannst du ruhig fragen. Zum Beispiel, wo die Klos sind oder so."

"Klos?", wiederholte Zoey lahm und fühlte sich wie eine Schwachsinnige. Aber mit diesem Mädchen konnte sie einfach nicht mithalten - oder vielmehr mit der Schnelligkeit, in der sie Informationen auf sie abfeuerte. Es war einfach befremdlich, jemanden zu treffen, der so... ja, hemmungslos war und sie direkt zuschwallte.

"Ja, Klos, du weißt schon." Nathalie machte eine wegwerfende Handbewegung, von der Zoey nicht genau wusste, wie sie zu interpretieren war. "Oder wenn du mal nicht weiterkommst. Am Anfang ist es ein bisschen schwierig, aber spätestens heute Mittag hast du den Dreh raus. Das war zumindest bei mir so. Manche Kunden sind echt unfreundlich, weißt du, aber das musst du einfach ignorieren und nett sein, weißt du. Die E-Mails sind auch nicht viel besser, aber die sind nicht so schlimm, wie am Telefon angeschnauzt zu werden, stimmt's?"

Eine andere junge Frau, die eine Reihe weiter, ebenfalls rechts von Nathalie, saß, warf Zoey einen kurzen, mitleidigen Blick zu. Sie hatte wohl auch schon mit Nat Bekanntschaft geschlossen und sie für zu anstrengend befunden. Seltsamerweise aber konnte Zoey das nicht nachvollziehen. Je mehr Nat redete, desto sympathischer wurde sie ihr. Nicht, dass sie, Zoey, ein Faible für viel zu viel und viel zu schnell sprechende Personen hatte, aber sie fühlte sich plötzlich nicht ganz so allein in dieser Stadt, diesem Gebäude... Und Nathalie schien freundlich und gewillt zu sein, ihr zu helfen, also warum das Angebot ausschlagen?

Das Lächeln, das sich nun auf Zoey Gesicht ausbreitete, war ehrlicher und freundlicher als das erste gewesen. "Okay. Danke."

Obwohl es nicht mehr möglich schien, wurde Nathalie noch euphorischer. "Klar, kein Problem! Vielleicht können wir, wenn du noch nichts vor hast, in der Mittagspause zusammen runter in die Cafeteria gehen! Da gibt’s immer tolle Sachen und wirklich sehenswerte... äh..." Sie verhaspelte sich und wurde sogar ein wenig rosa um die Nase. "Äh... Sachen..."

Zoey lachte laut auf. Sie war gerade erst angekommen und Nat war die erste Person, die mit ihr oder mit der sie heute geredet hatte - natürlich hatte sie noch nichts vor! Und sie war froh, nicht alleine hingehen zu und irgendwo an einem einsamen Tisch sitzen zu müssen, ganz ohne Gesellschaft.

"Das wär super", nickte sie. "Lass uns dahingehen und uns die sehenswerten Sachen angucken."

Beide Mädchen grinsten sich einvernehmlich an und Zoey ignorierte einfach weiterhin die mitleidigen Blicke, mit denen das Mädchen eine Reihe weiter sie immer noch bedachte. Anschließend drehte sie sich voller Elan wieder ihrem Monitor zu und legte die Hand entschlossen um die kleine Computermaus.

"Also", sagte sie voll Arbeitseifer, "wie genau läuft das jetzt hier?"
 

"Hier ist die Cafeteria." Nathalie führte Zoey in einen großen Saal hinein und machte eine ausschweifende Handbewegung, beschrieb mit dem Arm einen Halbkreis. Die Cafeteria erinnerte an eine Mensa - überall standen kleine und große Tische herum, an denen Leute saßen und aßen oder sich unterhielten, und direkt am Eingang befand sich die Essensausgabe. Man konnte sich auch Obst und Gemüse nehmen oder sich einen Salat zusammenstellen, je nachdem, wie lustig man gerade war. Insgesamt war für die Angestellten der Firma gut gesorgt und es hatte den Anschein, als könnte man sich in der Cafeterias totessen, wenn man es nur darauf anlegte. So zumindest Nat’s Worte, als sie zusammen ihr Großraumbüro verlassen und das Treppenhaus ins Erdgeschoss genommen hatten. "Hier gibt es richtiges Essen, aber auch Gebäck und so. Du hast doch so eine Karte bekommen, oder? Genau", fügte sie hinzu, als Zoey eine kleine Plastikkarte aus der Hosentasche herauszog und sie fragend in die Höhe hielt. "Das ist dein Freifahrtschein für dieses Paradies hier." Mit glitzernden Augen ließ sie ihren Blick schweifen, wohingegen Zoey ihre neue Freundin musterte.

Nathalie war nicht die schlankste Person auf der Welt und hatte ein paar üppige Rundungen um die Hüften, war aber keinesfalls dick. Modelmaße hatte sie nun nicht unbedingt, aber wer hatte die schon? Zoey lächelte gedankenverloren, als Nathalie alle möglichen Arten der Desserts und des Gebäcks aufzählte, die in der Cafeteria zu ergattern waren; die Besten natürlich nur dann, wenn man früh genug da war. Während Nathalie ihren Vortrag hielt, drückte sie Zoey ein hellgraues Tablett in die Hände und nahm auch eins für sich vom Stapel.

"Guck mal...", flüsterte sie schließlich leise und beugte sich näher zu Zoey herüber, während sie versuchte, ihr unauffällig über die Schulter zu schauen. "Da am Getränkeautomaten sind die beiden süßen Typen aus der IT-Abteilung. Die ist ganz oben im Gebäude."

Reflexartig wollte Zoey sich umdrehen, doch Nathalie packte sie geistesgegenwärtig an den Schultern, sodass Zoey fast das Tablett aus ihren Händen gleiten ließ, und starrte sie mit vor Schreck aufgerissenen Augen an.

"Nein! Guck bloß nicht hin! Sonst schöpfen sie doch Verdacht!"

Zoey rollte mit den Augen, machte sich los und umschiffte ihre neue Freundin, ohne auf sie zu achten, bewegte sich nun schnurstracks auf die Essenausgabe zu, natürlich ohne sich zu den Typen umzudrehen, die sie momentan nicht im geringsten interessierten. "Nat, wie alt bist du?", sagte sie geistesabwesend, während sie noch überlegte, welches von den drei Tagesgerichten sie sich nehmen sollte. "Wenn du einen von ihnen toll findest, dann sprich ihn doch an."

Nathalie folgte ihr mit hängenden Schultern und gesenktem Kopf; sie sah aus wie ein getretener Hund. "Die haben bestimmt Freundinnen", warf sie klagend ein und stellte achtlos einfach eines der Tellergerichte auf ihr Tablett, ohne zu gucken, was für einen Inhalt sie erwischt hatte.

Zoey hingegen entschied sich gezielt für das vegetarische Gericht - es hörte sich einfach am besten an, zudem mochte sie kein Schweinefleisch und war auch kein großer Rindfleisch-Fan, ausgenommen natürlich sämtliche Burger in Fast-Food-Restaurants.

"Du wirst es nie erfahren, wenn du es nicht herausfindest", erwiderte sie darauf, ohne sich groß weiter um die Angelegenheit zu kümmern.

"Ich glaube, einer von ihnen heißt Liam", murmelte Nathalie geistesabwesend und ignorierte vollauf Zoey's Ratschlag, vollkommen in Gedanken versunken. "Er könnte allerdings auch Lee M. heißen... aber er sieht gar nicht aus wie ein Lee, oder?"

Mit der grübelnden, schwärmenden Nathalie im Schlepptau suchte Zoey sich einen kleinen, runden Tisch für zwei und nahm Platz, betrachtete ihr Tellergericht genauer. Es waren Nudeln mit Gemüse und Pilzsoße, doch als sie ihren ersten Bissen tat, bemerkte sie schnell, dass ihr Essen bereits vollständig erkaltet war. Auch Nat schien das in diesem Moment zu bemerken, denn vergessen waren die IT-Kerle.

"Das ist ja eiskalt!", beschwerte sie sich lautstark, und einige Kollegen drehten verwundert die Köpfe nach ihnen um. "Wir sollten uns beschweren gehen!"

Zoey winkte ab und zog unter all diesen Blicken ein wenig den Kopf ein. Sie wollte nicht schon am ersten Tag negativ auffallen. "Mir schmeckt's", log sie, nur, um Nathalie schnell zum Schweigen zu bringen und zeigte dann auf den Grießpudding mit Kirschsoße, den Nathalie sich mitgenommen hatte. "Iss den doch. Der schmeckt auch kalt."

Nat folgte Zoey's Fingerzeig und starrte skeptisch die Puddingschale an. Dann zog sie sie langsam näher zu sich heran und rammte unzufrieden ihren Löffel hinein.

In diesem Moment schlenderte ein blonder, großgewachsener Typ hinter der frustriert futternden Nathalie vorbei, eine Coladose in der Hand schwenkend, und als Zoey zufällig aufschaute und sich ihre Blicke kreuzten, zwinkerte er ihr selbstgefällig zu.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von: abgemeldet
2009-04-25T12:25:24+00:00 25.04.2009 14:25
tolles FF find jetst schon lustig. bin schon auf das nächate kapi gespannt, hoffe es dauert nicht zu lange .

glg Mei-linn
Von:  Foresight
2009-01-24T13:49:23+00:00 24.01.2009 14:49
Irgendwie erinnert Nat mich ein bisschen an...mich :D Obwohl... so ne extreme Lebertasche bin ich auch nicht. :D Aber Nat ist nen Chara, den man sofort ins Herz schließt. Also zumindest gehts mir so.
Ich finds total klasse, wie du die Charaktere gestaltest und ausbaust und den Dreh mit der Atmosphäre hast du echt raus. :)
Bin schon gespannt, wie sich die Geschichte entweickelt und wo, wann und unter welchen Bedingungen sie Josh wieder trifft.
Von: abgemeldet
2009-01-23T20:31:08+00:00 23.01.2009 21:31
Hab schon aufs Kapi gewartet! Ist auch wieder toll geworden! Du schaffst es gut eine richtige Athmosphäre aufzubauen!
Natalie find ich toll, sagte die Oberplaudertasche^^
Also dann kann ich mich ja wieder in meiner Ecke verkriechen und aufs nächste Kapitel warten...
Von:  Olschi
2009-01-21T17:13:59+00:00 21.01.2009 18:13
wui, hab mihc so gefreutals ich den ne4uen kapi entdeckt habe^^
Nathalie ist ja mal lustig, aber genau solche Charaktere peppen die Geschichte auf. Ich finde es bisher gut, wie du die Charaktereigenschaften der Personen (eigentlich waren es ja bisher nur 2^^') beschriebst und rüberbringst.
Bin schion mal auf fortsetzung (und auf den längeren kapitelkX3) gespannt.


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