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Kapitel 1: Begegnung im Regen

"Hey, hey... wach auf Kleine, wir haben keine Zeit um ein Nickerchen zu halten..."

Diese Stimme, woher kam diese Stimme. Sie schien so unendlich weit weg zu sein. Sie versuchte die Augen zu öffnen, doch es gelang ihr nicht. Sie nahm das Licht außerhalb ihres Bewusstseins wahr, aber mehr nicht. Viel zu erdrückend empfand sie das Gewicht des Schmerzes, der auf ihr lastete. Ein unendlicher Schmerz.

"Hey, hörst du mich überhaupt?" Etwas stupste sie in die Seite. Wer war dieser Typ, dass er sie einfach anstupste. Ein zweites Mal. Was erwartete er denn, dass sie aufspringen würde... Oh, wenn sie könnte würde sie das tun und ihm erst einmal einbläuen, wie unhöflich es war fremde Leute einfach so anzustupsen. Mit einem Ruck hievte er sie hoch und beschwerte sich noch darüber, dass sie angeblich zu fett sei. Wenn ich den in die Finger bekomme, dreh ich ihm den Hals um...

Sie spürte warmes Metall an ihren Schenkeln und es roch nach Öl und Gummi. Hatte er etwa vor sie auf einem Motorrad zu transportieren? Sie spürte wie er ihre Arme um seine Hüften legte. Er hatte eine Art Mantel an. Sehr raufaserig und unangenehm nass. Schwitzte er etwa? Nein, das war es nicht. Plötzlich nahm sie ein Rauschen war, es regnete. Warum hatte sie das nicht gemerkt? Erst jetzt spürte sie die Tropfen und den Regen auf ihrer Haut. Ihre Sachen waren klitschnass und sie fror. Ob ihre Flügel auch nass waren...

Ihre Flügel... wo waren ihre Flügel hin?! Sie konnte die Schwingen auf ihrem Rücken nicht spüren, konnte sie nicht bewegen, da war nur dieser stumpfe Schmerz! Wo sind sie?! Wo sind meine Flügel?! Wer hat mir meine Flügel genommen?!

Ihr Atem ging schnell, sie hatte das Gefühl zu ersticken. Voller Panik sog sie die Luft pfeifend ein.
 

Dieses Mädchen war ihm unheimlich. Dieses schneeweiße Haar und dann der große Blutfleck auf der Rückseite des Kapuzenshirts. Sie trug keine Schuhe, nur einige schwarze Bänder, die um ihre Beine gebunden waren. Unter dem hellbeigen Rock trug sie eine schwarze kurze enge Hose. Das Shirt ging ihr weit über die Hände und war schneeweiß wie die Haare. Welche Augenfarbe sie hatte wusste er nicht, aber irgendwie erwartete er, dass ihre Iris rot war. Ihre Züge waren so makellos, fast perfekt. Er bemerkte wie ihr Atem schneller wurde.

Etwas verunsichert räusperte er sich erst einmal und fuhr dann aus der Lichtung hinaus, wo er das Mädchen gefunden hatte. Er hasste diesen Regen. Auf den dreckigen Straßen rutschte man so schnell aus und das tat echt weh. Er schob sich mit dem Mittelfinger die schmale Brille wieder etwas höher und seufzte. Seine glatten braunen Haare waren zu einem Mittelscheitel gekämmt und er hatte sich hinten einen kleinen Zopf gemacht. Die allermeisten Strähnen hingen ihm zwar trotzdem ins Gesicht, aber er fand, dass es irgendwie cool aussah.

Die Wälder zu seiner rechten und linken wurden immer spärlicher und verschwanden schon bald vollkommen. Pfeilschnell schossen die äußeren Ebenen vor der Stadt an ihm vorbei und der nasse Schlamm spritzte auf das polierte Metall der Maschine. Langsam wichen auch die letzten Bäume und Gras nahm den Boden in Besitz. Etwa einen Kilometer entfernt ragten dunkle Flecken in den Himmel. Erst als sich die beiden näherten, konnte man die Schatten als Stadt identifizieren. Sie passierten das karge Land rings um die Stadt und die zerstörte Mauer Überall waren Kreuze in den Steinigen Boden geschlagen worden... es waren Massengräber vor den Toren der Stadt. Am Straßenrand und den dunklen Gassen lagen einige Gerippe und halb verweste Leichen, die keiner gewagt hatte wegzutragen. Direkt hinter der Mauer folgten zuerst niedrige Gebäude, die allermeisten waren zerstört. Fensterläden hingen lose in den Angeln und hämmerten unaufhörlich im Wind gegen das Gemäuer. An vielen Stellen fehlten ganze Dächer oder auch die oberen Stockwerke. Scherben häuften sich auf dem aufgebrochenen Pflaster und Straßenlaternen standen wie stumme Zeugen am Wegesrand. Viele jedoch lagen umgeknickt auf dem Weg oder waren entzweit.

Als das Motorrad aus den engen Gassen auftauchte stellte sich das ganze ausmaß der Zerstörung dar. Hochhäuser ragten wie Gerippe in den Himmel. Kein Stein schien mehr auf dem anderen zu sein, keine Pflanze traute sich aus dem Zwielicht der Seitengassen, Autowracks waren ausgebrannt oder in Einzelteilen verstreut.

Die ehemalige Hauptverkehrsstraße lag über drei Meter über den unteren Ebenen der Stadt und führte ins höher gelegene Zentrum. Der Mann neigte seine Maschine in eine scharfe Linkskurve und brachte sich auf die Hauptstraße. Auch hier drängten sich die Trümmer aneinander und ganze Abschnitte des Weges waren in die Tiefe gestürzt, als die stützenden Pfeiler zerstört worden waren.

Obwohl es erst fünf Uhr war, glich der Tag mehr einer Nacht. Pechschwarz waren die Wolken und sie schienen sich mit den Wassermassen kaum noch am Himmel halten zu können. In der Ferne zuckten Blitze und erleuchteten die Ruinen für einen Moment, als wäre der Tag zurückgekehrt. Das schwache Licht des Scheinwerfers flimmerte auf dem nassen Asphalt und der junge Mann hatte Mühe etwas zu sehen. Auf die Blitze folgte nun fast zeitgleich das Grollen... und doch war es, als würde sich zwischen den Wolken ein weiteres Geräusch verstecken.

Erst nach einer ganzen Weile, kurz vor dem Zentrum, erkannte der Mann mit einem Mal, was das für ein Geräusch war: Ein Hubschrauberrotor. Hektisch riss er den Kopf in alle Richtungen, doch durch den Regenschleier konnte er nicht viel erkennen. Zudem flatterte sein viel zu langer Mantel ungeheuer stark im Wind und versperrte ihm zusätzlich die Sicht. Die Hände des Mädchens glitten von seinem Bauch und er musste kurz mit einer Hand steuern, damit sie nicht einfach vom Motorrad fiel.
 

"Hast du das Ziel erfasst?"

"Jep", kam die Antwort. Der Mann im Laderaum des Militärhubschraubers richtete seine Waffe auf die Brücke kurz vor dem Motorrad. Dabei pfiff er fröhlich ein Liedchen und strich sich die struppigen schwarzen Haare glatt. Vergnügt leckte er sich die Lippen, während sein Freund versuchte das Gefährt ruhig zu halten.

"Jetzt beeil dich endlich", forderte der Pilot ungeduldig.

"Jep", ertönte es wieder.

"Weißt du wie schwer es ist, dieses Ding bei so einem Wind gerade zu halten?"

"Jep"

Der Pilot murmelte irgendwas während er seinem Kollegen giftige Blicke zuwarf. Seine Hände umklammerten den Schaltknüppel und wagten es zu keinem Moment den Griff auch nur ein wenig zu lockern. Die Scheibenwischer hetzten über die Windschutzscheibe und waren unermüdlich damit beschäftigt den Wassermassen Herr zu werden, doch vergeblich. Als der Blick des Piloten endlich wieder auf die Monitore vor ihm fiel, rollte er unzufrieden die Augen. "Ey, wir kriegen Besuch! Und jetzt sag nicht wieder..."

Doch es war zu spät, sein Kollege schaute von seiner Waffe auf, grinste ihn nur amüsiert an und wiederholte seine Aussage.

"Stufe sechs, reicht dir das, um dich zu beeilen?", gab der Mann am Steuerknüppel genervt zurück.

"Was haben wir denn schönes?", fragte der Mann mit der Waffe vergnügt, während er die letzten Justierungen vornahm. Wieder erleuchtete eine elektrische Entladung den Himmel und fiel durch die schmalen Fenster im hinteren Teil der Maschine.

Der Mann im Cockpit entdeckte in einiger Entfernung dunkle Schatten, die sich mit kräftigen Schlägen der Schwingen schnell näherten. "Ach nichts weiter, nur Fledermausbestien. Du weißt schon, die mit den riesigen Zähnen, die sie einem mal gerne durch den Brustkorb schlagen und durchaus auch durch die Windschutzscheibe", kam die Antwort fast hysterisch aus dem vorderen Teil der Maschine. Dabei wurde die Stimme des Piloten immer lauter.

"Bin schon fertig", der Finger des Schützen drückte auf den Abzug und seine Schulter wurde nach hinten gedrückt, als ihn der Rückstoß der Waffe erfasste.

Ein kleines Projektil sauste durch den Regen, bohrte sich in den Beton der Brücke und detonierte kurz darauf in einem ansehnlichen Feuerball. Der Hubschrauber indes drehte ab und verschwand wieder in den dunklen Gewitterwolken.
 

"Oh, scheiße!", schrie der Mann auf dem Motorrad, während ihm Betonteile um die Ohren flogen. "Ihr verdammten Schweine! Und wie soll ich jetzt bitte schön weiter kommen?! Ihr habt sie ja wohl nicht mehr alle!" Er hatte alle Mühe sich auf dem Bike zu halten. Im Regen drohten die Reifen durchzudrehen und eine gescheite Bremsung war mittlerweile auch nicht mehr möglich. Vor ihm tat sich jetzt eine beachtliche Schlucht von mindestens zwanzig Metern auf. Mehr aus Verzweifelung, als aus Vernunft brachte er das Motorrad dazu sich quer zu stellen und knallte dann gegen einen großen Betonklotz. Die Arme des Fahrers schlangen sich in aller Eile um den Körper des Mädchens und so schlug der Mann mit der Seite auf den Beton auf, kurz vor der Schlucht. Unter Stöhnen und fluchen löste er die Umklammerung und stand schwankend auf. Seine rechte Hand rieb sich hektisch die Seite, um die Schmerzen los zu werden. Die Spezialfasern seines Mantels bewahrten ihn zwar vor Abschürfungen, aber wenn sein Körper nicht so überdurchschnittlich widerstandsfähig wäre, hätte er sich bestimmt einige Knochen gebrochen. So blieb es aber glücklicherweise bei einigen leichteren Prellungen. Schließlich lugte er hinunter in die Schlucht, in der die Trümmer weitere Häuser beschädigten und ganze Dächer mit sich rissen. Nachdem er seine Gedanken wieder ein wenig geordnet hatte sah er zu seinem qualmenden Bike. "Na toll, das wird dauern, bis ich das wieder fertig habe."

Er sah sich um, irgendwie hatte er das Gefühl nicht allein zu sein, wenn man mal von dem Mädchen absah. "Oh, oh....", brachte er atemlos hervor, "Na, das fehlt mir ja gerade noch."

Ein schriller Schrei schallte über die Hauptstraße. Der junge Mann zog sein Schwert aus dem Mantel und schloss die Augen. Die Klinge der Waffe war lang und schmal und wies an einigen Stellen bereits tiefe Kerben auf. Der Griff war ein perfektes Kreuz mit allerhand Verzierungen darauf und kleinen Haken an den Enden. Zudem hatte es eine Art Lanzenspitze entgegengesetzt zur eigentlichen Klinge. Zusätzlich griff er in seine linke Manteltasche und holte ein kleines Messer heraus, welches er in die Lücke im unteren Teil der Klinge einpasste. "Na kommt schon her ihr Biester!", schrie er in den Himmel. Blendend hell war der Blitz der kurz hinter den Kreaturen zu Boden ging und ihre Schatten gegen den Himmel warf.

Ein Kreischen, dann stieß eine der schwarzen Kreaturen hinab. Sie hatte riesige Klauen und Eckzähne. Die ledernen, schwarzen Schwingen maßen mindestens drei Meter jeweils, wenn nicht mehr. Groteske Ohren und ein komplett behaarter Körper mit einem peitschenden Schwanz, machten dieses Ding durchaus Angst einflössend.

Mit den Krallen voran stürzte sich das Monster auf den Mann, der notdürftig mit dem Schwert parierte. Zumindest sah es so aus. Er grinste und packte den Schwanz des Vogels. Die Bestie kreischte und versuchte sich frei zu strampeln. Seine Klauen schlugen gefährlich nahe an dem menschlichen Körper vorbei und wann immer sie das Schwert trafen stoben Funken von der Waffe.

"Glaub bloß nicht du würdest mir entkommen." Der Schwertkämpfer ließ den Schwanz los und die Fledermaus drehte einige Runden in der Luft bevor sie erneut herabstieß, diesmal schlitterte sie jedoch an ihrem Ziel vorbei und blieb einige Meter weiter hinten regungslos liegen.

"Das wurde aber auch Zeit, dass du auftauchst. Ich hab mir schon fast Sorgen gemacht", der Mann mit dem Schwert grinste über beide Ohren und begutachtete das Biest. Ein sauberer Schuss genau zwischen die Augen. Jep, Millimeterarbeit. Er wandte sich zu seinem Kollegen um: "Jetzt spiel dich hier nicht so auf. Kümmere dich lieber um die Freunde der Kleinen da." Sein Blick wanderte in den Himmel und entdeckte mindestens drei weitere Fledermäuse. Der Schütze saß etwa zwanzig Meter entfernt auf einem einsamen Stützpfeiler und zielte bereits auf die nächste. Man konnte ihn kaum erkennen, er war wie einer der zahllosen Schatten der Nacht. Sein ausgestreckter Arm zeigte in den Himmel und in seiner Hand hielt er eine silberne Automatikschusswaffe mit einem fünfzig Zentimeter langen Lauf.
 

Das Schwert blitzte in der Dunkelheit auf und die Fledermaus, die sich dem Kämpfer genähert hatte, fiel in zwei Hälften zu Boden. "Schach Matt, meine Liebe", rief der Kämpfer vergnügt und wandte sich der Nächsten zu. Diese war jedoch flinker als angenommen. Er brachte seine Klinge in Verteidigungsstellung und wartete auf den Angriff des Monsters. Kurz darauf war es auch schon so weit. Ihre Krallen prallten gegen das Metall, dabei rutschte eine seitlich ab und hinterließ einen blutigen Kratzer auf der Wange des Mannes. "Schade, jetzt bist du tot", spottete dieser und hob die Klinge vor seinen Körper und drehte sie so herum, bis das Blatt nur noch ein schmaler Streifen vor seinen Augen war. Bereits einen Augenblick später vollführte er einen geschickten Hieb und schnitt den Kopf der Kreatur in zwei Hälften.
 

Der Mann mit der Pistole stand noch immer auf dem Pfeiler und zielte auf die Fledermaus, die mit rasender Geschwindigkeit auf ihn zukam. Im letzten Moment drückte er ab, sodass das Biest nur einen halben Zentimeter unter ihm in den Betonpfeiler krachte. Dann widmete er sich dem nächsten Ziel. Doch auch diese hatte dem Meisterschützen nicht sehr viel entgegen zu setzen. Ein Schuss und sie klatschte auf ihren toten Kameraden. Der Mann drehte sich zur Brücke und stellte zufrieden fest, dass sein Partner ebenfalls fertig war.

In einer fließenden Bewegung ließ er die Waffe im Mantel verschwinden und sprang auf ein nahe gelegenes Hochhaus und schließlich auf die Straße.
 

"Wer ist das Mädchen da?", fragte der Mann mit der Pistole.

"Tja, weißt du Rafael, das weiß ich auch nicht so genau... sagen wir mal, ich hab sie gefunden."

Rafael schlug sich die Hand vors Gesicht: "Das ist nicht dein Ernst, oder Ryo?"

"Eigentlich schon... Ähm... hast du was gegen sie?"

"Das ist nicht der Punkt. Du kannst doch nicht einfach irgendwelche Leute aufgabeln...." "Irgendwelche ist gut. Ich will nur, dass alle Überlebenden in die Städte gebracht werden, dort können wir sie besser beschützen", empörte sich Ryo.

Rafael wandte sich ab und ließ Ryo allein zurück. "Ja, schon gut! Ich kenn den Weg selber", rief ihm dieser etwas säuerlich hinterher. Dann wandte er sich zu dem Mädchen um, das immer noch am Boden lag. "So, und was machen wir jetzt mit dir?"



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2010-07-12T17:00:11+00:00 12.07.2010 19:00
Also ich mag deinen schreibstil total
man kann sich richtig alle bilder vorstellen
echt toll^^


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