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Life of the Vampires

von

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Wahrheit und Lüge

Kapitel: 9

Untertitel: Wahrheit und Lüge
 

„Ja?“, hörte er drinnen noch leise ihre Stimme, wobei man am Klang erahnen konnte, dass sie eher schwach war, ehe sie ihn aber erblickte, „André..?“
 

Mit einem Mal schien da keine Schwäche mehr zu sein, als wäre diese Frau hier gar nicht krank. Vom nahenden Tod merkte man erst recht nichts mehr. Viel eher saß sie aufrecht im Bett, die Decke verhüllte sie bis zum Oberkörper und eine Infusion war an ihrem linken Handgelenk angeschlossen. Ihre langen blonden Haare fielen ihr offen und recht zerzaust auf den Rücken, während sie eines dieser Nachthemden trug, die man im Krankenhaus bekam. Allein daran und dem Verband, aus dem ein sehr dünner, durchsichtiger Schlauch heraus ragte, merkte man, dass sie hier wirklich Patientin war.
 

„Du bist doch noch gekommen.“, freute sie sich ganz offensichtlich, denn sie hatte ihn schon im nächsten Moment einwandfrei identifiziert. Alles an ihr schien diese Form von Glück aussagen zu wollen. Dem entgegen stand ein junger Mann, der sehr regungslos erst noch keinen Ton von sich gab, da er gerade erst herein schritt und sich umsah.
 

Das Zimmer war nicht besonders groß, aber das zweite Krankenbett im Raum war leer. Also hatte sie den Raum für sich allein, was ihn aber nicht weiter kümmerte. Viel eher kam er ganz ruhig zu ihrem Bett, ehe er ihr genau die Mappe aufs Bett warf, die er in ihren Sachen gefunden hatte.
 

„Du schuldest mir eine Erklärung.“, sagte er ruhig, was zugleich eine gewisse Art der Strenge inne hatte. Ein Nein würde er hier nicht mehr akzeptieren. Heute war er kein kleiner Junge mehr, der sich mit der Wahrheit vertrösten ließ. Das war schon lange vorbei.
 

„Ich schulde dir gar nichts.“, meinte sie nur, da sie keinerlei Veranlassung sah, irgend etwas aufzuklären. Sie wusste, wie sein Leben abgelaufen war und natürlich, wie oft er sie als kleiner Junge gebeten hatte, ihm etwas von seinem Vater zu erzählen. Jedes Mal hatte sie abgeblockt, war auf ein anderes Thema ausgewichen, oder er hatte einfach nur zu hören bekommen, dass es ihn nichts anginge. Doch inzwischen war es anders.
 

„Doch.“, kam seine Stimme leise und beinahe schon schneidend durch die Luft zu ihren Ohren hin, ehe er nahe beim Bett stand und die Mappe aufschlug, damit die Geburtsurkunde offen sichtbar wurde. „Sag mir nur EIN Mal in meinem Leben die Wahrheit… Was soll das alles? Die lag bei deinen Sachen… Ein Vater… ein anderer Name… Ist DAS mein Leben, das du mir immer vorenthalten hast? Von dem du mir nichts erzählen wolltest?“
 

Statt zu antworten wandte sie den Blick nach links an ihr Handgelenk. Als wäre es faszinierend zu beobachten, wie durch den dünnen Schlauch die einzelnen Flüssigkeitstropfen hindurch wanderten. Was bildete er sich eigentlich ein? SIE war hier die Mutter und lag bereits im Sterben. Wie konnte er dann nur hier auftauchen und von ihr solche Dinge erwarten?
 

Ihr Schweigen war für ihn schon eine Antwort mehr, als ihr lieb war. Jedes Mal hatte sie den Blick abgewandt und hatte versucht, seinen Fragen auszuweichen, wenn es um die Wahrheit gegangen war. Mittlerweile wusste er auch, dass diese Form von Stille bei ihr eine Bestätigung seines Verdachts war. Es war wie damals… Da hatte er sie gefragt, ob sein Vater überhaupt von ihm wusste, denn er hatte die Vermutung aufgestellt, dass sie es Papa nie gesagt hatte. Damit hatte er Recht behalten. So wie dieses Mal ganz offensichtlich…
 

„Du verstehst das alles nicht. Es ist viel… komplizierter, André.“, erwiderte sie nach einigen Momenten doch, worauf ihm erst nur ein verächtlicher Laut entwich, „Ich wollte dich doch nur beschützen…“
 

Noch ein derartiges Geräusch entkam ihm, wobei das eher ein Auflachen schon war. Er fand es lediglich lächerlich, was sie ihm hier erzählen wollte. Nun, wenn man sein Leben lang immer irgendwelche Geschichten zu hören bekommen hatte, wusste man nicht mehr, wann etwas Wahrheit oder Lüge war. Wie sollte er ihr da noch glauben?
 

„Weißt du eigentlich noch, wie viele Geschichten du mir schon erzählt hast?“, fragte er sie, wobei man doch Verachtung hören konnte und deutlich wurde, dass ihn diese Situation gerade ärgerte. „Anfangs hieß es noch, wenn ich alt genug bin, würdest du mir verraten, wer mein Vater ist. Später kam die Version, er hätte dich verlassen, eben WEIL du schwanger geworden bist. Irgendwann musste ich mir noch anhören, er hätte sich sogar lieber das Leben genommen, statt ein Kind mit dir aufzuziehen… Mir hätte es als Kind schon gut getan zu wissen, welchen Namen er hat. Ein einziges Mal hätte ich ihn gern getroffen, um zu erfahren, wie er ist. Aber für dich war es immer ein rotes Tuch… so wie vieles andere, wofür ich mich mal interessiert habe. Wäre es nach dir gegangen, wäre ich heute Anwalt oder Arzt und nicht mehr ICH.“
 

Ganz leicht krallten sich ihre Fingernägel in die Bettdecke. Es gefiel ihr gar nicht, dass er die Wahrheit so deutlich aussprach. Noch dazu wusste sie ja um all diese Fakten. Schließlich war sie nicht dumm, auch wenn sie sich oftmals so verhalten hatte.
 

„André, ich bin deine Mutter und will doch nur das Beste für dich.“, versuchte sie es und sah ihn dabei mit einem Blick an, der normal jeden erweichen konnte. Aber ihn nicht. Seine Augen sahen sehr dunkel aus, als hätte sich die Pupille ausgedehnt und es gäbe keine Iris mehr. Doch es lag etwas auf ihnen, das diesen Schein kalt wirken ließ. Zu nahe kommen durfte man ihm jetzt nicht, denn er könnte für nichts garantieren. Nur dieser Spruch, den sie hier gerade brachte, war in seinen Ohren mehr Beleidigung gewesen.
 

„Das Beste? Indem du mir alles verbietest, was mir Spaß macht?“, konterte er und er griff nach der Mappe, während er weiter sprach. „Indem du mir mein gesamtes Leben stiehlst und mir vorenthältst, wer mein Vater ist? Eine sehr schöne Logik… Ist es denn das Beste für ein Kind, wenn man diesem nicht einmal glaubt, sobald es mal etwas erzählt? Du hast mir jedes Mal vorgeworfen, ich würde mich nur in den Mittelpunkt stellen wollen… Immer wieder hast du einen neuen Typen mit heim gebracht, oder hast dir sogar eine Freundin zugelegt. Aber du hast mir nie geglaubt, wenn ich dir die Wahrheit darüber erzählt habe, was diese Leute von mir verlangt haben. Und du wolltest mich beschützen? Hast du schon mal nachgedacht, wie lächerlich sich das anhört?“
 

Ihr Blick wurde mehr und mehr zu dem eines kleinen Kindes. Nur war es kein Wirken, als würde ihr das alles leid tun. Es war mehr dieses Vermitteln, dass sie das so doch nie gemeint habe. Alles an ihr schien sagen zu wollen, sie habe es nicht gewusst. Vollkommen unschuldig.
 

„Du wolltest seinetwegen nicht, dass ich mich für gewisse Dinge interessiere.“, stellte er auf einmal wieder mit demselben ruhigen Tonfall fest, auch wenn es dieses Mal anders war, denn seine Mutter erzitterte leicht wegen einer Kälte, die sich im Raum scheinbar ausbreitete. „Schauspielerei, Theater, Musik… selbst mein Interesse an übersinnlichen Dingen hast du immer kritisiert und mir sogar verboten. Ich solle meine Zeit nicht mit solch unnötigem Kram verschwenden. Was dachtest du, was passiert? Dass ich so irgendwie einen Kontakt zu ihm kriegen könnte? Oder hattest du eher Angst, dass er mich findet?“
 

Mit einem Schlag erschrak sie richtig, was nur einen kleinen Moment sichtbar wurde, ehe sie wieder genauso ruhig wirkte. Bis auf die Finger, die in die Decke gekrallt waren, hatte man in der Tat das Gefühl, all das würde sie nicht kümmern. Nur André beobachtete sie sehr genau, sodass ihm dieses kleine Erschrecken nicht entgangen war. Wie ein Dieb, den man gerade auf frischer Tat ertappt hatte.
 

„Du dachtest, er würde auf mich aufmerksam werden, sollte ich Berühmtheit erlangen… dass er mich findet und vor mir steht. Einfach so.“, sprach er aus, was ihm so in den Sinn kam, während er an ihren Reaktionen richtig ablesen konnte, dass er ins Schwarze traf. „Dir war klar, dass ich meinem Vater so sehr ähnle… und du hattest Angst, ich könnte ihm was bedeuten. Vielleicht sogar mehr als du.“
 

Mit jedem Wort schien sie immer kleiner zu werden, denn jede einzelne Silbe traf sie direkt im Herzen. Ein Punkt, von dem er bis eben nicht sicher war, ob er existierte. Aber scheinbar doch. Sie biss auf ihre Unterlippe, wollte so sich selbst von einer Erwiderung abhalten, aber es klappte einfach nicht besonders lange…
 

„Wenn du meinst, er könnte dich lieben, irrst du dich, André.“, sprach sie leise jene Gedanken aus, die ihr offensichtlich sogar schwer fielen, weil sie damit etwas zugeben musste. „Lestat ist nicht fähig zu lieben, auch wenn du das denkst. In Wahrheit ist sein Herz so kalt und tot wie alles an ihm. Damals war ich glücklich und ich dachte, es wäre Liebe. Aber nachdem ich sein Angebot der Unsterblichkeit einmal abgelehnt hatte, sah ich ihn nie wieder.“
 

Mit einem Mal erklang in dem Krankenzimmer ein Lachen, das sein Wesen mehr als deutlich wieder spiegelte. Wie ein König, der über das Missgeschick eines kleinen Dieners lachte, so hörte er sich gerade an. Arrogant, erhaben und zugleich spürte man, wie lächerlich das alles in seinen Augen war.
 

Seine Mutter sah auf zu ihm mit einem recht ernsten Blick, der sehr gefestigt war. Da verstummte zwar sein Lachen, aber das arrogante Grinsen lag auf seinen Zügen. Doch er war neugierig, was sie noch zu sagen hatte, sodass er ihr das Wort ausnahmsweise nicht verbieten wollte.
 

„Mach nicht den Fehler, André, zu glauben, er könnte dich lieben. Das kann er nicht.“
 

„Was weißt du denn schon?“, gab er zurück und seine Züge wandelten sich nur ganz leicht. Dieses Lachen klang gänzlich ab, sodass auch kein Grinsen mehr auf seinen Lippen erkennbar wurde. Als hätte er sich einfach wieder beruhigt.
 

„Lestat ist ein Vampir und gar nicht fähig zu lieben. Das habe ich damals auf schmerzvolle Weise gelernt. Ich will doch nur nicht, dass dir das auch passiert.“, betonte sie regelrecht, dass sie ihn nur beschützen wollte, was für ihn immer noch keinerlei Wert hatte.
 

„Es gibt da nur einen sehr wichtigen Unterschied zwischen dir und mir.“, erklärte er ihr dann, weil sie das vermutlich noch nicht bemerkt hatte. „Ich will gar nicht, dass er mich liebt. Das ist mir egal. Aber ich möchte mich gern einmal mit ihm unterhalten, ihn vielleicht kennen lernen, sofern er mir das erlaubt. Das hat nichts mit Liebe zu tun.“
 

In genau dem Moment geschah es, dass ihr die Gesichtszüge vor lauter Überraschung entglitten. Sie selbst war damals wie besessen gewesen davon, dass sie Lestat liebte und er sie lieben müsste. Ob sie dieses Gefühl jemals wirklich tief im Herzen gespürt hatte, war vermutlich gar nicht ganz so wichtig. Fakt war, dass sie das auch von André angenommen hatte. Besonders bei seiner Faszination für Vampire war sie davon ausgegangen, dass er diesem Verführer schon jetzt irgendwie verfallen war. Aber das traf gar nicht zu.
 

„Ihn wird nicht kümmern, dass du sein Sohn bist.“, versuchte sie ein weiteres Mal ihn davon zu überzeugen, dass es nicht gut wäre, wenn er sich auf die Suche nach diesem Mann begab. Wieso sie ihn wirklich davon abhalten wollte, wusste sie noch nicht einmal selbst so genau. Es war einfach nur ein Gefühl in ihr…
 

„Dann wird er vielleicht ehrlich mit mir reden.“
 

„André…“, setzte sie noch einmal an und suchte einen flüchtigen Moment nach Worten, ehe es einfach aus ihr heraus platzte. „Du entsprichst doch genau seinen Vorstellungen von einem perfekten Abendessen… Er wird nicht einfach mit dir reden. Lestat ist nicht der Typ dafür… Viel eher wird er dich verführen, dich ins Bett locken, von dir trinken und sich danach nicht einmal mehr irgendwie an dich erinnern.“
 

„Und? Ich habe alle meine Ziele im Leben erreicht… Es wäre ein passender Abgang von der Bühne des Lebens für mich.“, gab er zurück, wobei die Arroganz in seinem Handeln das Gefühl vermittelte, er würde es nicht ganz ernst nehmen. Dem war gewiss nicht so, aber er hatte auch keinen Grund davor, solch einen Ausgang zu fürchten.
 

„André!“, brachte sie dann noch bestimmter hervor, wobei sie unbewusst gewisse Worte in den Mund nahm, die sie sonst nicht verwendet hätte. „Sei doch nicht so dumm! Lestat ist ein Vampir… ein Monster, das sich einen Dreck um andere schert.“
 

Plötzlich klatschte es und ihr Kopf ging zur Seite. Wie aus einem Reflex heraus hatte André mit einer Hand ausgeholt und ihr eine Ohrfeige verpaßt. Mit der Hand griff sie an ihre Wange, die leicht gerötet war. Leicht unsicher sah sie auf, da sie ihre Worte schon wieder vergessen hatte. Da erkannte sie ein eisig blaues Auffunkeln in den dunklen Augen ihres Sohnes.
 

„Nenn Lestat nie wieder ein Monster. Nur weil DU nicht fähig warst, ihn zu verstehen, ist er deshalb noch lange kein Ungeheuer.“, stellte er mit eiskalt schneidender Stimme klar, was sie gleich erneut dazu veranlaßte, zusammen zu zucken, denn diese eine Bezeichnung hatte in André etwas hoch kommen lassen, das bezeichnend war. „Du hast doch keine Vorstellung davon, wie es ist, perfekt zu sein… nie einen Fehler zu machen und immer begehrt zu sein. Die wahren Monster dieser Welt sind Menschen wie du, Selina.“
 

Mit diesen Worten drehte er sich um und verließ den Raum. Würde er noch länger hier bleiben, vergaß er sich selbst und würde ihr noch den Hals umdrehen. Für ihn gab es kein schlimmeres Verbrechen, als solche Aussagen über Lestat zu fällen. Zwar kannte er ihn nicht wirklich und er hatte bis vor kurzem gedacht, dass Lestat de Lioncourt eine Romanfigur sei, aber… er war das Wesen, das ihm auf seltsame Weise Kraft gegeben hatte in schweren Zeiten…
 

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Das letzte Kapitel war ein wenig kürzer und dieses ist dafür etwas länger... Ausgleich ^.~
 

Hoffe aber, es gefällt und es stört niemanden, dass dieses Kapitel etwas länger geworden ist...



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  _-Kay-_
2011-04-11T07:39:06+00:00 11.04.2011 09:39
Argh... Wie ich dieses Biest hasse *seufz* EIne furchtbare Frau- sie tut so schön nett und lieb und "ach ich will doch nur dein Bestes" und dahinter ist NICHTS. Kam aber irre gut rüber, wie sie sich als Unschuldslamm darstellt und ihren Sohn beziehungsweise Lestat als die "Bösen". Man merkt auch ganz deutlich Andrés Kälte gegenüber der Welt, vor allem IHR gegenüber... Aber ist ja auch verständlich, oder? Wenn man so angelogen wird...

Kapitel ist auch hier wieder richtig gut geschrieben, man fiebert regelrecht mit- und dass es etwas länger ist als die anderen Kapitel macht nichts, das liest sich richtig schön fliessend in einem Rutsch!
Ich freu mich schon auf weitere Kapitel!
Von:  Bella-Estrella
2011-04-08T21:56:54+00:00 08.04.2011 23:56
WoW...was soll man da sonst zu sagen
Klasse geschrieben, man sieht die beiden grade so vor sich, wie sie sich windet und seine Kälte *frier*


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