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magical heartbreak

I can't live without you.
von

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Geburtstage und Zukünfte

Es war ein grauer, regnerischer Mittwochmorgen, als sich die Ravenclaws zusammen mit den Hufflepuffs in den Kerkern einfanden. In Erwartung auf die Zaubertränke-Doppelstunde hibbelten einige Schüler freudig, andere wiederum konnten es nicht lassen und mussten immer wieder zum Aufgang in die Eingangshalle schauen. Bei diesem Fach teilten sich die Gemüter: entweder man mochte es oder halt nicht.

Christina mochte es nicht. Sie schaffte es, regelmäßig ein „Schrecklich“ in allen Tests zu bekommen und auch ihre Jahrgangsabschlussnote sah nicht besser aus. Es lag nicht daran, dass ihr die Tränke zu kompliziert waren, vielmehr hatte sie ein bedrückendes Gefühl, wenn sie den Unterrichtsraum betrat. Dadurch war sie ständig abgelenkt und verdiente den Ravenclaws mehr Punktabzug, als alle anderen Schüler es in Mathematik zusammen schafften. Wenigstens mit den schlechten Noten schien sie nicht die Einzige zu sein.

„Professor Peterson wollte einen vier Fuß langen Aufsatz über diesen Trank! Wie kann man zu so etwas so viel schreiben?!“, stöhnte Ann neben ihr und besah sich ihren eher zwei Fuß langen Text. Anscheinend beschwerten sich noch mehr schlecht gelaunt über die Hausaufgaben, denn es gab nur wenige, die von sich behaupten konnten, knapp vier Fuß verfasst zu haben. In diesem Fall konnte Christina jedoch mehr als genug Text vorweisen und war das erste Mal richtig froh, sich Mühe bei ihren Aufgaben gegeben zu haben.

„Also ich habe fünf“, murmelte sie und war sich der erstaunten Blicke der Anderen bewusst. Manchmal fragte sie sich in solchen Situationen, ob der Sprechende Hut sie doch nicht ins falsche Haus eingeteilt hatte.

Die knapp zwanzig Schüler, zwei waren aus unerklärlichen Gründen nicht anwesend, drängelten sich enger zusammen, als die Tür zum Klassenraum auf magische Weise geöffnet wurde. Professor Natalie Peterson liebte dramatische Auftritte, obwohl diese nur bei Erstklässlern in den ersten zwei Wochen Anklang fanden. Die junge Hexe wurde aber inzwischen von niemandem mehr ernst genommen, zumal ihr Haar aussah, als hätte sie zu viel Zeit mit einem Explosiv-Trank verbracht, der auch den Großteil der Ärmel ihrer Kleidersammlung verkokelt hatte.

Christina bibberte in der Kälte und quetschte sich zwischen widerstrebenden Schülern hindurch in den düsteren, aber erhellten Raum. Zusammen mit Ann belegte sie eine Tischbank in der Nähe der Tür, dennoch lag diese eher mittig, damit die Professorin nicht auf die Idee kam, sie würden bei Stundenende aufspringen und fliehen – das machte keinen guten Eindruck.

„Ich schreibe euch jetzt die Zutaten für einen …“, begann die kratzig raue Stimme ihrer Lehrerin und wiegte die Hälfte der anwesenden Schüler in den Schlaf. Es war inzwischen kein Wunder mehr, wenn irgendein Trank mächtig schief ging, weil irgendjemand nicht aufgepasst hatte. Wenn nun ein Kessel explodierte, lachte sich Professor Peterson krankenflügelreif, was auch immer daran so witzig war.

Die Lehrerin wurschtelte vorne an der Tafel mit einem Schwamm herum, ließ diesen auch noch fallen, bevor sie endlich ein wenig Platz schuf, um etwas anzuschreiben. Mit einer unglaublich krakeligen Schrift, die jedem Troll alle Ehre gemacht hätte, krickelte sie also die Zutaten für einen Illusionstrank an. Daraufhin lehnten sich die meisten Schüler vor und kniffen die Augen zusammen, um in einem Versuch von Eifer ihre Schrift zu entziffern. Dauerte dies länger als zwanzig Sekunden, sanken diese wieder zurück und ließen Hieroglyphen Hieroglyphen sein.

Normalerweise hätte sich Christina angeschlossen, doch von einem plötzlichen Elan gepackt, entschlüsselte sie, wenn auch langsam, die Schrift. Nebenbei holte sie aus ihrer Schultasche Tintenfass, Feder und zwei Rollen Pergamentpapier hervor. Sie schrieb auf:

„- 1 Liter Wasser zum Kochen bringen,

- 2 Tropfen Fledermausblut ins kochende Wasser gießen.

-> Der Trank färbt sich dunkelrot, erst dann

- 5 getrocknete Spinnenbeine hinzufügen,

- ½ (in sorgfältig kleine, gleichgroße Stücke) zerkleinerte Drachenleber.

-> Der Trank wird leuchtend rot, danach

- ¼ (im Mörser) fein zerriebenes Einhornhorn dazuschütten,

- 1 kleine Baumschlangenschuppe hineinwerfen.

-> Der Trank bekommt einen Grünstich.

- 6 Fledermausaugen dazugeben,

- 3 Aschwinderinneneier hinzufügen.

-> Der Trank wird braun und beginnt nach Zitrone zu riechen. Die Mischung ca. eine halbe Stunde kochen lassen, dann vom Feuer nehmen und mit einem Löffel drei Mal mit dem Uhrzeigersinn umrühren. Vier Mal mit dem Löffel auf den Kesselrand klopfen und dann fünf Löffel Flubberwurmschleim als verdickende Zutat hinzufügen. Der Trank sollte daraufhin vollkommen klar werden. Eine Viertelstunde abkühlen lassen und dann an einer Kröte ausprobieren.“

Christina zog angesichts der Zutaten eine Augenbraue hoch. Wobei sie sich bei den Eiern der Aschwinderin fragte, warum gerade diese in den Trank kamen. Normalerweise benutzte man diese doch, um einen Liebestrank herzustellen.

Als sie zu Ende abgeschrieben hatte, starrte sie missmutig noch einmal auf den letzten Satz. Also mussten die Schüler wieder Versuchskröten benutzen. Jedes Mal widerstrebte ihr der Gedanke, den armen Tieren solch einen widerlichen Trank einzuflößen.

Professor Peterson kam gerade mit den Extrazutaten wieder, die sie aus ihrem Zutatenschrank beschaffen musste, weil einige für die Schüler nicht zulässig waren. Die Behälter mit den Trankzutaten trug sie, hinter ihr schwebten die empörten Kröten, die mit großer Sicherheit ahnten, was auf sie zukam. Es wurde laut, weil die aufgeregten Tiere anfingen zu quaken. Mit einem einfachen Schlenker ihres Zauberstabs, nachdem sie die Kisten auf das Lehrerpult abgestellt hatte, brachte Professor Peterson die Amphibien zum Schweigen.

„Die, die bereits alles abgeschrieben haben, kommen zu mir und holen sich die Zutaten!“, frohlockte sie und klatschte in die Hände, um den Raum mit etwas mehr Elan zu füllen. Langsam begann sich bei den Ravenclaws, die in den Reihen rechts saßen, eine monotone Bewegung auszubreiten: sie holten Schreibutensilien aus ihren Ranzen, um wenigstens beschäftigt auszusehen, während bei den Hufflepuffs eine schwache Welle der Müdigkeit die Kopf-auf-den-Tisch-und-schlafen-Reaktion auslöste.

Christina, die Ann inzwischen hatte abschreiben lassen, erhob sich und ging mit ihrer Freundin zusammen nach vorne, wo sie sich als Erste anstellte, um ihre Zutaten zu bekommen. Je früher man schließlich da war, desto besser war die Qualität.

„Ah, Miss Blake! Schön, dass sie so voller Eifer sind!“, freute sich ihre Lehrerin und strahlte über das ganze Gesicht, bevor sie Ravenclaw rein aus Sympathie fünf Hauspunkte gab und begann in ihren Zutatenkisten zu wühlen.

„Also, hier ist die Baumschlangenschuppe und die drei Aschwinderinneneier. Ich habe hier eine schöne, gesunde Leber eines Ungarischen Hornschwanzes. Sie beide können sich diese ja teilen“, daraufhin zerteilte sie die Leber mit einem Hackebeil und legte sie auf den jeweiligen Haufen der Mädchen, die sich in Schüsseln stapelten.

„Danke, Professor. Den Rest haben wir ja selbst“, meinte Christina immer noch beeindruckt über die Hackbewegung. Ann neben ihr nickte nur stumm und die beiden Mädchen wandten sich um. An ihren Plätzen angekommen, zogen sie erst einmal ihre Kessel, Waagen, Löffel, Zutatenkoffer, Mörser, Messer und Brettchen hervor, damit sie gleich mit den Vorbereitungen beginnen konnten.

Als sie gerade mit dem Zerkleinern ihrer Drachenleber anfangen wollte, beugte sich Marc Valentine zu ihr hinüber. Er saß ihr gegenüber mit dem Rücken zum Lehrerpult am gleichen Tisch. Neben ihm war wie immer sein bester Freund Fynn Jin, der Junge, mit dem Christina in den Ferien Nachhilfe haben sollte.

„Ähm, Chris? Darf ich die Liste von dir abschreiben? Ich kann die Tafel so schlecht erkennen“, tatsächlich war Marc ein Brillenträger, aber weil ihm ein Slytherin am Tag zuvor das Gestell verhext hatte, biss ihn dieses und er hatte es zur Reparatur beim Hausmeister lassen müssen. Nun war er blind wie ein Gnom, konnte sich auf Fynn jedoch nicht verlassen, der sich einen Spaß daraus machte, ihm das Falsche von der Tafel vorzulesen. Zumindest konnte er normal lesen und benötigte die Brille nur für den Blick nach vorne.

„Ja, klar. Ich muss eh gerade zerkleinern“, antwortete Christina und gab ihm das Pergamentpapier, bevor sie langsam und mit penibler Genauigkeit die Leber zerteilte. Für diese Arbeit brauchten die Schüler die meiste Zeit, daher gab ihnen Peterson fast immer eine gesamte Stunde, um überhaupt erst einmal anzufangen.

Nach einer Viertelstunde gingen die Leberstückchen nicht mehr kleiner und gleicher, also wandte sich Christina ihrem Kessel zu, den sie zunächst aufstellte und entfaltete. Dann nahm sie einen Messbecher und füllte sich einen Liter Wasser aus einem Wasserhahn am Rande des Raumes ab, bevor sie das lauwarme Nass in ihren Topf goss. Ohne dass sie überhaupt etwas getan hatte, entfachte sich ein loderndes Feuer unter dem Messingkessel und sie bedankte sich bei Ann, die ebenfalls gerade ein Feuer entzündete und daher Christina geholfen hatte.

„Zwei Tropfen Fledermausblut, bereit. Fünf getrocknete Spinnenbeine, bereit. Leber, okay …“, überprüfte sie murmelnd und machte sich schließlich daran, ihr Einhornhorn zu vierteln und je ein Stück den Anderen zu geben, da sie nur zu viert an einem Tisch saßen. Mit großer Geduld zerrieb sie diese Zutat im Mörser und achtete gleichzeitig auf das Wasser im Kessel. Als dieses zu kochen begann, tröpfelte sie das Blut hinein und war erleichtert, als das Gemisch tatsächlich dunkelrot wurde. Obwohl sie zugeben musste, dass das ja auch nicht schwer gewesen war, ließ sie sich die Freude nicht nehmen. Stattdessen warf sie die Spinnenbeine hinein und wartete kurz, bevor sie auch die Drachenleber versenkte. Als sich erst nichts tat, verlor sie schon fast den Mut, doch dann ganz langsam breitete sich ein behagliches und vor allem leuchtendes Rot aus und ihre Freude explodierte förmlich.

Mit geröteten Wangen und dämlichen Grinsen auf dem Gesicht wandte sie sich Ann zu, deren Trank honiggelb war. Interessiert schaute sie auf das Gebräu, das seltsam blubberte.

„Oh, nein! Ich habe die Leber mit den Eiern verwechselt!“, fluchte Ann und lockte dadurch Professor Peterson herbei, die mit einem Schulterzucken drei Aschwinderinneneier in Anns Schüssel legte und ihr bedeutete, von Vorne anzufangen. Seufzend gab sich das Mädchen dieser Aufgabe hin und Christina wandte sich ihrem Trank zu, der inzwischen strahlend rot war. Sie nahm den Mörser und schüttete das Einhornhornpulver hinein, sorgfältig leerte sie alles aus und fügte dann die Schuppe hinzu, nur um zu sehen, dass ihr Trank das erste Mal wirklich tat, was sie von ihm verlangte: das Rot bekam einen Grünstich.

Natalie Peterson bemängelte gerade bei Fynn Jin den Blauton, als sie das Zischen mitbekam, das aus Christinas Kessel kam. Neugierig stellte sie sich hinter ihr auf und blickte auf die Flüssigkeit, bevor sie vor Freude laut ausrief:

„Oh, wunderbar, wunderbar! Miss Blake, zehn Punkte für Ravenclaw!“

Christina stieg die Schamesröte ins Gesicht, während ihre Hausmitschüler begannen zu klatschen und einer nach dem Anderen vorbeizukommen, um sich ihren Trank als Beispiel zu nehmen.

Als die Flut an Komplimenten und Kommentaren erstarb, warf sie sechs Fledermausaugen hinein und machte kurz eine Pause, damit der Trank diese aufnahm, bevor sie die drei Aschwinderinneneier hineinfallen ließ. Das Braun sah aus wie … Na ja, auf jeden Fall roch es zitronig und Ann drehte sich zu ihr um, um mit Christina den Duft einzusaugen.

Da man den Trank nun eine halbe Stunde kochen lassen sollte, half Christina abwechselnd Marc und Ann, damit auch die Beiden ihren Trank fertig bekamen. Eigentlich wollten die Drei daraufhin Fynn helfen, der jedoch bei einem Azurblau hoffnungslos versagt hatte und sie den Trank auch nicht mehr retten konnten.

Peterson lief zwischen den Sitzreihen hindurch und roch hier und da an den Gebräuen, um sich dann vor allem bei den Ravenclaws jedes Mal unglaublich zu freuen, dass der Geruch der Zitrone hervorkäme.

Schließlich nahm Christina ihren Kessel vom Feuer und löschte es, bevor sie ihren Umrührlöffel in die braune Flüssigkeit steckte und im Uhrzeigersinn drehte. Drei Mal, danach klopfte sie vier Mal auf den Kesselrand. Sie kam sich vor wie eine dieser Klischee-Hexen, die bei den Muggeln so beliebt waren. Vorsichtig tauchte sie den Löffel dann in den Flubberwurmschleim und nahm, wie Professor Peterson geraten hatte, fünf ordentliche Löffel heraus und gab diese dem Trank bei. Mit großer Erleichterung stellte Christina dann fest, dass der Trank zwar braun aber klar war und ließ das Gebräu abkühlen.

Peterson, die gesehen hatte, dass der Tisch um Christina fertig wurde, brachte vier Kröten in einem Käfig herüber und besah sich noch einmal Fynns Trank, den sie als unbrauchbar abstempelte. Daher nahm sie eines der Tiere wieder mit, nur um sich aufgeregt neben Anns Kessel zu stellen und abzuwarten.

Christina war mehr als froh, als ihre Kröte nach einem Schluck des Trankes anscheinend so illusioniert war, dass sie Halluzinationen hatte und verzweifelt versuchte „Crying Heart“ zu singen, als wäre sie Mirabelle, die im Moment angesagteste Sängerin der Zauberwelt. Anns Kröte dachte, sie wäre ein Vogel und schmiss sich Ärmchen wedelnd vom Tisch. Auch Marcs Amphibie begann hemmungslos zu gackern und wie ein Huhn über den Tisch zu wackeln.

„Oh! Wie wunderbar, wunderbar!“, schniefte Professor Peterson gerührt und tupfte sich mit einem Taschentuch die Tränen aus den Augenwinkeln. Dann verteilte sie zwanzig Hauspunkte an Ravenclaw und rügte die Hufflepuffs, die alle eher grüne Tränke hatten.

„Marc!“, flüsterte Ann aufgeregt und der Junge nickte aufgedreht, bevor er meinte:

„Das macht insgesamt fünfunddreißig Punkte für Ravenclaw in einer Zaubertränke-Doppelstunde!“

Natürlich freute Christina sich, als die drei Zaubertränke abgefüllt wurden und in ein Aufbewahrungsschränkchen kamen, doch in Gedanken war sie schon wieder ganz woanders. Die nächsten zwei Schulstunden waren Geschichte der Zauberei und nach der Mittagspause mussten sie noch zweimal Geographie über sich ergehen lassen. Erst dann konnte sie wirklich glücklich sein.
 

Wie jeden ersten April war Peeves der Poltergeist auch an diesem Tag wieder in seinem Element. Er hatte Ritterrüstungen umgeworfen, Schränke auf den Boden fallen lassen, Schlüssellöcher mit Kaugummis verstopft, Toiletten geflutet (dabei hatte ihm die Maulende Myrte geholfen, die einen starken Heulkrampf während der Mittagspause erlitt), Bücher verzaubert (die aus der Bibliothek flogen und versuchten, nach Schülern zu schnappen), und, und, und …

Die Professoren hatten wenigstens dem Anschein nach versucht, Ordnung in das heillose Durcheinander zu bringen, das sich erst nach der zweiten Stunde ausgebreitet hatte. Doch kurz nach der Dritten hatten sie aufgegeben und flohen mit ihren Schülern in jedes nur erdenkliche Versteck, sobald Peeves in der Nähe war. Ein Unterricht war kaum mehr möglich, daher fielen die restlichen Stunden aus und die Schüler, übermütig durch die plötzliche Freizeit, unterstützten den Poltergeist mit allen Mitteln.

Christina, Ann und Missy Pink (ein Mädchen aus Hufflepuff, das eigentlich Tiffany Penkin hieß) stürmten die Gänge entlang. Sie waren im Klassenraum für Geschichte der Zauberei gewesen, auch diese Stunden hatte Ravenclaw mit Hufflepuff, als Peeves sich dazu entschloss, ein Lagerfeuer aus den Unterlagen von Professor Binns zu machen. Das Hufflepuff-Mädchen überholte Ann und kam mit Christina gleich, nur um ihr zu sagen:

„Ich hau’ ab, wir sehen uns beim Abendessen, Chris, Ann!“

Damit nahm sie die Treppe nach unten und verschwand im Erdgeschoss. Christina und Ann rannten eine Etage nach oben, in den Zweiten Stock. Fast rutschten die Beiden in der Pfütze vor dem Bad der Maulenden Myrte aus. Das kostete sie Zeit und plötzlich kugelte Peeves gackernd durch die Luft hinter ihnen. Christina, ganz außer Atem, rief:

„Ann, verschwinde nach oben, wir treffen uns im Gemeinschaftsraum! Wir teilen uns auf!“

Das Mädchen mit den zwei geflochtenen Zöpfen und der Brille nickte, bevor es die Treppe zum Dritten Stock hinauf hastete. Nicht weniger eilig hatte es Christina, die sich noch unbemerkt vor Peeves in diesem Stockwerk verstecken wollte. Myrte würde sie jedoch verraten, weil sie zu laut heulte, also musste sie sich ein anderes Versteck suchen. Vielleicht einen unbenutzten Klassenraum, aber die waren nach den Möbelbeseitigungsaktionen von Peeves wahrscheinlich ziemlich chaotisch.

Trotzdem raste sie auf eine der nächst besten Türen zu, riss sie auf und schlug sie hinter sich zu. Sie presste sich an das Holz und lauschte. Peeves Lache verklang irgendwo im Obergeschoss und Christina atmete tief durch. Erst dann kam ihr in den Sinn, dass Ann nach oben gelaufen war, auf ihre Anweisungen hin. Sie fühlte sich schuldig, vergaß aber dieses Gefühl, als sie bemerkte, wo sie war. Das war kein leer stehender Klassenraum. Das war das Büro für den Lehrer für Verteidigung gegen die Dunklen Künste! Da aber Professor Irving dieses Fach unterrichtete und er der Schulleiter war, stand das Büro seit einigen Jahren leer und eigentlich hätte hier eine dicke Staubschicht sein müssen, doch es war ordentlich und gepflegt, was wiederum Christinas Aufmerksamkeit erregte.

Neugierig schaute sie sich um. Es sah bewohnt aus oder zumindest waren hier Dinge, die man als Wohnutensilien benutzen konnte: ein Teeservice, Kissen, jede Menge Bücher, Urkunden an der Wand (genau vier an der Anzahl) und Schreibwaren. Doch das Meiste war nicht so beeindruckend wie die Auszeichnungen, also wandte sich Christina diesen zu. Es waren die Ergebnisse von ZAG- und UTZ-Prüfungen, die Anderen waren Abschlusszertifikate von Hogwarts und Shiredome University.

„Oh! Timothy Wenham!“, stellte Christina fest und ahnte innerlich schon, dass der junge Mann sich offensichtlich in diesem Büro häuslich einrichtete, was nur bedeuten konnte, dass er auch der heiß ersehnte, neue Professor für Verteidigung gegen die Dunklen Künste wurde. Was wiederum hieß: Tschüß, Professor Irving! Zumindest von seinem Lehrerposten.

„Dann lass’ mal sehen, was er für Noten hat“, kicherte sie und wandte sich von seinem Namen und Geburtstag (16. Mai) den Kürzeln der Noten zu. Wie jeder andere Schüler auch, hatte er eine Unmenge an Fächern in seinen ZAG-Prüfungen schreiben müssen, also wunderte die lange Liste Christina gar nicht.

Was sie erstaunte, war ganz anderer Natur: Er war während seiner Schulzeit offensichtlich ein Streber gewesen. Die guten Noten deprimierten sie und erneut spürte sie den Unterschied von Genies und Idioten, zu denen sie sich selbst zählte. Arithmantik, Kräuterkunde, Mathematik, Modern Studies, Verteidigung gegen die Dunklen Künste und Zaubertränke hatte er jeweils mit einem Ohnegleichen abgeschlossen. Es war zum Schießen! Wie konnte bloß eine Person so klug sein?!

„Er hat nur zweimal ein Annehmbar! In Astronomie und Geschichte der Zauberei. Wer soll denn da mithalten?!“, rief sie entsetzt aus und zählte die „Erwartungen übertroffen“ Fächer. Fünf waren es insgesamt, dazu gehörten Muggelgeschichte, Zauberkunst, Verwandlung, Englisch und Geographie.

„Na, dann lass’ mal sehen, wie seine UTZe ausschauen“, grummelte sie und sah die Urkunde daneben an. Nachdem sie alles gelesen hatte, war sie noch beleidigter als vorher und fühlte den Drang wegzulaufen. Achtmal Ohnegleichen. Anstatt Modern Studies waren nun Englisch, Verwandlung und Zauberkunst dazugekommen. Das eine Annehmbar in Hauswirtschaftslehre und das eine Erwartungen übertroffen in Geschichte der Zauberei sahen dagegen alt aus – davon einmal abgesehen, dass auch diese beiden Fächer bestanden waren und somit einen UTZ ergaben. Das bedeutete, dass Timothy Wenham in allen seinen Fächern einen UTZ hatte.

„Wie geht das denn?!“, empörte sich Christina und wollte sich wegdrehen, als ihr das Abschlusszertifikat von Hogwarts auffiel. Neugierig, wie sie nun einmal war, las sie auch dieses Papierstück durch und schaute sich das magische Bild an, das oben unter der Überschrift prangte. Er war Jahrgangsbester, ehemaliger Vertrauensschüler und Schulsprecher gewesen – es war kein Wunder, dass man ihn daraufhin in Shiredome mit offenen Armen empfangen hatte.

Shiredome University war Christinas absolute Traumuniversität und die Erste Wahl vieler Schüler, doch nicht jeder schaffte es, dort aufgenommen zu werden. Schließlich durften nur privilegierte, d.h. reiche und kluge oder sogar schöne, vor allem aber talentierte, Hexen und Zauberer an dieser Universität studieren, je nachdem, was sie lernen wollten. Letztendlich war es auch die Beste auf der ganzen Welt und hatte bereits mehrfach Auszeichnungen jeglicher Art für Gebäude, Möglichkeiten, Atmosphäre (und, und, und) erhalten.

„Wie unsympathisch er mir jetzt vorkommt“, murmelte sie nur und warf noch einen Blick auf die letzte Urkunde, nur um daraufhin schnippisch mit der Zunge zu schnalzen. Natürlich war er an der Universität nicht irgendwohin gekommen, nein, er war in Nova gelandet. Ähnlich wie in Hogwarts gab es in Shiredome Häuser, sechs an der Anzahl, die sich jedoch nicht wirklich nach Charaktereigenschaften oder Werten richteten, sondern eher nach den Berufswünschen der Studenten.

Das Haus „Nova“ besaß ein blaues Wappen mit einem stolzen Adler darauf. Der Gründer war Joseph Trueman und hatte die Luft und den Himmel gemocht. Viele sagten den Mitgliedern Gelehrsamkeit und Weisheit nach, aber natürlich gab es auch Einzelfälle. Die Meisten belegten die Studiengänge Medizin, Politik (eingeschlossen ministeriale Berufe und Botschafter, etc.) oder Aurorenausbildungen. Letztere zählten nicht unbedingt zu den ministerialen Berufen, weil es auch Hexen und Zauberer gab, die sich nicht an das Zaubereiministerium binden wollten.

Nach „Nova“, auf Platz Zwei des Ansehens, kam „Fauna“. Dem Namen nach zu urteilen, hatte es ein grünes Wappen mit einem Fisch und einige sprachen bei diesem Haus von List und Tücke, was aber in den meisten bekannten Fällen nicht stimmte. Korrekt gesagt, fanden sich hier die Studenten zusammen, die in der Wissenschaft und Forschung arbeiten wollten. Viele, die dort studiert hatten, standen heute in der Geschichte der Zauberei. Die Gründerin hieß Constance Evergreen und hatte schon immer die Erde geliebt.

Das dritte Haus hieß „Ignis“ und bedeutete Mut. Dementsprechend war das Wappen rot und hatte, wie Gryffindor, einen goldenen Löwen in der Mitte. Die Studenten übten hier für ihre Selbstständigkeit oder studierten Jura. Daniel Newin, ein Liebhaber von Feuer und Hitze, hatte dieses Haus gegründet. Mit Nova zusammen war Ignis das kleinste Haus innerhalb Shiredomes.

Margareth Bliston hingegen verfiel eher dem Licht und der Sonne, weswegen sie das Haus „Lumen“ erschuf. Wie Hufflepuff hatte es ein gelbes Wappen mit einem Dachs darauf und stand für Freundschaft. Dementsprechend konnte man dort nur Sozialarbeiten studieren – übrigens waren hier die meisten Professoren von Hogwarts gewesen.

Peter Owen hatte seinen Wunsch nach Stärke jedoch anders als alle anderen Gründer zur Geltung gebracht. Er war zwar auch Liebhaber eines Naturphänomens – Sonne und Mond, um genau zu sein – wollte aber eher eine Grundlage für praxisorientierte Studenten schaffen. So entstand das Haus „Solaris“ mit orangefarbenen Wappen und einem Hirsch als Symbol. Hier fanden sich also Handwerker und Verkäufer oder Berater wieder.

Das letzte Haus in Shiredome hieß „Flora“. Und allein der Name sagte den meisten Leuten schon, wer sich dort aufhielt: Musiker, Künstler, Darsteller, Schauspieler, Komiker … Alles, was ästhetisches Talent besaß. Patricia Gregor, eine Frau, die Pflanzen (insbesondere Blumen) über alles bewunderte, wollte ein Studium für weniger theoretische Leute, aber Studenten mit Ehrgeiz nach Ruhm erschaffen. Das Wappen war violett und beherbergte eine Maus – Gerüchten nach zufolge, hielt man die Mitglieder für anmutig.

Der Ort dieser 1347 gegründeten Universität war jedoch unbekannt und nur eingeladene Studenten ahnten, wo sie sich befand – der Rest wusste nur das Land: Irland. Dort gab es auch eine andere Schule für Hexerei und Zauberei: „Shiredome – magische Legende“. Es klang eitel und arrogant, doch sie hatte alles Recht dazu, sich so zu nennen. Nach all dieser Zeit brachte sie schließlich die besten Hexen und Zauberer hervor. Aber auch hier gab es keine bekannten Ortsangaben, denn ein Zauber hinderte die Menschen, darüber zu sprechen. So ähnlich war es auch mit der Universität: angeblich verspürte man am 31. August einen ungeheuren Drang nach Dublin zu reisen. Dort wurde man wahrscheinlich abgeholt, doch darüber teilen sich die Gemüter.

Wie aus einer Trance erwachte Christina ruckartig und blinzelte. Allein der Gedanke an Shiredome versetzte sie ins Schwelgen. Es war furchtbar und doch, jedes Mal, wenn sie nur den Namen hörte, wünschte sie sich, klug genug zu sein, um nach Nova zu kommen. Eigentlich brauchte sie sich auch nur ein bisschen mehr anstrengen und durfte nicht ständig im Unterricht träumen – es klang nicht schwer –, aber trotzdem schaffte sie es nicht.

Deprimiert, wie sie jetzt wieder war, wandte sie sich ab. Gab es wirklich Menschen, die offensichtlich so viel Gutes in sich hatten? Timothy Wenham war nicht nur überdurchschnittlich klug und hatte viele Auszeichnungen erhalten, sondern war ebenfalls erfolgreich und gut aussehend. Nicht zu sprechen von seiner Reinblütigkeit. Für viele Frauen und Mädchen war er der große Fang, wenn sie ihn denn in die Finger bekamen und genau da

stellte sich Christina Schwierigkeiten vor. Er hatte alles, war wahrscheinlich ein stolzer und aufrechter Mann, also wäre es nicht erstaunlich, wenn er seine Partnerinnen mit Bedacht wählte.

„Einzahl passt besser“, fügte sie hinzu und formulierte den Satz erneut um. Also wäre es nicht erstaunlich, wenn er seine Partnerin mit Bedacht wählte. Nach der Zeitung im Archiv war er bereits verheiratet und Vater eines neugeborenen Mädchens. Würde ihm da überhaupt noch eine Frau attraktiv vorkommen? Bestimmt war er mit Herz und Seele treu, was bedeuten würde, dass er seiner verstorbenen Frau bis in alle Ewigkeit hinterher trauern würde. Keine Chance für Frauenherzen, die nicht das Herz seiner Ehefrau waren – und das waren sie nicht, das konnte man nicht bestreiten.

„Auf ewig Witwer“, stellte Christina fest und dachte bereits, kurz nachdem sie das ausgesprochen hatte, dass die drei Wörter einen guten, melodramatischen Buchtitel ergeben würden. Das wäre wahrscheinlich der Verkaufshit und alle einsamen Frauen würden dieser Geschichte hinterherschwärmen.

Christina schaute auf und beschloss, weil sie nichts Interessantes mehr sah, den Raum zu verlassen. Nicht, dass sie noch erwischt wurde, während sie in der Privatsphäre eines Professors herumschnüffelte. Das würde sie auf das gleiche Niveau wie Peeves stellen, von dem sie sich immer deutlich abgegrenzt hatte.
 

Der Montagmorgen brach mit strahlend schönem Wetter herein. Zum ersten Mal dieses Jahr konnten die Schüler und der Sportlehrer, Professor Terry Bane, den Frühsport auf dem weitläufigen Gelände Hogwarts abhalten. Je höher die Klassenstufe, desto weniger Sporteinheiten hatte man pro Woche und Christina erfreute sich als Sechstklässlerin lediglich einer einzigen am Montagnachmittag. Da jeder Schüler mitmachen musste, gab es die gemeinsamen Stunden: Montags und freitags die Erste und montags zusätzlich die Sechste. Diese Stunden waren die reinste Qual, dementsprechend groß war die Erleichterung der älteren Schüler.

Weil Ravenclaw die ersten beiden Stunden keinen Unterricht hatte, konnte Christina in aller Ruhe frühstücken. Als sie in ihren Marmeladentoast biss, tauchte Ann neben ihr auf und setzte sich dazu. Gerade schmierte sie etwas Butter auf ihr Brot, als es zur ersten Stunde läutete und die beiden Mädchen horchten kurz auf. Dadurch bemerkten sie ihre Mitschüler Marc und Fynn, die angesichts dessen enttäuscht ihre Gesichter verzogen. Sie hatten sich anschleichen wollen und waren nun entdeckt worden.

„Morgen!“, rief Marc fröhlich und setzte sich Ann gegenüber hin, bevor er sie nach ihrem Propheten fragte und begann, darin zu lesen. Sein Freund Fynn hingegen schaufelte sich eine große Kelle Rührei auf den Teller und füllte sich Kürbissaft ein. Erst dann schien er fähig zu sein, die Anderen zu begrüßen.

„Na? Warum denn so mies gelaunt?“, hakte Christina belustigt nach, als sie die Falte zwischen seinen Augenbrauen sah. Fynn sah zu ihr auf und meinte:

„Mir ist gerade ein Slytherin über den Weg gelaufen. Die werden von Jahr zu Jahr auch immer unhöflicher, oder?“

„Wenn es ein Quidditch-Spieler war, dann ist das doch logisch!“, fügte Ann hinzu und gemeinsam sahen die Vier hinüber zum Haustisch der verhassten Schülerschar. Fynn seufzte und sagte, nachdem sich alle wieder ihrem Essen zugewandt hatten und er bereits ein paar Löffel seines Rühreis in sich hineinschüttete:

„Doria Umbridge, die Zicke, hat sich mit Stacey Pole darüber unterhalten, wie aufgeblasen wir doch wären, also die Ravenclaws. Dass wir wohl mit einem zu großen Kopf auf die Welt gekommen sind und so.“

„Ich hätte den Beiden gern einen Fluch aufgehalst, aber Professor Young war in der Nähe und ich wollte vermeiden, dass sie mir Strafarbeiten gibt“, grummelte Marc lediglich als Bestätigung und seine Augen rasten weiterhin über einen Artikel, der ihm ab und zu einen erstaunten Laut abverlangte.

„Unserem Quidditch-Team hätte das sicherlich geholfen, wenn ihr sowohl eine Treiberin als auch eine Jägerin außer Gefecht gesetzt hättet“, schwelgte Ann in einem Anfall von Häme. Sie dachte anscheinend an das, was beim kommenden Spiel passieren würde – ohne Zweifel würde Ravenclaw haushoch gewinnen und damit auch den Quidditch-Pokal!

„Wenn ihr Professor Young schon begegnet seid, hat sie euch auch gleich verraten, was wir heute in Hauswirtschaftslehre machen?“, fügte sie dann hinzu und die Drei besprachen den Plan, einen Quiche Lorraine herzustellen.

„Ich muss noch den Aufsatz für Professor Peterson fertig stellen. Ich habe die Auswertung ganz vergessen, also bis nachher in Englisch!“, unterbrach Christina die Überlegungen der Anderen und stand hastig auf. Daraufhin verschwand ihr benutztes Geschirr und hinterließ nichts als eine Spur Krümel. Sie verabschiedete sich, ging aus der großen Halle und die Treppe nach oben.

Seit sie in dem Büro für den Professor von Verteidigung gegen die Dunklen Künste die Urkunden gesehen hatte, war sie fast täglich in die Bücherei gegangen und hatte gelernt oder wenigstens etwas nachgeschlagen, was ihr vielleicht in einigen Fächern weiterhalf. In jeder wachen Minute im Gemeinschaftsraum hatte sie dann für Zauberkunst und Verwandlung Sprüche auswendig gelernt, um sie anzuwenden und um es richtig zu machen – sowohl die gesagten als auch die ungesagten. Natürlich verlor sie dabei nicht die Hausaufgaben aus den Augen, die sie inzwischen im Gegensatz zu vielen anderen Schülern fast vollständig richtig machte – bis auf Mathematik, Arithmantik und Verteidigung gegen die Dunklen Künste, in denen sie immer noch des Öfteren ein „Schrecklich“ bekam. Doch auch hier hatten sich die Noten auf „Mies“ verbessert und die Lehrer schienen sichtlich beeindruckt von ihrem plötzlichen Sinneswandel.

Doch heute hatte sie noch etwas anderes vor, um das sie sich kümmern musste. Den Aufsatz für Zaubertränke hatte sie bereits am Vortag beendet und sich den Montagmorgen für diese Aktion freigehalten. Sie ging ganz normal in den Zweiten Stock hinauf, umging die Pfütze vor Myrtes Bad und schlich, sich umsehend, auf die Tür zum Büro für Verteidigung gegen die Dunklen Künste zu. Ganz scheinheilig stellte sie sich davor und sah sich noch einmal um, bevor sie zögerlich anklopfte. Auch dieses Mal schien niemand dort zu sein, wie sie bereits ahnte, denn die Male, die sie hier gewesen war, befand sich nichts und niemand in diesem Raum – und sie war nicht selten hier vorbeigekommen, zufällig natürlich.

Also öffnete sie die Eichentür einen Spalt breit, lugte hinein und stellte zufrieden fest, was sie bereits geahnt hatte. Sie quetschte sich hindurch und schloss hinter sich ab. In diesem Raum hatte sie immer das unglaubliche Gefühl der Erleichterung und der Glückseeligkeit. Nur die Bibliothek kam ihr etwas erfrischender vor, aber sonst hielt sie sich gerne hier auf. Es roch nach einem Männerduft, zimtig wenn sie ehrlich war. Der Duft gefiel ihr und da er sich mit dem Geruch der Bücher vermischte, tat sie es als Unmöglichkeit ab, nicht hierher zu kommen. Genau diese Tatsache war beängstigend.

Doch auch zum Luftatmen war sie nicht hierher gekommen. Mit einem leichten Lächeln, das ihre Lippen umspielte, stieß sie sich von der Tür ab, an der sie bis eben noch gelehnt hatte, und ging auf den wuchtigen Schreibtisch zu, den sie schon aus den anderen Professorenbüros kannte. Noch einmal lauschte sie auf irgendwelche Regungen außerhalb des Raumes, doch war sich beinahe sofort sicher, dass dort nichts sein konnte, denn außer diesem Büro und Myrtes Bad gab es hier nur leer stehende Räume.

„Happy Birthday to you, happy birthday to you …“, sang sie dann leise und stellte einen weißen Umschlag gegen das Tintenfass, das vor zwei Tagen noch nicht zu sehen war. Das bedeutete also, dass hier auf jeden Fall jemand vorbeischaute und ihr die Möglichkeit gab, ihm zu gratulieren. Timothy Wenham war bereits vor einem Monat aus dem Krankenflügel entlassen worden, nachts, wie sie festgestellt hatte. Der einzige Ort, wo er sich jetzt dauerhaft, ungestört und unbemerkt aufhalten konnte, war die verborgene Bibliothek im Schulleiterbüro und sie vermutete, dass er genau das tat.

Nachdem sie das erledigt hatte, verschwand sie genauso geheimnisvoll, wie sie gekommen war und achtete ja darauf, dass niemand sie im Zweiten Stock beobachtete. Mit leicht geröteten Wangen kehrte sie in den Ravenclaw-Gemeinschaftsraum zurück, wo die Drei auf sie warteten und nach ihren Fortschritten fragten. Natürlich konnte sie ihnen nun berichten, dass ihr Aufsatz fertig sei und sie bis Donnerstag also nichts mehr mit Zaubertränken am Hut habe. Sehnsüchtig schaute Fynn zu ihr auf und erweichte ihr Herz: Abschreiben ließ sie ihn zwar trotzdem nicht, aber ihre Hilfe konnte er auch gut gebrauchen.
 

Nach einer schrecklichen Sportstunde am Montagnachmittag fanden sich alle Schüler, die meisten übellaunig, in der Großen Halle ein. Das gemeinsame Abendessen verlief träge, kaum einer redete und alle aßen eher unaufmerksam.

Die Woche hatte gerade erst begonnen, aber dennoch fieberten die Anwesenden auf den Samstagvormittag hin, an dem das letzte und entscheidende Quidditch-Spiel der Saison stattfinden sollte: Ravenclaw gegen Slytherin. Hufflepuff war bereits früh aus dem Rennen gewesen, weil es zu einigen schweren Unfällen beim Training kam, während Gryffindor das letzte Spiel hatte aufgeben müssen, nachdem man dem dritten Jäger einen Heuler geschickt hatte, der ihn für die nächsten Tage außer Gefecht gesetzt hatte. Im Moment führte Slytherin die Liste an, doch Ravenclaw lag nur dreißig Punkte dahinter und hatte, wie es aussah, beste Chancen auf den Sieg.

Christina seufzte. Es war schwer, gegen Leute zu kämpfen, die man kannte wie seine eigene Westentasche. Unter den Quidditch-Spielern von Slytherin gab es ständig Auseinandersetzungen: Vier waren die übelste Sorte von Hexen, die es gab, die drei Anderen waren Christinas gute Freunde. Chelsea Malfoy und Angel Flint kannte sie schon seit sie klein war, daher hassten die Drei es auch, im Quidditch gegeneinander zu kämpfen. Mit Johnny Cucumber verstand sie sich seit der fünften Klasse ziemlich gut und daher ärgerte es sie umso mehr, dass alle in verschiedenen Häusern waren.

Wütend stocherte sie in ihrem Essen herum, das inzwischen ganz schön malträtiert aussah und kalt war, weswegen sie es beiseite schob und sich lieber noch ein wenig Kürbissaft einschenkte, um auf andere Gedanken zu kommen. Hunger hatte sie in letzter Zeit kaum noch. Viel zu viele Sachen schwirrten ihr durch den Kopf und auch sonst hatte sie einige Probleme. Seit dieser verheerenden Mathematikstunde von einem Monat hatte Professor McBeth sie offensichtlich auf der Schippe – wann immer er konnte, zog er ihr Punkte ab oder triezte sie mit fiesen Sprüchen. In Arithmantik schaffte sie es kaum, mitzuhalten und ärgerte sich dann den ganzen Dienstag darüber. Schlimm genug, dass sie abends noch Quidditch-Training hatte und es regnete, sie somit über und über mit Schlamm bespritzt war und echt schlechte Laune hatte. Nicht zu vergessen war Lucien Weasley, ihr Verehrer. Sein Verhalten war in letzter Zeit nicht gerade besser geworden.

In ihren Gedanken vertieft, bemerkte sie erst gar nicht, dass Professor Irving aufgestanden war und die Schüler verstummten. Ann stieß sie an und machte sie auf das Geschehen aufmerksam, woraufhin sie widerwillig zuhörte.

„Ich möchte Euch nicht lange vom Essen abhalten, doch ein paar gut gewählte Worte an einem solchen Abend sind vonnöten“, begann er und prompt reckten einige in Erwartung auf das Folgende die Hälse.

„Ich bitte daher um die Aufmerksamkeit der Sechstklässler!“

Daraufhin sanken alle anderen Schüler zurück in ihre Trance und schaufelten sich gelangweilt ihr Abendessen in den Rachen. Im Gegensatz dazu standen die Angesprochenen, die zuvor nur mit einem halben Ohr hingehört hatten und sich nun auf die Rede konzentrierten.

„Morgen findet eine zusätzliche Berufsberatung für Euch statt. Eure Hauslehrer teilten mir mit, dass viele von Euch sich noch nicht sicher waren oder gar keine besonderen Wünsche hatten. Infolgedessen haben wir beschlossen, den morgigen Tag ganz Euren Zukünften zu widmen. In Eurem Gemeinschaftsraum werdet Ihr die Zeiten und Orte finden, zu denen Ihr Euch eintreffen sollt. Nehmt davon Notiz. Das war’s auch schon!“

Christina und Ann verfielen mit Marc und Fynn in ein Gespräch, als Professor Irving anfügte:

„Für den Rest findet der Unterricht regulär statt. Lediglich die Stunden der vier Hauslehrer fallen aus, danke!“

Begleitet wurde dieser Kommentar vom kollektivem Stöhnen und Empören. Es gab einige laute Widersprüche, doch man konnte durch die plötzliche Lärmaufbrandung nichts verstehen. Am Ravenclawtisch und auch bei den Slytherins brach begeisterter Jubel aus, als herauskam, dass einige Klassenstufen fast komplett unterrichtsfrei hatten.
 

Zu dieser Zeit hätte Christina mit großer Sicherheit Mathematikunterricht gehabt. Also sah sie es als eine Art Erlösung von den Höllenqualen, dass sie Sechstklässlerin war. Sie befand sich auf dem Weg zum Büro für Arithmantik, denn die Hauslehrerin von Ravenclaw war Professorin für ebendieses Fach, Alice Hamford war ihr Name. Es befand sich im Sechsten Stock und war genau neben dem Klassenraum.

Sie trat vor die unscheinbare Tür und klopfte an. Zunächst folgte eine Pause, doch schließlich ertönte die Stimme der mittel alten Frau. Christina atmete tief durch und trat ein.

Der Raum war noch genauso, wie sie ihn in Erinnerung hatte. In der Mitte stand der wuchtige (altbekannte) Schreibtisch, auf dem sich Papierstapel aufeinander schichteten. Darauf gab es komplizierte Zahlenverbindungen und Logikrätsel, die selbst eine Sechstklässlerin nicht hätte lösen können. Neben dem (von ihr aus gesehenen) linken Fuß des Tisches befand sich ein Haufen alter Bücher – mit größter Wahrscheinlichkeit Lexika, die über siebenhundert Seiten stark waren. Neben dem Eingang befanden sich die Bücherschränke, deren Regale sich unter der Last von Hunderten von Büchern gefährlich durchbogen. Von den Wänden hingen Wandschirme, auf denen Berechnungen und Zahlenkreise zu sehen waren. Irgendwo dazwischen ging eine Tür in das Schlafzimmer von Professor Hamford ab, doch diese verschwand vollkommen unter Plänen und Bewertungstafeln, dass wohl nur sie den Zugang fand. Vor dem Fenster stand ein leerer Eulenkäfig, der große Waldkauz fand die Eulerei wahrscheinlich gemütlicher. Der einzig freie Platz war der zerbrechlich aussehende Lehnstuhl vor dem Schreibtisch. Und da setzte sich Christina hin.

„Guten Morgen, Professor“, sagte sie lächelnd und schaute ihre Hauslehrerin an. Diese murmelte ein paar Worte und Tee aus der dampfenden Kanne vor ihr füllte sich in eine unbenutzte Tasse.

„Guten Morgen, Miss Blake“, war die einzige Antwort. Professor Alice Hamford war nicht sehr gesprächig. Normalerweise schrieb sie stur alles an die Tafel oder verteilte Aufgaben. Waren Ankündigungen zu machen, händigte sie Blätter aus. Je weniger sie an einem Tag redete, desto glücklicher war sie. Dennoch konnte man nicht davon loskommen, sie als mütterliche Figur zu beschreiben. Sie war nicht schlank wie ein Model, aber auch nicht plump. Sie hatte weibliche Rundungen vorzuweisen und einige Lachfalten im Gesicht, die ihrem Aussehen einen freundlichen Beiklang gaben. Normalerweise trug sie weinrote oder tiefblaue Kleidung und weite, wehende Umhänge. Sie war ein Mensch der bequemeren Sorte und machte sich selten die Mühe in die Große Halle zu kommen.

Da Christina schon bemerkte, dass sie das Thema wohl ansprechen musste, begann sie:

„Professor, ich möchte Ärztin werden.“

Das Gleiche hatte sie vor einem Jahr gesagt, damals hatte Professor Hamford nur ungläubig mit dem Kopf geschüttelt: Ärzte wurden sowohl für Irland und England nur in Shiredome University ausgebildet. Es war für sie schon damals ziemlich unmöglich gewesen, dort hinein zu gelangen. Dennoch glaubte sie immer noch fest daran.

Dieses Mal blickte ihre Lehrerin jedoch nicht gleich so entsetzt. Stattdessen wanderte ihr Blick auf ein Pergamentpapier in ihrer Hand. Anscheinend hatte man ihr Rückmeldungen über Christina gegeben, die sie nun zu Rate zog. Es war bereits zwei Monate her, dass die Sechstklässlerin diese Stimme gehört hatte, doch nun sprach Professor Hamford:

„Für diesen Berufszweig benötigen sie …“

„Kräuterkunde, Zauberkunst, Zaubertränke, Verwandlung, Arithmantik und Verteidigung gegen die Dunklen Künste. Ich weiß, ich habe mich bereits informiert“, half Christina ihrer Lehrerin aus, die nicht den Eindruck gemacht hatte, als würde sie tatsächlich alle Fächer aufzählen, die für diesen Zweig wichtig waren.

„Sie werden besser, müssen aber noch mehr machen“, fügte Alice Hamford hinzu und schaute mit unergründlicher Miene auf das Blatt. Christina schwieg eine Weile, bevor sie die Stille erneut durchbrach und fragte:

„In welchen Fächer genau muss ich noch besser werden?“

„Arithmantik, Verwandlung, Verteidigung gegen die Dunklen Künste“, antwortete diese und hatte das erste Mal mehr gesprochen, als Christina jemals von ihr zusammen gehört hatte.

„Das heißt, ich bin in Zauberkunst, Kräuterkunde und Zaubertränke schon auf dem richtigen Weg?“, ereiferte sie sich nun und freute sich bis ihre Wangen rot wurden, weil ihre Hauslehrerin nickte.

„Ich empfehle ihnen Sommerferien-Nachhilfe und folgende Kurse …“

Alice Hamford schrieb Christina etwas auf ein Blatt und reichte es ihr. Sie schaute darauf und schwieg eine Weile. Sie sollte bei der Nachhilfe AG, Hausaufgaben AG und Biblio AG mitmachen, wenn sie ins siebte Schuljahr kam. Das unterstützte ihre schulische Laufbahn, gleichzeitig gab es einen Prüfungsvorbereitungskurs, der auf die UTZe hinführen sollte. Christina war begeistert. Das bedeutete, dass sie es vielleicht doch schaffen würde oder zumindest glaubte Professor Hamford daran. Und das mit der Sommernachhilfe schien sich außerdem gar nicht einmal so schlecht anzuhören, wenn sie ehrlich war.

„Vielen Dank, ich werde mich anstrengen!“, freute sie sich und wieder nickte ihre Lehrerin nur. Weil sie es schon gewohnt war, stand sie auf und verabschiedete sich mit erhellter Miene. Auch da hob Professor Hamford nur die Hand.

Christina ging aus dem Raum und schloss die Tür hinter sich. Dann stürmte sie los, um Ann, Marc und Fynn davon zu erzählen. Alle Drei würden erst später an der Reihe sein und hatten sicherlich noch genügend Zeit, um ihr bei ihren Schwärmereien zu zuhören.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  freddy
2009-11-10T19:26:16+00:00 10.11.2009 20:26
also jezt sag mal XD wie bist du auf ie zubereitunge für den illusionstrank gekommen? hört sich gut an.
und es ist schön zu lesen, dass chris den trank hinbekommt. zuerst dachte ich ja, im letzten moment würde er vllt explodieren. *g*

und peeves hast du gut getroffen! XD so einen geist hätte ich im april auch gerne in der schule gehabt *lach*

und aah~ jetzt wird es wieder interessant! man, timothy ist ja wirklich ein genie, wie chris in so schön nannte. aber was ist ein utz? ich weiss es nicht *pfeif*

und die beschreibungen der häuser in shiredome ist dir auch gut gelungen. ich bin immer wieder überrascht, was du dir alles ausdenken kannst. ich wäre auch sowas nicht gekommen! also kompliment!

hmm, also so langsam macht es ja doch den eindruck, als würde sich chris etwas sehr für timothy interessieren..*mal weiter lesen geh* hoffentlich wird sie nicht von ihm erwischt :D

chris will also ärztin werden, na das ist doch ein schöner beruf. ich finde es auch interessantm wie sie sich jetzt anstrengt.
hoffentlich trifft sie bald wieder auf timothy, damit was "spannendes" passieren kann. Also damit die geschichte weiter in schwung kommt.
auch wenn die story so auch sehr interessant ist und ich es gerne lese.^^
ich will nur dass die beiden sich wieder treffen und das prof irving wieder vorkommt ;) (mein momentaner liebling) XD ich liebe solche "allwissenden" direktoren *gg*



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