Dir en grey und ihr neues Zuhause
Er saß und er langweilte sich.
„Man, das ist so öde“, nölte Toshiya herum. Er zwirbelte eine Haarsträhne zwischen seinen Fingern. „Das ist alles nur deine Schuld!“
„Kao, lass Toshiya in Ruhe“, ging Shinya schlichtend dazwischen.
„Nein! Der hat uns den Urlaub versaut! Wenn wir hier je wieder runter kommen, dann…“, er ließ seinen Satz unvollendet und Shinya legte ihm beruhigend eine Hand auf die Schulter.
„Was macht ihr zwei eigentlich da oben?“, fragte Toshiya die zwei Äste höher sitzenden Kyo und Dai.
„Sollten wir ihm sagen, was wir machen?“
„Der muss auch echt immer alles wissen.“
„Sollten wir?“
„Nö.“
„Ok.“
„Menno“, wandte Toshiya sich beleidigt ab. „Hier kann man ja gar nichts machen“, sagte er den Oberkörper vor und zurück wippend und baumelte mit den Beinen in der Luft.
„Sollten wir die Männer mit dem weißen Kittel rufen?“
„Toshi dreht gleich durch.“
„Sollten wir?“
„Nö.“
„Ok.“
„DIR EN GREY!“ Wild gewordene Fans sprangen mit hoch gestreckten Armen an dem Baum auf und ab: „Kommt zu uns!“
„Was wollen die von uns?“, fragte der Leader entnervt.
„Ich weiß es nicht“, antwortete Toshiya ihm wahrheitsgemäß.
„DAS WAR EINE RHETORISCHE FRAGE!!!“
Toshiya trat der Schweiß auf die Stirn und die Tränen in die Augen. Seine Unterlippe begann verdächtig zu beben: „Ab- ab- aber ich kann doch kein Deutsch.“
„WAHHH! TOSHIYA! WAS VERSTEHST DU AN RHETORISCH NICHT?!“
„Ich- ich- wuääähhhh!“ Er konnte die Tränen nicht mehr zurück halten und begann heftigst zu weinen. Unten am Stamm des Baumes herrschte Totenstille.
„GIB MIR EINE ANTWORT!“
„Ich- Ich- a- aaa- alles?“ scniefte Toshiya und traute sich nicht Kaoru an zu gucken.“
„Das kann doch nicht wahr sein…“ Kaoru schüttelte resignierend seinen Kopf und stützte ihn in seine Hände.
„Sollten wir Toshi noch mal in die Schule schicken?“
„Der weiß auch echt nix.“
„Sollten wir?“
„Nö.“
„Ok.“
„Toshi, pass auf; Die rhetorische Frage gilt als besondere Form der Fragetechnik. Auf die rhetorische Frage erwartet der Fragende keine Antwort. Anstelle des Ziels der Informationsbeschaffung, wie es üblicherweise bei einer Frage der Fall ist, geht es bei der rhetorischen Frage nur um die Wirkung als Aussage. Durch den Kontext, die gegebenen Umstände oder die Betonung wird die rhetorische Frage kenntlich gemacht. Der Gefragte gibt in der Regel in Ermangelung an Erwartung dieser keine Antwort. Meist kennt oder vermutet der Fragende die Reaktion des Gefragten oder erwartet keine Reaktion. Rhetorische Fragen werden gerne in Vorträgen angewendet, um bei erschöpfend langen Ausführungen die Aufmerksamkeit des Zuhörers zurückzugewinnen und um einen Monolog zu vermeiden. In Diskussionen und Dialogen wird die rhetorische Frage häufig eingesetzt, um Argumente zu verstärken. Daher sind in sachlich geführten Diskussionen rhetorische Fragen umstritten und gelten als Totschlagargumente“ endete Shinya seinen kleinen Monolog.
„Sollten wir Shinya in die Notaufnahme bringen?“
„Shinya hat Wikipedia gefressen.“
„Sollten wir?“
„Nö.“
„Ok.“
Toshiya sitzt mit offenem Mund da und starrt Shinya mit großen Augen an. Ihm fällt dazu nur ein Wort ein: „Hä?“
„Pass auf Toshi…“
Inzwischen sind drei Stunden vergangen und Toshiya weiß immer noch nicht was genau eine rhetorische Frage sein soll.
„Sollten wir uns Sorgen machen?“
„Shinya macht mir Angst.“
„Sollten wir?“
„Nö.“
„Ok.“
Shinya erklärt Toshiya mit einer Engelsgeduld zum fünftausendachthundertdreiundziebzigsten Mal was eine rhetorische Frage ist: „Pass auf Toshi; Die rhetorische Frage gilt als besondere Form der Fragetechnik. Auf die rhetorische Frage erwartet der Fragende keine Antwort. Anstelle des Ziels der Informationsbeschaffung, wie es üblicherweise bei einer Frage der Fall ist-“
„Ruhe!“, wird Shinya von Kaoru unterbrochen. Shinya guckt Kaoru ruhig und erwartend an.
„Eine rhetorische Frage ist eine Frage, die ich stelle, wenn ich genervt bin und mit keinem von euch reden will.“
„Ach so, sag das doch gleich, dann bin ich jetzt still.“
Shinya guckt Kaoru Verständnislos an: „Nein, das ist falsch. Eine rhetorische Frage ist-“
„SHINYA! Halt endlich deine KLAPPE!“
Dieser sitzt immer noch tau frisch und wie das blühende Leben auf seinem Ast, während die anderen schon wie ein Schluck Wasser in der Kurve auf ihrem hängen.
Inzwischen ist die Mädchenmenge vor dem Baum etwas kleiner geworden. Aber nur etwas.
„Müssen wir jetzt hier die Nacht verbringen?“
„Ich bin schon so müde.“
„Müssen wir?“
„Nö.“
„Ok.“
„Doch, so wie es aussieht schon“, antwortete Kaoru mit einem Blick zu Kyo und Dai.
„Aber Kyo hat gesagt wir müssen nicht“, sagte Dai irritiert.
„Kyo hat keine Ahnung.“
„WAS? NEIIIN!“, schrie Dai daraufhin los.
„Hör nicht auf Kaoru, Dai“, sagte Kyo und strich Dai beruhigend über den Kopf.
„Es wird dunkel“, jammerte Toshiya vor sich hin: „Ich hab doch Angst im Dunklen.“
„Keine Angst, Toshiya“ Sagte Shinya und griff in seine Jackentasche.
„Hier, zünde dir dieses Teelicht an und es wird nicht Dunkel werden, es ist ein immer brennendes Teelicht. Seine Flamme erlischt nie, wenn es einmal angezündet worden ist.“
Toshiya guckte Shinya aus großen Augen an und nahm ihm ehrfürchtig das Teelicht aus der Hand: „Echt?“, hauchte er.
„Ja, zünde es nur an.“
Toshiya schnappte sich sein Feuerzeug und entzündete den Docht der Kerze.
„So ein Teelicht kann doch nicht immer brennen, laut Herstellerangabe brennen die Dinger nur vier Stunden“, gab Kyo seinen Senf dazu.
„Das ist aber kein normales Teelicht, es ist ein ewiges Teelicht“, verteidigte Shinya ruhig seine Position.
„Ach ja? Und woher willst du das bitte haben?“, zickte Kyo rum.
„Aus so eine Laden, Coffeeshop stand da glaub ich dran“, Shinya kratzte sich nachdenklich am Kinn.
„Sollten wir Shinya zur Kur schicken?“
„Ich glaub Shinya nimmt Drogen.“
„Sollten wir?“
„Nö.“
„Ok.“
Es verging noch geraume Zeit bis Toshiya sich vor Langeweile kopfüber auf seinen Ast hing. Mit den Kniekehlen hielt er sich am Ast fest. Plötzlich schrie er auf.
„Toshiya, was ist jetzt los?“, fragte Kaoru genervt.
Toshiya gab ihm keine Antwort und hing zappelnd an seinem Ast.
„TOSHIYA!“
„W- w- w- aas?“
„Ich habe dich was gefragt.“
„A- a- aber, du- uu hast doch eben gesagt, dass du rhetorische Fragen stellst, wenn du genervt bist und Shinya sagte, dass du dann keine Antwort von mir willst.“
„Jetzt will ich aber eine.“
„Ich- ich hab ne Fledermaus im Haar.“
„Kaoru stöhnt: „Warte, ich helf dir.“ Er half Toshiya zu erst wieder auf seinen Ast rauf und zog dann mit diesem gemeinsam die Fledermaus aus Toshiyas Haaren.
„Oh, du arme kleine Fledermaus. Wie geht es dir? Ich hoffe meine Haare haben dir nicht zu sehr wehgetan“, sagte Toshiya und streichelte die Fledermaus die er in den Händen hielt.
„Na los, flieg“, sprach er weiter und setzte die Fledermaus auf einen Ast. Doch die Fledermaus tippelte wieder auf Toshiyas Bein.
„Oh, du möchtest bei mir bleiben? Das darfst du. Ich werde dich auf den Namen Wusch taufen.“
„Wusch?“, fragte Kaoru entgeistert.
„Ja, schließlich ist sie mit einem Wusch bei mir in den Haaren gelandet.“ Toshiya sah faszinierend auf das Geschöpf in seinen Händen. Sein Teelicht hatte er auf einer Astgabel abgestellt. Und Tatsache, es brannte jetzt schon seit fünf Stunden.
„Sollten wir die Gelegenheit nutzen?“
„Da unten scheint reine Luft zu sein.“
„Sollten wir?“
„Nö.“
„Ok.“
„Was wie wo?“, fragte Kaoru hibbelig und schaute vom Baum hinab.
„Da ist niemand mehr“, sagte Shinya ruhig.
„Dann ncihts wie runter vom Baum, wer weiß wann die wieder kommen.“
„Aber Kyo hat gesagt-“
„MEIN WORT IST GESETZ, NICHT KYOS!“
„Ok.“
Schnell kletterten Dir en grey vom Baum hinab und machten sich, inklusive Wusch, aus dem Staub.
Einsam und allein stand ein Teelicht auf einer Astgabel und brannte munter vor sich hin.
… und wenn es noch nicht erloschen ist, dann brennt es dort noch heute.
