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SchattenSklave

von

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Die Jagd kann beginnen

Feingliedrige Finger umschlossen in völliger Stille den goldenen, mit veschlungenen Ornamenten geschmückten Kelch, welcher auf dem alten, ebenhölzernen Tisch ruhte.

Die Flüssigkeit im Inneren des Gefäßes- zäh, dickflüssig und der Rosen rot- wurde an die schmalen Lippen der Gestalt geführt, die man aufgrund schwachen Kerzenscheins nur schemenhaft ausmachen konnte.

Ebenfalls das knabenhafte, säuselnde Grinsen, welches nun auf dem blassen Gesicht des Wesens erschien, ließ sich nicht mehr als erahnen. Doch wer es hätte sehen können, hätte es als bosartig und dämonenhaft beschrieben.
 

Der Kelch fand erneut seinen Platz auf die Tischplatte und die Zeitung ließ ihr chatakteristisches Knistern ertönen, als sie erhoben wurde.

"So, so..", sprach das Wesen in den stillen Raum. Seine amüsierte Stimme hallte kaum von den Wänden wider- so gedrungen und klein, so vollgestellt und schwer von dicker, staubiger Luft war das Zimmer.

Schwere, zerschlissene Vorhänge reihten sich vor den Fenstern auf, so wie die Zinnsoldaten der Kinder vor den "feindlichen Linien" innerhalb ihrer naiven Kriegsspielereien; stattliche Wälzer, sorgfätig in ein altes Regal verstaut, verbreiteten ihren nostalgischen Duft und auch die Luft schien zu riechen- der durchdringende, schwere Geruch des Staubes und der Verwahrlosung.
 

Doch es schien dem jungen Mann- dem Wesen- nichts auszumachen. Im Gegensatz zu dem Raum, in dem er sich befand, erweckete er keinen verwahrlosten, altertümlichen Eindruck.

Er saß aufrecht in einem hochlehnigen Sessel an dem hölzernen Tisch, mit um die Schultern fließedenem, mahagoni-farbenem Haar und gehüllt in imposante Kleidung, mit seidenem Hemd und vergoldeten Knopfleisten.
 

Sein amüsiertes Grinsen war nun einem harten und konzentrierten Ausdruck gewichen; die dunklen Augen flogen über die Zeilen, die er aus der Pariser Tageszeitung in sich aufnahm. Doch kaum hatte er den Artikel beendet, erhellte sich seine Miene erneut.

"Ein Mörder in Paris. In unserem schönen Paris!", seine Stimme, die deutlich um ein paar Nuancen dunkler war, als sein junges Aussehen erahnen ließ, durchschnitt die Stille.

Als sich die Mundwinkel seiner schmalen Lippen erneut anhoben, entblössten sie zwei deutlich verlängerte, spitze Eckzähne, welche seine dämonenhafte Erscheinung zu verstärken schienen.
 

Plötzlich erhob sich der Mann aus seinem Sessel und schritt, die Zeitung vor seinen Augen erhoben, mit katzenartiger Eleganz durch den beengten Raum. Jeder einzelne Schritt gebar winzige Staubwolken auf dem abgenutzen Holzfußboden.

"Oktober 1793, Paris. Seit Monaten erschüttern grausame Morde die Stadt..", er stoppte kurz und ließ ein paar Zeilen aus.

"..die Opfer werden seltsam entstellt in den Gassen oder unter Brücken aufgefunden. Ihre Gesichter sind zu einer Schreckensmaske verzerrt, als hätten sie dem Teufel höchstpersönlich, kurz vor ihrem Tode, in die glutroten Augen blicken müssen.

Ihre Körper sind ausgemerkelt und werden stets merkwürdig verkrümmt aufgefunden."

Er ließ es sich nicht nehmen, beim Lesen energisch und theatralisch mit einer Hand zu gestikulieren.

"Die Leichen, der meist jungen Männer, weisen alle dieselben Merkmale auf: Zwei winzige, parallel zueinander stehende, kaum erkennbare Löcher am freigelegten Halse.

Aufgrund dieses "Markenzeichens" wird von ein- und derselben Person als Mörder ausgegangen.."
 

Das blasse Wesen ließ das Zeitungsblatt zu Boden fallen und lachte laut in die schwere Luft hinein. Das Lachen erinnerte an nichts Vergleichbares, das je an eines Menschen Ohr drang. Es war kein unbeschwertes Kinderlachen, es war weder dem verlegenen Lachen einer Frau, noch dem ausladenen Lachen eines Mannes gleich. Es schien in jeder Hinsicht anders. Verzerrt und schrill.

Auslöser für dieses Lachen war zweifelsohne die Naivität des Verfassers und auch wenn das Wesen sich der Ungläubigkeit dieses Pariser Schandblattes bewusst war, überraschte sie ihn ungemein.
 

"Amüsierend.."

Noch immer fand sein belustigtes Gemüt keine Ruhe und er setzte seinen Gang durch den Raum fort. Das Grinsen, welches nun das der Kinder zur vorweihnachtlichen Zeit glich, wich nicht aus dem blassen, schmalen Gesicht, mit den hübschen, hohen Wangenknochen.
 

Eigentlich hätte er sich..Vorwürfe machen müssen, dem war er sich bewusst, denn er hatte sich geschworen, etwas vorsichtiger vorzugehen, um die Angst der Menschen vor dem Unbekannten nicht noch mehr zu schüren. Hätten sie Angst, dieses einfältige Volk, wären sie nicht mehr so einfach zu...jagen.

Doch seit einiger Zeit schien sich die Vorsicht nicht mehr in seinem Repartoire zu befinden, war sie ihm doch nichts weiter als lästig und unnütz'. Wurde die Jagd nicht doch um einiges interssanter, wenn er die Angst auf der Haut der Menschen fast schon schmecken konnte?
 

"Ich glaube, es obliegt mir nun erneut die Aufgabe, der Presse bahnbrechenden Stoff für ihr unterhaltsames Schauermär zu liefern.."

Ein letztes mal ehallte das eigensinnige Lachen, ehe die großgewachsene, langgliedrige Erscheinung mit geschmeidigen Schritten den stickigen Raum verließ.
 

Er hatte den heißen Durst in seiner Kehle bemerkt.

Und nun würde er jagen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  ReinaDoreen
2008-12-06T19:19:39+00:00 06.12.2008 20:19
Ich kann mir den Vampir schon ganz gut vorstellen, durch deine Beschreibung. Du hast mich durch dieses Kapitel neugierig gemacht und ich will schon ganz gerne wissen wie es weitergeht.
Reni


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