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Engel der Nacht

von

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Tag 3 Freitag: Die Bitte

Yoshitaka träumt, wie Herr Haus ihn vor der ganzen Klasse bloßstellt und sie über ihn lachen, bis plötzlich jemand am Schloss des Klassenzimmers rumfuhrwerkt.

„Wieso hast du den Schlüssel vergessen“, sagt eine Stimme.

„Du doch auch. Immerhin sind wir ganz überstürzt losgegangen“, sagt eine andere.

Das Schloss klickt und die Klassentür geht auf. Alle Köpfe drehen sich zu den Besuchern um.

„Er ist wohl vor dem Fernseher eingeschlafen“, kichert eine Frau, die wie Yoshitakas Mutter aussieht.

„Hm ob er auf uns gewartet hat“, meint sein Vater.

„Vielleicht aber wir sollten den Fernseher ausschalten“, sagt die Mutter.

Sie geht zur Tafel und drückt drauf.

„Was für ein seltsamer Traum“, denkt Yoshitaka und schüttelt innerlich den Kopf.

Seine Mutter kommt auf ihn zu, und legt ihm eine Decke über, die sie wohl aus dem nichts herbeigezaubert hat. Yoshitakas Klassenkameraden sehen ihn grinsend an.

„Ich muss oben noch was erledigen“, meint sein Vater und wendet sich zum gehen.

„Ok gute Nacht Schatz“, meint seine Mutter und wirft ihrem Ehemann ein liebevolles Lächeln zu.

Yoshitaka grinst. Genau so hat er sich seine Familie immer gewünscht.

„Sieh mal er lächelt“, sagt seine Mutter glücklich.

„Vielleicht träumt er was Schönes“, spekuliert sein Vater und verlässt den Raum.

Seine Mutter gibt ihm noch einen Kuss auf die Stirn. Wieder grinsen seine Klassenkameraden.

„Gute Nacht Yoshi!“

Und schon grölen alle vor Lachen. Einige Rufen ‚Yoshi` und Tatyana kullert sich vor Lachen auf dem Boden. Seine Mutter löst sich auf. Er will noch nach ihr greifen, doch seine Hand fasst ins leere und er findet sich plötzlich in einem dunklen Raum wieder.

In der Mitte sitzt Tatyana auf dem Schoss ihres Freundes. Sie hält einen großen goldenen Kelch.

„Ah Yoshitaka. Willst du auch mal kosten?“, fragt sie und hält ihm den Kelch unter die Nase.

Darin befindet sich eine dicke, rote Flüssigkeit. „

Komm trink. Sonst wäre Herr Haus doch völlig umsonst gestorben“, lacht sie.

Sie nimmt einen tiefen Schluck des Blutes.

„Es ist wirklich lecker. Hab keine Angst“, meint sie aufmunternd. Plötzlich verändert sich eine ihrer Gesichtshälften. Es ist das Gesicht von Herr Haus. Yoshitaka stolpert erschrocken zurück, möchte Schreien, doch seine Stimmer versagt. Er stolpert Rückwerts und fällt. Tatyana kommt näher.

„Trink Yoshitaka. Trink!“, befiehlt sie in einem herrischen Ton, doch dann plötzlich zerspringt sie in tausende Glassplitter und Yoshitaka wacht auf.

Er setzt sich so ruckartig auf, dass die Decke auf den Boden fliegt. Sein Atem geht schwer und unregelmäßig.

„Was für ein Alptraum“, murmelt er.

Er hebt die Decke auf. Seltsam, er kann sich daran erinner zugedeckt eingeschlafen zu sein. Er knüllt die Decke irgendwie zusammen und geht dann hoch in sein eigenes Bett.
 

„Bitte Yoshitaka. Ich habe Angst allein.“

Es ist Pause. Tatyana sieht ihn flehend an. Yoshitaka überlegt. „Muss das sein?“, fragt er noch einmal, obwohl er schon weiß, dass er mitkommen wird.

„Ja“, Tatyana nickt heftig. „Gesten habe ich mich lange mit Chris Freunden unterhalten. Sie scheinen wirklich nett zu sein und haben mich eingeladen, mal mit ihnen zu kommen. Ich hab‘ zu gesagt, doch irgendwie habe ich Angst allein“, erzählt sie schon zum zweiten mal.

„Na gut“, gibt Yoshitaka nach, auch wenn es ihm wiederstrebt, mit diesen Gruftis etwas zu machen. „Wo geht’s hin?“

„Auf den Friedhof“, antwortet Tatyana. Yoshitaka reißt die Augen auf.

„Sie wollen dort wohl ein Ritual abhalten. Es hört sich sehr interessant an“, erzählt sie weiter, ohne Yoshitakas Blick zu beachten.

„Das sind nicht nur Gruftis sondern eine Sekte!“, denkt Yoshitaka und will gerade etwas sagen, da klingelt es und Herr Haus betritt den Klassenraum.

„Hinsetzen!“, brüllt er.

Brav gehorchen die Schüler und sitzen Mucksmäuschenstill auf ihren Plätzen. Herr Haus streift durch die Reihen durch.

„Die Arbeit“, sagt er dabei, „war nicht so schwierig, außer vielleicht die letzte Aufgabe. Yoshitaka! An die Tafel!“, befiehlt er. Die Klasse fängt schon wieder an zu kichern. Mit einem unguten Gefühl im Magen geht Yoshitaka an die Tafel. Herr Haus diktiert ihm die Aufgabe.

„… und nun rechnen Yoshitaka!“, sagt er und seine Stimme klingt nicht mehr so wie gestern noch als Yoshitaka in seinem Büro war. Mit klopfendem Herzen steht Yoshitaka mit dem Rücken zur Klasse. Er hört Getuschel und Gekicher. Herr Haus lässt ein Stapel Papier auf einen Tisch fallen und alle verstummen. „Yoshitaka! Rechne! LOS!“, befiehlt der Lehrer mit strenger Stimme.

Doch Yoshitaka weiß beim besten Willen nicht, was er machen soll. Auch in der Arbeit hatte er sich den Kopf über die Aufgabe zerbrochen. Seine innere Anspannung wächst und wächst, doch dann hat er plötzlich einen Geistesblitz und fängt an zu rechnen.

Nur wenige Minuten später setzt er zwei Striche unter das Ergebnis und tritt zufrieden zurück. Die Rechnung sieht aus, als wäre er tatsächlich hoch intelligent.

„Sehr gut Yoshitaka. Setz dich“, sagt Herr Haus und in seiner Stimme liegt ein Hauch von Anerkennung.

Ein Raunen geht durch die Klasse. Yoshitaka geht zu seinem Platz und wird dabei von verblüfften Blicken verfolgt.

„Nun da wir diese Aufgabe auch geklärt haben, bekommt ihr eure Arbeiten wieder. Schreibt die Lösung der Aufgabe bitte ab. Unterschrift sowie Korrektur sind bis zur nächsten Stunde unverzüglich vorzuweisen“, sagt Herr Haus.

Die Anerkennung ist aus seiner Stimmer verschwunden, stattdessen ist wieder diese unglaubliche härte des Lehrers zurückgekehrt. Er teilt die Arbeiten aus und überall seufzen die Schüler. Auch Yoshitaka knallt er die Arbeit auf den Tisch. Yoshitaka sieht auf das erste Blatt. Immerhin eine 4+, doch was ihn viel mehr verwundert ist der kleine Simile in der Ecke unter dem ‚gut gemacht‘ steht. Irgendwie fällt Yoshitaka ein Stein vom Herzen. Offensichtlich ist er der einzige Schüler der jemals ein Lob von Herr Haus bekommen hat. Sofort entschuldigt er sich für alles schlechte, was er jemals über den Mathelehrer gesagt und gedacht hatte, inklusive dem Traum, in dem er ihn sozusagen getötet hatte.
 

„Bin wieder…“, diesmal stoppt Yoshitaka in seiner Begrüßung. Irgendetwas ist kaputt gegangen. Es hat sich wie Glas angehört. Sofort stürmt er ins Wohnzimmer.

„Ist was passiert?“, fragt er und blickt in zwei wütenden Gesichtern seiner Eltern.

„Es ist nichts Yoshi. Geh bitte hoch auf dein Zimmer!“

Wieder dieses ‚Yoshi‘.

„Tu was Amanda sagt“, bekräftigt sein Vater.

Es muss ein ernster Streit, sein, dass er seine Frau nicht mal als Yoshitakas Mutter anspricht. Yoshitaka schließt die Tür und geht wie befohlen in sein Zimmer. Jedoch mit einem extrem ungutem Gefühl.

Oben in seinem Zimmer, lässt er sich auf sein Bett fallen. Von unten hört er noch die Stimmen seiner Eltern, wie sie streiten. Ihre Worte kann Yoshitaka nicht verstehen. Wie er diese Streitereien hasst. Soweit sich Yoshitaka erinnert, hat sein Vater die nächsten Tage frei, bis er wieder weg muss. So lange wird er also noch diese Streitereien aushalten müssen. Yoshitaka steht auf und läuft in seinem Zimmer hin und her. Wocheneden sind so ätzend. Nie weiß er, was er machen soll. Auf Hausaufgaben hat er keine Lust. Er öffnet eine Schranktür und lässt den Blick über seine Ansammlung von Spielen schweifen. Zu viele, zu langweilig. Die meisten hat er schon mindestens einmal durchgespielt, wird mal wieder Zeit für ein neues. Er öffnet nun eine Schublade seines Schreibtischs, holt sein Portmonee hervor und schaut hinein. Für ein Spiel dürfte es reichen. Er steckt das Portmonee in eine seiner Hosentaschen und geht dann hinunter. Erst jetzt bemerkt er, dass seine Eltern sich nicht mehr streiten. Die Wohnzimmertür ist einen Spaltbreit offen und er lunzt hinein. Seine Mutter sitzt auf der Couch ihr Gesicht in ihren Händen vergraben- völlig reglos. Yoshitaka entscheidet sich, sie besser nicht zu stören, da sie vermutlich völlig mit den Nerven am Ende ist. Also zieht er sich Schuhe und Jacke an und geht ohne sich zu verabschieden.
 

In dem kleinen Geschäft für Videospiele, DVDs, CDs und allerlei Elektrogeräte ist es warm und stickig. Yoshitaka lässt seinen Blick über die Auswahl an Spielen streifen. Die meisten haben immer dasselbe Prinzip. Du musst als Held das Böse besiegen, das immer wieder in anderen Formen auftritt. Mal als gewaltiger Ork, mal als eine kriminelle Organisation. Die Steuerung sowie sie Geschichten sind immer anderes, doch ansonsten unterscheiden sie sich eher weniger. Er seufzt. Der Verkäufer erkennt seinen ratlosen Blick und kommt auf ihn zu.

„Suchst du etwas bestimmtes?“, fragt er mit leicht spanischem Akzent.

„Haben Sie vielleicht etwas aufregenderes?“, fragt Yoshitaka ohne große Hoffnung.

„Du hast Glück. Neue Lieferung gekommen“, sagt der Verkäufer und verzieht das Gesicht, als er seinen Grammatikfehler bemerkt, „warte kurz.“

Der Mann verschwindet und lässt Yoshitaka allein. Außer ihm ist nur noch ein Kunde im Laden. Ein Mann in den besten Jahren, der sich die Beschreibung einer DVD durchliest. Yoshitaka blickt nach draußen. Sein Magen krampft sich zusammen, als er einige seiner Klassenkameraden auf der anderen Straßenseite sieht. Einer von ihnen trägt ein Sixpack Bier und ihr Gelächter hört man über die ganze Straße, sodass einige Leute den Kopf schütteln. „Hier das ist beste Ware“, der Verkäufer ist zurück und drück Yoshitaka das Spiel in die Hand.

Er lächelt und dabei wird eine Zahnlücke frei.

„Willst du?“ Yoshitaka dreht das Päckchen um.

Die PC-Anforderungen erfüllt seiner und die Grafik sieht ach gut aus.

„Wie viel kostet es?“, fragt Yoshitaka. Das Gesicht des Spaniers verzeiht sich zu einem Grinsen.

„Du erster Käufer. Ich mache dir Sonderangebot...“
 

Yoshitaka ist wieder zu Hause. Seine Mutter kommt aus der Küche, ihr heiliges Reich.

„Wo warst du?“, fragt sie.

„Ich hab mir ein neues Spiel gekauft“, sagt er und zeigt die Plastiktüte.

Seine Mutter wirft nur einen flüchtigen Blick auf die Tüte. Nickt dann und geht zurück in die Küche. Sie hat es mittlerweile aufgegeben, Yoshitaka zu sagen, er solle nicht so viel vor seinem PC sitzen und Videospiele spielen, sondern lieber ein wenig Sport treiben. Doch Yoshitaka ist das alles relativ egal. Er ist nun mal eben der Typ Junge, der lieber zu Hause sitzt, als mit anderen was zu unternehmen. Außerdem, mit wem sollte er etwas unternehmen?



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