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Sed de Sangre

Blutdurst
von

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Der Wind ließ nach und es dauerte nicht lange, bis es zu einer Flaute kam.

Hin und wieder kam ein laues Lüftchen auf, doch es war bei Weitem zu wenig, als das es die Pearl auch nur irgendwie vorwärts bewegen konnte.

Die schwarzen Segel waren zusammengerafft worden und so dümpelten sie nun vor einem kleinen Eiland, zu dem Sparrow sie dirigiert hatte. Es war zu klein, als das man darauf wirklich leben oder es besiedeln konnte, aber groß genug, um einen kleinen See zu beherbergen, mit Hilfe dessen man ohne weiteres die schiffseigenen Wasservorräte aufstocken konnte. Dass das umliegende Wäldchen auch mit frischen Früchten lockte war natürlich eine Art angenehmer Nebenverdienst.
 

In der Dämmerung beobachtete Jack die Beiboote, die fast schon im Takt zu der Insel ruderten und mit vollen Wasserfässern wieder zurückkehrten. Diejenigen, die den Abend lieber auf festem Untergrund verbringen wollten, konnten dies ungehindert tun. Hier gab es im Moment nichts zu tun, wofür es sich zu bleiben lohnte. Im schwächer werdenden Licht der Sonne fiel es dem Piraten auch leichter, seiner Crew dabei zuzusehen, da seine Augen nicht so schmerzten.

Die Marine kam nur selten an diesen Orten vorbei, wenn es nichts gab, was ihre Aufmerksamkeit auf sich zog und auch wenn es hier und da noch Piraten-Berichte gab – diese Insel war nicht berühmt dafür, ein großartiger Umschlagplatz zu sein. Und solange die Windstille anhielt wäre es ohnehin unsinnig, weiter zu segeln. Warum also nicht eine kurze Pause einlegen? Mehr oder weniger gewollt…
 

„Sicher, dass Ihr hier bleib’n wollt?“

Etwas überrascht blickte Jack zur Seite und sah sich so direkt mit Anamarias dunklen Augen konfrontiert. Sie hatte sich neben ihren Captain an die Reling gestellt und eine Weile ebenfalls zur Insel gesehen. Dass sie neben ihn gestanden hatte, war Jack erst in diesem Moment aufgefallen...

Der Pirat überlegte etwas, bevor er zu einer genuschelten Antwort ansetzte. Er war einfach zu sehr in Gedanken gewesen.

„Warum denn nich’? Bin ja nich’ der Einzige...“, er deutete mit einem Nicken zu einem anderen Piraten, der gerade dabei war, eines der Taue ordentlich zusammen zu rollen. „Bleib’n ja noch ein paar andere hier.

„Und der Gefangene?“, hakte die Karibin kurz nach, bevor sie sich mit ihrem Rücken gegen das dunkle Holz lehnte.

„Bleibt natürlich in seiner Zelle...“
 

Der Rest des Abends verlief ohne großartige Vorkommnisse. Nicht nur die von Sparrow aufgestellten Wachen blieben auf dem Schiff, sondern auch noch drei weitere Crewmitglieder. Der Rest hatte sich auf der Insel abgesetzt, inklusive Anamaria.

Er konnte es seinen Männern nicht verübeln, dass sie wieder einmal ein paar Nächte auf festem Grund und Boden verbringen wollten. Doch auch wenn Jack sonst gerne mit seiner Mannschaft auf die Insel gegangen wäre, heute Nacht hielt er dies für keine sonderlich gute Idee.

Außerdem wurmte ihn die Sache mit Norringtons Herzschlag noch immer, denn so sehr er sich auch konzentriert hatte, er hatte weder seinen eigenen, noch den eines Crewmitgliedes hören können.

Nur einmal in Anamarias Gegenwart hatte er das leise Schlagen eines Herzens vernommen, doch Jack hatte genau hinhören müssen, um es überhaupt wahrnehmen zu können.
 

Was auch immer es war, das ihn seit Rumänien veränderte, es gefiel ihm nicht. Das Essen auf dem Schiff wurde mit jeder verstreichenden Woche geschmackloser und auch wenn Jack wusste, dass es schon davor nicht wie aus einem Restaurant war, es war zu genießen gewesen.

Jetzt könnte er ein Stück Kartoffel nicht von einer Ratte unterscheiden – wenn er diese unliebsamen Biester denn kosten würde.

So sehr er sich auch bemühte, diese Tierchen fanden leider immer wieder einen Weg auf sein Schiff. Eine Katze an Bord wäre bestimmt eine Lösung, aber das wäre dann nur ein weiteres Tier an Bord, dessen Anwesenheit er vielleicht nicht unbedingt zu schätzen wüsste.
 

Nachdenklich hatte er sich zu jenen großen runden Tisch gesetzt, der nun unter einigen Karten verschwunden war und dennoch konnte sich der Pirat nicht auf die nautischen Aufzeichnungen konzentrieren.

Immer wieder huschte sein Blick zu den nun dunklen Fenstern, auf denen er sein eigenes Spiegelbild erkennen konnte. So betrachtet konnte er eigentlich keinen Unterschied feststellen zwischen jenem Captain Jack Sparrow, der vor einigen Wochen die Reise nach Europa angetreten hatte und jenem Captain Jack Sparrow, der ihm nun entgegen blickte.

Zumal es ihn auch nicht sonderlich weiter brachte, wenn er nun hier stand und sein Spiegelbild betrachtete, während er davon wusste, dass er die Herzschläge anderer Leute hören konnte. Zumindest von zwei anderen Leuten, aber alleine das war schon komisch genug.
 

Kopfkratzend erkundigte er sich nur wenige Augenblicke später bei Nelson, den er zur Wache hier behalten hatte, ob es denn etwas gäbe, dass ihm vielleicht ungewöhnlich vorgekommen wäre, doch der hellhaarige Mann verneinte die Frage seines Captains mit einem Kopfschütteln, bevor er zur Luke deutete, die unter Deck führte.

„Nur der Gefang’ne führt sich nich’ ganz so auf, wie man’s von ihm erwartet hätt’...“, kommentierte er und konnte sich dabei ein kurzes Lachen nicht verkneifen. Solange der Gefangene hinter der Zellenwand war, konnte es ihm auch egal sein, wie er sich benahm.

„Wie ich es erwartet habe...“

Jack wusste, dass sie von Norrington wohl viel zu erwarten hatten aber keineswegs etwas, das ihn wie einen normalen Gefangenen agieren ließ. Vermutlich würde sich Sparrow in der Zelle eines britischen Marineschiffes auch nicht wie jeder andere benehmen, sondern auf seine Art weiter die Soldaten zum Narren halten – soweit er es von dieser Lage denn überhaupt schaffen würde.
 

Damit waren seine Gedanken wieder bei dem starrköpfigen Briten angelangt, der sich – leider – noch immer unten in seiner Zelle aufhielt und dort auch noch eine Weile bleiben würde. Port Royal war einige Tage von hier entfernt und durch die Windstille könnten sie im Moment ohnehin nicht lossegeln. Bis dahin könnte Sparrow sich allerdings Gedanken darüber machen, was genau er denn eigentlich mit dem Commodore machen wollte.

Auf dem Schiff bleiben konnte er nicht, doch einfach in den Hafen von Port Royal einsegeln und den Offizier abliefern schien ihm auch kein guter Plan, denn vermutlich wäre er – trotz seiner heroischen und selbstlosen Tat – schneller wieder in Eisen gelegt, als er ‚Parley’ sagen könnte.
 

Langsam balancierte er das kleine Brett, das ihm als Tablett diente, auf seinen beiden Händen die Treppen hinunter unter Deck. Weniger aufgrund seiner Unfähigkeit im Dunklen nicht sehen zu können – seltsamerweise konnte er Details besser erkennen als im Schein der Sonne, trotz der Tatsache, dass das Licht im Moment von Öllampen kam – sondern weil er immer noch Probleme damit hatte, Dinge in Ruhe zu tragen, vor allem dann, wenn sie Flüssigkeiten enthielten, wie die Karaffe mit Wasser, die auf dem provisorischem Tablett stand.
 

Die Holzstufen knarrten hin und wieder unter seinem Gewicht, ehe Jack das nächste Deck erreichte und von dort aus weiter zu den Schiffszellen ging. Selbst vom Ansatz der Treppen konnte er die Gestalt erkennen, die in der Zelle ansatzweise wie ein Tiger auf und ab ging. Lange in einem so kleinen Raum eingepfercht zu sein war bei Weitem nicht angenehm, Sparrow konnte da aus Erfahrung sprechen.

Die Schritte des Gefangenen waren neben Jacks eigenen die einzigen Geräusche, die der Pirat hier unten hören konnte. Hin und wieder knarrte das Schiff, aber Sparrow neigte dazu, diese Geräusche manchmal auszublenden.
 

„Hungrig?“

Mit einem leichten Grinsen hielt Jack das Tablett etwas höher, erntete dafür allerdings nur ein leises Schnauben. Dennoch hatte sein Gegenüber inne gehalten und blickte den Piraten nur missbilligend an. Da er es allerdings vorzog, nichts darauf zu antworten, spitzte Sparrow die Lippen und besah sich noch einmal das Tablett.

„Hungerstreik? Nicht, dass ich Euch zum Ess’n zwingen könnte, wie? Allerdings würde ich es Euch raten, immerhin solltet Ihr bei Kräften bleib’n...“

„Wozu? Damit ich länger in diesem Rattenloch im Kreis laufen kann?“, war James’s bissig Antwort. Zwar stand er nahe an den Gitterstäben, allerdings immer noch entfernt genug, sodass es fast ein wenig mehr als eine Armlänge zwischen ihm und dem Piraten gab.

„Glaubt Ihr denn, dass ich Euch bis ans Ende Eurer Tage hier drinnen behalt’n will?“

Dies war wieder einer jener Momente, in denen sich Sparrow fragte, was genau die Marine während ihrer Ausbildung denn so alles lernte. Dass ein Pirat, der sich in Gefangenschaft der Navy befand, mit Sicherheit am Galgen wiederfand war eigentlich so gut wie sicher.

Außer vielleicht besagter Pirat konnte einen Schmied und seine adelige Freundin als seine ‚näheren Bekannten’ nennen.
 

Zwar lag es auch auf der Hand, was wohl mit einem Briten passierte, der als Marinemitglied an Bord eines Piratenschiffes gelandet war, dennoch war Sparrow immer bemüht gewesen, nicht als irgendein blutrünstiger Pirat bekannt zu werden. Auch wenn ihm dies wohl den Ruf des ‚schlechtesten Piraten’ eingebracht hatte, wollte er nur sehr ungern unnötig Blut vergießen.

So war er für die Marine also ein genauso ‚böser’ Pirat, wie alle anderen und noch dazu unfähig, andere Menschen einfach umzubringen.
 

„Eigentlich hatt’ ich ha gehofft, Euch gesund schneller wieder los zu werden...“, entgegnete der Pirat mit einem Schulterzucken, wobei das Grinsen nicht aus seinem Gesicht wich. Allerdings weniger aus dem Grund, dass er diese Situation unterhaltsam fand, sondern mehr darüber, dass ihm im Moment kein Herzgeräusch im Ohr lag.

Dass es Einbildung war, glaubte Sparrow weniger, allerdings wollte er auch nicht weiter hinterfragen, was genau es war, dass ihm das Geräusch nun nicht ans Ohr trug.
 

"Wieso? Macht es Euch mehr Spaß, einen gesunden Mann über Bord zu werfen und zuzusehen, wie lange es dauert, bis er ertrinkt?", der Brite hatte die Arme vor der Brust verschränkt und noch immer sah er den Piraten hasserfüllt an.

"Normalerweise nicht, nein..."

Eigentlich war Sparrow dieses Gesprächs überdrüssig, weswegen er das Tablett auf den Boden vor der Zelle. Immerhin waren die Stäbe weit genug außeinander, sodass der Commodore sich den Becher und das, was auf dem Teller lag, zu sich holen konnte und Jack würde sich nicht weiter mit dem anderen herumstreiten müssen.
 

Nebst Problemen mit britischen Gefangenen, die einen alleine durch ihre Anwesenheit zur Weißglut bringen konnten und das, obwohl man ihnen gar nichts Böses tun wollte sondern - allerdings musste man dem Commodore auch zugestehen, dass wohl kein Pirat so 'dumm' wäre, einen seiner Feinde wohlbehalten zurück zu bringen - sie einfach zurück nach Port Royal zurückbringen und so vielleicht auch ein wenig dem Galgen zu entgehen mochte, hatte Sparrow andere Probleme, die im Moment vor allem seine Sicht der Dinge beinhaltete.

Weniger seine Einstellung zu Gott und die Welt, sondern die Wahrnehmung im wahrsten Sinne des Wortes.
 

Seine Kajüte wurde lediglich durch den Schein von Öllampen erhellt und doch konnte er die Konturen wesentlich schärfer sehen, als sie eigentlich noch am Vorabend zu sehen gewesen waren.

Genauso wie die Farben, die ihm nun viel kräftiger vorkamen, je weniger das Licht wurde. Zumindest hatte es der Piratencaptain auf einen Versuch ankommen lassen.

Je näher er dem Schein des Feuers gekommen war, umso normaler wurde seine Umgebung. Zumindest für ihn. Doch wenn er sich von der Lichtquelle entfernte und sich in eine dünklere Ecke des Raumes zurückzog erschienen ihm Konturen schärfer, Farben kräftiger als sie es bei den Lichtverhältnissen hätten sein sollen und er konnte Details erkennen, die ihm vorher noch nie aufgefallen waren - wohl weil es in speziellen Ecken der Kajüte immer dunkel war. Oder zumindest kam nur sehr schlecht Licht dorthin.
 

Langsam schlich der Pirat aus der Kajüte. Obwohl er wusste, dass der Großteil seiner Mannschaft im Moment nicht an Bord war, versuchte er keinerlei Aufmerksamkeit zu erregen. In der Stille der Nacht konnte man nur das Rauschen der Wellen hören und wie diese am Rumpf der Pearl anschlugen.

Das, was Jack zusätzlich auffiel war das fast gänzliche Fehlen von Schrittgeräuschen und zwar seinen eigenen! Probeweise blickte er auf die mondbeschienenen Planken unter seinen Sohlen, doch jedes Mal, wenn er seinen Stiefel erneut auf das Holz aufsetzte, erklang das Trittgeräusch wesentlich leiser als es eigentlich hätte sein sollen.
 

Es war ein komisches Gefühl und Sparrow wusste es immer noch nicht gänzlich einzuordnen. Viel lieber hätte er gewusst, was in den Stunden passiert war, an die er sich nicht erinnern konnte.

Jene Stunden, die er in der Absteige in Rumänien verbracht hatte und vor denen er sich sicher gewesen war, dass junge Damen ihn begleitet hatten.
 

Der mehr oder weniger gewollte Zwischenstop an der Insel dauerte nur halb so lange, wie Jack sich gedacht hatte und doch doppelt so lange, wie er es gehofft hatte. Mit einer speziellen Fracht an Bord wollte er nicht allzu viel Zeit vergeuden, denn auch wenn es offensichtlich war, dass das Schiff des Offiziers gesunken war, man konnte als Pirat definitiv nie wissen, wann die hoch geschätzte Marine sich auf die Suche nach einem ihrer Männer machte.
 

So dauerte es nicht mehr allzu lange, bis die Black Pearl den Kurs Richtung Port Royal hielt. Nichts deutete mehr auf die Flaute, die noch wenige Tage zuvor geherrscht hatte und das schwarze Schiff setzte seinen Weg zügig fort.

Immer noch war es Anamaria, die am Steuer stand und das Piratenschiff lenkte. Sie hatte nicht nachgefragt, warum sich ihr Captain immer wieder tagsüber in seine Kajüte zurückzog und erst gen Abend aktiver wurde.

Jegliche Verdachte hatte sie für sich behalten, um sich den Unmut des älteren Mannes nicht zuzuziehen. doch sie ahnte, dass das, was ihm widerfahren war, weitere Folgen haben würde.

Ob diese allerdings positiv oder negativ waren, vermochte die Karibin nicht zu sagen.
 

Viel wichtiger war ihr im Moment diesen Briten loszuwerden, denn dieser würde eindeutig nur Negatives bringen, egal, ob man noch nach ihm suchte oder nicht. Warum Sparrow überhaupt einen Anflug von Nächstenliebe zeigte und diesen Kerl wohlbehalten zurückbringen wollte, war ihr bisher auch nicht eingegangen, aber sie schätzte, dass sie als Frau zwar genug Ambitionen hatte, dieses Schiff zu steuern und dem Captain auch sonst mit Ratschlägen zur Seite zu stehen, doch diesbezüglich gab Jack nicht viel auf ihre Meinung und wollte statt dessen seine eigene durchsetzen.
 

Nach und nach hatte auch die Crew davon Wind bekommen, wer sich unten in den Zellen aufhielt und dementsprechend war auch der Protest ausgefallen. Bisher war das Wort 'Meuterei' allerdings noch nicht gefallen und zumindest das beruhigte die junge Frau.

Vielleicht war den Männern auch aufgefallen, dass mit ihrem Captain allgemein etwas nicht stimmte und in diesem Punkt waren sie womöglich interessierter, als in der Tatsache, dass sie einen ranghohen Offizier mit sich herumführten.



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