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Die Chroniken von Khad-Arza - Die Herrscher der Geisterwinde

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Schattenklinge

„Ich soll was?“ Nalani stand samt ihrem Dolch, Kadhúrem, in der Hand vor den beiden Geisterjägern und sah von einem zum anderen, konnte nicht glauben, was man ihr erzählte. Nomboh wich ihrem Blick aus und schien sich aus der Sache raushalten zu wollen. Sein älterer Bruder dagegen war Feuer und Flamme.

„Dein Kadhúrem ist eine gefährliche Klinge, sie kommt der Macht von Kelars Geisterspeer durchaus nahe, würde ich meinen,“ sagte er zu ihr, „Du wirst mich damit angreifen und versuchen, mich zu töten. Ich werde dir zeigen, wie du mit dem Erbstück deiner Familie umgehen musst.“

„Ich kann Euch nicht töten!“ lachte Nalani verächtlich, „Ich bin nicht mal ganz ausgebildet!“

„Ich habe dir gesagt, es ist zu früh dafür!“ murmelte Nomboh kopfschüttelnd, „Du wirst deine zeit verschwenden, Bruder, sie ist noch nicht soweit.“

„Ich denke, sie ist es,“ widersprach Zoras ihm grantig, „Nalani, du hörst mir nicht zu, ich sagte, du wirst versuchen, mich zu töten, ich beabsichtige nicht, dass du es schaffst, mach dir keine Sorgen.“ Sie blickte unsicher auf ihren Dolch. Sie wusste, dass es ein wertvolles Erbstück und eine starke Waffe war… aber was genau sie mit dem Dolch machen könnte, wusste sie nicht. Was es war, was er ihr beizubringen versuchte, wusste sie nicht, sie hatte keinen blassen Schimmer.

Meoran erklärte ihr den Sachverhalt der Dinge, bevor er mit ihr zu üben begann, erklärte ihr, worauf es ankam und warum das so war, daher wartete das Mädchen auch jetzt auf eine Erläuterung, dass Zoras ihr erklärte, was er meinte. Umso verwunderter war sie, als er plötzlich aus seinem Umhang eine schwarze Feder hervorzog und ein paar Schritte auf sie zu trat.

„Und du solltest es schnell versuchen, sonst versuche ich es nämlich!“ sagte er kalt, und bevor sie Zeit bekam, zu antworten oder sich zu rühren, griff er sie plötzlich an.

Es war mehr aus Reflex, dass sie den Dolch hochriss, aber es nützte ihr wenig, als seine bloße Aura sie plötzlich erfasste und er sie mit einer einzigen Bewegung seiner Feder in die Luft warf und zurück quer durch den Garten schmetterte, wo sie mit einem Krachen des Zaubers zu Boden stürzte und sich überschlug.

Nomboh schnappte nach Luft.

„B-bist du verrückt?!“ schrie er, „Doch nicht so doll…! Ich glaube, du hast sie umgebracht…“

„Weißt du, wie man bockigen Kindern am leichtesten das Schwimmen beibringt?“ entgegnete sein Bruder nur und Nomboh fragte sich, was das damit zu tun haben sollte. „Man wirft sie in hohem Bogen ins kalte Wasser, dann schaltet sich ihr Instinkt automatisch ein und lässt sie lernen. Zumindest hat Vater mir auf diese Weise das Schwimmen beigebracht und es hat funktioniert.“

„Das heißt nicht, dass es bei jedem funktioniert!“ keuchte Nomboh und sah mit Erleichterung, dass Nalani sich stöhnend aufrappelte. „Du kannst nicht alles, was für dich gilt, auf sie übertragen…“

„Ihre Instinkte sind dreimal so gut wie meine und viermal so gut wie deine!“ entgegnete der Ältere scharf, „Du hast doch gesehen, wie sie damals von null auf hundert die unzerstörbare Seele beherrscht hat, sie kann es, verdammt, und ich werde sie zwingen, wenn ich muss!“ Er schnappte seine Feder und fuhr zu der Schülerin herum, die sich wieder aufgerappelt hatte und näher gekommen war. Sie umklammerte jetzt entschlossener ihre Waffe.

„Wenn Ihr mir erklärtet, was ich tun soll, wäre alles leichter!“ bemerkte sie, und er reckte den Kopf in die Höhe.

„Hör auf dein Herz!“ riet er ihr kalt, „Dann wirst du wissen, was du tun musst, sagen werde ich gar nichts! Du musst lernen, auf deinen Geist zu hören, er wird dich niemals anlügen! Menschen lügen, Geister nicht! Also komm jetzt und greif mich an, tu es, Nalani!“
 

Sie folgte dieses Mal seinem Befehl und sprang mutig samt ihrem Dolch nach vorne auf ihn zu. Dieses Mal schmetterte sie ihre Waffe der Aura seiner Feder entgegen und zwang sich mit aller Macht, standzuhalten. Sie spürte den Druck, als ihre Energiewellen gegeneinander knallten und es gab ein lautes Krachen aus dem Himmel über ihnen, das sie erschaudern ließ. Keuchend stemmte sich das Mädchen gegen die Übermacht ihres Gegners. Wie schaffte er es, sie bloß mit einer Feder aufzuhalten? Sie hatte schon bei ihrem Lehrmeister oft Federn gesehen, es waren meistens Kondorfedern oder Krähenfedern, aber wie genau sie sich damit wehren konnten war ihr ein Rätsel. Es musste ein Erbe des Chimalis-Clans sein. Als sie probierte, ihn mit der Kunst des Schwertkämpfens auszutricksen, dem Druck nachgab und nach ihm schlagen wollte, riss die Macht seiner Aura sie wieder von den Beinen und warf sie zu Boden, dieses Mal aber nicht so weit weg wie zuvor.

„Du sollst nicht fechten, es ist eine Sache des Geistes!“ sagte Zoras zu ihr und ließ die Aura verschwinden, „Das war schon besser als eben. Wir sind Schamanen, wir kämpfen nicht mit sterblichen Waffen, sondern mit dem Geist gegeneinander. Vergiss, dass Kadhúrem ein Dolch ist, Kadhúrem ist dein Geist, deine Seele!“

Sie rappelte sich abermals auf und sah nachdenklich auf den Dolch in ihrer Hand. Dann hob sie den Kopf und nickte kurz, bereit, es ein drittes Mal zu versuchen. Sie ignorierte gekonnt ihren schmerzenden Rücken, als sie sich abermals gegen seine Aura warf und den Dolch mit einem Krachen gegen die Feder schmetterte, die offenbar hart wie Stahl war… bei genauerem Hinsehen fiel Nalani auf, dass nicht die Feder hart, sondern die geistige Macht, die Aura, die sie umgab, extrem stark war.

Was ich besiegen muss, ich nicht die Feder oder der Mann, es ist sein Geist, den ich zur Strecke bringen muss!

Sie schloss für einen Moment die Augen und konzentrierte sich auf ihr eigenes Inneres. Sie hörte die Stimmen der Geister in sich murmeln, sie sprachen will durcheinander und sie konnte die Worte nicht entziffern.

Was sagt ihr, Himmelsgeister? Was flüstert ihr, Erdgeister?!

Doch so sehr sie sich bemühte, sie verstand die Stimmen nicht.

Was soll ich tun, verdammt?!

In dem Moment spürte sie einen plötzlichen, harten Schmerz in ihrem Rücken und sie riss keuchend die Augen auf und fand sich auf dem Erdboden liegend. Zoras stand noch vor ihr und ließ seine Feder sinken, ehe e auf sie herunter sah. Der Dolch war ihr aus der Hand geschlagen worden und lag neben ihr im Gras. Sie erzitterte und spürte ihre Finger nicht mehr vor Kälte.

„Du zweifelst…“ machte der Schwarzhaarige langsam und sah sie an, während sie sich tapfer aufrappelte und keuchend nach dem Dolch angelte.

„Was ist passiert…? Ich war weg…“

„Kontrolle,“ war alles, was er zunächst von sich gab. Nomboh eilte jetzt zu ihnen. „Du musst deinen Geist kontrollieren, kontrolliere ihn bis auf das letzte Stück, dann kontrollierst du auch Kadhúrem!“ Sie schnappte erschöpft nach Luft. Als sie die Waffe wieder gegen ihn heben wollte, strauchelte sie, und Nomboh hielt sie behutsam am Oberarm fest.

„Wir gehen rein, das reicht für heute,“ entschied er mit Blick auf seinen energischen Bruder, „Du wirst sie umbringen, wenn du es zu sehr erzwingst, ein Geist braucht seine Zeit.“

„Sie muss es lernen und sie wird!“ machte der Ältere seelenruhig und fixierte dabei Nalani, „Sie kann es, sie wird es nächstes Mal schaffen. Sie wird es üben.“ Zu Nalani sagte er: „Das war nicht schlecht… du warst in Trance, deswegen warst du weg. Das ist der richtige Weg. Denk darüber nach, finde den Geist von Kadhúrem und mach ihn dir hörig. Wenn du das kannst, Nalani… wird es für dich ein Kinderspiel sein, die Geisterwinde zu rufen.“ Damit neigte er höflich den Kopf und ging wieder ins Anwesen. Nomboh zog Nalani mit sich und folgte ihm.

Drinnen tauten Nalanis Finger langsam wieder auf, als sie ihre Schuhe, ihren Mantel und Mütze und Schal auszog und den Dolch auf einen Schemel neben der Tür legte. Meoran hatte das Spektakel vom Fenster aus verfolgt und war völlig aus dem Häuschen.

„Das war wirklich beeindruckend, was ihr gemacht habt!“ strahlte er begeistert, „Lerne ich sowas auch, Onkel?!“

„Nein, du hast kein Kadhúrem,“ meinte Zoras zu ihm, der sich die ebenfalls leicht kalt gewordenen Finger rieb. „Dummkopf, du bist ein Sohn des Chimalis-Clans, du hast ganz andere Techniken.“

„Dann lerne ich das was du kannst?“ machte der Junge aufgeregt, „Vater, wann kriege ich denn meine Lehre?“

„In zwei Jahren, Söhnchen, und bis dahin kannst du noch fleißig trainieren, damit die Geister deinen Körper auch würdigen!“ grinste der Vater, „Also werd nicht faul!“ Meoran schmollte.

„Ich war doch gar nicht faul, Vater…“

„Was nicht ist, kann noch werden, also hör besser auf ihn, Meoran,“ riet Zoras ihm neckisch, und der Junge brummte.

„Ihr veräppelt mich!“
 

Salihah war erstaunt.

„Du willst Nalani Kadhúrem kontrollieren lassen?“ fragte sie perplex nach und sah ihren Geliebten stirnrunzelnd an, während er bei ihr im Bett lag und sie sich an seine warme Brust schmiegte. Sie kam seit dem Wintereinbruch so oft nach Tuhuli und übernachtete in dem Gästezimmer, dass sie bereits aufgegeben hatte, sich dagegen zu sträuben, wenn er in der Nacht zu ihr kam. Sie musste sich eingestehen, dass sie sich danach sehnte und es verlangte, dass er zu ihr kam, und sie sich nur der Höflichkeit zuliebe gewehrt hatte, weil sie nicht unmoralisch hatte sein wollen. Aber sie war froh, wenn er kam, wenn sie sich mit ihm ins Bett legte und sich auf ihn setzte, um die Hitze seines Fleisches tief in ihrem Inneren zu spüren und sich dem Rausch hinzugeben, der sie in den Himmel jagte, getrieben von den Flammen ihrer und seiner Lenden. Und jedes Mal spürte sie das Leben, das noch in ihr war, das zurückkehrte, jedes Mal ein Stück mehr, wenn er sie berührte, wenn er sie nur küsste oder ihre Haare streichelte.

Sie hatten sich vereint und sich intensiv geliebt, und die Frau spürte noch immer die wohlige Hitze in ihrem Inneren, als sie sich jetzt gegen ihn drückte und sanft mit der Hand über seinen Oberkörper fuhr.

„Natürlich will ich das,“ antwortete er leise, beugte ich vor und küsste sie kurz, aber liebevoll auf die Lippen, sodass sie leise seufzte. „Du weißt, dass sie es lernen muss. Ich tue, was ich kann, um ihr die Tür zu zeigen… durchgehen muss sie alleine.“

„Auch, wenn Nalanis Potential unser größter Schatz ist und sie der Schlüssel zu einem neuen, besseren Zeitalter sein mag… zum Fall von Lyrien, wie ich glaube… dürfen wir nicht vergessen, dass sie ein Mensch ist, sie hat Grenzen. Sie ist kein Teppich, den man nach Belieben weiter weben kann, bis er perfekt ist… vielleicht ist es wirklich zu früh für sie.“

„Ich folge den Anweisungen der Geister des Vater Himmel,“ entgegnete er dumpf, „Sie lügen nicht, sie irren sich nicht. Sie wird es schaffen, vertrau mir, Salihahchen.“

„Das tue ich ja, Liebster…“ seufzte sie dumpf und wollte den Kopf senken, aber er verhinderte das, indem er zwei Finger unter ihr Kinn legte, es hochzog und sie abermals sanft küsste. Sie erwiderte seinen Kuss und schloss die Augen. „Du solltest das mit Kadhúrem auf keinen Fall überstürzen und noch weniger unterschätzen…“ fuhr sie fort, als sie den Kuss beendeten, und sie rutschte etwas dichter an ihn heran und begann mit den Händen über seinen nackten Körper zu streicheln, als die Hitze und das Begehren wieder erwachten durch den innigen Kuss. „Kadhúrem ist eine Schattenklinge, ein mächtiges und gefährliches Medium, du weißt, was Thono mit dieser Waffe hat machen können.“

„Ja, und seine Tochter wird es noch besser können,“ orakelte der Geisterjäger zuversichtlich, während er sich mit ihr herum auf den Rücken rollte und sie jetzt auf ihm lag. Salihah strich sich die offenen Haare hinter die Ohren und setzte ich auf, als er bereits wieder vor Erregung keuchend nach ihren Oberschenkeln griff und sie energisch zu streicheln begann. „Du zweifelst viel in der letzten Zeit, geliebte Salihah,“ stöhnte er dann, als sie sich auf seinen Unterkörper setzte und sich langsam auf ihm zu bewegen begann, sodass die Hitze stärker wurde. „Mach dich nicht verrückt…“ Sie lehnte mit einem wohligen Seufzen den Kopf in den Nacken und stützte sie wie so oft an seinem Bauch ab.

„Ich bin eine Seherin, Liebster,“ entgegnete sie und keuchte heftig, als sie sich leicht nach vorn beugte und spürte, wie er sie berührte, „Ich bin schon mein ganzes Leben lang verrückt durch die Dinge, die ich sehe, die ich höre…“

„Dann schließ die Augen…“ murmelte er lächelnd und tat es darauf selbst, ehe er mit den Händen sanft nach ihren runden Hüften fasste und sie festhielt. Salihah schloss die Augen. Sie wollte keine Geisterbilder sehen, keine Stimmen hören… sie wollte es nicht mehr, sie wollte nicht mehr unsichtbare Dinge sehen, die ihr Leben zerstören würden, wie es fast alles getan hatte, was sie je prophezeit hatte. Sie spürte, wie seine Hitze sie ausfüllte, und die Geister hielten sich fern. Sie war ein Vulkan, in dem flüssiges Feuer brodelte, und sie schrie vor Ekstase auf und warf sich über ihren Liebhaber, jede Faser ihres Körper erbebte im Rausch ihres Höhepunktes, als Zoras sie packte und sie fester gegen sich presste.

„Nein, nie wieder!“ stöhnte sie und meinte die Geisterstimmen, „Ich bin nicht Sprachrohr für die Geister von Himmel und Erde… nicht jetzt. Nicht mehr!“ Sie spürte das Feuer in sich, wie es sie verbrannte und wie es ihr die Luft aus den Lungen presste, als sie sich mit einem wilden Schreien wieder zurückwarf und den Kopf so weit zurücklehnte, dass sie hinauf sehen konnte. Und über ihr war Feuer, das Himmelsfeuer, das sowohl Tod als auch Leben bringen konnte. Und jetzt brachte es ihr Leben, als der Vulkan ausbrach und sie erfüllte auf eine Weise, die ihre Seele bis in die Tiefe erschütterte. Als sie wieder atmen konnte und das Himmelsfeuer vor ihren Augen verblasste, ebbte die Flut aus Hitze in ihr allmählich ab und sie spürte das Leben, das er gerade noch in sie ergossen hatte, wieder zurückwich, und sie sank stöhnend auf seiner Brust zusammen und blieb eine Weile heftig atmend liegen, noch immer mit ihm vereint.

Er seufzte müde und strich ihr über den zitternden Rücken und ihre schwarzen Haare.

„Du verlangst zu viel von dir,“ murmelte er und lächelte leicht, als sie sich seufzend wieder aufsetzte, um sich dann vorsichtig zu erheben und sich wieder neben ihn in Bett zu kuscheln. Er schlug die Decke über sie beide und sie stöhnte leise und hielt sich an seinem nackten Oberkörper fest.

„Ich muss das…“ meinte sie dumpf, „Verlange ich es nicht, verlangt es niemand…“

„Du bist so perfektionistisch,“ seufzte er darauf, drehte sich zu ihr um und schloss sie liebevoll in seine Arme, um ihr schützende Wärme zu geben. „Das sind wir beide, Salihahchen… aber du bist es noch mehr als ich, fürchte ich.“ Sie lächelte und küsste zärtlich seine Brust.

„Sprich nicht mehr, mein Liebster…“ flüsterte sie dabei, „Wenn du Nalani den Umgang mit Kadhúrem zeigen willst, solltest du jetzt gut schlafen… du hast dir viel vorgenommen…“
 

Nalani kämpfte nicht gegen Zoras oder seine Feder, nicht mal gegen seinen Willen. Sie kämpfte gegen den Geist des Dolches, den sie sich gefügig machen würde, das hatte sie sich fest vorgenommen.

Sie würde die Waffe beherrschen, wie sie ihren eigenen Geist beherrschte… sie würde die Geisterwinde beherrschen, wie Zoras es gesagt hatte.

Vater! Mutter! rief sie ihre Eltern in Gedanken an, Seht mir zu und seid stolz! Ich werde euch nicht enttäuschen, ich werde stark sein wie ihr es wart!

Dann packte sie den Dolch und schwang ihn geschickt herum, um erneut gegen Zoras‘ schwarze Feder zu docken und wieder zu Boden geschleudert zu werden, als der Mann die Hand bewegte.

„Zu verbissen,“ tadelte er sie streng, „Vergiss deine Emotionen, vergiss deinen Stolz, vergiss alles, Nalani! Nur der Geist Kadhúrems und du, das ist alles, worum es geht!“ Sie rappelte sich keuchend vom Boden auf. Ihre Finger waren halb gefroren und sie war kaum noch fähig, sie zu bewegen. Seit Stunden übten sie draußen im Garten. Über Nacht hatte es geschneit und ihre Kleider waren bereits durchnässt vom Schnee, weil sie so oft zu Boden geworfen worden war. Meoran und Enola bauten in einiger Entfernung einen Schneemann im Garten. Der Junge war allerdings so gefesselt von Nalani Training, dass er gar keine Zeit für den Schneemann hatte, bis seine Cousine ihm meckernd den Eimer auf den Kopf setzte, der eigentlich auf den Kopf des Schneemanns sollte.

„Spiel endlich mal mit, Meoran!“

„Hey, nimm sofort diesen Eimer von meinem Kopf!“

Nalani sah keuchend wieder zu Zoras, als sie ihren Dolch aufgehoben hatte und sich mit übriger Kraft an den Griff klammerte.

„Ich werde das schaffen!“ schwor sie bitter, „Ich werde erst aufhören, wenn ich es geschafft habe, ich werde ihn beherrschen! Für meine Eltern… die Kelar getötet hat, und er wird sich wünschen, es nicht getan zu haben!“

Zoras verengte langsam die Augen zu Schlitzen.

„Voller Zorn bist du heute,“ sagte er, „Voller grimmiger Entschlossenheit, mit dem Willen eines Berserkers, aber ohne Geist, pff!“ Sie erstarrte.

„Was?“ machte sie verwirrt, weil er sie ohne Zweifel tadelte, als hätte sie sich verschlechtert und nicht gebessert. „W-was meint Ihr?“

„Wir Schamanen,“ begann er mit finsterer Stimme, „Sind Egoisten, wir tun Dinge für uns selbst und verstecken uns hinter der Beschönigung, es für das Volk, den Stamm, die Welt, wen auch immer zu tun. Du sagst, du tust das für deine Eltern, das ist ein Fehler. Du solltest es für dich tun, für deinen eigenen Geist, nicht für sie und schon gar nicht für irgendwelche Rachegedanken bezüglich Kelar! Rache bringt einen nicht weiter. Wenn du das hier nur lernen willst, um Kelar zu töten, hast du den Sinn der Lehre nicht verstanden, dann hast du nicht verstanden, was es bedeutet, Schamane zu sein… Geisterjäger zu sein!“ Sie erzitterte unter seinen brutalen Worten. Aber noch schneidender als seine ärgerliche Stimme war, dass er recht hatte. Sie senkte den Kopf und Zoras‘ Ausdruck wurde wieder milder. Er seufzte und ließ die Arme sinken. „Wenn du ihn umbringst aus Hass, bist du nicht besser als er,“ versuchte er, ihr zu erklären, „Was Kelar tut, ist frevelhaft und grausam. Die Aufgabe der Schamanen ist es nicht, Menschen zu beherrschen und zu versklaven, und schon gar nicht sie zu töten. Leider gab es in der Geschichte oft solche Tyrannen wie Kelar, die ihre große Macht und ihre Verbindung mit den geistern ausgenutzt haben, um ihren eigenen Vorteil herauszuschlagen. Und Kelars Macht ist gewaltig, ich habe dir ja von seinem Geisterspeer erzählt. Nalani, unsere Aufgabe ist es, mit den Geistern zu kommunizieren und der Welt nützlich zu sein, indem wir ihr den Willen der Geister mitteilen und mit ihnen verhandeln. Was du mit deiner Verbissenheit gerade tust ist nicht die unerschütterliche Seele, die du zu haben gelernt hast. Verdräng deine Gefühle, deinen Zorn, deinen Hass auf Kelar, auf dich selbst, weil du es nicht schaffst… jeder fängt mal klein an, oder denkst du, Nomboh und ich hätten unsere Federn beim ersten Versuch beherrschen können?“ Das Mädchen schüttelte nachdenklich den Kopf.

„Nein… sicher nicht.“

„Bis ich damit richtig umgehen konnte, hab ich mir zwei Beine und fünf Rippen gebrochen,“ meinte er grübelnd, „Natürlich nicht auf einmal… aber es hat sehr viele Schmerzen gebracht, das zu lernen, und es hat lange gedauert. Du brauchst Ruhe, um zu lernen, Nalani, und du musst deinen Geist festhalten, wenn du Kadhúrem beherrschen willst. Du darfst es nicht mit Wut oder Zwang tun, dann wird es nichts! Befrei dich einfach von allem Irdischen, sei eins mit den Himmelsgeistern. – Ich bin kein Lehrmeister, ich kann das nicht so gut erklären… du wirst es selbst probieren müssen.“ Sie hob ihren Kopf wieder und nickte jetzt.

„Ich versuche es noch einmal,“ beschloss sie, „Und ich werde tun, was Ihr verlangt. Wenn es jetzt wieder nichts wird, mache ich für heute Pause.“

„Oh ja, das ist gut, du wirst dir in den nassen Sachen bei der Kälte den Tod holen! – Enola?!“ Enola sah auf, als ihr Vater sie rief.

„Ja, Vati?“

„Geh rasch hinein und sag Bescheid, dass man für Nalani ein Bad fertigmacht, sonst erfriert sie uns nämlich gleich!“

„Kann ich noch den Schneemann zu Ende-…?“

Jetzt gleich, Enola!“ rief er mit Nachdruck, und das Mädchen gehorchte murrend.
 

Nalani hob den Dolch erneut und fixierte dabei ihr Gegenüber, als Zoras seine Feder wieder zog und sie nach vorn streckte.

„Ganz ruhig,“ erinnerte er sie, „Hör auf dein Innerstes, die Geister lügen nie. Beherrsche Kadhúrems Seele, Nalani! Du kannst das, ich weiß, dass du es kannst!“

Sie schloss die Augen und konzentrierte sich, ließ ihren Geist frei fliegen… sie hörte Zoras‘ Stimme vor sich nicht mehr. Es war still und dunkel um sie herum… dann spürte sie plötzlich den Geist Kadhúrems. Sie spürte ihn in ihren Händen und wie er sich bewegte, wie er sich wand wie ein Fisch, der nicht gefangen werden wollte und versuchte, zurück ins Wasser zu flüchten. Sie packte ihn fester. Vor ihren Augen tanzten Geisterlichter und sie hörte ein Wispern in ihrem Kopf. Es war eine fremde Sprache, die sie nicht verstand und nie gehört hatte. Doch je länger sie ihr lauschte, je greller die Lichter vor ihr wurden, desto mehr verstand sie die Worte plötzlich… es waren Geister, die zu ihr sprachen, und ihre Sprache war eine Geistersprache.

„Du kannst Kadhúrem nicht beherrschen, Nalani Kandaya!“ sagten sie, „Du darfst keine Zweifel haben, um es zu tun… erweise dich als würdig, Kadhúrems Meisterin zu sein, eine Tochter der Schatten zu sein… dann wird Kadhúrem dir folgen!“

Sie antwortete den geistern laut.

„Ich bin die Tochter von Thono Kandaya! Ich bin das letzte Schattenkind und als einzige fähig, Kadhúrem zu führen! Ihr werdet mich anerkennen als eure Meisterin und ihr werdet mir dienen, Geister der Dunkelheit, Geister von Kadhúrem! Schattenklinge!“

Ihre Worte schienen Wunder zu wirken, denn plötzlich veränderte sich das Licht vor ihr, plötzlich änderte sich das Gefühl in ihren Händen. Sie spürte den Geist des Dolches und wie er sich mit ihrer Seele vereinte zu einem großen Geist, einer mächtigen, fürchterlichen Waffe, fähig, alles zu zerstören, was Nalani wollte. Und sie riss die Waffe empor, als die Geister sie dazu aufforderten, um sie herum flackerte wildes Feuer aus purer Dunkelheit. Und das Mädchen tanzte im Feuer und drehte sich, schwang den Dolch herum. Sie war eins mit dem Geist von Kadhúrem, sie war ein Geistermädchen! Und sie führte die Geister, wohin sie es wollte, sie hörte es um sich herum laut donnern. Die Geister sprachen mit der Stimme des Himmelsdonners, die erzitterten mit der Haut von Mutter Erde. Das Erdbeben riss sie von den Beinen und sie spürte plötzlich Schmerz in ihren Knien, als sie zu Boden stürzte. Dann riss der Schleier aus Feuer und Schatten vor ihren Augen plötzlich auf und sie war wieder auf dem Erdboden, die Geister verschwunden. Vor ihr lag Kadhúrem am Boden, an der Klinge klebte Blut. Nalani fand sich auf allen Vieren am Boden und sie hustete, als der Rückschlag der Macht sie so heftig traf, dass sie plötzlich das Verlangen hatte, sich zu übergeben.

„W-was… was ist…?!“ stöhnte sie und sah das Bild vor ihren Augen flimmern. Das nächste, was sie sah, war knapp fünf Zoll vor Kadhúrem; die schwarze Kondorfeder, die in zwei Hälften gespalten war.
 

Nalani riss fassungslos den Kopf hoch. Zoras stand vor ihr, sein Gesicht war aschfahl und er hielt sich verkrampft die linke Hand fest.

„Du Ungeheuer…“ stöhnte er, „Was hast du gemacht…? Deine Kraft ist noch viel erstaunlicher, als ich dachte…!“ Er strauchelte. Meoran hinten beim Schneemann hatte sich erschrocken erhoben.

„Was ist passiert?!“ rief der Junge und sah zum Himmel. Es war stockfinster geworden, obwohl es noch nicht Abend war…

„Rasch!“ keuchte sein Onkel, „Hol deine Mutter, sofort! Mit neun Fingern kann ich mir meinen Job an den Hut stecken, beeil dich!“

„W-was…?!“ schrie Nalani und fuhr auf, „Was habe ich gemacht?!“ Meoran folgte dem Befehl sofort und stürzte ins Anwesen. Zoras grinste seine Schülerin zufrieden an.

„Du kannst es…“ lobte er sie, „Du beherrschst Kadhúrem, ohne Zweifel… du hast meine Feder zerschmettert und meinen linken Daumen gleich mit abgehackt, gut, dass Keisha Heilerin ist…“ Er keuchte und umklammerte seine verwundete Hand etwas fester, um zu viel Blutverlust zu verhindern. „Du… m-musst nur noch lernen, dich selbst dabei mehr zu kontrollieren… du tust die Dinge noch unbewusst, du tust es instinktiv, was mir zeigt, was für einen… perfekten Instinkt du hast… aber du musst sie aus deinem Willen heraus tun… und ich glaube nicht, dass du beabsichtigt hast, mir den Finger abzuschlagen…“ Nalani erbleichte. Jetzt war ihr richtig übel und sie taumelte fassungslos. Das hatte sie getan? Wieso hatte sie das nicht gemerkt?

In dem Moment kam Keisha gefolgt von Mann und Sohn aus der Tür gestürzt. Sie kreischte.

„Zoras! Immer muss ich dich retten, ich werde noch wahnsinnig hier! Wieso lässt du Vollidiot dir dauernd irgendwas abhacken?! – Rein, schnell, hier draußen gefriert das ja, bevor ich fertig bin!“ Sie zerrte ihn ins Anwesen, während er ihr stolz erzählte, dass Nalani Fortschritte gemacht hatte, und Meoran dackelte den beiden aufgeregt hinterher. Nomboh indessen hielt Nalani fest, die beinahe umgefallen wäre. Er hob Kadhúrem auf und reichte es ihr.

„Ganz ruhig,“ meinte er, „Dann kannst du es also tatsächlich. Du hast den Himmel verdunkelt, siehst du…?“ Nalani sah auf, aber sie konnte sich nicht konzentrieren. Sie war zu verwirrt; was hatte sie getan? Und warum war niemand wütend auf sie?

„I-ich… ich wollte nicht… ich konnte nicht… p-plötzlich war Feuer da und Schatten, d-die Geister haben…!“ stammelte sie, und ihr Lehrer seufzte und strich ihr beruhigend über den Rücken, als sie sich zitternd an ihn klammerte. Sie erzählte ihm, was sie gesehen hatte, was sie gespürt hatte, und er hörte ihr in aller Ruhe zu und führte sie behutsam nach drinnen, weil es wirklich kalt wurde und ihre nassen Kleider bereits steif gefroren waren.

„Das ist völlig normal,“ sagte er dann, „Du warst in Trance, du musst lernen, auch in der Trance deinen Geist zu beherrschen. Das werde ich dir beibringen, keine Angst. Es ist ja nichts passiert. Keisha wird meinen Bruder schon wieder zusammenflicken, das hat sie schon oft getan!“ Doch Nalani war überhaupt nicht beruhigt, als er sie in die Stube brachte und sie hinsetzte. Dem Hausmädchen befahl er, Nalani einen Tee zu machen. Doch sobald sie die Teetasse in den Händen hielt, fing sie plötzlich an zu weinen, als der Schock von ihr abfiel wie angetauter Schnee von den Bäumen. Nomboh und das Hausmädchen sahen sich ratlos und besorgt an und schließlich fasste der Mann behutsam nach Nalanis Schultern.

„Du musst nicht weinen… es ist alles gut. Du hast es gut gemacht, du solltest stolz sein!“

„Ich habe nicht mal gemerkt, dass ich etwas Böses tue!“ schrie das Mädchen verzweifelt, „Ich bin grausam! Ich bin scheußlich…“ Nomboh seufzte und versuchte, sie zu beruhigen, aber sie kriegte sich gar nicht wieder ein. Erst nach einer Weile hörte sie zu weinen auf. Sie zitterte am ganzen Körper. „E-es ist so kalt…“ stöhnte sie bibbernd, und der Mann riss die Augen auf.

„Ach du Schreck! Du solltest ja baden, stimmt! – Rasch, bring sie ins Bad, sie muss sofort raus aus den nassen Sachen! Wir reden später weiter, Nalani… erst mal wärmst du dich auf, sonst töten die Frostgeister dich!“
 

„Jetzt hör doch mal auf, hier herum zu gestikulieren!“ fauchte Keisha verärgert und gab ihrem Schwager einen energischen Klaps auf den Hinterkopf, „Es reicht ja schon, dass du redest und redest, als hättest du einen Mückenstich, während ich versuche, deinen blöden Daumen anzukleben! – Meoran, nimm den Gesicht aus dem Licht, ich sehe ja gar nichts!“ Meoran zog den Kopf zurück und beobachtete interessiert, wie seine Mutter mit einigen Handbewegungen und mit Hilfe ihrer Heilerkräfte versuchte, Zoras‘ Daumen wieder anwachsen zu lassen. Dabei hielt die das Stück mit einer Hand an seine Hand. Unter ihrer anderen Hand, die sie auf die blutende Wunde presste, leuchtete schwaches Licht.

„Sie ist großartig, sie ist perfekt!“ redete Zoras Chimalis und war völlig aus dem Häuschen, während er mit seiner gesunden Hand in der Luft herum wedelte, „Ich habe gewusst, sie würde es schaffen! Kadhúrem ist eine mächtige Waffe und Nalani eine mächtige Frau! Tabari sollte sich stolz schätzen, ihr Mann sein zu dürfen, eigentlich hat Kelars kleiner Jawohl-Mann so eine gute Frau gar nicht verdient… na ja, ich will nicht unrecht sprechen, aber auf mich hat er nun mal nie einen besonders hellen Eindruck ge-… aua, Keisha, mach das doch zärtlicher!“

„Ich geb dir gleich zärtlich!“ schnappte die Frau streng und schlug ihn erneut, „Sei still und rede nicht die ganze Zeit!“

„Hast du keine Schmerzen, Onkel?“ fragte Meoran fasziniert davon, dass dieser Mann laberte und laberte, obwohl er gerade einen Finger verloren hatte.

„Doch, und wie,“ machte Zoras unbeeindruckt, „Kämpfe gegen die Schmerzgeister, Meoran, das ist alles, was dir hilft, denn du bist ja auch kein Heiler! Ohne deine Mutter wäre ich schon hundertmal gestorben, ich stehe wirklich in ihrer Schuld…“

„Wenn du nicht gleich aufhörst, zu faseln, klebe ich dir deinen Daumen an den Hintern!“ drohte Keisha ihm, und er räusperte sich.

„Oh nein, bitte nicht… das sieht doch affig aus…“
 

Nalani war völlig in sich gekehrt, während sie im heißen Wasser saß. Das Anwesen war in der Nähe einer unterirdischen heißen Quelle erbaut worden und die nutzte man auch als Bad. Ihr war wieder warm und ihre Finger und Zehen waren zum Glück noch nicht erfroren gewesen, stellte sie fest. Aber innerlich war ihr kalt… sie fühlte sich nicht wohl.

Sie dachte an den Moment der Trance und wie sie sich der Vereinigung mit den Geistern komplett hingegeben hatte, mit Leib und Seele… sie war selbst ein Geist gewesen, sie war nicht Nalani gewesen, sondern ein Geistermädchen. Und ihre Umwelt war verschwunden gewesen… sie hatte nichts gewusst, was sie tat, die Geister hatten es getan, Kadhúrem hatte es getan… sie fühlte sich furchtbar, als sie sich an das Blut im Schnee erinnerte, an Zoras Chimalis leichenblassen Gesicht, wie er seine blutende Hand gehalten hatte. Er hatte tapfer gelächelt, aber er hatte Schmerzen gehabt, und das war ihre Schuld…

Sie drehte apathisch und unglücklich den Kopf, als die Badezimmertür sich aufschob. Herein kam ihre Schwiegermutter, voll bekleidet in einem ihrer edlen, aufwendigen Gewänder, von denen eines schöner war als das andere. Normalerweise kam man höchstens im Handtuch ins Bad, ihr Erscheinen war also höchst ungewöhnlich.

Nalani drehte den Kopf weg.

„Wir sollten uns nicht sehen,“ murmelte sie, „Ich bin in der Isolation.“

„Ja, das bist du,“ meinte Salihah, die sich einen Schemel nahm und sich nahe des Badebeckens darauf setzte, „Nomboh hat mich gebeten, mit dir zu sprechen, er als Mann kann nicht einfach hier rein, wenn eine nackte Frau außer seiner eigenen hier badet.“ Nalani schwieg.

„Wann bist du zurückgekommen?“ fragte sie dann. „Du bist heute Morgen weggefahren…“

„Ja, ich war daheim und habe mit Sukutai geübt. Zukünftig werde ich zu ihrem Elternhaus nach Tasdyna fahren und sie dort unterrichten, jetzt wo Kiuk alles weiß, was ich ihm beibringen kann. Es tut nicht länger Not, dass sie zu uns kommt, und ich halte sie gerne fern von Kelar.“

„Dann ist das Monster zur Abwechslung mal wieder im Haus?“ murmelte das Mädchen düster. Salihah seufzte.

„Ja, momentan ist er wieder zu Hause.“

„Warum bist du dann hier? Was ist mit Kiuk?“

„Kelar wird Kiuk nichts antun, Tabari auch nicht,“ seufzte die Frau, „Tabari ist schließlich sein Erbe und Kiuk ist ihm nicht einmal zu töten wert, hab keine Sorge um ihn. Und meine Söhne sind alt genug, auch mal einen Abend ohne ihre Mutter zu überleben. Kiuk wird schlau sein und seinem Vater aus dem Weg gehen. Wenn ich im Schloss bin, bin ich rastlos… hier finde ich Ruhe. Aber ich bin nicht gekommen, um über mich zu sprechen.“ Sie fixierte das Mädchen eine Weile, das ihr noch immer den Rücken kehrte. Dann sprach Nalani ganz leise.

„Geht es Zoras wieder gut? Ist die Wunde schlimm?“

„Unsinn, sein Finger ist wieder an der Hand und völlig gesund, nur eine kleine Narbe ist geblieben. Keisha ist eine gute Heilerin.“

„Warum ist keiner von ihnen wütend auf mich?!“ platzte es dann aus Nalani heraus, und sie drehte sich um, sodass das Wasser spritzte. „Warum sieht mich niemand böse an?! Ich war grausam, ich habe… ich habe einen Menschen verletzt und habe es nicht mal gemerkt! Wieso schelten sie mich nicht und sagen mir, wie furchtbar und grauenhaft ich bin?!“

„Weil du das nicht bist, ganz einfach,“ war die sanfte, ruhige Antwort. „Du bist aufgewühlt deswegen… du musst es nicht sein. Es war ein Unfall, es ist nicht deine Schuld und es ist nichts geschehen, alle sind gesund.“

„Aber… es hätte schlimmer kommen können!“ schrie Nalani entsetzt, „Was, wenn ich statt seinem Daumen seinen Kopf abgeschlagen hätte?! Hätte Keisha den auch einfach wieder ankleben können?! Ich hätte ihn töten können, ohne es zu merken, ohne es zu wollen!“ Sie wollte zu weinen beginnen, aber Salihah griff plötzlich ins Wasser und nahm ihre Hände in ihre eigenen. Nalani schluchzte.

„Sieh mich an,“ befahl die Schwiegermutter ernst, „Das ist der Grund, warum du nicht grausam bist… du wolltest es nicht. Hättest du es gewollt, wärst du grausam. Es ist passiert, weil du deinen eigenen Geist in der Trance noch nicht genug festhältst. Nomboh wird dir das beibringen, du wirst es lernen. Du musst dir keine Vorwürfe machen, Zoras Chimalis hat einiges Schlimmeres erlebt als einen abgehackten Daumen!“

Das Mädchen senkte den Kopf und erzitterte.

„Du sprichst von dem goldenen Speer, den Kelar ihm in die Schulter gerammt hat…?“

Salihah seufzte.

„Du weißt davon?“

„Er hat es mir erzählt.“

„Es war ein glückliches Eingreifen der Geister, dass Kelar nur seine Schulter traf… ich bin mir bis heute sicher, dass er auf sein Herz gezielt hat.“

„Warum tut Kelar so grausliche Dinge? Das alles nur, weil er und Zoras sich nicht mögen?“

„Kelar… ist besitzergreifend,“ antwortete die Frau langsam. „Er hat große Macht und großen Einfluss auf die Geister. Er war schon immer ein begnadeter Magier und es war schon von Geburt an seine Bestimmung, Herr der Geister zu sein. Und jeder, der ihm diese Bestimmung auch nur annähernd streitig machen konnte, musste beseitig werden… und Zoras war da sein größter Dorn im Auge. Von allen Geisterjägern ist Zoras derjenige, der es am ehesten mit Kelar aufnehmen kann. Die Macht des Chimalis-Clans ist sehr groß und uralt, genauso alt wie die Macht der Lyras.“ Nalani senkte den Kopf. Sie überlegte eine Weile.

„Zoras Chimalis und du, ihr… ihr beide seid… als Mann und Frau zusammen gewesen… und Kelar weiß es und hasst ihn deswegen… oder nicht?“

Ihre Schwiegermutter ließ ihre Hände abrupt los und setzte sich aufrecht hin, ehe sie sprach. Dabei drehte sie den Kopf wohlwissend von Nalani weg.

„Das, was zwischen Zoras und mir war, ist eine seltsame Sache.“

„Das, was ist, meinst du,“ korrigierte das Mädchen scharf, „Ich habe euch in der Stube gesehen, während ihr euch geliebt habt.“ Sie sah, wie die Frau leicht errötete, und sie errötete ebenfalls, weil sie es ausgesprochen hatte. Es war nicht ihre Absicht gewesen, sie zu beschämen, aber sie wollte nicht angelogen werden. Salihah seufzte leise.

„Wenn das so ist, kann ich dir wohl nichts vormachen,“ meinte sie, „Vor vielen Jahren war ich es, die Zoras zum Mann gemacht hat. Ich habe sein Blutritual gemacht. Ich bin die Seherin, viele Väter von jungen Söhnen haben mich gebeten, ihre Jungen zu Männern zu machen, es war ein Ritual wie viele andere, die ich gemacht habe. Und doch war etwas anders… er war anders. Und er hat mich verändert. Ich war damals längst Kelars Frau und Tabari war sogar schon auf der Welt, aber es war Krieg und ich war oft alleine mit dem Baby. Ich bin damals oft hier im Anwesen gewesen, wo Zoras als Erstgeborener die Führung und Verantwortung hatte, während sein Vater im Krieg war. Zoras hat auf seinen Bruder Nomboh, auf seine Mutter und die Angestellten aufgepasst, und Kelars Eltern haben auch mich und das Kind zum Schutz hier gelassen. Und in jener Zeit haben Zoras und ich… Dinge getan, die wir nie hätten tun dürfen. Wir waren jung und ungezügelt und haben ziemlich ausgelassen herumgetollt, während im Krieg Menschen starben, während mein Mann und sein Vater tapfer kämpften hatte ich nichts Besseres zu tun, als mit einem gerade eben ausgewachsenen Jungen das Bett zu teilen. Die Geister strafen mich schon seit Jahren dafür… und sie werden es bis zu meinem Tod tun. Aber es war angenehm und es war die Strafe wert.“ Sie blickte zu Nalani, die sie interessiert ansah, und räusperte sich. „Nimm dir kein Beispiel an mir furchtbarer Frau,“ murmelte sie dann lächelnd, „Mein Leben lang wurde ich benutzt und musste Orakel sein, musste klug und perfekt sein, ich wollte einmal in meinem Leben etwas genießen, es war egoistisch und das ist es auch heute. Aber… ich bin nur ein Mensch, Menschen sind nicht perfekt.“

„Wie hat Kelar davon erfahren?“ wunderte sich Nalani, „Haben die Geister euch verraten?“

„Vielleicht… ich weiß es nicht. Er ist nicht dumm und wir waren ziemlich unvorsichtig, es ist nicht schwer gewesen, es zu merken, glaube ich. Als ich wieder zurück zu Kelars Familie kam, haben wir uns lange nicht gesehen… ich gebar einige Jahre später Kiuk, aber je länger ich lebte, je länger ich Kelars Frau war, desto kälter wurde er, er hatte viel zu tun, er wollte den Sieg für das Land, das Ende des Krieges… es war kurz nach Kiuks Geburt, dass es immer schlimmer wurde, er kehrte mir den Rücken, sprach nicht und ich war ihm egal. Es war in der Zeit, dass ich Zoras wieder begegnete, weil er die Prüfung bestand und dem Rat der Geisterjäger beitrat. Und als wir trotz des Krieges und trotz der Spannungen im Volk einmal zu zweit waren, kam eins aufs andere. Zoras musste zwar selbst mit im Krieg kämpfen, aber er wurde öfter nach Hause geschickt als Kelar, er war von allen Geisterjägern der Jüngste und sein Leben wurde besonders beschützt, weil er der Hoffnungsträger der Chimalis‘ war… so kamen wir oft zusammen und er half mir damit, mich um meine kleinen Söhne zu kümmern, deren Vater dafür keine Zeit fand. Wenn ich darüber nachdenke, so ist Zoras Kiuk als Baby mehr Vater gewesen als Kelar es in seinem ganzen Leben war. Und er war ein wunderbarer Vater, ich war damals sehr glücklich, wenn wir zusammen waren, anders als es mit Kelar war.“

„Wissen Kiuk und Tabari davon? Ich meine, Tabari muss das doch mitbekommen haben…“

„Tabari war noch sehr klein… sicher hat er mitbekommen, dass Onkel Zoras oft da war oder wir nach Tuhuli gefahren sind, aber er hat doch nicht verstanden, was vorging… wir haben schließlich nicht vor seinen Augen Sex gehabt oder so…“ Salihah fuhr sich langsam durch die Haare. „Ich habe später nie wieder mit den Kindern über diese Zeit gesprochen.“

Nalani schwieg eine Weile. Dann sprach die Frau weiter.

„Tu mir bitte den Gefallen und sprich nicht darüber, Nalani… auch, wenn Kelar es weiß, es ihm noch einmal vor Augen zu halten würde ihn vermutlich veranlassen, das ganze Land zu sprengen…“ Sie stand auf und das Mädchen sah zu ihr hinauf. „Mach dir bitte keine Vorwürfe mehr wegen dieses Unfalls. Du wirst lernen, dich zu kontrollieren, Nalani, dann wird es nicht wieder geschehen. Vertrau mir.“

„Ich vertraue dir ja…“ meinte die Schwarzhaarige dumpf, und Salihah blickte sie stumm an. „Aber mir selbst nicht wirklich…“
 

Am nächsten Morgen war Nalani die Letzte, die zum Frühstück in die Küche kam. Die ganze Familie und Salihah saßen schon am Tisch und sahen einer nach dem anderen auf, sobald das Mädchen hereinkam. Enola hatte ein halbes Brot aus dem Mund hängen und weil sie so damit beschäftigt war, Nalani anzugucken, tropfte der Honig vom Brot langsam auf ihr hübsches Kleidchen. Dann schrie ihre Mutter plötzlich entsetzt darüber auf, riss der Tochter das Brot aus dem Mund und schimpfte über das ruinierte Kleid. Plötzlich war der Fokus des Raumes auf Enola und Tehya und Nalani fühlte sich, als könnte sie nach dem gnadenlosen Starren endlich wieder atmen. Sie blieb stehen.

„Guten Morgen,“ sagte sie höflich, während Tehya und die hysterische Keisha über Enolas Kleid jammerten, Meoran sich halb tot lachte und Zoras seiner Tochter einen sanften Klaps auf den Hinterkopf gab.

„Im Süden, in Dobanjan, sagt man, Schläge auf den Hinterkopf erhöhen das Denkvermögen,“ kommentierte er das, „Lerne also, nachzudenken und das Honigbrot nächstes Mal einfach hinzulegen, bevor du erstarrst!“ Er seufzte. „Außerdem gehört es sich nicht, jemanden so anzustarren, das könnte demjenigen die Seele aussaugen!“

„Vati erzählt immer so gruselige Geschichten, Mutti!“ nölte Enola.

„Guten Morgen, Nalani,“ grüßte Salihah zurück und neigte den Kopf. Nomboh grinste das Mädchen an, als es vor ihn trat und sich tief verneigte.

„Ich wollte mich entschuldigen für das gestern,“ sagte sie dumpf, „Ich wollte nicht, dass so etwas passiert, es war falsch und dumm von mir. Ich will lernen, es richtig zu machen, und das werde ich mit allergrößter Mühe tun, Meister! Ich werde lernen, meinen geist zu kontrollieren.“

„Ich habe auch nichts anderes erwartet,“ machte der Mann lächelnd, nahm ihre Entschuldigung aber nickend an, „Du solltest besser mit meinem Bruder reden, dem hast schließlich den Finger abgehackt und nicht mir. Wenn du bereit bist, können wir nachher mit dem Training beginnen, Nalani.“

„Ich wäre hoch erfreut, Meister.“

„So förmlich heute,“ murmelte Salihah kopfschüttelnd und nahm einen Schluck Tee, während Nomboh sie glucksend ansah. „Wenn sie so weitermacht, mutiert sie bald zu einer zweiten Sukutai.“

Zoras war damit beschäftigt, seine Tochter zu unterweisen.

„Geschichten, sagt sie!“ spottete er mit verschränkten Armen, „Ich erzähle Geschichten, sagt das freche Mädchen! Du glaubst mir wohl nicht?“

„Ich bin zu groß für Märchen!“ machte Enola trotzig, „Ich bin schon zehn!“

„Schlagen die Väter in Dobanjan ihre Kinder immer auf den Kopf?“ fragte Meoran erstaunt, und sein Onkel schnaubte.

„Ja, in der Tat, die Kinder in Dobanjan haben es längst nicht so gut wie ihr! Und weil sie so viel geschlagen werden, sind ihre Schädel hart wie weiße Edelsteine, die kriegt nichts kaputt, glaub mir!“

„Kann man einen Stein auf sie werfen und er zerschellt an ihrem Kopf?“ fragte Meoran perplex.

„Probier es lieber nicht aus, sie gehen vielleicht nicht kaputt von einem Stein, aber gesund ist es gewiss nicht…“

„Jetzt reicht es aber!“ meckerte Keisha und stand auf, „Zoras, hör sofort auf, meinem Sohn Flausen in den Kopf zu setzen! Dobanjan, Steine, Köpfe, tss! Dobanjan ist weit weg, am anderen Ende des Landes, da sind die Winter so warm wie bei uns die Sommer! Komm, Enola, wir suchen dir ein neues Kleid und waschen den Honig aus dem Rock, so kannst du ja nicht herumlaufen! Und Meoran, hör auf, zu lachen!“ Meoran amüsierte sich aber köstlich über die Geschichte mit den Köpfen.

„Wenn die Sommer dort noch wärmer sind als bei uns – wenn die Winter schon so warm sind – dann sind die Köpfe der Kinder wohl so verbrüht worden in der Sonne, dass sie ihre Härte auch brauchen, um nicht zu schmelzen!“ orakelte er lachend, und jetzt fing auch sein Vater an zu lachen.

„Ja, das wird es sein!“

Während des Trubels fand Nalani Gelegenheit, zu Zoras zu gehen und sich auch vor ihm zu verneigen und sich zu entschuldigen.

„Ich hoffe, Euer Daumen ist wieder gesund…?“ murmelte sie darauf, und er bewegte demonstrativ den Daumen, dem man nichts ansah, abgesehen von einer feinen Narbe an der Stelle, wo sie ihn abgetrennt hatte.

„Wie du siehst,“ sagte er dazu, „Setz dich hin, Nalani. Mach dir keine Vorwürfe, niemand ist tot, alles ist gut! Es war abzusehen, dass sowas passiert, ehrlich gesagt, ich hätte das wissen und besser blocken müssen. Ich bin also selbst Schuld.“

„Das sagt Ihr nur, weil Ihr wollt, dass ich mich nicht schuldig fühle…“ meinte sie bedrückt, „Ich stehe vor Euch in größter Demut, es war mein Fehler; ich hätte mich kontrollieren sollen.“

„Du liebe Güte,“ stöhnte er, „Was kann ich tun, damit du aufhörst mit den Schuldgefühlen?“ Sie sah ihn kurz an. Dann seufzte sie und beugte den Kopf zu ihm herab, da er saß und sie stand.

„Schlagt mir auf den Hinterkopf, vielleicht lerne ich dann auch besser zu denken!“
 

Mit dem Frühling kehrte die Sonne zurück nach Dokahsan. Wenn der Winter vorbei war, bekamen die Menschen neue Hoffnungen, das Wild kehrte zurück und nach den harten Monden des Hungers gab es wieder genügend zu essen. Aber die Bedrohung von Kelars Tyranneien des Winters und die Angst der einfachen Leute, so zu enden wie das Dorf Enmoria, das völlig ausgebrannt war, schwebte wie ein düsterer Schatten über dem Land und verbreitete Panik. Nicht nur im Kreis Vikhara, den die Lyra-Familie einst beschützen sollte, sondern auch in den anderen Kreisen verbreiteten sich die Schreckensbotschaften von blutigen Morden und Hetzerei. Und es wurde schlimmer, je weiter der Frühling Fortschritt und je näher der Sommer kam. Lyra war ein Name, den man hinter vorgehaltener Hand aussprach, ein Name des Grauens und des Todes, und die Menschen fürchteten ihn so sehr wie den Namen des Seelenfängers, der den Tod brachte und die Geister einsammelte, um sie ins Totenreich zu befördern. Von Schutz oder Ruhm dieser Familie konnte keine Rede mehr sein, und bald war der Name in allen Ecken Dokahsans gefürchtet wie eine Unheil bringende Pest. Und nicht nur die nichtmagischen Menschen fürchteten sich, selbst die Schamanen sprachen nur verhalten über den Namen, wenn überhaupt.

Während Nalanis Lehre sich ihrem Ende neigte und sie ihre Fähigkeiten in der Geistkontrolle mit jedem Tag verbesserte unter Nombohs ständiger Beobachtung, sorgten sich die anderen um den Verbleib des Landes.

„Die Menschen leben in ständiger Angst, als nächste wegen ein paar Ziegen geschlachtet zu werden wie die aus Enmoria,“ berichtete Salihah, die einmal wieder nach Tuhuli zum rat gekommen war, Minar Emo war ebenfalls aus Yiara gekommen. Hakopa Kohdar würde vorsichtshalber in der Hauptstadt der Provinz bleiben und den Senat überwachen, damit nichts Dummes geschah, sobald er den unschuldigen, ratlosen Männern einmal den Rücken kehrte. „Kelars Psychospiel geht wunderbar auf, er macht ihnen Angst und sie unterwerfen sich, um am Leben zu bleiben. Und solange wir ihn nicht stoppen, können wir nichts dagegen tun. Im Süden, in Yanghar unten, nenne sie meine Familie ein Dämonenpack und von bösen Geistern besessen, jenseits des Flusses fürchten sie, Kelar würde grausame geister auf sie hetzen, wenn sie es wagen sollten, sich aufzulehnen.“

„Da ist das Problem, er macht ihnen solche Angst dass sie gar nicht auf die Idee kommen, sich zusammenzutun und sich zu widersetzen,“ brummte Zoras und stützte den Kopf auf die Hände, während er auf der Terrasse am Tisch saß mit Salihah und Minar Emo. Im Garten übte Nomboh fleißig mit Nalani. „Die Angst verbreitet sich in ganz Dokahsan wie eine verfluchte Pest, selbst die begabteren Magier würden nicht wagen, zu widersprechen.“

„Wie lange wollen wir noch unser Kaffeekränzchen halten und abwarten, was schlimmeres kommt?“ seufzte Minar Emo beunruhigt, „Wir sind Geisterjäger. Wenn wir alle vier uns zusammentun, können wir vielleicht dem Wahnsinn Einhalt gebieten, und das am besten, bevor Kelar seinem Erben Tabari dieselben Flausen in den Kopf setzt und wir gleich zwei solche Vögel gegen uns haben.“

„Tabari ist weit davon entfernt, in seines Vaters Fußstapfen zu treten,“ bemerkte Salihah langsam. „Ich sehe ihn selten, wenn ich daheim bin, aber ich glaube, in diesem Punkt könnt ihr meinen Instinkten noch vertrauen, obwohl sie nicht immer meinem Willen gehorchen in der letzten Zeit.“ Ja, ihre Sichtweite hatte sich wirklich verschlechtert. Sie fragte sich, ob es eine Strafe der Geister für all ihre Gräueltaten war oder ob es der Einfluss von Kelars bösartiger Aura sein mochte.

„Na, wenigstens das,“ murmelte Zoras Chimalis und beobachtete nachdenklich seinen Bruder und Nalani in einiger Entfernung. „Was Minar sagt, erscheint nicht dumm, wenn einer den Anfang macht und versucht, das Unheil dieses Mannes zu beseitigen, wird das Volk aufmüpfig und die Unterwerfung ist dahin.“

„Wir können nicht einfach hinlaufen und ihn umbringen…“ meinte Salihah dumpf, „Niemand von uns vermag das und auch nicht alle zusammen würden wir das schaffen. Kelar ist mächtig und grausam, seine Instinkte sind tadellos und er würde vorher wissen, was ihm blüht, dann würde er zu einem noch fürchterlicheren Monster werden als er es schon ist.“ Zoras Chimalis drehte den Kopf in Minars Richtung.

„Was tut der Senat in Yiara?“

„Sie stehen am Rand einer Klippe und sind kurz davor, zu springen,“ erzählte der Mann, „Da Kelar noch immer so tut, als arbeite er mit dem Senat zusammen, fällt der ganze Hass der Menschen auf die Politiker zurück. Der Senat hat keinerlei Einfluss mehr und wie es aussieht kommt auch nichts Gescheites von weiter oben – die Senatoren sind dafür zuständig, das was hier abgeht nach Vialla zu tragen, also zum König des ganzen Landes, aber der mischt sich nach dem Kram mit Anthurien damals ja ungern in Dokahsans Politik ein. Das heißt, wir müssen die Suppe alleine auslöffeln.“

„Der König fürchtet den Namen Lyra genauso sehr wie das Volk hier,“ sagte Salihah kalt, und alle sahen sich erstaunt an.

„Der König?“ machte Minar perplex, „Warum das, was hatte der je mit euch zu tun?“

„Den Krieg gegen Anthurien hat damals der Gouverneur von Anthurien angezettelt, ohne sich mit dem König oder dem Rat in Vialla auseinanderzusetzen. Aber der König hat ihn nicht aufgehalten, als er mit seiner Armee unser Land verbrannte und unsere Frauen und Kinder mordete… es war ihm womöglich ganz recht, wenn jemand anderes für ihn die Drecksarbeit erledigte.“

„Drecksarbeit?“ machte Minar beunruhigt. Zoras linste die Frau unauffällig an, als er ahnte, in welche Richtung sich das entwickelte.

„Die Magier aus der Welt zu schaffen,“ sprach sie da schon weiter, und die Männer sahen sich kurz an. „Den Menschen ist alles suspekt, was sie nicht verstehen, was sie nicht beherrschen. Seien es wir Schamanen oder die Lianer, beide Magierrassen werden seit jeher geehrt, gefürchtet oder gehasst von den Menschen des Landes. Und nicht nur hier in Kisara, hier ist es noch verhältnismäßig glimpflich abgelaufen.“

„In der Tat,“ murmelte Zoras und raufte sich die Haare. „Im Osten von Fann wirst du sofort gepfählt, wenn du da als Magier hinkommst, und das ist kein Schauermärchen, das Ostvolk ist in Fann berüchtigt für seine übermenschliche Grausamkeit und Bestialität. Aber sie sollen die mächtigsten Kämpfer des Kontinenten sein, habe ich mir sagen lassen, sie werden quasi für den Kampf geboren und leben nur dafür, um auf dem Schlachtfeld einen ehrenhaften Tod zu finden. Merkwürdige Gesellen, als ich in Fann war, habe ich mich natürlich gehütet, den Osten zu bereisen, Geisterjäger hin oder her, die hätten mich gepfählt und zerstückelt und meinen Kopf als Trophäe vor ihrem Rathaus aufgehängt…“

„Ich bin noch nicht schlauer als vorher,“ warf Minar ein und sah Salihah an, „Warum fürchtet der König die Lyra-Familie, wenn er damit einverstanden war, dass Anthuriens Führer uns erledigt?“

„Weil das nicht funktioniert hat,“ grinste Salihah, „Weil ich diesen verräterischen, heuchlerischen Bastard von Gouverneur bei lebendigem Leibe in heißem Öl gekocht habe und der König das erfahren hat… und ich eine Frau des Lyra-Clans bin!“
 

Minar Emo zog eine Braue hoch und Zoras sah niemanden an.

„Du hast ihn in Öl gekocht?“ fragte der Mann verblüfft, „War das sinnbildlich…?“

„Es war so, wie ich es gesagt habe, gemeint…“ meinte sie erstaunlich kalt und ich diabolischer Blick machte dem Mann beinahe Angst. Sie war zwar auf ihrer Seite… aber sie war durchaus kaum weniger grausam als ihr Mann Kelar, dachte Minar Emo in dem Moment. Was für ein Duo infernale. „Sicherlich nichts, auf das ich stolz bin, aber ich bereue es auch nicht… es war seine eigene Schuld und es hat einen Krieg beendet. Es gibt keinen Grund, jetzt weiter darüber zu reden… aber der König kennt unseren Namen und verachtet und fürchtet ihn wie die Pest.“

„Deswegen wird sich der garantiert nicht einmischen in alles, was hier oben passiert,“ addierte Zoras mit Blick auf Minar Emo, der immer noch verwundert war, „Das ist eine Sache von Dokahsan – Lyrien, wie Kelar es nennt.“

„In Öl gekocht, ich fasse es nicht,“ murmelte Minar traumatisiert, „Wo hattest du so viel Öl her?“

„Es war billiges Öl aus Intario, die Händler ließen gut mit sich feilschen.“

„Und die Händler aus Intario kamen zufällig vorbei in der Stadt Pinhu?“

„Ja, sie lieferten das Öl zufällig an den Hof des Gouverneurs, am Abend sollte es ein Festessen mit fünfzig Gängen geben, sie brauchten in der Küche Öl für gebratene Hummer.“

„Hummer?!“

„Könnt ihr nachher weiter über Hummer diskutieren?“ machte Zoras plötzlich und unterbrach damit das Gespräch, die zwei anderen sahen ihn wieder an und schlagartig wurde es wieder ernst am Tisch. „Wir müssen dem Senat seinen Einfluss zurück verschaffen, egal auf welche Weise, solange wir Kelar nicht einfach aus dem Weg räumen können. Wenn wir ihn nicht direkt angreifen können, tun wir es indirekt und mit seinen eigenen Waffen.“

„Das heißt, wir trennen den Senat vom Rat und lassen die Senatoren öffentlich verkünden, dass es nicht länger eine Kooperation geben wird zwischen ihnen und den Schamanenräten,“ meinte Salihah, die seine Gedanken kannte und ihn darauf perplex ansah. „Das ist ein offensiver Zug, vielleicht zu offensiv.“

„Es geht aber nicht anders,“ stöhnte ihr heimlicher Geliebter und senkte den Kopf, „Denn wenn wir das tun, hat der Rat keine politische Entscheidungsmacht mehr, weder wir noch Kelar. Wenn er dann also etwas tut, tut er es gegen das Gesetz und wenn der Gesetzesbruch Überhand nimmt, können die Politiker des Landes nicht anders als sich einzuschalten. Das heißt, über kurz oder lang wird alles eskalieren und das ganze Land wird Kopf stehen, aber es wird nur kurz sein, danach ist es vorüber.“ Die zwei anderen sahen ihn und sich gegenseitig nachdenklich an. Im Hintergrund hörten sie Nomboh auf Nalani einreden, die mit ihrem Dolch herum hantierte. Salihah ließ den Blick zu ihnen schweifen.

„Sie ist stark und erwachsen geworden in dem einen Jahr, das bald herum ist,“ bemerkte sie nach langer Pause. „Thono und Haki im Geisterreich müssen sehr stolz auf ihr Mädchen sein.“

„Das Mädchen ist jetzt eine Frau,“ meinte Zoras auch und sah zu Nalani und Nomboh, „Tabari soll nett zu ihr sein, sie ist viel zu wertvoll um als Matratze und Gebärmaschine herzuhalten…“

„So wie ich sie kenne wird sie das auch nicht aus sich machen lassen,“ meinte Salihah und musste grinsen, „Tabari hat es, so glaube ich, ziemlich schwer gehabt bei ihr vor ihrer Lehre, wenn du verstehst, was ich meine.“

„Da kann er einem ja beinahe leid tun…“

„Leid tun?“ machte Salihah ungläubig, „Er sollte sich geehrt fühlen, sie zur Frau haben zu können… ihre Bestimmung ist die einer Königin… und es wird nicht mehr lange dauern, dann wird sie eine sein. An dem Tag, an dem sie die Winde rufen kann.“
 

Der Regenmond machte seinem Namen alle Ehre. Nomboh war aber knallhart und trainierte auch im strömenden Regen mit dem Mädchen im Garten, obwohl seine Frau meckerte, Nalani würde sich eine Erkältung holen, weil er mit ihr im Regen herumtanzen musste.

„Jetzt pfusch mir nicht in meine Arbeit,“ hatte er eiskalt zu Keisha gesagt, und Nalani war verblüfft über seine plötzliche Härte gewesen, wo er doch sonst immer so fröhlich war. „Uns rennt die Zeit davon und ich werde das Mädchen so unterweisen, dass es was lernt, ich werde sie sich schon nicht die Pest holen lassen, Himmel und Erde.“

„Ja, ja, Himmel und Erde, fluch du nur!“ hatte die Frau beleidigt genölt, „Ich sitze dann so lange hier in der Küche und trinke Tee, wenn dein Bruder mich nicht wieder mit seinem Kaffee verrückt macht!“

„Du solltest den Kaffee ehren,“ Zoras Chimalis hatte theatralisch den Finger durch die Luft geschwungen, „Er macht Müde morgens munter, sogar Nalani weiß das zu schätzen.“

„Ach, gingest du früher ins Bett, bräuchtest du auch keinen wach machenden Kaffee zu trinken!“
 

„Meine Frau ist mitunter etwas anstrengend,“ lachte Nomboh, als er mit Nalani im Regen stand, „Sie schreit viel herum, aber sie meint es nur gut mit allen, ehrlich. Sie schätzt dich übrigens sehr, deswegen will sie nicht, dass du krank wirst.“

„Es ist mir eine Ehre,“ erwiderte Nalani und zog Kadhúrem aus der Scheide, die sie am Gürtel trug, „Ich hoffe, sie sorgt sich nicht zu sehr.“ Ihr meister kam ohne viele Umschweife wegen des Regens schnell zur Sache.

„Jetzt, Nalani, werde ich dir eine letzte Lektion beibringen. Du hast viel und fleißig gelernt und unser Jahr hier ist beinahe herum. Das letzte, was ich dir zeigen kann und werde, ist das Rufen der Geisterwinde.“

Nalani sah ihn gespannt an, als er langsam die Arme hob und dabei weiter redete.

„Die Geisterwinde sind mächtige Geister des Himmels. Wir nennen sie auch manchmal Die Söhne des Vater Himmel. Als mächtiger Schwarzmagier bist du in der Lage, sie zu rufen, als Geisterjäger bist du fähig, sie zu rufen und zu beherrschen… darum nennen wir stärksten Schwarzmagier uns Geisterjäger, Jäger der Geisterwinde. Sie gehorchen unserem Willen und wir können vieles mit ihnen tun… sei es, das Wetter zu kontrollieren oder Menschen zu verfluchen oder gar zu töten. Eine gefährliche und starke Waffe sind sie, wenn man sie beherrschen kann. Das Beherrschen, Nalani… ist etwa, das dir kein Lehrer der Welt zeigen kann. Du musst es alleine lernen… alles, was ich tun kann, ist dir die Tür zu öffnen. Hindurchgehen wirst du selbst.“ Sie nickte ehrfürchtig, als er die Arme in den Himmel streckte und ein düsteres Grollen aus dem Himmel folgte, das die Erde unter Nalanis Füßen beben ließ. Der Mann warf den Kopf in den Nacken und das Mädchen beobachtete ihn fasziniert, als das Donnern über ihnen lauter wurde. „Himmelsgeister!“ rief er dann laut und Nalani war verblüfft über seine plötzlich so herrische und laute Stimme – eine Stimme, der garantiert jeder geist folgen würde, so dachte sie, dem zu widersprechen sollten die erst mal wagen… „Himmelsgeister, kommt herab und lasst mich euch führen! Kommt!“ Es gab ein neues Krachen direkt über dem Garten und Nalani zuckte unwillkürlich zusammen, als Nomboh den Kopf wieder zu ihr drehte und sie die magische Aura erkennen konnte, die ihn umgab wie ein blitzendes Lichtfeld. Es bündelte sich zwischen seinen Händen und mit einem Blitzen aus dem Himmel bildete sich ein mächtiger Wirbel auch Macht in der Luft über ihm, dessen Anblick Nalani die Augen weiten ließ.

Gewaltig… die Macht der Geisterwinde, ich kann sie spüren, obwohl ich viele Fuß davon entfernt stehe…

Nomboh breitete die Arme aus und plötzlich verschwanden das Leuchten und der Wirbel. Das Grollen verzog sich und mit einem Mal erschien ihnen der Regen lautlos.

„Das nur zur Demonstration,“ meinte er glucksend und raufte sich die Haare, als hätte er sich im Sand gewälzt, „Nicht alle Formen der Geisterwinde kann man sehen, Nalani. Manche… spürst du nur, wie sie deinen Körper besitzen und wie du über sie gebieten kannst. Die, mit denen wir Regen rufen können, sind solche, die man nicht sieht. Merk dir… die mächtigsten Zauber sind die, die man nicht sehen kann. Das hier hat nichts mit den elementaren Zerstörern zu tun, die man sehen und begreifen kann… deshalb gibt es so wenige Geisterjäger. Die wenigsten können die Geisterwinde und ihre sowohl wundersame als auch grausame Macht begreifen. Letztlich, Nalani… sind die Geisterwinde nichts anderes als das, was wir Natur nennen. Und die Natur ist gleichzeitig unser Verbündeter und der grausamste Feind. Sie ist erbarmungslos und hält doch ein empfindliches Gleichgewicht. Wir Menschen müssen lernen, das zu achten und sorgsam damit umzugehen… genau das ist unsere Aufgabe als Schamanen. Wir können die Natur manipulieren und beherrschen, aber wenn wir es übertreiben und das Gleichgewicht stören, wird sie uns hart bestrafen und vielleicht alle vernichten.“ Bei den ernsten Worten senkte er den Kopf. Nalani dachte automatisch an Kelar. Ob seine Gräueltaten schon so eine Strafe bewirkt hatten, die unweigerlich käme?

Nomboh riss sie aus ihren Gedanken.

„Jetzt versuch du es. Horch auf dein Innerstes und beherrsche deine Seele noch besser als sonst. Steck Kadhúrem weg, das wirst du heute nicht brauchen.“ Sie tat wie ihr geheißen, holte tief Luft und begann gehorsam, sich zu konzentrieren. Wie er zuvor riss sie die Arme empor und lehnte den Kopf zurück. Sobald sie die Augen schloss, spürte sie, wie die Macht aus der Erde und aus dem Himmel durch ihren Körper strömte, wie die Geisterstimmen in ihrem Kopf flüsterten.

„Geister des Himmels und der Erde!“ rief sie laut und öffnete die Augen. Aber sie sah nicht mehr den Himmel über sich, auch nicht den Regen, sie sah die schwebenden Lichter der Geister, die sich sammelten und einander umkreisten. Über ihnen zog ein düsterer Schatten herauf und sie spürte, wie er sie einhüllte und die Welt ins Dunkel zu tauchen drohte. Der Himmel über ihr grollte und Nalani fühlte das Zittern der Erde unter ihren Füßen, als die Macht der Geister durch ihre Arme in ihre Hände strömte und sie das blendende Licht sah, das sich dazwischen bündelte. Das Licht schmerzte ihr in den Augen. „Vater Himmel, sprich durch mich!“ wisperte sie ergeben und senkte den Kopf wieder, um Nomboh vor sich anzusehen, der die Augen weitete. „Mutter Erde, tanze durch mich! Ich bin ein Geisterkind und ihr werdet meinem Befehl folgen!“ Sie spürte, wie ihr Körper bebte und wie die Macht der Geister über ihr sie umzureißen versuchte wie ein sehr heftiger Wirbelsturm. Sie versuchte dagegen anzukämpfen, aber es war nicht leicht.

Nomboh kam ihr zu Hilfe, indem er eine Hand mit seiner Feder ausstreckte und mit einem lauten Krachen die Geister aus Nalanis Körper und über ihr vertrieb. Das Mädchen taumelte, als es plötzlich wieder die Wirklichkeit um sich herum spürte und die Trance vorüber war. Die Macht war verschwunden.

„Beeindruckend…“ murmelte Nomboh und sah in den düster gewordenen Himmel. Es regnete noch immer, aber die Schwärze des Himmels kam nicht von den Regenwolken. „Du bist wahrlich… ein Kind des Schattenclans Kandaya…“

Nalani schnappte nach Luft und sah auch empor.

„Was hat das zu bedeuten…?“ fragte sie, „War ich das?“

„Deine Gaben sind sehr mächtig,“ antwortete der Lehrer nachdenklich, „Du hast es beim ersten Versuch sofort geschafft, die Winde zu rufen… du beherrschst sie noch nicht komplett, deshalb strauchelst du; das ist das, was du alleine lernen musst. So wie das, was du mit Kadhúrem tust, das ist auch eine Art der Geisterkontrolle. Die Geister reagieren stark auf dich und auf deinen Ruf, Nalani… das hat nichts anderes zu bedeuten als dass du sehr talentiert bist.“ Nalani sah ihn groß an und war fasziniert.

„Ich fühle mich wirklich geehrt von Euren Worten, Meister…“ Nomboh lachte.

„Ach, nicht doch, Nalani. Du hast ein großes Schicksal, wenn du in den Visionen meines Bruders auftauchst… ich bin es, der sich geehrt fühlt, dich unterrichtet zu haben.“ Er kehrte ihr den Rücken und schüttelte sich, während die Finsternis des Himmels langsam verblasste. „Meine Güte, bin ich nass, lass uns reingehen! Bald ist Sommer, Nalani. Im Sommer wirst du zurück zu den Lyras kehren.“ Nalani folgte ihm artig, senkte aber verhalten den Kopf bei den Gedanken an die Rückkehr.

„Mögen die Geister jenem Tag zürnen…“
 

Der Sommer wurde schwül und ruhig. Sehr ruhig, es war wie die Stille vor einem gewaltigen Unwetter, das drohte, als würde das Land die Luft anhalten, bevor es einen brüllenden Schrei des Zorns und des Verderbens von sich stoßen würde. Die drückende Luft schien selbst den Himmel auf die Erde herabdrücken zu wollen. Böse und unheilschwanger hing er in einem seltsamen, gelblich-grünen Ton über dem Land. Am Horizont braute sich ein gewaltiger Wolkenturm auf wie ein unheilvoller Berg einer grausamen Macht.

Tabari Lyra lag auf dem Rücken um Gras und starrte in den beunruhigenden Himmel. Es würde bald Regen geben. Die Sturmwolken am Horizont kamen in beängstigender Geschwindigkeit näher, vermutlich würde es ein heftiges Unwetter werden. Mutter Erde unter ihm war unruhig, das Unheil aus dem Himmel über ihr ließ ihre Fasern ganz leicht erzittern, so leicht, dass es niemand bemerkte. Abgesehen von Tabari, der einfach nur da lag und dem jedes Beben der Mutter Erde auffiel. Als die untergehende Sonne einen gefährlichen gelben Schein auf den Wolkenberg warf, hob der junge Mann den Kopf.

„Es sieht aus wie ein Himmelsfeuer…“ murmelte er zu sich selbst und beobachtete die tanzenden Lichter. „Was zürnt ihr, Himmelsgeister? Macht ihr jetzt diesem Land und diesen Menschen ein Ende, die euch mit Füßen treten?“

„Staub und Schatten werden kommen,“ antworteten die Geister ihm grimmig. Er setzte sich langsam auf und runzelte beunruhigt die Stirn.

Staub und Schatten?

Plötzlich spürte er, dass sich ihm etwas von hinten näherte. Blitzschnell war er auf den Beinen und packte seinen Speer vom Boden, mit dem er oft auf die Jagd ging, um ihm dem Untier, das sich an ihn anzuschleichen versuchte, grimmig an die Kehle zu halten – und er erstarrte, als er sein Gegenüber erkannte.

„Die Instinkte eines Jägers hast du, Tabari, und du bist beeindruckend schnell. Zumindest auf den Beinen.“

Er weitete erstaunt die Augen und ließ augenblicklich seine Waffe sinken. Dann musterte er sein Gegenüber von oben bis unten, bis er ihm wieder ins Gesicht blickte und die Stirn runzelte.

„Und du schleichst dich geräuschlos an wie ein Panther… wolltest du mich umbringen, Nalani?“
 


 

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äh - jah XD wow, Nalani ist wieder zu Hause XD ich geh auf den abschied von tuhuli nochmal ein, keine sorge, kommt nur aufn ersten blick komisch rüber mit em letzten absatz^^



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  Enyxis
2012-01-13T17:40:54+00:00 13.01.2012 18:40
Als erstes:
*flenn* TTOTT Dass Nalani wieder zurück muss ey.... Das is dort doch fast die Hölle auf Erden...

Ich mag Tabari O.o aber ich mache mir dennoch meine Gedanken....

Tolles Kapi *__* Nalani ist so cool!

PS:
Hoffentlich bringen die Kelar um Ò_Ó Ich hab so nen Hass auf den xD
Von:  -Izumi-
2009-05-14T20:10:56+00:00 14.05.2009 22:10
Ihr Ärsche, ich hasse euch óô
Ich bin nun mal langsam im lesen Ò___ó
Ich bin aber trotzdem die Tollste, pfh...

Also, das Kappi war toll, ich hab so oft lachen müssen XDD
Ich meine, sadistisch, darüber zu lachen, wenn der arme Zoras den Daumen abgehackt bekommt, aber seine Reaktion war ja mal klasse XDD
Er redet und redet und hört nicht mehr auf XD
Und Keisha (wird sie so geschrieben oô) ist auch mal geil XDD
Sie ist super amüsant, mehr kann ich nicht sagen XD
Die hysterische Frau, haha XDD
Nomboh rult auch ôo
Er ist ja normalerweise immer so lieb und nett, wenn er dann mal ein bisschen posen tut, macht das ihn erst extra cool XD

Und dann awwwww <3
Was ne süße Salihah und Zorchen-Szene *////*
Ich hab mich so gefreut XD
Hab mich voll weggeawwt XDD
Und da im Badezimmer, Nalani hat ihr das eiskalt auf die Nase gebunden und sie wird rot, wie süüüß >////<
Mach noch ganz viele solche Szenen ^o^ (musst du ohnehin, harr XD)

Ah ja, aber Kelar ist gar nicht vorgekommen, er wurde bloß dauernd erwähnt oô
Apropos erwähnt, ich hab Nalani vergessen XDD
Sie ist so cool *_____*
So ne krass Poserin, Alter XDD
Mensch, Puran hat ne coole Mami úû
Ich mag sie, ich freu mich auf alles, was noch mit ihr kommt ^o^



Und jetzt hoff ich, dass mein Kommi wenigstens am längsten ist óô
Dabei hab ich schon mit dem Gedanken gespielt, dir gar keine mehr zu schreiben, weil ich doch so neidisch bin XD
Von:  Decken-Diebin
2009-05-14T19:48:50+00:00 14.05.2009 21:48
Ich hab atgelang auf dieses Kapitel gewartet und jetzt ist es daaaaaa ^___^ *freu*
Ich fand's auch niedlich, dass Salihah rot geworden ist. Ungewöhnlich für sie. Aber was soll man machen bei dem Thema. Nalani war lustig mit der Aussage da... "Ich hab euch gesehen, wie ihr euch in der Stube geliebt habt..." xDD
Na ja, jetzt hat Nalani ja noch ihr Versprechen einzulösen XD Ich hoffe doch, das wird auch wieder schön beschrieben xDD
LG, Hina
Von:  Kimiko93
2009-05-14T19:34:24+00:00 14.05.2009 21:34
Der letzte Absatz ist toll XD Chilling-Tabari XDDDD maaan, er scheint ganz schön weise geworden zu sein ôo

Ähem, ja. Poser!Nalani-Kapitel siebhundertdreiundszwanzig. Oder so. Wohoo. Die kann alles. Sofort. Perfekt.
Na ja, so ähnlich.

Und Salihah ist rot geworden oo' wie niiiiiiedlich XD Ich fang ja jedes mal an zu quietschen, wenn sie Zoras 'Liebster' nennt, auch wenn ich schon immer fand, dass sich das leicht grenzdebil anhört...

Und der Chimalis-Clan ist so~o tollig XD schade, dass fast alle draufgehen ôo ich meine, bisher ist noch keiner aufgetaucht, der dieses Buch überleben wird oO' abgesehen von Nalanis Geist, der von ihrre eigenen Schwiegertochter besitz ergreifen wird, ähähähähähähäm...
Von:  Yachiru
2009-05-14T19:33:54+00:00 14.05.2009 21:33
ERSTE!!!EINSELF!!!!!!!

Das Ende war tollig.

Mal sehen, was Nalani und Tabari so erleben *___*
Und Kelar (-.-) muss ja auch da sein.. Er wird Nalani bestimmt als Wachtel beschimpfen.. Tatagreis, echt XDDD


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