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Voodoopunk

von

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Tiefem Nebel und gedrungenen Wolken gleich floss der Stoff vom Boden zur Decke und dort in undurchsichtigen Bahnen bald erneut hinab. Die Tür war fest verschlossen, doch stets wanderte Bewegung durch die Windungen der Vorhänge, während Mama Morgana die wulstigen Hände aneinander rieb wie andere Menschen in freudiger Erwartung. Die Holzperlen knirschten dunkel und schwer zwischen den geschlossenen Fingern, rollten darin gegeneinander wie ein Meer orientierungsloser Augenbälle. Ihre Augen waren geschlossen, von den Handballen bis zu den ersten Fingerknöcheln tastete sie die Wellen im geglätteten Holz ab und war auf der Suche nach Mustern in den Zwischenräumen. Ein Glucksen blätterte in den Seiten der Raumes herum und von den Wänden ab wie der bemalte Putz, doch fand nicht an ihre Ohren heran. Die fettigen Lippen zerrten Falten zu den Ohren hinauf über das verjährte Gesicht.

Eshu konnte nicht zu spät kommen, denn Mama Morgana ahnte bereits wo er wann sein würde, auch wo er sich verlaufen oder trödeln würde. Sie leckte sich die Lippe und konnte den muffigen Dunst riechen, als Eshu eine gegerbte Haut hochschlug, um neugierig nach der aufgemalten Flouriszenz schlafender Adoleszenter in der Düsternis zischen den Falten zu suchen. Tänzer in den Straßen des Nachts die einzige Lichtquelle der Stadt; neben den Fackeln; und den Trommeln; und dem gleißenden Aufbegehren der Unterstadt, tief, tief, die Lüge eines Lichts am Ende des Tunnels.

Es war eine Gabe die schlafenden Tänzer, erschöpft im erlöschenden Meskalin unter das Dunkel der Pfahlbauten gesunken, bei Tag zu sehen, doch sie würde Eshu trotzdem schelten, weil er zu spät war.

Auch wenn Mama Morgana wusste, wann er verschlief, bevor er auch nur erwachte, brauchte jede Kunst Selbstdisziplin. Jede Macht ihre Grenzen. Jeder Veitstanz sein Muster und wenn es wie das scheckige Fell des Kojoten war, verfloht und listig.

Verdammter Kindskopf, glaubt dass die Sonne hier niemals untergeht; dabei sind es nur die aufgemalten Hautbilder der Tänzer in den Straßen, was uns nachts bleibt.

Mama Morgana ließ die Perlen wie Regen auf die blank aufgereihten Knochen fallen und die ausgebreiteten Hände über dem Puls der Stadt ruhen. Die Handflächen in der Luft erhoben, der Hahn krähte, die Finger glitten hinaus und erkundigten sich nach allerlei Befinden. Leise sprachen die Lippen in keiner Sprache der Welt und kosteten dabei sachte im Vorbeirinnen die Ecken und Kanten der Häuser und Wege. Das Bambus, das Holz und die Knochen; auch die Fugen. Die Stadt breitete sich aus und stand doch am Fleck, an dem irgendwann einmal aus Himmel und Erde Blut und Knochen geworden waren und die Geister begonnen hatten zu laufen.

Großes mächtiges Voodoo. Lächeln der Loa.

Laufen. Mama Morgana bleckte makellos weiße Zähne und füllig rotes Zahnfleisch. Was für eine langwierige Art der Bewegung.

Ihre Finger wollten nicht recht ausschweifen und pickten immer wieder suchend nach Eshu. Ein Becher Milchkaffee in Menschengestalt und Straßenkleidung. Unstillbar, so unstillbar und bald vor ihrer Tür angelangt.

Sie erhob sich vom Boden – die Knochen knirschten unsagbar leise – und schritt sicheren Fußes den Weg durch die Bahnen des Stoffes ab. Sie trat auf keine Perle, nur wenige wanderten in den Rillen des Fußbodens träge umher, während die Farben unberührt über und neben ihr vorbeiglitten.

Das Feuer knisterte im Hinterraum von Mama Morganas Hütte und erlosch niemals, weder am Tag, noch in der Nacht oder den Zeiten dazwischen. Irgendein Kind aus der Nachbarschaft kannte immer einen Gang in ihr Hinterzimmer, egal wie alt sie wurde und gleich ob noch ein Kind war. Manche hatte sie selbst in den Wegen unterwiesen, andere fanden zu ihr und wenn sie besorgt waren kein Feuer mehr nachlegen zu können, dann hatten sie einen kleinen Bruder oder eine jüngere Schwester, die sich der Sache annahmen. Es war weder Pflicht, noch Recht das Feuer am Brennen zu halten, doch altes Ritual. Manchmal kam es Mama Morgana älter vor als sie selbst, vielleicht weil es für sie irgendwann dort begonnen hatte, wo sie der schwarzen Mama Brigitte zum ersten Mal als kleines Mädchen Feuer in den Ofen gelegt hatte. Ein kleiner Reisigzweig aus den Gassen hereingetragen, als die Glut im Begriff war zu vergehen.

Eshu, wusste Mama Morgana, würde eher versuchen ihr das Feuer zu stehlen, als die Flammen zu nähren, doch er würde sehr bald hier sein. Zeit für Kaffee.

Der grob in Form gebeulte Wasserkessel gluckerte blechern, als sie Wasser schöpfte und ihn über die Feuerstelle hängte. Wie unzählige andere Frauen, jung und alt, zu diesen Morgenstunden der Stadt, setzte sie sich nieder, um Bohnen in die Kaffeemühle zu schütteln und schon bald erfüllte das rhythmische Mahlen ihrer Hände das Hinterzimmer. Es mischte sich mit dem namenlosen Geruch von Wasserdampf und bedeckte die kleine Küche wie ein schwerer schwarzen Schleier.

Nur in Mama Morganas Küche war zu diesen Stunden des Morgens ein schwarzer Vorhang in der verschlafen lebendigen Luft erlaubt, wenn das Wasser auf die Hitze und die Mühle auf das Pulver und sie auf Kaffee harrte. Eine flüchtige Sünde an den Loa und Ghede sieht zum Glück stets mit einem Auge weg, doch durch das Dampfen und Mahlen konnte Mama Morgana die Stoffe in der Hütte flattern und den Hahn unsicher glucksen hören. Ghede sieht weg. Ghede sieht weg.

Als das Wasser bereits durch ein feines Stoffsieb hinab in einen Tonkrug tropfte, tröpfelten auch Eshus Schritte von den Ebenen und Gassen zu ihrer Haustür. Sie vermischten sich mit der baldigen Realität und Mama Morgana beschloss ihren Schützling noch auf seine erste Rüge warten zu lassen, bis die erste Tasse Kaffee bereit war.

Als das schwarze Wasser in einen lackierten Becher floss, nahm eine Holzperle die Rillen zwischen den Knochen zum Hinterzimmer und sprang über. Sie kam kullernd auf den Bastmatten zum Stehen und Mama Morgana lächelte, während sie sie im Vorbeigehen auflas.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Ito-chan
2009-07-21T19:35:38+00:00 21.07.2009 21:35
So... ich versuche auch hierzu mal einen Kommi.
Wobei ich die alte Dame auf verquere Weise sympathisch finde...
Die ganze Stimmung ist sehr angenehm. Zwar gehetzt, aber dennoch durch die Erzählweise ruhig.


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