Kapitel 53
Das Herz der jungen Dame klopfte noch immer schnell. Die Treppen waren ihr schier endlos vorgekommen. So schlimm war es nicht einmal gewesen, wie sie das erste Mal vor ihren Verlobten hatte treten müssen. Selbst da fand der leidliche Weg endlich ein Ende. Ihr war zudem vom ersten Schritt an bewusst gewesen, worauf es hinauslaufen würde. Doch hier war alles unsicher. Vor allem wohl Hinata selbst.
Wie lang sie gedankenlos vor der Tür gestanden hatte, das konnte sie nicht mehr sagen. Sie hatte auf die Klingel geschaut, ihre Fingerspitzen waren immer wieder leicht über die Maserung der Tür gefahren. Es wäre einfach, wenn sie einfach nur gehen würde. Wenn sie es nicht tat. Doch selbst dazu hatte sie nicht mehr den Mut. Jetzt war sie diesen Weg gegangen und Daisuke würde so schnell auch nicht aufwachen, also musste sie es wagen. Einfach über ihren Schatten springen und mutig dem entgegen schreiten, was sie sich doch vorgenommen hatte.
„Du bist stark…“, wisperte Hinata leise immer wieder vor sich hin. Sie musste sich Mut anreden. So viel sie auch durchgestanden hatte, so viel ihr angetan wurde, es war noch immer nicht zu fassen, dass sie hierbei zitterte. Das sie vor diesem Schritt Angst hatte.
Nun mach endlich!, forderte sich die junge Schönheit zuletzt selbst auf sie wie auch schon die Hand hob und zögerlich gegen die Tür klopfte. Ganz leise. So dass sie immer noch sagen könnte, es wäre niemand da gewesen. Doch ihr Herz entschied anders. Immer wieder ließ es die Hand gegen die Tür hämmern. Dann war auch eine Stimme zu hören.
Schnell weg…, ging es Hinata immer wieder durch den Kopf, doch auch dafür war es zu spät, wie die Tür mit einem Mal aufgerissen wurde. So konnte sie endlich wieder in die schönsten blauen Augen blicken, die sie kannte. Die sie so lange schon vermisst hatte. Auch diesen verdutzten Blick.
„Hi-nata?“, fragte Naruto nach als hätte er sie vorher noch nie gesehen. Den Kopf streckte er ein Stück weiter aus der Tür und blickte sich ein Mal genau und vor allem wohl verschwörerisch um. „Du bist allein?“
„Jetzt nicht mehr“, erwiderte die junge Dame mit einem sanften Lächeln und betrachtete Naruto. Eigentlich war es doch schon genug. Jetzt könnte sie gehen und beruhigt einschlafen. Mehr hatte sie nicht gewollt. Nur einen Blick auf ihn werfen, da es ihnen am Morgen doch nicht gegönnt wurde. „Ich wollte auch nicht weiter stören…es ist besser, wenn ich…“
„Nichts da!“, fuhr ihr Naruto sofort zwischen die Worte und zog Hinata sanft in seine Arme. Es war kein Tagtraum, es war Realität. Er konnte sie in seinen Armen halten und sie verschwand nicht mehr. Das hoffte er zumindest, bat die Frau seines Herzens auch gleich ihn doch bitte ein Mal zu zwicken, damit alles ausgeschlossen war.
„Du spinnst…“, antwortete Hinata darauf, legte ihren Kopf jedoch sachte an seine warme Brust. Es war so lange her, dass sie sich derart geborgen fühlte. All diese wundervollen Gefühle von Vertrautheit und Freundschaft, sie keimten wieder auf und erblühten in ihrem Körper.
„Das stimmt doch gar nicht. Ich will doch nur sichergehen, dass du nicht gleich wie eine Seifenblase zerplatzt…“, oder das sie sich gar noch in Daisuke verwandeln würde. Denn diesem blonden Widerling traute er es über alle Maße zu.
„Ich bin hier…glaube es mir doch einfach…“, erwiderte Hinata leise und blieb noch so in seinen Armen. Jetzt wollte sie auch nicht mehr weg von hier, sie würde die ganze Nacht bleiben, wenn es denn möglich war. Es gab doch so viel zu besprechen und zu erklären. Auch wenn sich die junge Hyuuga sicherlich kaum trauen würde den Mund zu öffnen. Wahrscheinlich würde sie nur wieder umkippen und die Nacht nicht mehr aufwachen. Auch wenn die Zeit dann wirklich zu schade war. Dann hätte sie doch auch bei ihrem blonden Schoßhund bleiben können, der jetzt wohl laut schnarchend auf dem Boden lag und die Sakeflasche noch ein wenig kuschelte. Eigentlich war diese Vorstellung schon bald zu niedlich. Dann wäre er endlich einmal lieb und würde nicht für Ärger sorgen. Was bei ihm jedoch scheinbar unmöglich war.
„Wie bist du ihm entkommen…?“, fragte Naruto nun auch vorsichtig nach ehe er mit der jungen Schönheit hinter der Tür verschwand. Er wollte Hinata für sich alleine haben, es sollte ja nicht einmal jemand sehen können, dass sie bei ihm war. Endlich würde sein Traum wahr werden könnten. Das hoffte er zumindest, wenn auch eben nur bis zu einem gewissen Grad.
„Mein Geheimnis…“, lächelte die junge Hyuuga zu ihm hinauf und schnippte ihm gegen die Nase ehe sie sich langsam von seinem Körper löste und weiter in die kleine Wohnung hineinging. Sie war bisher noch nie hier gewesen. Bisher hatte es ja auch nie einen Anlass gegeben sich die Wohnung des Jungen anzusehen, den sie doch schon so lange liebte. Und wie sie sah, gab es hier auch nichts Besonderes, aber genau das machte es doch aus. Alles war sehr persönlich eingerichtet und vor allem eben chaotisch. So, wie Naruto es eben auch war.
„Nein…du musst es mir sagen, bitte…“, quengelte Naruto gleich wieder und griff auch sofort nach ihrer Hand. Sie sollte nicht gleich wieder von ihm weg. Endlich waren sie zusammen und sie suchte schon das Weite, wo er sich doch gerade daran gewöhnen wollte, dass sie bei ihm war.
„Es ist einfach nur Zufall, dass ich hier bin…es war irgendwo eine kleine Hoffnung, dass ich…nun ja…also…“, weiter kam Hinata wieder nicht, blickte nur verlegen auf den Boden und spielte nervös an den Fingerspitzen umher. Nicht einmal jetzt konnte sie ihm sagen, dass sie doch nur zu ihm hatte gehen wollen und das es nur geklappt hatte, da der Hokage sich bereitwillig dazu geopfert hatte ein wenig mit Daisuke zu trinken. Obwohl die Hyuuga nicht einmal davon etwas gewusst hatte.
Sachte zog Naruto die Schwarzhaarige wieder zu sich heran und umschlang sie mit seinen Armen. Sie war so zierlich und klein, dass sie dort bald verschwinden könnte.
„Ganz gleich, wieso du nun hier bist…gehen lassen tu ich dich bestimmt nicht mehr…“, schloss Naruto diese Druckserei einfach ab und drückte Hinata lieber an sich heran. Sie hatte einen wunderbaren Duft an sich, ganz lieblich. Eben doch, wie eine Frühlingswiese und das sogar im Spätherbst. Sie müsste einfach den ganzen Winter bei ihm bleiben, dann würde er wohl niemals irgendwie dunkle Jahreszeitendepressionen bekommen können. Die junge Dame war doch eh sein Sonnenschein.
„Das geht auch nicht…das weißt du…“
„Das ist mir egal! Soll Shikamaru doch versuchen seinen dummen Plan durchzusetzen, wenn ich dich hier behalte, dann ist eh alles viel besser. Dann bist du bei mir und diesen Daisuke bekomm ich auch noch platt!“, erwiderte Naruto sofort selbstbewusst, woraufhin Hinata kichernd den Kopf schüttelte.
Eigentlich war ihr viel mehr nach Weinen zu Mute. Das alles hörte sich wirklich toll an, es wäre ein Traum, wenn es so klappen würde, doch sie wollte ihre Hoffnungen nicht noch einmal verlieren und enttäuscht werden. Ein Traum ist nur in der Nacht real.
„Hm? Was ist so lustig?“
„Nichts, Naruto…nichts“, erwiderte Hinata darauf und verweilte mit ihm noch einen schweigenden Moment. Vielleicht würde sie wirklich hier bleiben, denn nach Hause bräuchte sie nicht. Ihr Vater hatte der Hochzeit zugesagt, sie wollte ihn so schnell nicht wiedersehen und Neji war nicht im Dorf. Die anderen würde sie morgen auf der Hochzeit sehen. Dementsprechend hatte sie nichts zu verlieren. Es würde schon niemand nach ihr suchen.
Nachdem die beiden es schafften sich voneinander zu lösen und Naruto sogar noch ein paar Teebeutel in der Küche auffinden konnte, machten es sich die beiden auf seinem Sofa bequem. Oder zumindest dem Möbelstück, welches einem Sofa ähnlich sah, denn es erinnerte viel mehr an eine Ablage oder Müllhalde als an etwas anderes. Doch nicht einmal daran wollte sich Hinata an diesem Abend noch stören, lächelte nur unentwegt weiter, hielt die Tasse mit beiden Händen umschlossen.
Langsam lehnte sich Naruto in seinen Sessel zurück, wusste nicht so recht, was er sagen sollte, beobachtete die junge Schönheit ihm gegenüber pausenlos. Ihr langes, schwarzes Haar lag in leichten Wellen über die Schultern. Eigentlich hatte er sie ganz glatt in Erinnerung, aber so gefiel ihm Hinata bald noch mehr. Ihre klaren Augen strahlen so viel Kraft aus, keine Ängstlichkeit mehr. Sie musste sich in den letzten Wochen wirklich sehr verändert haben.
Aber was wusste ein blonder ANBU-Führer schon? Er war in der Vergangenheit niemals lange im Dorf gewesen und hatte nach ihr geschaut. In diesem Punkt hatte Shino sicherlich Recht gehabt. Jener hatte sich immer um die Ärztin bemüht und ihr den Hof gemacht und Naruto fiel ihre Gunst zu ohne, dass er etwas dafür hatte tun müssen. Manchmal war die Welt schon ungerecht, aber diesen Platz wollte er auch nicht mehr aufgeben.
„Wirst du…morgen…auf der Hochzeit sein dürfen?“
„Mit Daisuke als Begleitung…“, erwiderte Hinata mit einem kleinen Seufzen. „Er soll ja auf mich Acht geben. Ich könnte ja weglaufen…“
„Genau, lass uns einfach zusammen durchbrennen!“
Auch wenn Hinata nur wieder augenrollend den Kopf schütteln konnte, ein kleines Grinsen huschte trotzdem über ihre Lippen. Der Blonde kam im Augenblick auf amüsante Ideen. Sie würden es nur niemals durchziehen dürfen. Sie hatte eine Verpflichtung zu ihrem Verlobten und Naruto konnte auch schlecht loslaufen.
„Dann enden wir doch auch als Missing-Nin...“
„Das wäre mir egal. Dann wären wir aber wenigstens zusammen!“, setzte Naruto sofort fest und merkte erst einige Sekunden später, was er mehr oder weniger gesagt hatte. Aber auch nur daran, wie der Schönheit die Röte merklich ins Gesicht schoss.
„Ist dir nicht gut…? Hast du Fieber?“, fragte er blauäugig nach, erhob sich dann auch um zu ihr hinüber zu gehen. „War der Tee zu heiß?“
„Du bist doof…“, wisperte Hinata viel mehr und senkte den Blick nur wieder, wie Naruto so direkt vor ihr stand und die Hand an ihre Stirn legte.
„Also eigentlich nicht…na ja…bisschen warm schon, aber Fieber ist das nicht…warte mal…“, somit ging er nun auch gleich in die Hocke zu ihr und legte die Lippen sanft an jene Stelle, wo seine Hand bis eben geruht hatte.
Das Herz der jungen Dame sprang beinahe im Dreieck. Wusste der Tollpatsch eigentlich, was er gerade mit ihr anstellte? Man hatte ja immer gehofft, dass er doch ein wenig erwachsener geworden wäre, doch so ganz schien das noch nicht der Fall zu sein. Und vielleicht aus dieser Naivität heraus fühlte es sich wirklich schön an.
„Hinata…“, hauchte Naruto leise auf ihre Haut, wie seine Lippen langsam an ihre Schläfe glitten. Hatte er vielleicht auch nur einen Vorwand gesucht um ihr abermals nahe sein zu können? Näher als zuvor?
Wenn ja, dann hatte er es geschafft, denn um die zukünftige Braut war es mittlerweile geschehen, sie war ihm einfach verfallen. Er konnte mit ihr machen, was er wollte und sie würde sich nicht wehren, kam sich mehr wie weiches Wachs in seinen Armen vor. Auch wenn es nur seine Hände waren, die bisher wieder ihren Körper berührten und leicht erschaudern ließen.
„Glaub mir…ich weiß, warum du rot bist…ich bin nicht mehr der kleine Junge von vor fünf Jahren…“, fügte er an, wie er mit den Fingern sanft eine Strähne hinter ihr Ohr strich um jenes freizulegen, denn das war sein nächstes Ziel. „Außerdem…hast du es mir doch im Brief geschrieben…so langsam sollte ich es dann verstanden haben, nicht wahr?“
Leise hörbar schluckte Hinata, griff nach einer Hand des Blonden um ihre Finger mit den Seinen zu verhaken. Sie brauchte seine Nähe, besonders, weil es doch gerade danach aussah als würde er es erwidern. Er durfte einfach nicht mit ihr spielen, denn es würde ihrem Tod gleich kommen. Dann hätte dieses Leben keinen Sinn mehr. Doch so sanft, wie er gerade mit ihr umging, ihren Körper aus der völligen Ruhe löste und allein mit seinem warmen Atem für Schauer sorgte, war sich Hinata sicher, dass sie niemals mehr gehen wollte. Das sie nun auch mit ihm durchbrennen wollte.
„Du hast mir die Augen geöffnet, Hinata…du warst immer direkt vor meiner Nase und ich hab dich nicht gesehen…ich sollte mich wohl schämen gehen…“
„Das…kannst du…später noch immer…machen…“, erwiderte sie darauf stimmlos und vielleicht schon mit einem leichten Zittern in der Stimme. Es war das erste Mal, dass sie so etwas empfand, denn wenn Daisuke so etwas bei ihr tat, verspürte sie nur den Drang sich zu übergeben. Bei Naruto hingegen wollte sie gar kein Ende der Zärtlichkeiten sehen. „Halt lieber…die Zeit für…ein paar Stunden an…“
„Bleib heute Nacht hier…bitte…“, brachte Naruto noch über die Lippen ehe er ganz sanft einen Kuss an ihr Ohr hauchte ehe er sie langsam vom Sofa hob, mit seinen Armen sanft umschlang um sie nahe bei sich zu halten. Vielleicht war es falsch, was er hier tat, vielleicht sollte das alles nicht passieren. Aber konnte etwas, dass sich so gut anfühlte, denn wirklich falsch sein?