Zum Inhalt der Seite

Take your mask off

Hikaru x Kaoru
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Meine Maske - Deine Maske

Meine Maske - Deine Maske
 


 


 

»Auf die Ouran Privatschule gehen Leute mit edler Herkunft,

die einen Haufen Geld haben. Reiche Leute haben auch unglaublich viel Zeit.

Folglich ist der Ouran Host Club ein Ort,

an dem gelangweilte Schönlinge sich um die ebenso gelangweilten Schülerinnen kümmern.

Es ist ein prachtvolles Spiel, das aus der Einzigartigkeit einer Schule für Superreiche entstand.«
 

Doch heute war einer dieser Tage, an denen die Kundinnen dem Host Club fern blieben. Also gab es Zeit für ein wenig Ruhe ohne das Rollenspielen. Unter den einzelnen Clubmitgliedern musste sich keiner verstellen. Jeder konnte so sein, wie er wollte. Und doch trug jeder auf eine gewisse Art und Weise eine Maske, unter der die Gefühle verborgen blieben und das Lächeln und die Freude der Wohlgesonnten herrschte.

Aber diese Ruhe bedeutete auch Langeweile, die ihnen durch ihre Kundinnen erspart werden konnte. So saß ein braunhaariger Junge in einem der Sessel und schaute durch das Fenster auf den weiträumigen und aufblühenden Park hinunter, der kaum besucht war. Ein paar Mädchen flanierten zufrieden auf den bekiesten Wegen und lachten. Auf der großen Wiese spielten einige Jungen Dosenschießen. Ach, wie gerne würde er der Langeweile entfliehen.

Eine Bewegung im Augenwinkel zog seine Aufmerksamkeit auf sich. Sein Blick wanderte nach links und blieb an seinem Ebenbild hängen. Schon verblüffend, wie ähnlich sie sich sahen. Ebenfalls in einem dieser Sessel sitzend und den Kopf mit der Hand abstützend schaute er aus dem Fenster. Das hellbraune Haar dieses Jungen hing ihm durch seine vorgebeugte Haltung im Gesicht und warf sanfte Schatten. Aber diese honiggoldenen Augen stießen ihm sofort ins Auge. Sie fingen die Sonne auf und behielten das Leuchten so lange bis er die Augen schloss, um dann erneut dieses gleißende Licht aufzufangen. Die Leere in seinen Augen spiegelte seine Langeweile wieder, die nichts in der Ferne suchten. Was für ein schöner Anblick. Woran sein Zwillingsbruder wohl gerade dachte, wenn er so nach draußen starrte? Plötzlich waren die Bernsteine auf ihn fixiert. Sein Ebenbild nahm den Kinn aus seiner Handfläche.

»Alles in Ordnung bei dir, Kaoru?«

»Was soll schon sein. Es ist nur so langweilig. Kaum zum aushalten, wenn du mich fragst.« Sein Gegenüber nickte zustimmend und wandte sich dem Innenraum des Musikzimmer Nr.3 zu. Kaoru tat es Hikaru gleich und wusste, wonach sein Bruder suchte. Spaß. Ein Spielzeug. Ein Spielzeug, dass ihre Spiele über sich ergehen ließe.

An einem Tisch hatte es sich Honey gemütlich gemacht uns aß an einer Erdbeertorte. Schon wieder? Hatte er eben nicht erst eine Torte verspeist? Das schrie wieder mal nach einem Angriff von Karies. Sein rosa Plüschhase kauerte neben ihm auf einem Stuhl und hatte einen Teller mit Kuchen vor sich stehen. Jeder wusste, dass der Hase nichts davon haben würde. Und Mori? Er hockte selbstverständlich am selben Tisch Honey gegenüber und schwieg. War ja auch nicht anders zu erwarten. Würde er irgendwann ein Gespräch anfangen, dann wäre ihm ein rotes Kreuz im Kalender sicher.

Wer käme den noch als potentielles Spielzeug in Frage? Kyouya. Dieser saß an seinem Laptop und verkaufte wahrscheinlich wieder mal die persönlichen Sachen der Clubmitglieder. Vermisste er etwas? Nicht das er wüsste. Ob Kyouya wieder Bilder von ihnen schießen lassen hat? Möglich. Woher bekam er nur immer diese Schnappschüsse?

Misstrauisch schaute Kaoru wieder zu seinem Zwillingsbruder. Hikarus Aufmerksamkeit war von Kyouya sofort zu dem erhöhten Lärmpegel in dem Raum gehuscht. Die Quelle dieses Lärms war Tamaki, wie immer. Der Chef schien super gut gelaunt. Das lag wohl an Haruhi, die neben ihm stand und sich über sein Verhalten amüsierte. Möchtegern Womanizer.

Eingeschnappt schaute Hikaru wieder hinaus ins Freie. Kaoru verstand sofort. Seitdem Haruhi sich am ersten Tag, an dem sie hier im Host Club tätig war, als Mädchen zu erkennen gab - wenn auch nicht ganz freiwillig - war um sie ein Rivalenkampf ausgebrochen, der von Tamaki und Hikaru ausgefochten wurde. Kaoru hatte ebenfalls liebevolle Gefühle für Haruhi gehegt. Das gehört jedoch bereits der Vergangenheit an. Sie war nicht mehr und nicht weniger als eine gute Freundin, die ihm hier im Club ans Herz gewachsen war. Weil sein Bruder sich in dasselbe Mädchen verguckt hatte, trat Kaoru den Posten als potentieller Freund ab, um Hikaru nicht im Weg zu stehen. Aber war das wirklich so? Oder war der Grund nicht doch dieses andere Gefühl? Dass einem warm und wohlig wurde, wenn eine ganz bestimmte Person den Raum betrat. Einen zufällig berührte und diese Stelle und viele andere im Körper anfingen zu kribbeln. Man sich bemühen musste, beim Rollenspielen nicht vor Angst zusammenzufahren, weil man befürchtet, er könnte dieses Verhalten verstehen, die Gefühle durchschauen und nicht darauf zu reagieren wissen. Sich im schlimmsten Fall von einem abwendet. Und eins war sicher, dass hatte Kaoru mittlerweile festgestellt: es war nicht Haruhi, die das alles in ihm auslöste!

»Einen Urlaub? Aber sicher doch, Haruhi! Alles was dein süßes Frauenherz begehrt. Wo willst du hin? An den Strand?«

»Das wäre wohl nicht sehr schlau, Tamaki. Erinnerst du dich noch an den letzten Strandurlaub?« Der hatte gesessen, Haruhi. Damit hatte sie dem Chef einen Stoß verpasst, der in ihm seine Vaterinstinkte weckte.

»Haruhi! Komm an Vaters Brust, meine Liebe. Dir wird nichts mehr geschehen, bei mir bist du sicher.« Tamaki hatte das Mädchen in seine Arme genommen und an seine Brust gedrückt, sodass sie rumzappelte und nach Luft rang.

»Aber ist sie bei dir auch sicher vor dir selbst, Tamaki?! Wer sagt, dass du deine Position als Vater nichts schamlos ausnutzt!« Anhand der Stimme von Hikaru filterte Kaoru raus, dass er verletzt war. Diesen herablassenden Unterton kannte er nur zu gut. Er hatte ihn früher selbst oft benutzt, um andere von sich und seinem Bruder fern zu halten.

»Mutter! Was haben wir nur getan? Diese Kinder werden heutzutage immer frecher und haben keinen Respekt vor ihren Eltern!« Vorwurfsvoll schaute der Chef jeden einzelnen an und ersuchte mit einem Hundeblick Hilfe bei Kyouya. Dieser richtete genervt seine Brille.

»Wie oft habe ich dir gesagt, dass ich nicht Mutter genannt werden will. Das stellt meine Position in Frage.«

»Deine Position wird von niemanden in Frage gestellt. Mit mir als Vater, Leiter dieses Clubs. Und dir als Vize, die organisierende Mutter!«

»Deswegen nimmt dich wohl niemand ernst, wenn du es für nötig hälst, so ein Spiel veranstalten zu müssen.« Wie Recht Kyouya hatte, wenn er darauf anspielen wollte, dass Tamaki ein wenig erwachsener werden solle. Bald schon würde ihr Abschluss an der Ouran High School sein und Tamaki benahm sich noch immer so wie vor zwei Jahren.

»Ein Urlaub also, was Haruhi.« Kyouya wechselte glücklicherweise das Thema. » Hört sich nicht schlecht an, wir könnten ehrlich wieder etwas Ruhe vertragen. Nur lässt sich solch ein Urlaub finanziell nicht mit den Clubeinnahmen vereinbaren.« Ein tiefes Seufzten ging durch die Runde.

»Was müsst ihr reichen Leute auch immer aus allem den puren Luxus rausschlagen wollen. Man kann auch recht kostengünstig Urlaub machen.«

»Ehrlich?!« kam es von den Zwillingen wie aus einem Mund. Ihre fragenden Gesichter sahen genau gleich aus und unterschieden sich in nichts. Auch Honey und Mori wurden hellhörig, als es im Saal ruhig wurde. Augenblicklich beim Betrachten der unwissenden Gesichter brach Haruhi in lautem Gelächter aus. Was sollte das nun wieder? Was wollte sie auch erwarten? Alle Clubmitglieder bis auf ihre Wenigkeit genossen die Privilegien der oberen Zehntausend in Japan und mussten an keiner Stelle sparen.

»Erklär uns das, Haruhi. Wie soll man Spaß haben, wenn man nicht den Luxus genießt?« Die großen, fordernden Augen des Chefs wirkten angsteinflößend, ganz so als hätte man Honey oder Kyouya geweckt. Auch wenn seine Aura noch lange nicht an die der beiden heranreichte, so hoffte Kaoru doch inständig, dass der alte Tamaki wieder den Platz im Raum einnehmen würde. Ob es seinem Zwilling genauso erging? Ein flüchtiger Blick rüber zu Hikaru bestätigte seine Vermutung. Hikaru hatte die Augenbrauen ungläubig hochgezogen und ein angedeutetes Lächeln lag auf seinen Lippen. Und genauso sah Kaoru wahrscheinlich auch gerade aus.

»Sagt mir nicht, dass ihr noch nie etwas von Campen gehört habt. Das Übernachten in der freien Natur. Selbst erbaute Zelte und Schlafsäcke. Kennt ihr das?« Während ihrer Erklärung gestikulierte Haruhi ziemlich extrem um ihrer Erklärung Nachdruck zu verleihen. Das Mädchen sah so aus, als würde sie gleich an die Decke gehen. Bei den Normalos war es wohl recht üblich, sich ein Zelt zu schnappen, in die Natur zu fahren und dort in - wie hatte sie das noch gleich genannt - Schlafsäcken zu schlafen.

»Sicher, das kennen wir. Nur wird das wegen der gehobenen Sprache nicht Campen sondern Biwakieren genannt. Im Vergleich zu der normalen Schicht, die in gewöhnlichen Zelten und in einem Schlafsack nächtigen, verbringen die oberen Zehntausend ihre Nacht in einem gemieteten, klimatisierten Zelt und schlafen in einem bequemen Bett. Also entschuldige diese Unwissenheit dieser Jungen.« Kyouya schaltete seinen Laptop aus und kam zu den Zweien.

»Und das hast du jetzt alles von deinem Laptop abgelesen.« Die Zwillinge waren wieder einer Meinung und hatten sich ebenfalls zu Tamaki, Haruhi und Kyouya dazugesellt.

»Nein. Das nennt man Allgemeinwissen.«

»Jetzt weiß ich, von was meine kleine liebe Haruhi träumt. Eine Nacht im Freien an der Seite ihres Prinzen. Arm in Arm mit dem Blick gen Sternenhimmel. Eine Sternenschnuppe, mit der sie sich wünscht, immer bei ihm bleiben zu dürfen.« Der Blonde tänzelte im Raum herum und legte seinen Arm um etwas, was nicht da war, während er mit der anderen Hand große Kreise zog.

»Oje, Tamaki driftet wieder in seine Traumwelt ab.« Haruhi kicherte bei diesem ausgesprochenen Gedanke.

»Wer wohl dein Traumprinz in seiner Fiktion sei wird?« Kaoru konnte sich sie Antwort darauf schon denken, aber die Frage war nötig um die amüsierende Atmosphäre anzuheizen. Doch er hatte nicht damit gerechnet, dass dieses Kommentar seinen Zwillingsbruder verletzen könnte.

»Na, er wohl ganz bestimmt nicht.«

»Hikaru?« Als der Jüngere ihn am Arm berührte, riss er sich los und ging mit schnellen Schritten zu dem Sessel am Fenster zurück. Was war bloß mit ihm los? Seitdem er so empfindlich gegenüber Haruhi war, kannte er ihn gar nicht mehr. Auch wenn sein Aussehen noch immer so perfekt war wie davor, er hatte sich verändert. Es gab kein »wir« mehr. Gefühle für ein Mädchen haben sie voneinander getrennt. Es gab nur noch »du« und »ich«. Zwei Zwillingsbrüder, die sich allmählich fremd wurden.

Honey kam her geschlendert, umarmte Haruhis linken Arm, sodass sie sich ein wenig nach unten beugen musste, und wedelte nebenbei mit seinem Plüschhasen herum.

»Au ja, lass uns Campen gehen, HaruHaru. Das wird lustig. Ich nehm’ meinen Hasen mit und dann können wir zusammen in ein Zelt, okay, HaruHaru?« Die Gesichter der Umstehenden gefroren. Der Ausdruck - ein Schock. Auch wenn Honey sehr kindlich war, musste er doch wissen, dass Haruhi eine junge Frau war und wohl kaum mit einem Jungen in einem Zelt schlafen wollte, der auch noch in der dritten Klasse war. Haruhi gab als Antwort nur ein monotones Lachen von sich. Verständlich. Sie dachte wohl genau dasselbe.

»Das ist keine gute Idee.« Wow, er spricht. Mori hatte sich zu Wort gemeldet, als er sich neben Honey gestellt und seine Hand auf dessen Schulter gelegt hatte.

»Aber warum nicht, Takashi?! Ich habe HaruHaru doch lieb. Hat sie mich etwa nicht mehr lieb?« Der traurige Blick des kleinen Clubmitglieds schweifte von Mori zu Haruhi.

»Darum geht’s nicht.« Eine monotone Antwort des schweigsamen Riesen erhielt Honeys Aufmerksamkeit.

Währenddessen war Kaoru wieder zu Hikaru zurückgegangen und musterte diesen nun, wie er in dem Sessel saß und sich scheinbar wieder abreagiert hatte. Trotzdem konnte er die Reaktion seines älteren Bruders nicht verstehen. Doch genau das wollte er. Er wollte wissen, was in diesem Moment in dessen Inneren vorging.

»Was sollte diese gereizte Reaktion, Hikaru? Das war doch nur Spaß. Red mit mir, Bruderherz. Woran denkst du?« Seine Stimme war ruhig und gelassen, doch in ihm sah es keinesfalls so aus. Es war ein Durcheinander - das reinste Chaos - was in ihm tobte. Dabei wollte er doch nur eins: seinen Bruder glücklich sehen. Wollte ihm helfen und für ihn da sein.

»Es geht schon. Ich war nur ... Tamaki und seine blöden Wahnvorstellungen. Er hat mich total aus dem Konzept gebracht. Regt er dich denn nicht auf, wenn er so einen Mist von sich gibt?« Aber früher hättest du sein Verhalten doch noch belächelt. Du hättest sogar noch einen Gag daraus gemacht. Warum jetzt nicht mehr? Hat sie dich so sehr verändert? Zustimmend legte der Jüngere seine Hand auf die seines Zwillingsbruders.

»Steh doch einfach über seine Eigenart. Hab Spaß. Sieh die Sache mit Haruhi nicht so eng.« Hatte er das gerade ehrlich gesagt? Kaoru könnte sich selbst ohrfeigen dafür, dass er so etwas von sich gegeben hat. Er überspielte seine Unsicherheit, seine Verzweiflung, mit einem sanften Lächeln. Erst prägte Hikarus Gesicht Entsetzen. Doch schon im nächsten Augenblick, als Kaoru so unterstützend über Haruhi sprach, wich dem Entsetzen ein Grinsen.

»Danke, Kaoru. Du bist ein toller Zwillingsbruder.« Natürlich war er das, aber mehr auch nicht. Leider. Tamaki kam zu den Hitachiin-Zwillingen und meldete sich mit seinem gewohnten Auftritt und der üblichen guten Laune.

»Was macht ihr denn hier alleine? Hebt euch euer Herumgeturtel für die Kundinnen auf und kommt jetzt! Wir wollen Haruhis Urlaubswunsch planen. Also ... hop hop hop!«

Die Zwillinge standen synchron auf und folgten Tamaki im Gleichschritt zu der Sofaecke, in der sich der Club für die Planung gesammelt hatte. Doch als Tamaki zu ihnen zurückblickte, war Kaoru so, als habe der Chef etwas gesehen, was er nicht hätte sehen dürfen - einen Riss in seiner Maske.

Druckgefühle

Kapitel 2: Druckgefühle
 

»Leute, ich kann nicht mehr. Wie weit ist es denn noch? Lasst uns doch eine Pause machen und etwas Kuchen essen. Das gibt wieder Kraft.« Der kleine Honey hörte sich sehr gequält an und sein Hecheln vom Schleppen seines Gepäcks war bis vor zu Kaoru, Hikaru, Tamaki, Kyouya und Haruhi zu hören. Dass er sich jedoch allein an seiner Gepäcktasche auspowerte und Mori das Zelt und die zusätzlichen Sachen tragen ließ, blieb dem jungen Zwilling fraglich. Bei dieser Statur des Schweigsamen und auch dessen unterwürfige Haltung gegenüber Honey war das Tragen der schweren Sachen für Mori verständlich, aber Außenstehende würden dieses Herr-und-Diener-Gehabe wohl nicht nachvollziehen können

»Wir haben es bald hinter uns. Bei der nächsten Abbiegung müssen wir rein.« Dem nicht zu überhörenden erleichterten Aufseufzten des Kleinen konnten die anderen nur zustimmen. Sie waren Kyouya dankbar für diesen Hoffnungsschimmer, dass sie noch lebend am Campingplatz ankommen würden.

»Das hat man davon, wenn man sich auf öffentliche Verkehrsmittel verlässt. Ich habe doch gesagt, wir sollten lieber mit dem Auto hinfahren.« Nicht ein Tag im Leben des Chefs verging, an dem er nicht an allem herummeckern musste. Sowohl das minimierte Gepäck als auch das Schlafen in den nicht klimatisierten Zelten schien Tamaki seine Zustimmung zu dieser Reise bereuen. Aber dass er deswegen jetzt Haruhis Vorschlag, den Bus zu dem Platz zu nehmen, um nicht unnötig aufzufallen, kritisierte, überschritt die Grenze zwischen Freundlichkeit und Dreistigkeit.

»Ich konnte ja nicht wissen, dass ihr euch so schwer tut, pünktlich zu sein und wir deshalb den Bus verpassen. Außerdem haben mich drängende Kleinigkeiten eines gewissen Herrn davon abgehalten, auf den Fahrplan zu schauen.« Der giftige Blick Haruhis ließ den Chef erschaudern. Was das wohl für Kleinigkeiten waren? Unweigerlich mussten die Zwillinge lachen und machten sich mit auffälligen Gesten über Tamaki lustig.

»Das sollte natürlich kein Vorwurf zu deinem wunderbaren Vorschlag sein, meine liebste Haruhi. Ich wollte schon immer mal erfahren, wie das einfache Volk verreist.« Der Konter Tamakis war vorhersehbar, aber nicht sehr wirkungsvoll.

»Erspar dir deine Schleimerei, Tamaki, sonst rutschst du noch auf deiner Schleimspur aus. Ich bin nicht eine deiner Kundinnen, also vergiss es.« Damit war das Gespräch beendet - für Haruhi jedenfalls. Aber der Chef schien nicht sehr mit dem Ende zufrieden zu sein und startete einen neuen Anlauf, mit ihr zu reden. Doch bei Haruhi prallte er gegen eine eiserne Wand. Kaoru rollte amüsiert mit den Augen und blickte dann zu dem Mädchen, das schwer mit ihrem Zelt zu schaffen hatte. Liebend gerne hätte er ihr geholfen und ihr die schwere Tasche abgenommen, doch trug er selbst schon das Zelt von Hikaru und sich.

Im nächsten Moment war die Seite neben ihm leer. Hikaru hatte sich zur Fujioka gesellt und verhielt sich plötzlich wie ein Gentleman, indem er der erschöpften Haruhi die Last abnahm. Sofort fiel Kaoru dieses Lächeln auf, welches sein Ebenbild diesem Mädchen schenkte, die einfach so in ihre Welt getreten war. Natürlich war es okay, wenn sie nicht mehr so sehr voneinander abhängig waren. Aber vergaß sein Bruder ihn, wenn er mit Haruhi zusammen war? Dachte Hikaru an ihn, wenn er etwas mit Haruhi tat, das sie zuvor schon einmal unternommen hatten? Dieses Lächeln auf den Lippen, die er so gut zu kennen schien und doch auch wieder nicht so, wie er es gerne gewollt hätte.

In der Brust des Jüngeren schmerzte plötzlich etwas. Da war so ein Druck, den er nicht beschreiben konnte. Aber was bedeutete dieses Druckgefühl? Er wusste es nicht.

Eine Hand legte sich auf die Schulter des in Gedanken versunkenen Hitachiin-Zwillings. Da waren diese blonden Haare, die augenblicklich seine Aufmerksamkeit auf sich zogen.

»Warum so melancholisch, Kaoru? Es ist doch ein wunderschöner Tag.« Die gute Laune Tamakis brach wie das Meer auf eine Felswand - Kaorus kalte Einsamkeit.

»Melancholisch?! Wie kommst du darauf, Chef?« Mit einem verwirrten Blick musterte er Tamaki. Dieser trug eine recht ausgefallene Sonnenbrille auf der Nase, wodurch Kaoru die Augen seines Gegenübers nicht erkennen konnte.

»Keine Ahnung. Sonst ist doch immer dein Bruder in deiner Nähe, jetzt läufst du hier jedoch alleine. Wo ist denn dein Spiegelbild?« Prüfend schaute sich der Blonde um, wendete sich dann wieder zu Kaoru und schob die Brille von der Nase. »Hikaru und Haruhi, was? Läuft da was zwischen den beiden? Du weißt ja, als Vater muss ich immer darauf achten, mit wem sich meine liebe Tochter abgibt.«

»Möglich ... a-aber so wie ich Hikaru kenne~« Doch ehe der Jüngere seinen Satz beenden konnte, den er so zwanghaft von sich geben wollte, flitzte Honey mit einem breiten Grinsen an ihnen vorbei.

»Daa! Die Abbiegung! Wir sind endlich da.«

Diese Aussagen riss alle aus ihren Gesprächen. Endlich waren sie da. Der Weg von der Bushaltestelle bis hierher war ein ganzes Stück. Doch besonders die letzten Meter kamen ihm vor wie Ewigkeiten. Nun gut, jetzt wollte er über diesen Druck in seiner Brust hinwegsehen und die Stimmung der anderen nicht unnötig runter ziehen.

Der Campingplatz war größer, als es sich Kaoru vorgestellt hatte, das musste er zugeben. Sie irrten eine ganze Weile auf dem Gelände herum, auf der Suche nach einem geeigneten Platz. Schon allein durch ihr Aussehen fielen sie bei den Campern und Camperinnen auf, sodass diese sie recht auffällig beäugten. Ein paar Mädchen kamen sogar zu ihnen und fragten, ob sie Stars wären, so gut wie sie aussehen würden. Der Chef blühte selbstverständlich sofort auf und umschmeichelte die jungen Frauen mit schönen Worten und lud sie ein, doch später mal an ihrem Campingplatz vorbeizuschauen.

Also doch. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie wieder in ihre Rollen schlüpfen mussten. Hieß es nicht, dass sie hier nur Urlaub machen wollten?

Auf ihrem üppigen Platz, der sich abseits des generellen Grundstücks befand, war genug Raum für die Zelte, eine Feuerstelle und Sitzgelegenheiten. Um ihr Lager herum war Wald wo man nur hinschaute. Den Fluss, der sie von den anderen Campern trennte, hatten sie hinter sich gelassen. Laut Kyouya sollten sie Geld sparen und so bestand er auf das Campen außerhalb des hohen Preisniveaus. So bezahlten sie nur ihren Aufenthalt und konnten ihre Clubeinnahmen vernünftig zurücklegen.

Mit einem lauten Schnaufen ließ der junge Zwilling die Tasche mit dem Zelt und sein Gepäck zu Boden fallen. Wie lange hatten sie bis hierher zu diesem Campingplatz gebraucht? Wenn er sich recht erinnerte, waren es mehrere Kilometer bis zur nächstgelegenen Stadt. Ihre Schule, von der sie abgereist waren, lag zwei Orte weiter. Also ein ganzes Stück. Und so viel hatten sie zu Fuß zurückgelegt? Wahnsinn. Wenn er über die weite Strecke nachdachte, wurde seine Kehle ganz trocken. Nein, nicht ganz. Er musste nach dieser Wanderung nur etwas trinken. Schleunigst wühlte er eine Flasche Wasser aus seinem Rucksack.

»Kaoru.« Die Stimme seines Ebenbildes zauberte ihm sofort ein Lächeln auf die Lippen, drehte sich zu ihm um und empfing Hikaru mit seiner plötzlich guten Laune, die keineswegs aufgesetzt war.

»Hikaru.« Der Ältere stellte seinen Rucksack neben den Sachen von seinem Bruder ab und streckte sich. Er murmelte irgendetwas davon, dass die Zelte viel zu schwer wären und er nicht verstehen würde, wie die einfachen Leute daran Spaß haben könnten. Der Jüngere öffnete die Wasserflasche und setzte sie an seine Lippen. Doch plötzlich hielt ihn etwas davon ab, den ersten Schluck zu genießen. Fordernde Bernsteine fixierten ihn.

»Willst du auch etwas trinken, Bruderherz?« Während er diese Frage stellte, hielt er ihm die Flasche hin. Ohne darauf zu antworten, nahm er die Wasserflasche aus Kaorus Händen und trank einen großen Schluck. Fasziniert von dem Muskelspiel am Hals Hikarus starrte der Jüngere diese Partien an- Wie sich der Kehlkopf nach oben bewegte und die Halsmuskeln sich anspannten, wenn er etwas Wasser runterschluckte. Als dieser wieder den Deckel auf den Verschluss drehen wollte, huschte der Blick Kaorus schnell zu Boden.

»Ich hoffe, es macht dir nichts aus, wenn ich Haruhi beim Zeltaufbauen helfe.« Die Frage kam so plötzlich. Inständig hatte Kaoru gehofft, dass er sie überhört hätte. Doch der fragende Blick seines Ebenbildes wartete auf eine Antwort. Er sollte ihn nicht so ansehen. Wieder machte sich dieser Druck in seiner Brust bemerkbar.

»Hikaru, ich dachte, wir bauen unser Zelt zusammen auf?« Unabsichtlich floss wohl ein wenig Traurigkeit in den Satz mit ein, die Kaoru auch mit Hilfe einer neutralen Miene nicht wett machen konnte.

»Sei nicht traurig. Haruhi hatte mich gefragt, ob ich ihr helfe. Sie sagte, dass so ein Aufbau recht kompliziert ist und außerdem ist sie ein Mädchen. Verstehst du?« Aber seit wann hat dieses Mädchen bei dir Vorrang? Bin ich nicht dein Zwillingsbruder - dein Ebenbild - mit dem du alles Neues ausprobieren wolltest? Hatten wir und das nicht einmal versprochen? Du begibst dich auf einen Pfad, Hikaru, auf den ich dir nicht folgen kann - nicht folgen darf.

»Klar, verstehe. Hilf ihr ruhig, ich komm schon zurecht.« Während Kaoru das sagte, wandte er sich instinktiv zu der Zelttasche um, fummelte an dem Reißverschluss rum und bemühte sich, seinen Bruder nicht noch einmal ansehen zu müssen. Er könnte für nichts garantieren. In seinem Inneren fluchte und schrie Kaoru wie noch nie zuvor, aber niemand hörte ihn. Er war über das Verhalten seines Bruders noch nie so aufgebracht gewesen. Warum merkte Hikaru nicht, was er Kaoru damit antat? Wer er etwa dermaßen in Haruhi verknallt und blind für die Welt, dass er seinen Brüder übersah oder sogar vergass? Nein, das konnte - durfte nicht wahr sein. Der Jüngere biss sich auf die Unterlippe, um die kommenden Tränen zu unterdrücken.

»Ich wusste, du würdest das verstehen. Danke, Kaoru.« Ich verstehe gar nichts, Hikaru. Ich verstehe dich nicht. Dabei will ich doch verstehen.

Er hörte kurze, schnelle Schritte hinter sich. Dann zwei Arme, die sich um ihn schlangen und er fest an einen anderen Körper gepresst wurde. Seine Augen weiteten sich und das Atmen setzte aus. Diese Reaktion kam so unerwartet, er hatte damit in keiner Weise gerechnet.

»Mach dir nicht zu viele Gedanken, Kaoru. Ich bin bald wieder bei dir.« Das Flüstern dieser tieferen Stimme als die seine ganz nah an seinem Ohr ließ ihn zusammenzucken. Doch er wusste mit bestem Willen nicht, was ihn mehr verwunderte. Das unvorhersehbare Tun seines Zwillings oder diese wispernden Wort, die ihm wie Balsam für die Seele waren und ihn all das, worüber er sich den Kopf zerbrach, vergessen ließ. Genau diese Worte wollte er hören, damit dieser Druck in seinem Inneren aufhörte. So dachte er jedenfalls. Doch er wurde größer. Sein Herz hämmerte dermaßen laut. Kaoru hoffte, dass Hikaru davon nichts mitbekam. Nicht spürte, wie nervös er war.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu dieser Fanfic (4)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Elegy
2009-12-04T08:14:45+00:00 04.12.2009 09:14
Schönes kapitel muss ich sagen x3
Am Anfang dachte ich " hey, hikaru scheint sich doch noch um seinen Bruder zu kümmern und mit ihm etwas unternehmen"
aber dann.. War wieder haruhi die erste Geige -.-
Ich kann kaoru verstehen
Er tut mir leid ;_;
bitte schreib schnell weiter
Freu mich aufs nächste kapitel

Lg UntouchedSilence
Von: abgemeldet
2009-12-02T20:43:03+00:00 02.12.2009 21:43
Hi
die ff ist echt klasse
daumen hoch^^

mach weiter so
bin schon gespannt wie es weiter geht

torte hinstell
Von:  Elegy
2009-11-20T21:12:58+00:00 20.11.2009 22:12
»Und das hast du jetzt alles von deinem Laptop abgelesen.« Die Zwillinge waren wieder einer Meinung und hatten sich ebenfalls zu Tamaki, Haruhi und Kyouya dazugesellt.

»Nein. Das nennt man Allgemeinwissen.«

Den Abschnitt fand ich einfach nur genialxD

Ansonsten
fand ich das Kapitel sehr gut~
Irgendwie leide ich mit den Zwillingen mit
*sfz*
Von: abgemeldet
2009-10-30T20:52:11+00:00 30.10.2009 21:52
Hi

deine ff gefällt mir echt gut
liebe das paaring so sehr


Zurück