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Akte 32

von

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Ihre Pfannkuchen schmeckten überirdisch gut, fand Maria. Seishirou schien es auch zu schmecken, denn er aß über die Hälfte. Er wirkte ausgehungert. Wahrscheinlich kochte er sich selten selber was und aß nur Fertigfutter, aus Dosen oder Plastikbechern. Maria bedachte ihn mit einem traurigen Blick, den er wiederum nicht zu bemerken schien. Er war zu beschäftigt damit, den letzten Pfannkuchen runterzuschlingen. Klar, er benahm sich immer noch wie ein Gentleman, zerschnitt den Kuchen in kleine Teile, bevor er ihn mit der Gabel aufpiekte und in den Mund nahm, zwanzigmal kaute und dann schluckte. Maria erkannte dennoch ohne Probleme, dass Seishirou schrecklich hungrig gewesen sein musste.

Sie klopfte sich in Gedanken selbst auf die Schultern. Ein wenig hatte sie ihn schon auf ihre Seite bekommen. Sie stützte sich auf die Hände und wartete, bis er mit dem Essen fertig war. Dann nahm sie seinen Teller, ihren und die Pfanne und stellte alles in der Spüle ab. Morgen würde sie den Abwasch erledigen. Oder ihn so lieb angucken, dass er es freiwillig übernehmen würde. Obwohl... nein, eigentlich wirkte er nicht wie der Typ, der sich leicht um den Finger wickeln ließ. Dabei war sie so gut darin! Nur, wenn er tatsächlich schwul war - und er wirkte echt verdammt schwul - dann hatte sie wohl nur wenig Chancen.

Dennoch, es konnte ja einen Versuch wert sein. Nur im Moment wirkte er wirklich viel zu müde, um das auszutesten. Immerhin war er auch noch ein Killer, neben einem riesengroßen Baby (das hatte sie gleich beschlossen, als er ihr die Tür geöffnet hatte; diese Augen!). Da konnte sie es sich nicht einfach so leisten, ihn wütend zu machen. Wenn er auch immer sagte, beziehungsweise überall gestanden schrieb, dass er natürlich nichts fühlte. So als Sakurazukamori.

Sie hatte viele Infos über diesen Clan gesammelt und das war eine der Infos, die in wirklich jedem Buch stand. Und die einem jeder sofort sagte, wenn man ihn danach fragte. Sie hatte viele Leute gefragt. Verdammt viele. Das war auch ganz richtig so gewesen. Bevor man bei gefährlichen Personen einzog, musste man sich erst gründlich informieren, wieviel man sich leisten durfte. Maria ließ sich nicht gern den Mund verbieten. Besonders nicht von alten Männern, die sich für etwas Besseres hielten.

Sie drehte sich um und da stand er doch TATSACHE vor ihr und starrte auf sie hinab. Sie lächelte ihn entschuldigend an. "Hab ich was falsch gemacht?"

"Du hast mich als Baby bezeichnet."

Shit, sie hatte wieder laut gedacht. "Wieviel sagte ich denn?" Maria versuchte ein liebes Engelsgesicht aufzusetzen. Ihre Mutter hatte ihr schon so oft gesagt, dass das nicht einfach zog, nur weil sie sonst ein hübsches Gesicht hatte.

Seishirou wirkte auch wenig beeindruckt davon. "Nicht viel, keine Sorge. Aber du hast noch einiges mehr gedacht, sehe ich das richtig?"

Sie lachte nervös und packte ihn am Arm. "Komm, führ mich lieber mal rum. Mal schauen, wo ich heute Nacht schlafe. Darf ich mir das selber aussuchen? Ach, bestimmt." Sie hatte nicht vor, ihren Wortschwall abbrechen zu lassen. Wenn sie ihn genug ablenkte, würde er vergessen, was auch immer sie alles laut vor sich hingebrabbelt hatte.

Das Wohnzimmer war riesig. Ihr klappte der Mund auf. Ein riesiger, handgeknüpfter Teppich lag auf dem Boden, an den Wänden hingen riesige Fotografien und auf dem Wohnzimmertisch lag ein winziges Handy. Das hatte sie ihm gar nicht zugetraut. "Ein Mobiltelefon. Mensch, Meier. Du bist ja richtig modern ausgestattet. Hast du auch Netz?"

"Netz?", wiederholte er.

"Na, Internet. Nen PC oder nen Laptop. Och, komm... enttäusch mich nicht. Ich brauch das für die Schule, weißt du? Kaufst du mir einen?", fragte sie, als er immer verwirrter wirkte.

"Nein", sagte er.

"Na gut, dann bring ich meinen demnächst von zuhause mit."

"Du hast noch ein zuhause? Wieso wohnst du dann nicht weiter dort? Deine Eltern werden sich bestimmt Sorgen um dich machen. Das möchte ich nicht." Er legte ihr eine Hand auf die Schulter.

Maria runzelte die Stirn. "Ne, meine Eltern sind eh fast nie da. Haben immer viel zu tun. Im Ausland und so. Tötest du eigentlich auch mal woanders als in Japan? Weitgereist siehste ja nicht gerade aus. Ich war schon in Amerika und in Deutschland und in Spanien und in Irland und in..."

"Ja, hab schon verstanden. Nein, ich töte nicht außerhalb von Japan. Bisher nicht. Die Opfer kamen immer zu mir." Er griente.

Maria lief es eiskalt den Rücken herunter. Jetzt hatte er sie doch beeindruckt. Sie rümpfte die Nase. Das würde er zurückkriegen! Und zwar doppelt- und dreifach. Sie war gut darin, Dinge zurückzuzahlen. Erst recht, wenn es sich um solche Schnösel handelte. Vielleicht fand sie in seinem eigenen Zimmer ja einen guten Anhaltspunkt, um ihn ein wenig auf die Palme zu bringen. Nichts großes natürlich. Sie wollte noch ein wenig weiterleben. Immerhin war sie auch noch Jungfrau. Vielleicht konnte er sie ja verkuppeln, wenn sie ihn mit seinem Süßen verkuppelt hatte. "Das ist ne Idee!"

"Was ist eine Idee?", fragte Seishirou.

Maria duckte den Kopf und schlich sich ins nächste Zimmer. Bingo!, dachte sie. Da war auch schon das Schlafzimmer. Sie rieb sich die Hände. Mal sehen, was sich hier alles finden lässt. Es wirkte auf den ersten Blick ziemlich kahl. Der Schrank war weiß, mit hellem Holz verziert und hatte nicht den Anschein, als ob er gut gefüllt wäre. Sie zog ihn auf und blickte hinein. Seishirou blieb mit großen Augen in der Tür stehen und sah ihr nach.

Sie winkte ihm zu. "Also sag mal, alles schwarz und grau oder eben weiß. Nen besonders guten Modegeschmack hast du aber nicht. Ist ja nicht so, als ob du nur wegen deinem Beruf rumlaufen musst wie n Bestattungsunternehmer. Das bist du nämlich üüüüüberhaupt nicht. Passt auch gar nicht zu dir." Sie nickte und zog eine Krawatte heraus. "Schau, die in rot. Oder mit Schweinchen drauf, das würde dir stehen.

Er knirschte leise mit den Zähnen. Zwar hatte er wieder was im Magen, aber es schien ihm wohl immer noch nicht so super zu gehen, dass er gut genug drauf war, um sich irgendwie heimlich zu verhalten.

Oder er war einfach nur viel, viel schlechter darin, irgendwas zu verdecken, als die Bücher und befragten Personen es Maria hatten weismachen wollen. Sie hatten alle so ehrfürchtig von ihm gesprochen. Maria war beinahe schlecht davon geworden. Wenn sie ihn jetzt so ansah, verstand sie noch weniger, was so beeindruckend an ihm sein sollte. Gut, er war ziemlich groß und er hatte diese gewisse Aura um sich, die aussagte, dass man ihm nicht blöd kommen sollte. Andererseits war da aber auch dieses... tollpatschige an ihm, das sie furchtbar niedlich fand. Für einen so alten Mann zumindest. Er war immerhin ein verdammter Opa.

Sie ließ desinteressiert den Schrank gehen und warf sich aufs Bett. "Wow, ist das weich. Dein Schatz wär entzückt. Lad ihn doch mal zum Übernachten ein. Ich koch euch auch was leckeres. Was edleres als heute. Das kann ich nämlich auch. Ooooh."

Seishirou wollte wohl gerade antworten, denn er hatte den Mund aufgemacht. Soviel hatte Maria noch bemerkt, aber dann fiel ihr Auge auf ein Foto, das auf dem Nachttischschränkchen stand.

"Das ist er, oder? Wie süß, du hast n Foto von ihm auffem Nachttischle." Sie rollte sich herum und schnappte sich das Foto. Seishirou war mit wenigen großen Schritten neben dem Bett angelangt, aber er rührte sich nicht. Hatte er etwa nicht vor, ihr das Foto aus den Händen zu reißen? Hm, das war interessant. Maria besah sich das Foto genauer.

Es waren drei Personen zu sehen. Seishirou, ein Junge und ein Mädchen, die sich ziemlich ähnlich sahen. Das waren also die berühmten Zwillinge. Seishirou mochte den Jungen, soviel wusste sie. Nur den Namen, den kannte sie nicht. Noch nicht. "Wie heißt er? Er ist voll hübsch. Kann gut verstehen, dass du in ihn verknallt bist." Sie seufzte leise.

"Er heißt Subaru", sagte Seishirou. Er biss sich auf die Lippe. Nur ganz leicht, aber Maria entging es nicht.

"Aha, ein schöner Name." Sie nickte. "Passt zu ihm. Mann, der sieht so süß aus." Sie verfiel in ein schwärmerisches Seufzen.

Seishirou setzte sich zu ihr aufs Bett. "Ja, aber heutzutage nicht mehr. Ich habe seine Schwester", er deutete auf das junge Mädchen, das Subaru so ähnlich sah, "nämlich umgebracht und ihn völlig zerstört dabei."

"Das weiß ich doch." Sie schlug ihm auf den Oberschenkel.

Er zuckte zusammen.

"Hm." Maria betrachtete ihn nachdenklich. Er mag Berührungen wohl nicht so. Oder er ist nicht dran gewöhnt. Sie setzte sich auf und schlang die Arme um seinen Hals. Dann kicherte sie mädchenhaft. "Onkelchen, darf ich in deinem Bett schlafen? Bitte, bitte. Wenn du hier eh so viel unnötigen Platz hast, dann solltest du das einer Dame überlassen. Wenn du aber den Süßen hier herholen möchtest, dann überlass ich euch das Bett natürlich."

Seishirou erstarrte unter ihrem Gewicht. "Du verschwindest aus diesem Zimmer und betrittst es nur noch in einem Notfall."

"Was ist für dich ein Notfall?"

"Wenn jemand versucht dich umzubringen."

Sie lachte. "Aber das wirst doch du sein."

"Außer mir", erklärte er gefährlich leise.

Sie pfiff und rutschte aufs Bett. "Aber ich möchte lieber hier schlafen. Bitte." Sie blinzelte. "Nur heute?"

Seishirou packte sie am Arm und zog sie vom Bett. Maria stolperte ein Stück in den Raum hinein und drehte sich wütend dreinschauend um. "Hey, du sollst mich nicht anrühren!"

"Du hast mich zuerst angefasst, Mädchen. Und jetzt geh. Du wirst einen Schlafplatz bekommen, aber nicht in diesem Raum. Du bist kein Tier, das sich einfach überall ungefragt Platz verschaffen kann, nur weil es zu dumm ist um zu bemerken, dass es nicht willkommen ist."

"Oh je. Das war jetzt aber sehr billig, Seishirou." Sie nickte und setzte eine besorgte Miene auf. "Damit kannst du echt niemanden beeindrucken."

"Wer sagt, dass ich so bin, wie ich rede?"

"Weil du doof bist." Sie streckte ihm die Zunge raus. Aber sie war ein wenig müde, musste sie sich eingestehen. Dann schlief sie halt erst mal woanders, beschloss sie.
 

Seishirou sah sie mit leeren Augen an. Maria neigte den Kopf. Er wirkte nicht so, als ob er noch etwas darauf hätte erwidern wollen. Enttäuscht ging sie zur Tür.

„Du erinnerst mich an Hokuto“, sagte er.

Maria blieb abrupt stehen. Sie grinste. So so, sie erinnerte ihn also an die Schwester seines Liebsten. Die er getötet hatte. Wahrscheinlich wollte er darauf hinaus und ihr Angst machen. Viele hatten schon versucht sie zu ängstigen. Es war bisher niemandem so richtig gelungen. Zumindest nicht gut und lange genug, um ihre nervenden Fragen abzuschalten. Sie rieb sich die Hände und drehte sich zu ihm um.

Er stand mitten im Raum, die Hände in die Hosentaschen geschoben. Seishirou wirkte auf sie ganz so, als ob er nicht wusste wohin mit sich. Dabei war sie doch diejenige, die sich in diesem megagroßen Haus nicht auskannte! Also war das wohl eher ein allgemeiner Zustand bei ihm. Der arme alte Mann. Sie schürzte die Lippen und ging auf ihn zu. Er machte einen Schritt zurück, als sie die Hand nach ihm ausstreckte. „Mochtest du sie?“

„Sofern man von mögen sprechen kann.“

Maria runzelte die Stirn.

„Na bei einem Sakurazukamori. Du hast doch sicher wie verrückt recherchiert.“ Er neigte sich zu ihr herunter. „Oder?“, sagte er leise.

Sie blinzelte ihn an und machte ein desinteressiertes Gesicht. Wenn er das konnte, konnte sie es erst recht. Vorspielereien, wenn er das wollte, damit konnte sie sich von ihr aus den ganzen Tag beschäftigen. Und sie würde ihm zeigen, wer hier besser darin war! Oder was gesünder und lustiger war. Sie lächelte breit. „Vielleicht magst du ja anders, aber dann ist es immer noch ein Mögen. Du kommst nicht drum herum, Mister Sakurazukamori.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Weißt du, das Leben ist hart. Man muss manche Dinge einfach hinnehmen. So wie der Fakt, dass jeder Mensch fühlt. Selbst wenn er nicht so fühlt wie irgendwer anders oder die Normalen.“

„Aus welchem Buch hast du das?“

Sie verschränkte die Arme. „Aus gar keinem! Ich meine das ernst und zwar vollkommen.“ Sie nickte heftig.

„Du bist dreizehn. Was hast du eine Ahnung vom Leben…“ Er schüttelte den Kopf.

Maria sah sich das riesige Bett noch einmal an. „Zum Beispiel, dass man Kinder und Frauen immer den gemütlichsten Platz anbieten sollte. Was hier und heute deeeeeein…“

„Nein“, sagte er.

Seishirous sanftes Höflichkeitslächeln kam bei Marias Augen an, ging aber nicht bis zum Hirn durch. Sie lief um ihn herum und hüpfte dabei. „Weißt du, Onkelchen, wenn das die Regierung erfährt, wird sie wütend werden.“

„Warum sollte sie? Die Leute planen, dich töten zu lassen.“ Er griff nach ihrem Arm und zog sie an sich.

Maria erstarrte augenblicklich. Sie wandte den Kopf zu ihm um und sah ihn mit großen Augen an. Jetzt hatte sie tatsächlich Herzrasen. Eben war der alte Kerl noch ausgetickt, weil sie sich bei ihm angelehnt hatte und jetzt knuddelte er sie, als ob sie ein Teddy wäre?! Irgendwas war faul an dem Mann. Abgesehen von dem, was er beruflich war. Sie drehte den Oberkörper hin und her, aber er ließ sie nicht los.

„Du solltest wirklich, wirklich vorsichtiger mit dem sein, was du tust oder sagst.“

Sie lachte nervös. „Das… das könnte man auch von dir sagen, O… Onkelchen!“ Maria lächelte gezwungen. Ihr taten die Gesichtsmuskeln davon weh. Wie Seishirou das hinbekam, die ganze Zeit so künstlich zu lächeln, ohne dabei einen Krampf im Kiefer zu kriegen war ihr ein wahres Rätsel. Aber sie würde genug Zeit haben, das noch zu ergründen. Jetzt wollte sie erst mal einfach aus seinem Klammergriff entkommen.

Und ihr kam eine grandiose Idee, wie sie das zustande bringen könnte. Maria ließ sich schlaff in seinen Armen hängen und lehnte sich an seine Brust. Sein Körper versteifte sich leicht. Sie grinste, schloss die Augen und konzentrierte sich einen Moment. Was hatte sie auf dem Foto gesehen? Der Junge hatte glitzernde grüne Augen, die einen anstrahlten. Er lächelte unsicher und hatte Locken vor den Ohren. Seine Haare waren pechschwarz und kurz geschnitten. Er war schmal von Statur und hatte porzellanweiße Haut wie eine Puppe. Als sie die Augen aufschlug und an sich heruntersah, war dort porzellanweiße Haut zu sehen wie bei einer Puppe. Seishirou war völlig erstarrt.

Sie drehte sich mit Subarus Körper zu ihm herum – gut, dachte sie, der sieht heute wohl etwas anders aus. Aber sie hatte für das Alter keine Anhaltspunkte, also musste sie den jungen Subaru machen. Das schien auch ziemlich gut zu wirken. Seishirous Mund stand ein bisschen offen und seine müden Augen hatten plötzlich wieder genug Energie um zu blinzeln.

Strike!, dachte Maria. Sie legte Subarus Hände auf seine Brust und stülpte die Lippen nach vorn wie zu einem Kuss. „Seishirou“, sagte sie mit Subarus Stimme und hauchte dabei. „Ich habe dich so vermisst.“

Seishirous Griff umschlang sie enger.

„Bitte, ich will dich in mir spüren.“ Sie öffnete den Mund und stellte sich auf die Zehenspitzen. Als Subaru war sie ein paar Zentimeter größer, reichte aber immer noch nicht ganz an Seishirous Kopf heran. Schade, sie hätte ihm gerne draufgespuckt oder an den Haaren gezogen oder so etwas in der Art.

Seishirou schluckte schwer. Sie konnte sehen, wie sein Adamsapfel auf- und absprang. Jetzt hatte sie ihn eiskalt erwischt. Sie nahm seine Hände und legte sie auf Subarus Hintern.

Seishirou machte einen Satz nach hinten.

„Darf ich heute in deinem Bett schlafen? Bitte“, sagte sie.

„Subaru“, sagte er.

Sie zog sich das Oberteil vom Kopf und entblößte eine schöne weiße Brust. Schmal, dass man die Rippen zählen konnte. Sie streichelte über Subarus Bauch. „Mh, ich habe so weiche Haut. Willst du mal anfassen?“

„Du kannst heute Nacht hier schlafen, MARIA“, sagte Seishirou und schlug die Schlafzimmertüre hinter sich zu.

Maria kicherte und verwandelte sich wieder in ihr wahres Ich zurück. Ihre Haut war nicht so hell wie Subarus und auch nicht so weich. Immerhin tobte sie gerne. Sie betastete die Narbe von ihrer Blinddarm-OP. „Tja, es stimmt also tatsächlich. Der große böse Wolf ist in das Rotkäppchen verliebt. Ein männliches Rotkäppchen!“ Sie streifte sich den BH von den Schultern, zog sich komplett aus und legte sich splitterfasernackt aufs Bett. Sie schlief immer so und hatte nicht vor das zu ändern, nur weil es theoretisch betrachtet weder ihr Bett noch ihr Haus war.

Die Kissen waren flauschig, die Decke schön warm. Sie lächelte und mummelte sich ein. Ihr Blick fiel auf das Foto, das wieder auf dem Nachttischchen stand und von dem aus sie von den Zwillingen und einem fröhlich wirkenden Seishirou aus angelächelt wurde. Ihre Miene verhärtete sich. Es würde nicht einfach werden, ihn davon zu überzeugen, auf ihre Seite zu kommen. Aber wenn sie Glück hatte und die Regierung dumm genug war, um sich zu verraten, dann hätte sie eine Chance. Maria zog die Decke bis unter ihr Kinn. Sie wollte noch nicht sterben. Der Gedanke ließ ihren Magen zusammenziehen und ihr Herz krampfen. Sie fand sich noch viel zu jung. Sie hatte noch nicht mal einen richtigen Freund gehabt. Selbst so ein blöder Serienkiller war ihr da ein, wenn auch sehr kleines, Stück voraus. Dazu kam noch, dass sie ihm Nachhilfe würde geben müssen, weil ihr Plan sonst total im Eimer enden würde. Dabei hatte sie noch nie Nachhilfe in irgendwas gegeben! Nur welche bekommen, in Mathe. Was überhaupt nichts gebracht hatte. Mit grauenhaften Gedanken an die morgige Mathearbeit fielen ihr die Augen zu. Hoffentlich schläft er gut, dachte Maria, sonst kriege ich morgen all das ab, für was er heute zu müde war. Sie legte die Stirn in Sorgenfalten und schlief ein.

Ihre Träume waren angereichert mit linearen Funktionen, Dezimalbrüchen und Unbekannten, die sich nicht auflösen lassen wollten. „Bäh“, sagte sie im Schlaf.

Und im Schlaf kam ihr der Gedanke, dass Seishirou vielleicht so etwas war wie ein unbekannter Bruch. Am nächsten Morgen fühlte sie sich überhaupt nicht gut.
 

Er mochte diverse Dinge an Japan sehr gerne. Das Essen schmeckte ihm in der Regel sehr gut, mit ein paar Ausnahmen, die ihm zu bitter oder zu wabbelig waren. Wenigstens gab es auch hier McDonald’s und Burger King. Er bestellte sich mehrere Hamburger, eine Cola und Pommes.

An seinem Tisch wartete schon der Kerl von der japanischen Abteilung für innere Sicherheit. Er konnte diese Kerle nicht leiden. Sie waren immer so nervös, dass ihr Chef gleich um die Ecke kommen würde. Haskell empfand eine Mischung aus Mitleid und Abneigung für die japanischen Beamten. Sie waren für seinen Geschmack zu verweichlicht, aber man musste ihnen lassen, dass sie ihre Arbeit gründlich erledigten und selten logen. Wenn sie es doch einmal taten, konnte man das sofort sehen. Außerdem berichtigten sie sich nach einem halbwegs skeptischen Blick sofort wieder. Angsthasen eben.

Er stellte das Tablett in die Mitte des Tisches. Yuki hob die Hand und schob es zu ihm. Das sollte wohl höflich wirken. Haskell schob es wieder zurück in die Mitte.

„Also, über was wollen wir heute sprechen?“

Yuki sah sich um – links, rechts und noch mal links. Haskell verdrehte die Augen. Er hatte Hunger und nicht viel Zeit. In drei Stunden ging sein Flug zurück. Er wollte nicht mehr Zeit als unbedingt nötig damit verbringen, Yukis Panikattacken zuzusehen, wie sie ihre Wurzeln schlugen.

Er packte seinen ersten Hamburger aus, quetschte die Brötchen zusammen und biss hinein. Yuki schob ihm eine Akte über den Tisch zu.

„32?“, sagte Haskell mit vollem Mund. Er wischte sich Ketchupreste von den Lippen. „Um wen geht es?“

„Geheim. Sie können es sich ja später im Flugzeug genauer ansehen.“ Yukis Magen knurrte. Er lächelte höflich.

„Nun nehmen Sie sich schon ne Pommes“, sagte Haskell.

Yuki ignorierte sein Angebot und sprach weiter über die Arbeit. Er wirkte von Sekunde zu Sekunde gehetzter. „Dieser Fall ist wirklich sehr wichtig. Und äußerst schwierig. Wir haben es hier mit dem vielleicht mächtigsten Magier dieser Zeit und dieses Kontinents oder vielleicht auch des ganzen Universums zu tun!“, haspelte er herunter.

Haskell hob beide Brauen. Na das war ja mal interessant. Wobei sich die Japaner eh für die stärksten Magier hielten, alle zusammen. Sie hatten ja auch noch nie die Tigershow gesehen. „Verstehe. Wie können wir da helfen?“

„Oh, das ist einfach. Sie müssen ihn verschleppen.“

Haskell hustete Brötchenteig auf den Tisch. „Wir sollen den Kerl verschleppen? Wie stellen Sie sich das vor?“

„Egal, wir müssen ihn nur aus dem Schussfeld bringen. Sonst gehorcht uns der andere nicht mehr.“

„Welcher andere?“ Dass die Japaner ständig in Mysterien und Rätseln sprachen, konnte er noch weniger leiden als ihre Panikattacken. „Yuki, Sie müssen mir das schon genauer sagen. Erklären“, berichtigte er sich. Sein Japanisch war gut, aber mit fast leerem Magen war es nicht mehr so brillant wie sonst. Er fiel meist gar nicht auf, bis auf die blauen Augen, die ihn doch verrieten. „Was genau ist hier so kritisch, dass Sie es nicht alleine lösen können?“

„Es wäre zu gefährlich, wenn wir es allein lösen. Diese Sache ist zu riskant, um unser internes System damit zu belasten.“

Ach so, die dummen Amerikaner sollten mal wieder den Kopf hinhalten, weil die Japaner genau wussten, dass die Sache zu einer riesigen Katastrophe werden würde. Es war irgendwo auch ein Kompliment, aber da es sich nicht direkt an Haskell richtete, interessierte es ihn nicht. Er dachte nur eines: Arschkriecher.

Haskell legte den angebissenen Hamburger aufs Tablett zurück und sog am Strohhalm seiner Cola. Sie war eiskalt, genau wie er sie möchte. „Okay, und wann soll die Aktion starten?“

„Sobald wie möglich. Währenddessen erledigen wir den Rest. Das haben wir völlig unter Kontrolle.“ Er nickte und setzte sein bestmöglich versicherndes Gesicht auf.

Haskell fand diese andere Sache, den Rest, noch weitaus unspannender als alles andere. Das Ende der Welt. Oho, jetzt bekam er aber Angst. Er brach eine Pommes entzwei und leckte den weichen Teig heraus. „Dann werde ich mich bei Ihnen melden, wenn ich mehr weiß. Das kann zwei, drei Wochen dauern.“

Yukis Gesichtszüge fielen in sich zusammen. „So lange?“, wimmerte er.

„Ja, so lange. Wir haben auch noch eigenen Kram, den wir kontrollieren müssen. Wichtigen Kram. Ja, genauso wichtig wie das Ende der Welt“, sagte er bestimmt, als Yuki den Mund weit öffnete um etwas zu entgegnen.

Yukis Mund klappte wieder zu. Er starrte auf den Tisch.

„Verstehen Sie mich nicht falsch, uns liegt viel an diesem Bündnis. Ohne Sie hätten wir die Sache vor zwei Jahren nicht regeln können.“

Yuki lächelte wie ein schüchternes Schulmädchen. Haskell wurde übel davon.

„Aber sie werden Geduld aufbringen müssen. Kommen Sie schon, Sie sind gut. Ein paar Tage kriegen Sie das auch noch alleine geregelt. Oder?“

Yuki nickte und nahm sich nun doch eine Pommes. Er knabberte daran wie ein Hase an einer Karotte. Haskell biss ein weiteres Stuck von seinem Burger ab. „Wie wird der nächste Deckname lauten?“

„Das wissen wir noch nicht so genau.“

Haskell stöhnte genervt. Wie sollte er ihn dann erreichen? Ohne Codes und Decknamen lief das nicht. Nur weil er selbst seinen Namen erst einmal hatte ändern müssen, durften andere nicht genauso schludrig sein. Immerhin war er ein Profi. Er konnte sich das leisten. Selbst wenn er seinen offiziellen Namen in Haskell umändern würde, würde ihm keiner auf die Schliche kommen. Er war der Beste!

„Aber ich werde es Ihnen auf sicherem Wege zukommen lassen.“

„Wie wird dieser Weg aussehen?“

„Post?“, quiekte Yuki.

Haskell stützte den Kopf in die freie Hand. Er kaute schnell, um seinen Kopf damit zu beschäftigen. Sonst hätte er Yuki womöglich angeschrieen und wäre aus dem Restaurant gestürmt. „Okay“, sagte er.

„Dann wäre von meiner Seite aus alles geklärt.“ Yuki stand auf und verbeugte sich mehrere Male.

Haskell blieb sitzen und kaute gelangweilt auf seinem Burgerfleisch herum. „Ja, ja. Was auch immer. Man hört voneinander.“

Yuki strahlte ihn an, drückte seine Aktentasche an sich und verließ das Restaurant eiligen Schrittes. Sein Chef erwartete ihn bestimmt bereits zurück. Nicht dass er noch Prügel bezog. Haskell musste lachen und schnaubte dabei Krümel auf den Tisch. Die Bedienung kam bei ihm vorbeigelaufen und bot an, den „Unrat“ zu beseitigen. Er lächelte sie freundlich an, woraufhin sie rot anlief, quietschte, sich entschuldigte und zurück hinter den Tresen trippelte.

Japaner, dachte Haskell. So leicht loszuwerden. Meistens.

Er klappte die Akte auf und las sich die erste Seite mit den Kurzinformationen durch. Da stand schon reichlich. Auch sonst wog sie gefühlt eine halbe Tonne. Haskell rümpfte die Nase. Hoffentlich passte das Ding in seinen Koffer. Sonst musste er noch was hier lassen oder draufzahlen und bei geschäftlichen Dingen wollte er darauf lieber verzichten. Das hinterließ nur unnötige Spuren.
 

Maria saß ihm gegenüber und starrte ihn feindselig an. Oh ja, es war super gewesen, in seinem Bett zu schlafen. Es war weich, warm und rundum kuschlig gewesen. Aber dass sie jetzt hier sitzen sollte, ohne ein Frühstück zu bekommen grenzte an bodenlose Unverschämtheit. Quasi dem Bodenlosen des Bodenlosen. Sie verschränkte die Arme und keckerte. Tierstimmen nachmachen war ihre ganz humane Spezialität. Dazu brauchte sie keine Magie anwenden.

Seishirou schüttelte die Zeitung auf und las still weiter.

Maria räusperte sich. Die Stühle waren zu hoch und so wackelte sie mit den Beinen. Zielsicher traf sie Seishirous Kniescheibe. Grinsend wartete sie auf eine Reaktion und in der Tat, er nahm die Zeitung herunter, faltete sie langsam zusammen, legte sie neben sich auf den Tisch und sah sie an.

„Also, frühstücken wir jetzt endlich mal? Ich muss bald los. Die Schule fängt bald an und ich will nicht unpünktlich sein.“

„Wir haben vier Uhr morgens, Maria.“ Er deutete hinter sich.

Sie blinzelte und schaute auf die Uhr, die an der Wand hing. Es war wirklich erst vier Uhr morgens. Sie lächelte und zuckte mit den Schultern. „Die Schule liegt weit entfernt?“

„Verstehe“, sagte er. „Aber es wird hier kein Frühstück geben, außer du machst dir selbst was.“

„Ich weiß doch gar nicht, wo hier die nächste Bäckerei ist. Cornflakes hast du auch keine. Meeeeeenno.“ Sie presste die Lippen aufeinander und ließ sie beben. Vielleicht war er so genervt davon, wenn jemand beinah weinte, dass er ihr den Wunsch erfüllte und doch noch Brötchen holen ging.

„Ich als Meuchelmörder habe einfach einen sehr speziellen Tagesrhythmus. Entweder du gewöhnst dich dran, oder eben nicht.“ Er legte ihr eine Hand auf die Schulter.

Mist, er hat sich schon wieder von der Subaru-Farce gestern erholt. Sie überlegte, ob sie die Aktion noch mal wiederholen sollte. Ihr Blick fiel erneut auf die Uhr. Sie wollte sich doch noch mit Kyoko treffen, bevor die Schule losging und sie würde tatsächlich ein bisschen brauchen, bis sie dort ankommen würde. Dabei hatte sie ihr soviel zu erzählen. Zum Beispiel, dass sie ab jetzt stets hungrig in die Schule kommen musste, weil der doofe Kerl sie nicht füttern wollte.

Maria hob die Schulter an. Seishirous Hand rutschte herunter. „Mir doch egal. Du sollst mir jetzt Frühstück holen.“

„Du bist anstrengend.“ Er seufzte. „Ich bin ein alter Mann.“

„So alt jetzt auch wieder nicht.“ Sie hob erschrocken die Hände. „Aber natürlich vieeel zu alt für ein Mädchen wie mich!“

„Hattest du mir nicht gestern noch erklärt, dass ich nicht auf diese Art von Geschlecht stehen würde.“

Sie lachte unsicher. „Äh, ja?“ Maria rutschte tiefer in den Stuhl hinein. „Pöh.“

Seishirou wollte die Zeitung wieder auffalten.

Wenn schon kein Frühstück, dachte sie, dann wenigstens eine nette Unterhaltung. „Hast du meine Akte schon mal genauer angeguckt?“

„Nein. Vielleicht brauche ich das auch gar nicht. Du bist offenherzig genug, dass ich alles Nötige auch über dich in Erfahrung bringen kann.“

„Aber dann ist das ja wie ein Freischuss!“

„Wie meinst du das?“

„Ich darf dich nerven, soviel ich will, weil es ja quasi gut für dich ist. Du musst ja wissen, wie ich drauf bin, alle meine Freunde kennen, meine Schule, welche BH-Größe ich trage…“

Seishirou fixierte sie. Seine Mundwinkel zuckten nicht mal.

„Soll ich sie dir verraten, Onkelchen?“ Maria grinste.

„Nein, danke.“ Er lächelte sie an und schlug die Zeitung wieder auf.

Maria sprang auf. Der Stuhl fiel um, aber sie machte sich nicht die Mühe, ihn wieder aufzuheben. Na schön, dann geh ich jetzt eben. Heute Abend koch ich nur für mich. Das haste jetzt davon, du blöder Kerl!“, meinte sie verschnupft. Sie klaubte ihre wenigen Sachen zusammen. „Ach ja, irgendwann heute Mittag werden ein paar Männer vorbeikommen und meine Klamotten und so bringen. Wollte dich nur vorwarnen.“

„Danke“, sagte er. „Viel Spaß in der Schule. Benimm dich.“

Maria verdrehte die Augen. „Ich doch immer.“ Sie hüpfte zu ihm und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. „Bis spätääääter!“ Mit einem lauten Knall verließ sie die Wohnung. Es war stockduster draußen. Was Kyoko wohl zu der Sache meinte… Maria fühlte sich zwiegespalten. Es war lustig, Seishirou zu ärgern. Es war weniger lustig, dass sie dennoch nicht einfach ihren Willen bekam, wenn sie ihn tatsächlich wollte.
 

Seishirou atmete erleichtert aus, als er die Tür zufallen hörte. Endlich war das Mädchen weg. Er ließ die Zeitung im Altpapier verschwinden und ging in sein Schlafzimmer. Sie schien keine Unordnung gemacht zu haben, aber das Foto mit ihm, Hokuto und Subaru stand anders auf dem Nachttisch als sonst immer. Er setzte sich auf die Bettkante und nahm es auf die Hand. Mit dem Daumen strich er über das Gesicht des Tierarztes. Ein Reflex ließ ihn seinen Nasenrücken massieren. Die Brille damals hatte ständig Druckstellen hinterlassen.

Er lächelte bei der Erinnerung daran düster und stellte das Bild zurück. Es war an der Zeit, sich Marias Akte näher anzusehen. Sie war nicht dumm und erwartete sicher, dass er es tat, auch wenn er ihr etwas anderes erzählt hatte. Es würde schwierig mit ihr werden. Sie vertraute ihm nicht und schien auch nicht jemand zu sein, der von seiner eigenen Einstellung allzu schnell abwich. Ganz wie Hokuto.

Während er sich den Nacken massierte stand er auf und ging ins Wohnzimmer, wo er Marias Akte hatte liegen lassen. Er setzte sich auf das Sofa, schaute noch kurz in den Hinterhof, lehnte sich schließlich zurück und schlug den Deckel der Akte um. Da waren die Kurzinfos, die er sich gestern schon schnell angesehen hatte. Wie alt sie war, wie sie hieß, wie ihre Eltern hießen, dass sie Einzelkind war, dass sie über zwei Fähigkeiten verfügte. Eine hatte er schon an sich selbst kennen gelernt. Wie genau sie die Verwandlungskünste verwendete hatte er nicht durchschauen können, aber vielleicht stand in dieser Akte mehr darüber. Er blätterte zur nächsten Seite. Dort waren alle Informationen über ihre Eltern. Sie waren nicht magisch begabt und wussten auch nichts von den geheimen Künsten, die ihre Tochter ausüben konnte.

Geschicktes Kind, dachte Seishirou, die meisten verraten sich schon im jungen Alter. Ihre Eltern waren ansehnliche Leute, die viel Geld verdienten. Aber ganz wie sie es ihm erzählt hatte verbrachten sie nur wenig Zeit in Japan. Es stand ein Vermerk mit einem Sternchen auf den Papier: „Wichtig! Gut für Mord im eigenen Heim – Selbstmord. Vertuschen. Wichtig!“

Seishirou schüttelte genervt den Kopf. Als ob er es nötig hatte, seine Morde wie Suizide aussehen zu lassen. Seine Art zu töten war elegant. Selbstmord war… er schloss die Augen.

Auf der nächsten Seite stand etwas über ihre Fähigkeiten. Das war schon weitaus interessanter als zu wissen, was ihre Eltern arbeiteten. Das hatte schließlich nichts mit seiner Aufgabe zu tun, erst recht nicht, wenn sie nicht anwesend sein würden zur Tatzeit.

Zwei verschiedene Fähigkeiten, die auf der gleichen Basis entstanden waren. Die Verwandlungskünste, so stand dort, habe sie selbst aus ihrer natürlichen Magie heraus entwickelt. Sie könne diese aber noch nicht so lange halten, weswegen es keine größere Gefahr darstellen sollte. Mehr war über diesen Part ihrer Magie nicht bekannt. Bei der eigentlichen, natürlichen Magie, die sie von Geburt an besessen hatte, stand mehr. Sie nannten es Spektralmagie. Maria konnte Erinnerungen zum Leben erwecken, die in Dingen oder Menschen eingeschlossen waren. Diese Erinnerungen wurden dann lebensecht dargestellt und verschwanden danach.

Seishirou rieb mit dem Daumen über das Blatt. Warum störte diese Fähigkeit die Regierung? Wenn man Maria erst einmal unter Kontrolle gebracht hätte, konnte sie sogar nützlich sein. Er lachte leise. Als ob Maria sich einfach so zur Kooperation überreden lassen würde. Es hatte nicht einen Satz gebraucht, um diese Charaktereigenschaft bei ihr festzustellen. Sie war ein Dickkopf. Auf gewisse Art und Weise intelligent, aber eben intelligent auf eine Art und Weise, wie es Jugendliche und Kinder waren.

Seishirou las weiter. Diese Fähigkeit löschte die dargestellten Erinnerungen für immer. Somit verschwand entweder der Mensch, der sie gehabt hatte, oder das Ding, dem sie innegewohnt waren. Das war schon eher etwas. Vor so etwas konnten Politiker Angst haben. Wenn sie an das Weltkulturerbe kommen würde, konnte es sein, dass die ganze Menschheitsgeschichte ausgelöscht würde. Ein absoluter Skandal und man konnte sie auch nicht dazu benutzen, andere Leute zu erpressen oder ihre Erinnerungen zu manipulieren. Immerhin würde man damit letztendlich die Menschen auslöschen. Das war es dann mit der Manipulation.

Seishirou klappte die Akte zu. Mehr stand dort nicht. Auf der letzten Seite waren ihre Charaktereigenschaften beschrieben, aber die kannte er schon zur Genüge. Es wäre Zeitverschwendung gewesen, sich das auch noch durchzulesen. Außerdem waren die Seiten schmutzig gewesen, was seine Augen angestrengt hatte.

Schmutzig? Er runzelte die Stirn. Normalerweise waren die Akten sehr sauber, außer die davor hatte durchgedrückt und Spuren hinterlassen.

Er blätterte die Akte erneut auf und fuhr mit den Fingern über die Tintenreste, die auf dem Papier verstreut waren. Er konzentrierte seine Magie darauf. Sie ließ ihn lesen, was dort stand und doch nicht stand. Akte 32 hatte durchgedrückt. Er strich mit dem Zeigefinger weiter herunter, wo Marias Name stand. Er wandelte sich in einen anderen Namen um. Seishirous Augen weiteten sich. Er blinzelte. „Subaru?“

Einige Leute hießen Subaru. Es konnte etwas mit dem Konzern zu tun haben. Es wäre nicht das erste Mal, dass diese Abteilung der inneren Sicherheit Probleme mit großen Firmen bekommen hätte. Aber nein, als sein Finger auf Marias Nachnamen landete veränderte sich die Schrift zu „Sumeragi“. So hießen wiederum nur sehr wenige Leute.

Seishirou legte die flache Hand auf die Akte und ließ sie zur Nummer 32 werden. Es ging um Subaru. Seinen Subaru, den er seit mehreren Jahren beschattete, dessen Schwester er getötet hatte; das stand sogar gleich auf dem ersten Blatt bei den Kurzinfos.

Seishirou war sich nicht sicher, ob es ihn etwas anging. Aber es wäre doch sowieso bald seine Akte. Er leckte sich den Zeigefinger und hob das Blatt an. Um was genau ging es hier, wenn sogar Subaru davon betroffen war?

Hatte ihn der Telefonmensch nicht erst gestern auf ihn angesprochen?

Womöglich war es eine Falle. Damit er sich bei den Leuten beschwerte und sie sich sicher sein konnten, dass er seinen Nachfolger erwählt hatte. Dann hätten sie agieren müssen. Seishirou schloss die Augen und blätterte um. Was auch immer dort stehen mochte, er musste es wissen. Er wäre nicht so dumm, sich darüber aufzuregen.

Seine Augen klebten auf Seite 2 fest. Was dort geschrieben war, wollte sein eigentlich wieder waches Hirn nicht verarbeiten.



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