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Heavens Hell Act

Wenn der Himmel zur Hölle wird
von

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Kerker des Himmels

Kapitel 4

Kerker des Himmels
 

Samsa rannte den Weg zurück zu den Toren der Hölle. Er wollte keiner Sekunde länger bleiben, wollte nicht mehr an diese Bilder denken, die sich tief in sein Gehirn gebrannt hatten. Sünde, nichts als Sünde. Wie naiv war er, daran zu glauben, dass es um wahre Liebe ging. Nein, hier zählte nur das körperliche. Mit Tränen und betteln hatten sie ihn an den Abgrund gestellt. Niemals würde der Schöpfer ihm das verzeihen. Warum hatte er auch nicht auf ihn gehört?!

„Samsa!“ Daimon tauchte so plötzlich vor ihm auf, dass er fast gegen ihn rannte. Wütend schleuderte der Engel ihm einen Zauber entgegen, dem er jedoch geschickt aus dem Weg sprang.

„Lass mich in Frieden, Dämon! Was willst du nicht von mir? Hast du mir nicht schon genug geraubt? Reicht dir mein Leben nicht? Es kümmert dich wahrscheinlich nicht, doch du bist eine verabscheuungswürdige Kreatur!“

„Was ist denn in dich gefahren?“ rief Daimon wütend und packte ihn um ihn zu schütteln. „Niemand hat dir irgendetwas geraubt! Du hast Deyas Leben gerettet und wir stehen tief in deiner Schuld dafür. Was ist los?“

„Glaubst du irgendetwas kann mich noch retten?“ Er hatte versucht es zu verhindern, aber die Tränen kamen trotzdem, so rein, so klar, dass man sie nicht gesehen hätte, fingen sie nicht jeden Lichtstrahl ein der sie erreichte. „Ich habe einem Dämon das Leben gerettet, allein das kostet mich Kerker und Folter. Ich habe einen Dämon von den Toten zurückgeholt, das kostet mich meine Flügel. Und noch viel schlimmer, ich habe zugelassen, dass ihr hier ein Hohelied auf die Sodomie singt. Gott ist gnädig, aber das würde nicht mal ich selbst mir verzeihen!“

Daimon verschränkte die Arme und sah mitleidlos auf ihn hinab.

„Lass mich gehen. Ich werde meine Strafe dankend entgegennehmen, denn ich bin es nicht mal mehr wert ein Engel genannt zu werden.“

„Du hast eine reine Seele, Samsa. Du konntest nicht zulassen, dass jemand leidet, egal wer dieser jemand war. Das macht dich zum besten Engel, den es je gegeben hat. Doch was die Sodomie angeht, unterliegst du einem gewaltigen Irrtum. Liebe kennt keine Grenzen, sie unterscheidet nicht zwischen Mann und Frau. Das haben einige Menschen schon verstanden, doch viele auch noch nicht. Die meisten der Unwissenden laufen unter Euren Fahnen. Das wundert mich nicht mehr, wenn ich dich so reden höre. Weißt du, was mit den Seelen der Toten passiert, Samsa?“

„Natürlich, wenn sie in den Himmel kommen, dann schenkt Gott ihnen ein neues Leben in einem neuen Körper. Es ist wie Wiedergeburt. Kommen sie jedoch in die Hölle ist es eure Aufgabe sie zu vernichten“, sagte er trotzig.

„Genau. Gott schickt uns regelmäßig die Seelen der Homosexuellen. Wir lassen sie alle frei und schenken ihnen genau so ein neues Leben wie allen anderen. Natürlich gibt es Ausnahmen, das ist keine Frage, aber wenn sie sich nichts zu Schulden kommen lassen, vergeuden wir unsere Zeit an ihnen.“

„Das ist nicht Gottes Wille“, wisperte Samsa wütend. Er wollte es nicht verstehen, wollte es nicht wissen. Er erkannte sie Sünde, wenn er sie sah und diese beiden wunderschönen Jungen, in einem leidenschaftlichen Kuss vereint, das war die reine Sünde. „Kurz nach meiner Geburt habe ich sehen müssen, was mit denen passiert, die die Geschlechter nicht trennen können!“

„Anthonie“, sagte Daimon wissend. „Ich kenne ihn. Er konnte fliehen und lebt jetzt als gefallener Engel auf der Erde.“

„Ich kenne ihn nicht, doch es hat mir klar gemacht, wie Gottes Meinung dazu lautet. Sein Geliebter wurde getötet. Mitsamt seiner Seele. Die Schreie hat man bis zur Erde hinunter gehört.“

„Du hast Angst“, stellte Daimon fest. Er löste die Verschränkung seiner Arme und schüttelte leicht den Kopf. „Du hast also einfach nur Angst, dass dir dasselbe wiederfahren könnte. Glaubst du denn, dir könnte ein anderer Mann das Herz stehlen?“

„Niemals, bitte lass mich jetzt gehen. Ich muss zurück!“ verlangte Samsa. Daimons Worte hatten ihn verlegen gemacht. Sein Herz pochte wie wild gegen seine Rippen. Er erinnerte sich wieder an die warme Berührung von Daimons Hand. Oh nein, das durfte einfach nicht sein. Sie wollten ihn nur alle wahnsinnig machen!

„Samsa, du hast meine Brüder gerettet. Ich habe dir erklärt, wie wichtig, dass für mich ist. Ich werde nicht zulassen, dass man dich bestraft und wenn ich dafür mit einer Armee in den Himmel einfalle. Denke an meine Worte.“ Damit trat er zur Seite. Samsa funkelte ihn böse an. Das sollte er bloß sein lassen. Keine Armee der Welt hätte eine Chance gegen die Heilige Garde.
 

Samsa kniete zitternd auf dem kalten Boden. Noch nie war er ihm kalt vorgekommen, noch nie hatte ihn der Himmel in all seiner Schönheit frieren lassen, doch jetzt nachdem er die Hitze der Hölle gespürt hatte, vermisste er sie. Töricht.

„Du hast die Aufgabe erfüllt, die ich dir anvertraute, doch dabei hast du viele Fehler gemacht“, brach die Stimme des Schöpfers über ihn herein. Er senkte den Kopf noch tiefer, seine Stirn berührte den Boden fast.

„Es tut mir leid, mein Herr“, wisperte er untertänig. Er hatte jede Strafe verdient, die man ihm auferlegte, trotzdem verspürte er Angst.

„Ich werde dich jedoch schonen Samsa, denn es gab kaum einen anderen Weg, um die Seele des Kindes zu retten und deine Beichte zeugt von der tiefen Reue in deinem Herzen. Doch erlaube dir keine groben Fehler mehr, mein Sohn. Nun geh.“

Samsa erhob sich hastig, verbeugte sich noch einmal tief und trat rückwärts vom Thron des Herrn zurück. So viel Gnade hatte er nicht verdient und doch war es erleichtert. Sein Gott war weise und wusste, was richtig und falsch war. Daran hatte Samsa keinerlei Zweifel. Er urteilte niemals falsch. Samsa blieb auf dem großen Platz vor dem Palast des Schöpfers stehen und schlang die Arme um sich. Die Kälte wurde immer unerträglicher, doch so war es mit der Wärme auch gewesen. Er würde sich daran gewöhnen müssen. Hoffentlich geschah das bald. Ein paar vorbeieilende Engel warfen ihm einen schiefen Seitenblick zu. Natürlich, wie sollten sie auch verstehen, dass er fror? Dass er sich plötzlich einsam fühlte, dass es ihm hier viel zu ruhig war? Die Stimmen fehlten ihm irgendwie, auch wenn sie oft bösartig gewesen waren und Worte sprachen, die er vorher nicht gekannt hatte. Das Lachen der Zwillinge hallte immer wieder durch seinen Kopf und beschwor das Bild des sich küssenden Paares herauf. Sie hatten einander und waren nie allein. Konnte diese Liebe Sünde sein? Der Schöpfer hatte es ihm eingetrichtert, dass es falsch war. Noch ein Fehltritt Samsa und es ist vorbei mit dir. Nicht vielen Seelen wird die Ehre zuteil im Körper eines Engels weiterzuleben. Und vielen wird diese Ehre schnell wieder entrissen, fügte Samsa in Gedanken hinzu.

Gedankenverloren wandte er sich um und sah sich plötzlich einem Dämon gegenüber. Erschrocken wich er zurück. Ein Dämon? Im Himmel? Das bedeutete nichts Gutes.

„Du bist Samsa, nicht wahr?“ Sie betrachtete ihn aus ihren dunklen Augen, die stark geschminkt waren. Ihr Kleid war knapp geschnitten und Samsa konnte sich nur an ihren Augen festhalten, um nicht ihren üppigen Busen anzustarren, oder die langen schönen Beine. Sie trug rot, die Farbe des Feuers, der Hölle und paradoxerweise auch die der Liebe. Schwarze Rüschen zierten den Saum des Kleides und ihre schwarzen Flügel umrahmten ihre schreckliche Schönheit vollendend.

„Du solltest nicht hier sein“, sagte Samsa vorsichtig und machte noch einen Schritt zurück. Wenn einer der anderen Engel sie sah, würde er sofort Alarm schlagen. Kein Dämon durfte den Himmel betreten. Auch darauf wartete die Todesstrafe. Was durfte man eigentlich überhaupt noch, ohne sich den Tod einzuhandeln.

„Ich weiß selbst gut genug, was ich sollte und was nicht, Engel“, fauchte sie wütend. Erst jetzt bemerkte Samsa das lange, blitzende Schwert, das schmal in ihren zarten Fingern lag. Sie war gekommen um zu töten. Gekommen um ihn zu töten? „Dein Tod heißt Irina.“

Samsa brauchte eine Sekunde, um sich darüber klar zu werden, wie gefährlich diese Situation war. Irina, wie sie sich nannte, war schwer bewaffnet, er hatte rein gar nichts, außer seiner Magie. Seit er jedoch Deya von den Toten zurückgeholt hatte, fühlte er sich noch bedenklich ausgelaugt. So ein Ritual erforderte einiges an Kraft. Sie hob das Schwert über den Kopf, stieß sich kraftvoll vom Boden ab und er konnte nichts tun, als sein letztes Gebet zu sprechen. Sekunden bevor die Klinge seinen Kopf spalten konnte besann er sich wieder seines Körpers und sprang zur Seite. Die polierte Klinge Riss ein Loch in den Boden. Wie stark sie war.

„Was soll das?“ wollte Samsa etwas panisch wissen. Sie konnte doch nicht einfach hierher kommen und ihn töten. Warum gerade ihn!?

„Du hast mein Leben zerstört, Engel!“ fluchte sie wütend. Ein Fauchen entrang sich ihrer Kehle. „Jetzt zerstöre ich deines!“

„Was soll ich getan haben? Bitte, was?!“ Wo waren die anderen Engel, wenn man sie brauchte?

„Du hast Daimons Herz gestohlen. Es hätte mein sein sollen. Schon seit einhundert Jahren kämpfe ich darum und du zerstörst mit ein paar Worten alles was ich aufgebaut habe!“

Rosa Tränen rannen ihr über das Gesicht. Samsa hätte sie gern getröstet, doch er wusste nicht, wovon sie sprach. Daimons Herz? Wieder begann sie einen Angriff, dieses Mal so heftig, dass er nicht mehr ausweichen konnte. Er schloss die Augen und wartete auf den Schmerz, doch stattdessen ertönte ein metallischer Knall.

„Wag es nicht“, hörte er eine vertraute Stimme sagen. „Wag es bloß nicht, ihm ein Haar zu krümmen, Schlampe. Mein Herz hat dir nie gehört und es wird dir auch nie gehören!“

Als Samsa verwirrt die Augen öffnete entbrannte vor ihm ein Kampf, der seinesgleichen suchte. Klingen prallten so hart aufeinander, dass Funken sprühten und er konnte die beiden Kämpfenden nur noch als schwarze Schemen durch die Luft sausen sehen. Sie kämpften mit einer wahnsinnigen Geschwindigkeit, wohl wissend, dass jeder Angriff der letzte sein könnte. Es zählte nur noch, wer mehr Ausdauer haben würde. Samsa sah sich gehetzt um, doch noch immer war kein anderer Engel weit und breit zu sehen. Vielleicht hatten sie Glück und niemand würde auf sie aufmerksam werden. Noch ein Fehltritt Samsa und es wird dein letzter gewesen sein …

Ein gellender Schrei durchbrach seine Gedanken. Blut begann auf den makellosen Boden zu tropfen, vereinigte sich zu einer Pfütze und wurde immer größer. Irinas Körper klatschte in die Pfütze wie ein nasser Sack, besudelte alles mit noch mehr Blut. Ihr Kopf landete kaum eine Sekunde später daneben. Rufe ertönten von überall. Jetzt hatten sie es bemerkt, jetzt würde die Heilige Garde kommen und ihn …

Daimon tauchte hinter Samsa auf und legte ihm die blutverschmierte Klinge an den Hals.

„Was …“

„Sei ruhig. Tu einfach so, als hätten wir beide dich angegriffen. Sie müssen nicht wissen, dass du keinen Alarm geschlagen hast“, Daimons Körper und sein Atem waren heiß auf Samsas Haut. Er wünschte er könnte noch mehr von dieser Wärme spüren, die er so vermisst hatte.

„Das ist eine …“

„Lüge ich weiß“, unterbrach Daimon ihn. „Aber du solltest es tun, wenn dir dein Leben lieb ist.“

Die ersten Gardeengel tauchten auf und umringten sie, nicht weniger bewaffnet als die beiden Dämonen. Sie waren ausgerüstet um Leben zu nehmen, unwürdiges Leben, wie das von Daimon.

„Kommt keinen Schritt näher, oder er geht drauf!“ drohte Daimon ihnen. Samsa glaubte es fast selbst. Der Stahl seiner Klinge presste sich so fest gegen seinen Hals. Was ging hier vor sich? Er verstand die ganze Welt nicht mehr.

„Angreifen“, hörte Samsa den Hauptmann der Garde noch sagen. Kaum zu fassen, wie wenig ihnen ein Leben bedeutete. Ihr wollt Engel sein. Daimon stieß ihn von sich, sodass er der Länge nach in Irinas erkaltendem Blut landete. Er erschlug zwei der Gardeengel und bahnte sich so seinen Weg durch ihre Reihen.

„Es sind zu viele“, wisperte Samsa, als er grob gepackt wurde.

„Sehr merkwürdig, findest du nicht auch?!“ einer der Gardisten zog ihn ziemlich grob vom Boden hoch. „Das er dich einfach laufen lässt statt dich zu töten.“

„Geh weg von mir“, rief Samsa wütend und stieß den fremden Engel weg. „Du hast nicht die geringste Ahnung.“

„Wir fangen ihn so wie so!“ schleuderte der andere ihm entgegen. Wie hasserfüllt er war, wie wütend, schlimmer als jeder Dämon. „Und dann werdet ihr beide …“

Bevor er seinen Satz beenden konnte zerteilte ihn Daimons Schwert in der Mitte. Seine beiden Körperhälften fielen auseinander und sein Blut mischte sich mit dem von Irina. Samsa konnte keinen Unterschied erkennen.

„Stop, stop!“ brüllte er den restlichen Gardeengeln zu, die Daimon wieder umringt hatten. Kritische eisblaue Augen musterten ihn. Doch bevor er noch etwas sagen konnte schleuderte Daimon ihm einen Fluch entgegen, der ihn zu Boden gehen ließ.
 

„Er muss verwirrt gewesen sein, warum sonst sollte er versuchen einen Dämon in Schutz zu nehmen?“ fragte eine sanfte Stimme. Samsa spürte eine kalte Hand auf seiner Stirn.

„Aber der Dämon hat ihn nicht getötet!“ hielt jemand dagegen.

„Nun hör doch auf! Er hätte ihn mit diesem Fluch fast getötet, was willst du denn noch? Sei froh, dass er nicht starb, so wie die anderen. Dieser Dämon ist weitaus mächtiger, als alle, die mir je begegnet sind. Sicher hatte er seine finsteren Gründe ihn zu schonen. Weißt du, was in seinem Kopf umher geht? Vielleicht wollte er, dass wir ihn hier für einen Verräter halten.“

Die andere Stimme schwieg, doch selbst das Schweigen klang skeptisch.

„Geh, selbst deine Worte sind so scharf, wie die Klingen, die man dir gab. Wir werden es nie erfahren, wenn er mir unter meinen Händen stirbt.“

Schwere Schritte entfernten sich und Samsa wartete noch einige Atemzüge lang, bis er die Augen öffnete. Eine Frau saß an seinem Bett und betrachtete sein Gesicht.

„Du bist schon länger wach, nicht wahr? Es ist schwer diese ganzen aggressiven Hohlköpfe von hier fernzuhalten, mein Lieber. Du hast sehr viel Wirbel verursacht“, sagte sie und lächelte einsichtig. Samsa hatte sie noch nie gesehen.

„Wer bist du?“ fragte er und setzte sich vorsichtig auf. Sein Körper protestierte mit Schmerz dagegen.

„Jemand wie du“, sagte sie und sah ihn lächelnd an. „Jemand von der Abschussliste Gottes. Wer weiß, wie viele Tage uns noch bleiben. Unsere Seelen waren die reinsten der reinen und deshalb sind wir hier. Deshalb dürfen wir Engel sein. Doch der Himmel hat unsere Seelen verdorben. Du zweifelst auch manchmal, nicht wahr. Du hast Recht.“

Sie erhob sich von seiner Bettkante und durchmaß mit ihren Schritten den Raum. Ihr wallendes weißes Kleid umspielte die nackten Füße.

„Wie ist es in der Hölle, Samsa?“ fragte sie leise.

„Warm“, kam es über seine Lippen und wieder musste sie so lächeln.

„Ja … Wärme. Liebe schafft Wärme und Wärme schafft Sünde und Sünde schafft Sünder und Sünder gehören getötet. Das ist die Philosophie des Himmels“, sie kam zurück zu seinem Lager geeilt und setzte sich wieder zu ihm. „Hör zu. Ich möchte dir helfen, aber du bist so tief in dieser Misere, dass man dir kaum noch helfen kann. Der Schöpfer will dich sehen, sobald du wieder bei Bewusstsein bist und dann wird er dich von seinen Gardisten töten lassen. Er selbst macht sich niemals die Hände schmutzig. Samsa, wenn du Mut hast, kannst du dich und deinen Freund retten. Willst du das?“

Samsa konnte sie nur stumm ansehen. Wollte er das? Was wollte er eigentlich? Bestimmt stand ihm nicht der Sinn danach getötet zu werden.

„Wo ist Daimon?“ fragte er leise.

„In den Kerkern, dort, wo kein Licht der Welt hinkommt, bis der Wahnsinn ihn sich selbst zerfleischen lässt“, antwortete sie, die Augen voller Trauer. „Sei schnell!“

Er war schon auf den Beinen bevor er überhaupt wusste, was mit ihm geschah. Samsa konnte und wollte nicht zulassen, dass Daimon starb, denn nur er selbst hatte den Tod verdient. Noch niemals in seinem Leben war er so gerannt wie in diesem Moment. Er stürzte auf die Wendeltreppen zu, die niemand bewachte, da niemand es wagen würde freiwillig hinunterzugehen. Wie eine Spirale wand sie sich immer tiefer, das Licht wurde immer spärlicher. Unten angekommen, fand er sich vor einer Tür wieder, die ihn an das Tor zu Hölle erinnerte, nur dass sie viel kleiner war. Beinahe hörte er Jacob, den knöchrigen Wächter wieder gackern. Die Tür ließ sich einfach aufdrücken, doch dahinter war ein matt erleuchteter Gang von dem tausende Türen abzugehen schienen. Nur vor einer einzigen stand ein Wächter, ein Gardist wie die, die Daimon angegriffen hatten.

„Hey du!“ sprach er Samsa an und verließ sogleich seinen Posten. Doch Samsa merkte sich die Tür. „Was machst du hier? Das ist kein Spielplatz. Wie siehst du überhaupt aus?“

Samsa wagte einen Blick an sich herunter. Noch immer klebte das getrocknete Blut der Dämonin an seinen Kleidern.

„Ihr haltet einen Freund von mir gefangen“, sagte Samsa ruhig.

„Freund?! Unmöglich, hier sitzt nur ein Dämon, niemand sonst.“

Samsa seufzte, ihm war klar, dass es nicht mehr viel zu verlieren gab. Entweder scheiterte er, oder sie würden eine geringe Chance haben, dem Himmel zu entfliehen. Traurig erhob er die Hand und der Wächter zerfiel von seinen Augen zu Staub. Schnell fand er die Schlüssel, für die Zelle in seinen Überresten und eilte auf eine weitere dunkle Tür zu. Sie ließ keinen Spalt Licht hindurch, sagte man. Sie machte einen Wahnsinnig mit ihrer vollkommenen Dunkelheit. Sie ließ keinen Laut hindurch, blieb ewig stumm.

Mit zitternden Fingern steckte Samsa den Schlüssel ins Schloss und drückte sanft gegen das Holz. Es gab unter seinen Fingern nach. Totale Finsternis schlug ihm entgegen, schien an seiner Haut zu lecken, als könne sie es kaum erwarten ihn zu verschlucken.

„Daimon?“ flüsterte er in die Dunkelheit. Einen Moment lang geschah rein gar nichts, doch dann wurde er mit animalischer Kraft in die Zelle gezerrt, die Tür klappte hinter ihm zu und er flog ruckartig mit dem Rücken dagegen. Benommen blinzelte er, doch die Dunkelheit war so vollkommen, wie ihr Ruf. Samsa schmeckte Blut im Mund, dann war da plötzlich Wärme, ja sogar Hitze, die auf seiner Haut zu brennen begann und doch wollte er nicht, dass sie wieder verschwand.

„Gib es zurück“, sagte Daimons Stimme direkt neben seinem Ohr.

„Was denn?“ fragte er unschuldig, wollte sich nicht anmerken lassen, wie sehr er die Nähe genoss, jede Sekunde in der sich ihre Körper fast berührten.

„Was du mir gestohlen hast, du kleiner Dieb“, selbst sein Atem war heiß und jagte dennoch Schauder über seinen Rücken.

„Wir sollten von hier verschwinden“, Samsa gab sich immer noch Mühe dem Dämon nicht zu verfallen, auch, wenn es ein ziemlich aussichtsloses Unterfangen war.

„Du bist doch grad erst angekommen. Und niemand wird uns sehen, das schwöre ich.“

Ein Lächeln schlich sich auf Samsas Lippen. Eigenartig, wie glücklich er sich hier fühlte, auch wenn die Angst ihm noch fest in den Knochen saß.

„Aber niemand kann uns mehr helfen, wenn wir uns nicht beeilen“, schalt Samsa sanft. Daimons Hände strichen seine Arme hinab, hinterließen auf ihrem Weg ein warmes Kribbeln und brachten Samsas Herz dazu, sich fast zu überschlagen. Ihre Finger verschränkten sich sanft miteinander. Diese Wärme tat so gut.

„Bin ich immer noch so kalt?“ fragte Samsa leise in die vollkommene Dunkelheit.

Etwas streifte seine Wange und er konnte nur erahnen, dass es Daimons Lippen waren. Weich und zärtlich strichen sie über seine Haut.

„Nicht mehr ganz so kalt, wie als wir uns das erste Mal sahen“, murmelte Daimons Stimme gegen seinen Hals. „Aber du bist immer noch genauso wunderschön.“

„Du weißt, dass es nicht sein sollte …“, begann Samsa, auch wenn sein Herz dagegen anschrie, doch der Dämon unterbrach ihn.

„Erzähl mir nicht was sein sollte. Dein Gott, sollte barmherzig und gut sein, dennoch ist er nichts von beidem. Wem hat er dann noch zu sagen, ob Dämonen und Engel sich lieben dürfen? Wem kann er noch vorschreiben, dass Engel keinen Sex haben dürfen? Wir haben unseren eigenen Verstand und können tun und lassen was wir wollen.“

Die Luft in der Zelle schien Samsa knapp zu werden. Unsicher was er überhaupt noch glauben sollte, wem er überhaupt noch trauen konnte lehnte er seine Stirn gegen Daimons und seufzte leise. Niemand würde das glauben, dass er so dumm war sich in einen Dämon zu verlieben. Was, wenn Daimon ihn nur benutzte?

„Töte mich, oder flieh mit mir, aber bitte meine beides ernst“, forderte Samsa flüsternd. Er wünschte sich Daimons Augen zu sehen, Ihn nur zu spüren war so nervenaufreibend.

„Ich werde mit dir fliehen. Ich werde dir meine Liebe schwören und ich werde dich vor allem und jedem mit meinem Leben beschützen, wenn …“ Einen quälenden Moment lang schwieg er und Samsa meinte ihre Herzen pochen zu hören. „Wenn du mir erlaubst dein Geliebter zu sein, dich zu küssen und dich zu berühren.“

Samsa biss die Zähne zusammen, um eine voreilige Antwort zu schlucken.

„Ich bin ein Engel“, sagte er leise, kaum hörbar. Er glaubte selbst nicht an dieser Argument.

„Für dich wird kein Platz mehr hier sein“, antwortete Daimon ihm ebenso leise. „Das weißt du, also mach dir nichts vor.“

Er hatte ja Recht, hatte so Recht, das es fast körperlich wehtat. Samsas Wangen wurden feucht von Tränen, doch er schlang die Arme um Daimon und versenkte seinen Kopf an dessen Halsbeuge.

„Lass uns endlich fliehen“, brachte er unter Schluchzern hervor, genoss die Wärme, die ihm ein wenig Trost und Sicherheit gab. Die Hoffnung hatte er längst verloren.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2010-01-13T12:46:21+00:00 13.01.2010 13:46
Hey^^ Ich hab mich sehr über das neue Kapitel gefreut :)
Mit so einer Entwicklung der Geschichte hätte ich nicht gerechnet, aber es gefällt mir sehr gut. Das ist sehr spannend, ich hoffe es gelingt ihnen zu fliehen und, dass Daimon es auch wirklich ernst mit Samsa meint. Die Szene in der Gefängniszelle find ich wirklich sehr schön..
Auch das Samsa langsam selbst nicht mehr weiß was nun richtig ist und was nicht kommt gut rüber.. Es gibt eben nicht nur schwarz und weiß, aber das scheint er langsam auch zu begreifen..
Ich freue mich jetzt schon auf das nächste Kapitel und hoffe, dass es bald weiter geht^^
lg shiori


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