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Incomplete - Bis(s) in den Tod

The Bella & Edward Story geht in die dritte Runde!
von

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Der erste Schultag

Musiktipps:

Muse - Hysteria http://www.youtube.com/watch?v=HaH5SxhCUQU (das ist jetzt ein fanmade-video mit dem song, aber ich find die besser als die "echte" von muse, das ist schön zusammengeschnitten ^^)

Stars Of Track And Field - End Of All Time http://www.youtube.com/watch?v=ajSIThQJUCw

Die beiden lieder... ja... toll :) komplett verschiedene genres aber klasse^^ das erste ist auf nela bezogen, was so in ihrem "kopf abgeht" (werde ihr kap denk ich verstehen^^); das ist etwas rockig, vllt zu rockig, aber trotzdem passend, meiner Meinung nach

Das zweite passt toll zu der szene wo nela alleine ist (auch hier werdet ihr wissen was ich meine), aber allg. finde ich das lied spitze, ach seht selbst:):
 

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Ich atmete tief ein und aus, nachdem Edward den Wagen auf dem Platz vor dem Krankenhaus geparkt und ich nun ausgestiegen war. Ich war ungewohnt aufgeregt. Als raste mein Herz. Lag es daran, dass er die Verbindung zu Caroline war? Mit der ich mich so fürchterlich zerstritten hatte? Nun ja, ganz richtig war das nicht… sie war sauer auf mich und hatte Lügen über mich in der Uni herausposaunt. Ich war mir nicht sicher, ob Mr. Hutton von den Vorkommnissen in Prince Albert wusste.

Während ich mit einer Hand an der Autotür zum Eingang starrte, hatte Edward Lion bereits im Maxi Cosi verstaut und stand nun neben mir.

„Alles klar bei dir?“, wollte Edward wissen.

Ich nickte nachdenklich. Ich musste mich zusammenreißen. Nela zählte auf mich. Ich wollte sie nicht enttäuschen und ihr die Praxisseminare ermöglichen. Ich hatte bislang noch nicht viel für sie getan. Das war die Gelegenheit!

Edward legte eine Hand auf meinen Rücken und neigte den Kopf zu mir, als wir durch die Schiebetüren ins Krankenhaus gingen. „Du siehst übrigens zum Anbeißen aus“, hauchte er. „Absolut sexy.“

Ich öffnete dem Mund, um etwas Abschätziges zu sagen, doch Edward schüttelte nur den Kopf und sagte leise. „Schhh. Einfach nur annehmen und nicken.“ Er grinste.

„Na, wenn das so ist“, murmelte ich mit zusammengepressten, schmunzelnden Lippen.

Wir kamen am Empfang an. „Guten Tag. Bella Cullen. Ich würde gerne zu Mr. Hutton. Ist der im Haus?“, fragte ich nach.

„Er ist in einer Sitzung. Haben Sie einen Termin?“, fragte die Frau zurück.

„Nein, ich- er kennt mich“, antwortete ich schlicht.

Die Frau hob die Augenbrauen und dachte kurz nach. Zögerlich griff sie nach dem Telefon.

„Eine gute Bekannte“, sagte Edward völlig aus dem Zusammenhang. „Mr. Hutton wird sich freuen Mrs. Cullen zu sehen.“

Die Frau sah ihn irritiert an und blinzelte unnötig oft. „Augenblick“, knurrte sie nahezu und wählte im Telefonhörer. Scheinbar war Mr. Hutton doch nicht in einer Sitzung oder zumindest in keiner, der er nicht vorübergehend fernbleiben konnte.

Ich schaute zu Edward auf, während sie telefonierte. Konzentriert verharrte er. Gegen Ende des Gespräches nickte er. Mr. Hutton war einverstanden mich zu sehen. Ich war erleichtert, obwohl nun jedoch umso aufgeregter. Schließlich konnte ich dem Treffen jetzt nicht mehr entfliehen.

„Mr. Hutton wartet auf Sie in seinem Büro. Wissen Sie-“

„Ja, vielen Dank“, sagte ich flüchtig lächelnd und trat mit Edward aus der Warteschlange.

„Er freut sich dich zu sehen“, flüsterte Edward mir zu. „Mach dir keine Sorge, er mag dich.“

„Ich werde Emmett als deinen Bruder ausgeben und Nela als eure Cousine ausgeben, das geht doch, oder?“, fragte ich ihn, während wir den Gang entlang gingen. „Sonst würde das mit den Nachnamen nicht passen…“

„Ja, das ist kein Problem.“

Eine Weile folgte Edward mir, dann verabschiedete er sich. Carlisle habe ihn gehört und warte auf ihn. Ich gab meinen beiden liebsten Männern einen Kuss und machte mich weiter auf den Weg ins Büro, den ich noch gut kannte. Ich wusste die Zimmernummer nicht mehr, aber das Stockwerk und ich erinnerte mich auch an den separierten Trakt, wo sowieso nur eine Tür abging. Genau vor dieser stand ich jetzt. Ich sammelte mich und klopfte.

„Herein.“

Ich drückte die Türklinge und schritt durch die Tür. Das bekannte Zimmer von damals offenbarte sich mir: Ein lang gezogenes Zimmer mit wenigen, aber sehr modernen Möbeln und eine durchgehende Fensterfront, die sich um eine Kurve bog. Direkt vor mir der Mahagoni-Schreibtisch, hinter dem Mr. Hutton, mit aufgestützten Händen, stand.

„Mrs. Cullen“, grüßte er beschwingt. „Ich freue mich sehr, sie zu sehen.“

„Guten Tag“, sagte ich lediglich. Meine Hände zitterten leicht und ich bereute es, keine Tasche oder Ähnliches mitgenommen zu haben.

„Ich habe sie lange nicht gesehen. Umso schöner, sie wieder zu sehen. Caroline berichtete mir, dass sie das Studium abgebrochen haben“, berichtete er mit einem undeutbaren Unterton. „Darf fragen wieso?“

Zunächst war ich erleichtert, dass Caroline ihm von mir erzählt hatte. Das hieß schon mal, dass sie scheinbar ihrem Vater gegenüber nicht verschlossen gewesen war, sodass jener misstrauisch geworden wäre und scheinbar hatte sie ebenso nicht so schlecht geredet, wie ich gedacht hatte. Aber musste er sofort mit der Tür ins Haus fallen?

„Ja, also, ich bin schwanger geworden und da-“

„Nein wirklich?“, fuhr Mr. Hutton mit gehobener Stimme dazwischen. Er kam um den Tisch herumstolziert und schüttelte mir mit beiden Händen die Hand. „Herzlichen Glückwunsch“, sagte er aufrichtig. „Was ist es denn und wann war es denn so weit?“

Der zweite Teil seiner Frage bereitete mir Kopfschmerzen. Ich hatte keine Zeit nachzurechnen, welches Datum eventuell realistisch wäre, weshalb ich einfach nur sagte: „Vor ein paar Wochen. Es ist ein Junge geworden, Lion heißt er.“ Ich konnte mir ein stolzes Lächeln nicht verkneifen.

„Gesund, hoffe ich? Haben Sie hier entbunden?“

„Ja, putzmunter“, erwiderte ich und versuchte inständig nicht in Plauderlaune zu verfallen. „Nein. Dr. Cullen hat mir zu Hause eine Entbindung ermöglicht.“

„Ist auch viel schöner, obwohl ich das als Inhaber des Krankenhauses eigentlich gar nicht sagen darf“, gestand Mr. Hutton und zwinkerte mir zu. „Nicht, dass ich damit sagen will, mein Krankenhaus wäre hässlich.“ Er lachte heiser, ich stimmte tonlos mit ein. „Aber Sie sind wohl auf?“

„Ja, alles bestens. Mir geht es gut, danke“, antwortete ich der Anstand halber. Ich merkte, wie uns die Gesprächsthemen und Floskeln ausgingen und wir meiner Bitte immer näher kamen. Doch noch hatte Mr. Hutton die Zügel in der Hand, denn er fragte weiter: „Nehmen Sie ihr Studium dann wieder auf? Bzw. ihr Mann?“

„Ähm, nein, also wir machen erst mal… Pause und dann sehen wir weiter“, versuchte ich hervorzubringen ohne zu stammeln (Gelang es?, fragte ich mich) und setzte noch hinzu: „Unsere Familie unterstützt uns sehr.“

„Wie wahr… es ist nicht einfach so jung Eltern zu werden…“, sagte er nachdenklich. In seinem Blick schwang ein Hauch Mitleid mit, den ich innerlich nur belächeln könnte. Wenn er wüsste, wie sehr ich es mir gewünscht hatte und wie „jung“ wir eigentlich nicht mehr waren.

Erst nach wenigen langen, stillen Sekunden merkte ich, dass nun ich an der Reihe war. Ich ordnete meine Gedanken und sprach langsam: „Weswegen ich gekommen bin… ich habe ein Anliegen, Mr. Hutton.“ Ich sah ihm direkt in die Augen. In den seinen verbarg sich nur Neugier. „Zur Geburt meines Kindes ist die Cousine meines Mannes mit ihrer Familie hierher gekommen. Sie ist sehr medizinisch interessiert und da es hier sehr gut gefällt, würde sie gerne hier studieren. Sie ist mit Dr. Cullen auch schon mal hier im Krankenhaus mit gewesen und absolut begeistert. Gleiches gilt für den Bruder meines Mannes“, spann ich eine Geschichte. „Sie haben sich auch schon auf dem Collegegelände hier umgesehen und Nela, die Cousine, würde gerne bleiben. Das Problem ist nur, dass es so kurz vor dem Semester kaum noch oder gar keine Praxiskurse mehr gibt. Die sind leider alle schon belegt…“ Ich wusste nicht genau, wie ich meinen Wunsch äußern sollte und hoffte, dass er selbst darauf ansprang. Er sagte nichts. „Und…“, machte ich bedächtig. „Nun ja…“

Endlich, nachdem er mich lange angesehen hatte, reagierte er: „Ich helfe Ihnen sehr gerne, Mrs. Cullen.“ Er lächelte milde. Mir fiel ein Stein von Herzen, ach was, eine ganze Last. „Ich freue mich immer, jemand Ihrer Familie kennen zu lernen und wenn die Cousine ihres Mannes nur annähernd so charmant und begabt ist, wie Sie, dann sehe ich das als Bereicherung. Und bestehe darauf, dass sie hier, und nirgendwo anders, Medizin studiert.“

Ich strahlte ihn an. Gott sei Dank, wenigstens das, konnte ich für Nela tun.

„Kommen Sie kurz mit zu meinem Computer, ich schreibe Ihnen ein Formular für Ihre Cousine, das sie dann einfach bei Ihrer Einschreibung vorlegt. Das geht schon in Ordnung, ich werde die Angestellten informieren“, erklärte er und wendete sich um, damit er vorausgehen konnte.

„Mr. Hutton?“, sagte ich rasch, bevor eine Äußerung meiner Dankbarkeit unangebracht spät kommen würde. Er drehte sich zu mir. „Vielen, vielen Dank.“

Er schien kurz irritiert – vermutlich, weil ich ihn so flehend ansah – und nickte dann. „Sehr gern.“
 

Nela
 

Übermütig fuhren Emmett und ich am nächsten Tag zur Uni. Mich hatte die Begeisterung gepackt. Ich freute mich so sehr. Studieren… das bedeutete mir viel mehr, als einfach nur Wissensaneignung oder andere banale Sachen. Zum ersten Mal in meinem Leben kam ich unter Menschen. Also so richtig. Ich war ja nie in der Grundschule oder auf der High School gewesen. Doch gerade deswegen hatte ich auch Angst. Eben weil ich nun unter Mensch war. Wie würde das sein? Was würden sie von mir denken? Wie würde ich auf sie wirken? Und… würden sie mich mögen? Oder war ich anders?

„Dir ist klar, dass du ein Auto steuerst?“, neckte Emmett. „Nicht, dass ein Blechschaden von Bedeutung wäre, aber es hält unnötig auf.“ Er lachte neben mir.

Ich fuhr mit dem Kopf, die Geschwindigkeit unverändert, zu ihm und sah ihn fragend, meinen vorherigen Gedanken jedoch noch nachhängend, an.

„Genau, das meine ich.“ Er grinste breit. „Ich hab noch nie einen Vampir so verträumt gucken sehen.“

„Ich bin nicht verträumt, ich denke nach“, entgegnete ich schnippisch, ich war mir nicht sicher, ob es gespielt oder echt wirkte, und sah betont ernst auf die Straße vor mir. Emmett lachte wieder.

„Soso und was denkst du?“

„An alles eben“, murmelte ich und blickte Emmett dann in die Augen, ehe ich mit der Sprache rausrückte: „Du hast doch schon studiert, nicht wahr?“ Ich wartete keine Antwort ab. „Wie ist das so? Wie sind die Menschen, wenn man näher mit ihnen zu tun hat? Ich meine mögen sie uns? Bemerken sie das?“

„Erster-Schultag-Panik, wie?“, bemerkte Emmett schmunzelnd und ich stimmte etwas verlegen ein. Ja, es war tatsächlich mein erster Schultag. Nun ja, nicht wirklich, ich würde mich heute nur anmelden und etwas umsehen. Aber allzu lang war es nicht mehr, bis die regulären Vorlesungen begannen (derzeit waren entweder die letzten Seminare oder Wiederholungskurse). Und so sehr ich mich freute, so sehr regte sich ein unangenehmes Magengefühl in mir. Das waren Situationen, auf die war ich nicht vorbereitet und die ich nie beigebracht bekommen hatte – im Gegenteil. Ich war vor Begegnungen mit Menschen geschützt worden. Und wenn ich mit Emmett unterwegs war, stießen wir selten auf Menschen. Klar, war ich schon mal Einkaufen gefahren, aber das war etwas anderes…

Natürlich hatte Papa mich instruiert. In erster Linie aus Angst. Allerdings deckten sich seine Ängste bei weitem nicht mit meinen. Ihm ging es um meine vampirischen Instinkte und Bedürfnisse. Nela, hatte er gesagt, ich weiß, dass du dir darum gar keine Gedanken machst – und das auch bestimmt alles gar nicht hören willst –, aber wenn du studierst, sitzt du unter Umständen stundenlang mit Menschen in einem Raum. Mit vielen Menschen. Ihr Duft ist dann viel stärker und überall, wo du hinkommst sehr intensiv. Ich weiß sehr wohl, dass du nicht auf deren Duft reagierst, aber die vielen Reize, die die Menschen uns senden, und für die wir sehr empfänglich sind, wie du weißt, könnten dich überfordern. Ich möchte, dass du das weißt und auch beherzigst. Sei vorsichtig und gib Emmett Signale, wenn es dir zu viel wird oder du dich nicht mehr beherrschen kannst. Denn ganz abseits von dem Duft: Keine schnellen Bewegungen, kein steifes Verharren, nichts dergleichen. Das ist für mehrere Stunden anfangs nicht leicht und wenn du Hilfe brauchst, dann sag es Emmett.

Typisch Papa. Manchmal glaubte ich, er liebte es, sich zu sorgen. Als ob es sein Hobby war, dachte ich Augen verdrehend. Emmett hatte er danach natürlich auch noch eingeschärft, auf mich aufzupassen.

„Weißt du…“, antwortete ich Emmett endlich, „ist schon komisch, nach so vielen Jahren. Und na ja, ich weiß halt nicht wie das ist.“

„Mach dir keine Gedanken“, beschwichtigte Emmett und drehte sich mit dem Körper auf dem Sitz zu mir. „Als Vampir ist studieren in jeder Hinsicht einfach. Allein schon der Hörsinn ist praktisch. Es entgeht einem nichts. Und Menschen sind durchschaubar. Ihre kleinen Signale, ihr Herzschlag, Körpersprache und so weiter, verraten sie sofort.“ Er kicherte. „Da brauchst du deinen Dad nicht für.“ Emmett zwinkerte mir zu.

„Mhmm“, machte ich. „Und wir haben Zeit ohne die Anderen“, ergänzte ich nach einer Weile.

„Du meinst ohne deine Mutter“, konkretisierte er, ebenfalls nach einer Pause. Es war keine Frage.

„Oder so eben“, seufzte ich. Ich wollte nicht schlecht von ihr denken, aber es fiel mir sehr schwer, weil immer wieder die Verletzung hochkam, wenn ich Lion und sie sah. Ich wollte meine Mutter nicht dafür hassen, aber ich merkte, dass ich es tat und sie verurteilte. Dann versuchte ich wieder ihr Verhalten vor mir selbst zu rechtfertigen, so wie Papa es immer tat, aber das brachte mich meist auch nicht weiter, denn ich konnte nicht so endlos selbstlos und verständnisvoll sein wie er.

Papa hatte recht. Mama und ich brauchten Abstand.

Emmett sagte nichts. Ich sah ihm an, dass er wollte, aber nicht wusste, was er sagen sollte. Ich war ganz dankbar, dass er nichts sagte. Mir reichte das Mitleid von Papa. Nicht, dass es nicht schön gewesen war, wie er sich um mich gekümmert hatte und wie ich genossen hatte, das würde jeder tun, aber jede Nacht versuchte er mich zu trösten. Ich brauchte Ablenkung, einfach nicht daran denken.

„Dann wollen wir mal“, sagte ich zuversichtlich, stieg aus, nachdem ich millimetergenau eingeparkt hatte und steckte den Zettel, den Mama mir von Mr. Hutton gegeben, in die Jackentasche.
 

Wir passierten den Haupteingang und betraten gemeinsam das Unigebäude. Ich folgte Emmett, der kurzerhand die Suche nach dem Sekretariat übernahm. Ich war mit umsehen beschäftigt. Die Gänge waren so gut wie leer, doch ich vernahm unglaublich viele Stimmen von überall. Sie schienen Seminare zu haben. In meinem Kopf hallten tausend Stimmen, dass es fast schmerzte. Ich musste mich daran gewöhnen, wegzuhören – irgendwann. Jetzt ging das noch nicht. Ich vernahm tausend verschiedene Töne, Lautstärken und Satzfetzen, die durcheinander keinen Sinn ergaben.

„Hier rein“, kommandierte Emmett und hielt mir die Tür zum Verwaltungstrakt auf. Zielsicher gingen wir durch die nächst größere Tür, um ins Sekretariat zu gelangen. Ich war innerlich mit den Gedanken teilweise bei all den vielen Eindrücken, die ich wahrnahm und teilweise auch bei dem was jetzt geschehen würde: Der ersten Einschreibung meines Lebens.

„Guten Tag, ähm Cullen“, begann ich. Die Sekretärin saß vor ihrem Rechner und blickte hoch zu uns, die wir hinter dem Tresen standen. Es fühlte sich an, als drehte sich alles in mir. Ich ordnete rasch meine Gedanken, um das Hier und Jetzt zu bewältigen und fuhr fort: „Also wir würden uns gerne für das Sommersemester einschreiben. Für Medizin“, ergänzte ich unsicher.

„Tut mir leid, die Bewerbungsfristen sowie auch die Einschreibezeiten sind abgelaufen“, erklärte die Sekretärin schlicht und wandte sich ab.

„Ja, ja, aber wir- wir haben eine Empfehlung…“ Ich nestelte an meiner Jacke herum und zog den Zettel raus. Emmett stand seelenruhig neben mir.

Die Frau zog die Augenbrauen hoch. „Sollte das etwas ändern?“, entgegnete sie kühl.

„Ja, also, ich denke- Mr. Hutton hat sie ausgestellt“, stammelte ich.

„Mr. Hutton?“, sagte sie verblüfft, stand nun auf und kam zu uns herüber. Ich schob ihr den Zettel hin. Sie schob die Brille zu Recht und überflog die wenigen Zeilen. „Das muss ich abklären“, murmelte sie und ging zurück zu ihrem Schreibtisch. Den Beleg beäugelte sie misstrauisch. Sogleich wählte sie.

Ich fühlte mich nicht wohl in meiner Haut. Alles war so komisch, verzerrt… Emmett sagte kein Wort. Als ich ihn jetzt kurz anblickte, lächelte er milde.

Die Frau räusperte sich wenige Minuten später. „Dann geht das in Ordnung. Folgen Sie mir, dann regeln wir Ihre Einschreibung. Mr. Hutton ist auch auf dem Weg hier her, um Sie kennen zu lernen.“

Dankbar nickend ging ich ihr hinterher. Mr. Hutton kam? Das war… nicht sonderlich erfreulich. Zumindest behagte es mir nicht. Was wollte er? Und vor allem: Was sollte ich sagen?! War ich wie er sich es vorstellte? Schaffte ich es mich einigermaßen normal zu verhalten? Das Surren in meinem Kopf abzustellen.
 

„Man bist du süß, wenn du ängstlich bist.“ Emmett hat sich mit dem Kopf zu meinem Ohr herabgeneigt, sobald wir mit Ausweisen und vielen Dokumenten aus dem Nebenzimmer kamen.

„Ich hatte keine Angst“, widersprach ich. Angst hatte ich auch nicht gehabt…

„Aber du warst verdammt aufgeregt“, revidierte Emmett.

Ich zuckte nur mit den Schultern und verließ mit ihm das Sekretariat. Allerdings blieb keine Zeit für weitere Gespräche, da wir direkt Mr. Hutton (es konnte nur er sein) in die Arme liefen.

„Die Cousine von Mr. Cullen? Liege ich richtig?“, begrüßte er uns und schüttelte direkt meine Hand, als ich überrumpelt eifrig nickte. „Und der Bruder?“ Er tat selbiges mit Emmett.

„Ja, Emmett Cullen. Freut mich Sie kennen zu lernen. Mein Bruder hat sehr viel von Ihnen erzählt“, säuselte Emmett in einer Souveränität, die ich an ihm noch gar nicht gekannt hatte.

„Es freut mich sehr, dass Sie beide nun ebenfalls diese Hochschule zieren.“ Mr. Hutton strahlte. „Was haben Sie heute noch vor?“

„Wir werden uns etwas umsehen“, ergriff Emmett für mich das Wort. „Stundenplan schreiben-“

Von Beginn an schüttelte Mr. Hutton den Kopf. „Unnötig, völligstens. Warum besuchen Sie nicht direkt die Seminare? Kommen Sie, kommen Sie. Nicht weit findet eine spannende Endokrinologie-Vorlesung statt“, schlug er vor. „Oder doch etwas Praktisches? In der Aula wird gerade gezeigt-“

„Endokrinologie ist wunderbar“, fuhr Emmett ihm betont höflich ins Wort. „Wir würden es uns gerne ansehen, um einen ersten Eindruck zu gewinnen.“

„Schön, umso besser!“, entfuhr es Mr. Hutton höchst erfreut und lief vor. Etwas Praktisches? Jetzt?, ging mir der zweite Vorschlag von Mr. Hutton durch den Kopf. Mir wurde sprichwörtlich schlecht bei dem Gedanken.

Emmett drehte sich zu mir zu und schnitt eine Grimasse. Er hasste dieses Höflichkeitstheater, denn ihm kam es nicht so selbstverständlich über die Lippen wie meinem Vater oder an den Anderen. Ich verkniff mir ein Kichern.
 

Mr. Hutton redete mit dem Dozenten, während wir in einen Raum mit, kurz durchgezählt, 67 Studenten kamen, die uns alle verwirrt ansahen. Das Getuschel rauschte in meinen Ohren, doch das Schlimmste war der Duft. Genau das, was Papa gesagt hatte… es überforderte mich. Tausend verschiedene Düfte umwoben mich, hatte ich den Eindruck. Geräusche, Hitze, Bewegungen, Herzschlagen – alles, empfand ich hundertmal genauer. Mein Kopf schrie, als drohte er zu platzen. Es schmerzte nicht direkt, aber es war unangenehm, sodass ich einfach nur stocksteif neben Emmett stehen blieben konnte. Ich konnte gar nicht herausfiltern, was um mich herum gesagt wurde. Es klang wie ein Rattern. Und dieser Duft… er reizte mich nicht, ich wollte sie nicht beißen, aber betörte mich, ließ mich nicht weghören. Von allen Seiten. Wie ein Nachtisch, wenn man nach einem phänomenalen Hauptgang gar keinen Hunger eigentlich mehr hatte.

„Nela?“, fragte Emmett nur für mich hörbar.

Ich schluckte trocken. „Alles gut“, grummelte ich zurück und ging ein paar Schritte weiter. Hier und da hörte ich jemanden kichern. Es sah bestimmt lächerlich aus, wie ich da, einem Zinnsoldat gleich, Schritt für Schritt vorging. Instinktiv nahm ich Emmetts Hand und drückte sie fest. Die Situation war mir zu viel. Ich konnte nichts, gar nichts, deuten. Emmett sagte die Menschen waren einfach zu durchschauen. Wollte er mich veräppeln?!?

Nun forderte Mr. Hutton Aufmerksamkeit. Der Dozent schien wohl nichts dagegen zu haben, dass wir teilnahmen. „Meine lieben Studenten und Studentinnen. Entschuldigen Sie, aber ich möchte Ihnen Mr. und Ms Cullen vorstellen. Sie werden heute ihrem Seminar beiwohnen, da sie zum nächsten Semester beginnen.“ Mr. Hutton lächelte uns an und verließ den Seminarraum. Emmett zog mich, die ich einfach stehen blieb, zu zwei freien Plätzen weiter hinten.

Kaum saßen wir, ich konnte nicht mal ein Blick zu Emmett werfen, sprach das Mädchen, welches neben mir saß, uns an: „Hey, habt ihr etwas mit Bella Cullen zu tun?“, fragte sie leise.

„Ähm ja“, antwortete ich perplex, „sie ist meine-“

„Bella und ich sind verschwägert“, unterbrach Emmett mich und antwortete selbst. Sein Blick hatte etwas misstrauisches, als er meinen Blick traf.

Das Mädchen nickte, zog kurz die Augenbrauen hoch und wandte sich an ihre andere Sitznachbarin und tuschelte, kaum überhörbar für uns: „Ja sind sie. Er sagt, er sei mit der verschwägert. Bestimmt ein Bruder von diesem Edward. Stell dir das mal vor… überleg mal, wie sauer Caroline damals auf Bella war. Scheinbar geht ihre ganze Familie hier aufs College. Das Mädchen ist ja schon mal merkwürdig, genau wie Bella. Hast du gesehen wie sie vorhin vorne stand? Als sei die total geschockt. Völlig bescheuert.“ Leises Gekicher ertönte. „Aber apropos, da interessiert mich doch noch was…“, flüsterte sie leise.

Was hatte meine Mutter mit dem ganzen zu tun? Und diese Caroline? Mein Kopf dröhnte. Ich wusste nicht, warum ich auf einmal solche Probleme mit meinen vampirischen Denkkapazitäten hatte. Es schmerzte schon fast.

Das Mädchen neben mir wandte sich um. „Und ihr studiert dann hier zusammen? Seit… seit ihr zusammen?“, kam sie auf ihre eigentliche Frage, die sie im Grunde auch nur beantwortet haben wollte.

Ich tat ihr den Gefallen und schüttelte langsam den Kopf. „Nein, wir-“

„Nela und ich sind Cousine und Cousin. Und ein Paar“, ergänzte Emmett. Ich sah ihn ruckartig an und empfing seinen strafenden Blick.

„Ähm, aha“, sagte das Mädchen und sah uns ein wenig angeekelt an. Oder war es eher verwirrt?

Doch das beschäftigte mich nicht näher, denn was Emmett gesagt hatte, geisterte mir viel mehr im Kopf herum. Ein Paar? Wir? Was sollte das? Ich warf Emmett einen vernichtenden Blick zu. In diesem Augenblick drückte Emmett meine Hand sehr fest.

Jetzt bemerkte ich die Auswirkung meiner Geste eben. Und alle hatten es gesehen… Ich zog Emmett die Hand weg und verschränkte meine Arme. Trotzdem. Das gab ihm kein Recht uns als Paar vorzustellen. Wir hätten einfach nur eine sehr enge Freundschaft haben können oder so was in der Art…

Ich konzentrierte mich die Seminarzeit über, Emmett zu ignorieren und meine Wahrnehmung in den Griff zu kriegen. Mit Emmett würde ich nach dem Seminar reden. Wider besserer Belehrung machte mir der starke Blutgeruch wirklich zu schaffen. Nicht, weil ich die Menschen in diesem Raum anfallen wollte, sondern weil diese Düfte meine Sinne benebelten. Intensiv, differenziert und eindringlich.

Als ich die Abschiedsworte des Professors hörte, welcher dann noch einen Stichpunkt an die Tafel kritzelte, war ich einfach nur erleichtert, aus dem Raum zu kommen und mich erholen zu können. Ich sprang sofort auf und drängelte Emmett raus, welcher betont langsam und ruhig vor mir her ging. Wollte er mich ärgern? Machte er das mit Absicht? Ich wollte so schnell wie möglich hier raus und keine Wurzeln schlagen!

„Du bist mir eine… du musst noch etwas üben, meine Liebe. Dein Schauspieltalent lässt zu wünschen übrig“, meinte Emmett, als wir als erste aus dem Raum verschwunden waren, bevor ich etwas sagen konnte. Alle anderen schrieben noch Prüfungsdaten ab.

Ich ging gar nicht auf seine Witzeleien ein, insgeheim fragte ich mich aber, was er meinte, und fauchte: „Was fällt dir ein uns als Paar vorzustellen?!“

Emmett blickte verwirrt drei und zuckte mit den Schultern. „Willst du allen erzählen, was für eine Art von Beziehung wir haben und warum?“ Seine Stimme war gezwungen gemächlich. Mich machte das rasend.

„Nein, natürlich nicht!“, flippte ich aus und ging weiter den Gang entlang, der sich so langsam füllte. „Aber wir hätten doch einfach sagen können-“

„Das wäre niemals einfach geworden!“, fuhr Emmett dazwischen. „Außer wir hätten uns in der Öffentlichkeit nicht geküsst, nicht berührt, nichts. Kein Problem Nela, aber das sah mir leider vorhin nicht so aus, dass du das könntest, als wir vor den anderen standen.“ Er zog die Augenbrauen hoch und blieb stehen. Wir waren etwas abseits des Treppenhauses.

„Ja, ja man- aber, aber nein, aber- ich will das nicht!!“, wütete ich. Versteht er das nicht?! Wir sind kein Paar und ich habe keine Lust eines zu Spielen oder vorzugeben eines zu sein! Es war doch so oder so schon alles kompliziert genug. Und für einen ersten Eindruck gab es keine zweite Chance. Wenn man uns hier einmal als Paar kannte, blieb das auch so. „Du hast alles versaut!“

„Ich habe dir einen Gefallen getan!!“, konterte Emmett lautstark. „Weißt du wie das sonst gewesen wäre?? Wir hätten uns verstecken müssen und nach deiner schauspielerischen Leistung von eben, wäre das nicht gut gegangen! Ach mach doch was du willst!“

Ich sah wie Schlüssel – Autoschlüssel – von ihm zu Boden gepfeffert wurden. Sekunden später hatte er sich geschickt aus meinem Blickfeld gewunden. Idiot, dachte ich und schaute ihm wütend nach. Ich hob die Schlüssel auf und steckte sie in die Tasche. Ich wusste gar nicht, warum er die Autoschlüssel hatte, schließlich war ich gefahren. Vielleicht war ich zu verwirrt gewesen und hatte sie stecken lassen… auch egal.

Außer mir stampfte ich zum Auto. Ich versuchte meinen Kopf zu ignorieren, doch das war schwer. So viele starke Reize wirkten auf mich ein, sodass mein Kopf nahezu schmerzhaft surrte. Ich hoffte inständig, dass ich nicht schneller rannte (gehen konnte ich nicht mehr), als es für Menschen möglich war, denn ich war nicht im Stande das abzuschätzen. Mein Körper fühlte sich fremd an, als hätte ich die Kontrolle verloren.

Ich atmete im Auto mehrmals tief durch und hielt mir – unsinnigerweise – die Ohren zu. Ich war nun abseits des Geländes und ich vernahm bei weitem nicht so viele Geräusche oder roch das Blut der Menschen wie zuvor, doch es schien, als hätte die Intensität nicht nachgelassen.

Ich startete den Motor. Nach Hause? Niemals. Doch wohin dann?

Zu Hause erwarteten mich meine Mutter, die nur und ausschließlich meinen Bruder verhätschelte und mich nicht mal bemerken würde, wenn ich neben ihr stünde und sie anschrie, und Emmett. Ich war mir sicher, dass er nach Hause gelaufen war und somit würde Papa über mein Verhalten Bescheid wissen. Und ich hatte keine Lust auf Züchtigung. Ich konnte ihn schon reden hören… „Nela, du musst aufpassen“… „Denk daran, dich zu beherrschen“… „Du bringst alle in Gefahr, wenn du dich auffällig verhältst, bedenke das immer“… Blablabla.

Ich ließ den Motor aufheulen und verließ den Parkplatz.
 

Ich fuhr geradewegs zu Mamas Haus. Der beste Ort. Dort würden sie mich nicht vermuten. Oder würden sie mich gerade da vermuten? Mir war es gleich. Sollten sie doch kommen und Babysitter spielen. Ich hatte jetzt erst mal keine Lust auf meine Familie und besonders nicht auf Emmett. Der sollte sich erst mal beruhigen und klar denken.

Hm, dachte ich, als ich vor dem Haus stand. Es wäre wohl klüger von hinten ins Haus „einzubrechen“, da es helllichter Tag war. Obwohl von hinten die andere Hausreihe mich sehen könnte… egal, ich würde mich auf meine vampirische Schnelligkeit verlassen und viel zu schnell für Menschenaugen in das Haus einsteigen. Ich huschte auf den Fenstersims, zog mit aller Kraft am Fenster, sodass das Schloss brach und verschwand im Haus. Ich kam im Zimmer mit dem Klavier an. Ich hatte nicht daran gedacht, dass ich das Fenster jetzt nicht mehr schließen konnte.

„Na super, Nela, klasse Idee…“, sprach ich mit mir selbst, als das Fenster immer wieder auf glitt. Ich rannte flink nach unten und durchsuchte die Küchenschubladen, bis ich Packband fand. Das war natürlich keine Dauerlösung aber mir gleichsam egal. Danach ging ich wieder runter und blieb in den leeren Räumlichkeiten stehen. Und jetzt?
 

Ich streifte ziellos durchs Haus, stöberte lustlos in den Schränken (Mum würde nichts dagegen haben, denn wenn ich sie fragen würde, würde sie mir sowieso nicht zuhören, dachte ich mürrisch) und saß mal hier mal da. Das beklemmende, meinen Geist und Körper beherrschende Gefühl aus der Uni war fort. Ich fühlte mich wieder gut.

Als die Dunkelheit einbrach, kauerte mich auf die Fensterbank eines funktionsfähigen Fensters im ersten Stock. Ich zog die Füße zum Körper, schlang die Arme um meine Beine und legte die Wange auf das Kinn, sodass ich in das Schwarz der Nacht sah. Mir geisterte das Gespräch, na ja Streit wohl eher, von heute früh im Kopf herum. Ich hatte es erfolgreich bislang verdrängt, doch jetzt waren die Stimmen, die mich – nicht ihn – verurteilten, zu laut, um sie länger zu ignorieren. Ich hatte vor allen Studenten seine Hand genommen und ihn zu so einer Entscheidung getrieben, obwohl er das nicht hätte- Ja, ja gut, gestand ich mir ein, es war auch meine Schuld. Hätte ich mich mehr am Riemen gerissen, hätte Emmett so etwas gar nicht sagen müssen…

Und noch etwas kam mir in den Sinn, während der eisige Wind mein Gesicht umspielte. Wir hätten das besprechen müssen. Vorher. Wie wir uns gaben, als was und so. Meine Eingeweide rebellierten, als ich den Entschluss fasste, zurück zu fahren. Ich musste mich entschuldigen. Ich sah zwar nicht alles ein, aber ich würde einen Schritt auf ihn zugehen. Ja, ich musste mich entschuldigen, überredete ich mich selbst, das musste ich. Mir war nicht wohl dabei. Nicht beim entschuldigen, doch bei dem danach. Papa würde mit mir reden, vielleicht sogar Carlisle? Meine Mutter würde mich ignorieren und ich müsste mit Emmett sprechen. Ich wollte nicht nach Hause… ich wollte mich nicht so schuldig fühlen… ich wollte keinen Vater, der mich belehrte, keine Mutter, die es nicht tat- mir war flau im Magen. Ich fühlte mich wie zu einem kleinen Kind zurückgestuft. Regradiert.

Doch ich musste mit Emmett reden… wie wir das- uns in Zukunft handhaben. Was ich wollte, wusste ich: Keine Beziehung, sondern eine etwas andere Freundschaft. Denn für eine Beziehung müsste Liebe im Spiel sein, die ich nicht empfand. Ich liebte Alec. Immer noch und für immer. Ja, das ist kindisch, das jetzt zu behaupten, da die Ewigkeit vor mir lag, doch im Moment dachte ich so.

Ich liebte es, wenn Emmett mich berührte; mir Aufmerksamkeit schenkte; wenn er mit mir lachte und Witze riss und sich seine Grübchen zeigten; wenn es schien, als sei er nur für mich da…. Er gab mir das Gefühl erwünscht zu sein, verstanden, gewollt…. Das alles liebte ich – aber nicht ihn. Vielleicht war das ein Widerspruch, doch eines war es in jedem Fall: Die Wahrheit.
 

***
 

„Sooo groß“, kicherte ich und kitzelte Lion. Er lag neben mir auf der Babydecke, die ich mit runter ins Wohnzimmer genommen hatte. Edward saß vor mir.

„Und schau mal, eine ganz toller Elefant.“ Ich hielt das Plüschtier in Lions Sichtweise. „Weißt du wie ein Elefant macht? Der Elefant-“

„Erwarte keine Antwort“, kam es neckend von Alice hinter uns.

„Sehr witzig“, gab ich zurück und streckte ihr die Zunge raus.

Ich hob den Kopf, lächelte Edward an und wollte gerade wieder den Kopf senken, um mich Lion zu widmen, doch Edwards Miene machte mich stutzig. Er sah hochkonzentriert aus und unentschieden, ob er das, was er hörte, gut oder schlecht fand, vermutete ich. Ich warf einen Blick zu Alice, die seelenruhig hinter uns mit Jasper auf der Couch saß.

„Ist was?“, fragte ich direkt. Die Frage hätte ich mir sparen können, denn selbst wenn Edward mir hätte antworten wollen, hätte er sich sehr beeilen müssen. Die Wohnzimmertür wurde von Emmett hinter sich zu geknallt. Er war durchnässt und teilweise noch voll Schnee. Die Hände in die Hosentaschen versunken.

„Hey!“, mahnte ich, als Lion durch den lauten Knall zu weinen begann. Ich nahm ihn hoch, um ihn zu trösten.

„’tschuldigung“, grummelte er.

„Was ist passiert?“, fragte ich wieder und diesmal mit der Annahme, dass in jedem Fall etwas gewesen war. Denn Nela fehlte. „Wo ist Nela?“

Emmett ging schnurstracks das Wohnzimmer hindurch und an der Küche vorbei. Edward und ich standen zeitgleich auf, hingegen Edward viel rascher. Ich trottete mit Lion im Arm, der sich wieder beruhigt hatte, hinter Edward her.

„Ach, sie ist bescheuert“, motzte Emmett.

„Habt ihr euch gestritten?“, folgerte ich vorsichtig.

„Ne geheiratet, weißt du?“ Emmett warf sich auf das Sofa. Die Arme nun verschränkt.

„Fahr sie nicht so an, sie kann da nichts für“, forderte Edward in ruhigem Ton. Emmett sah vom Fenster zu Edward und zog betont die Augenbrauen hoch, ehe er den Kopf wieder abwendete.

„Klärt mich mal jemand auf?“, bat ich sie, blickte jedoch nur Edward an. Alice und die übrigen waren dazu gekommen.

„Emmett hat Nela und sich an der Uni als Paar vorgestellt, da Emmett nicht glaubt, dass Nela es nicht schafft, sich von ihm fernzuhalten. Er hatte auch Grund zu der Annahme, nachdem sie vor Augen aller, in einer Stresssituation, seine Hand genommen hatte. Nela ist noch zu instinktgesteuert manchmal“, fügte er leise mehr zu sich hinzu und fuhr fort: „Und das passte Nela nicht.“ Er bezog sich auf die Paar-Sache

„Pfff“, machte Emmett. „Angefaucht hat sie mich. Dabei ist sie es doch, die alles ‚versaut’ hat.“ Es klang als zitierte er.

„Emmett, das hättest du nicht tun dürfen“, sagte Edward streng. „Ich habe dir vertraut. Du hättest sie nicht alleine lassen dürfen. Du weißt ganz genau, dass sie eine Neugeborene ist!“ Er hob leicht die Stimme. Er schrie jedoch nicht und war auch nicht außer sich. Sein Ton wirkte allerdings bedrohlich. „Du hast doch gesehen, dass sie in Gegenwart von vielen Menschen und neuen Situationen überfordert ist! Du hättest auf sie aufpassen müssen-“

„Ich bin nicht ihr Babysitter!“, zischte Emmett dazwischen.

„Du weißt genau wie ich das meine!“ Nun wurde Edwards Ton lauter. Ich wusste ja nicht, was Emmett noch alles in Gedanken ergänzte…

Mich allerdings beschäftigte etwas anderes, weshalb ich fragte: „Was meinst du mit ‚überfordert’?“ Ich meine, sie war ein Vampir… warum sollte sie, gerade wegen ihrer Fähigkeit, Probleme haben?

„Bella, hm, wie erkläre ich das…“, sagte Edward zu mir gewand, jedoch kurz zur Seite sehen. „Weißt du, wenn du ein Vampir wirst – und alles normal verläuft –“, setzte er für mich hinzu, „dann musst du deine neue Wahrnehmungsweisen erst einmal ordnen und auch ertragen lernen. Es ist anfangs nicht leicht, plötzlich alles zu hören und Dinge zu sehen, die einem vorher verschlossen waren. Das kann einen zunächst überfordern. Das gibt sich aber. Bei Nela jedoch war das alles sehr, na ja wie soll ich sagen, ‚sanft’. Sie war ja nie viel unter Menschen bzw. vielen Menschen und hat diese Reizüberflutung selten mitbekommen. Der Unitag heute muss für sie sehr anstrengend gewesen sein, weil sie viele Impulse unterdrücken musste, was sie sonst nicht musste, und das ist, für das so gut wie erste Mal, sehr kräftezehrend. Umso mehr“, Edward drehte sich mit drohenden Gesichtsausdruck zu Emmett um, „hätte Emmett sich um sie kümmern. Hättest du dich nicht einmal zusammenreißen können?!“, warf er ihm vor.

Emmett warf Edward einen finsteren Blick zu und sah dann stur in eine andere Richtung. Edward seufzte. Ich konnte nicht ersehen, was Emmett ihm vielleicht gedanklich – freiwillig oder unfreiwillig – mitgeteilt haben könnte.

„Und wo ist sie?“, fragte ich zögerlich, während Lion in meinem Arm strampelte. Ich sah abwechselnd Emmett und Edward an. Beide schwiegen. Emmett sah weg und Edward funkelte ihn an, bis Edward schließlich sagte: „Er hat keine Ahnung.“

Ich schluckte. „Und jetzt?“

Keine Antwort. Ich wartete, doch keiner ließ etwas verlauten – abgesehen von Lion.

„Ich geh’ mal stillen“, murmelte ich.
 

Entweder unterhielten sich Edward und Emmett gar nicht oder in einer vampirischen Weise, die ich nicht verstand. Ich kümmerte mich um Lion, brachte ihn zu Bett und ging runter. Er würde sich in ein paar Stunden wieder melden und dann würde ich auch ins Bett gehen.

Mit dem Babyphone in der Hand ließ ich mich in Edwards weit geöffneten Arme fallen. Ich kuschelte mich auf der Couch an ihn.

„Alles bestens?“

„Mhmmm“, machte ich zustimmend und sah auf zu ihm. Ich hatte sein Lächeln eben gesehen, aber ich wusste, dass er nur an eines dachte…

„Was können wir tun?“, spielte ich direkt auf Nela an. „Sie suchen?“

„Das hat keinen Zweck. Sie muss zu uns wollen. Wenn sie das nicht will, würde sie sofort, weglaufen, wenn sie einen von uns hört“, erklärte Edward.

„Ich hoffe sie will.“ Ich legte den Kopf wieder auf seiner Brust ab, nachdem er die Arme um mich gelegt hatte. „Was meinst du, wo sie sein könnte?“

„Keine Ahnung. Hast du eine Idee?“, fragte er im Gegenzug.

Ich fragte mich selbst: Wo würde ich hingehen, wenn ich sie wäre? Ich glaubte nicht, dass sie wütend war, also in der Hinsicht wütend, dass sie in den Wald lief und Lust hatte Bäume zu zerschmettern. Ich würde… ich denke, ich würde…

„Ich glaube, ich würde in mein altes Haus gehen“, überlegte ich nuschelnd.

Edward nickte nachdenklich. „Hm, das kann gut sein. Aber wie gesagt, es hat keinen Sinn ihr nachzustellen. Wir können sie nicht zwingen.“ Edward atmete tief ein und aus und fügte leiser hinzu: „Beziehungsweise wir haben sie oft genug gezwungen…“

Ich wollte etwas entgegneten, doch durch das Babyphone dran Lions Stimme gut vernehmbar. Ich rappelte mich von Edward auf.

„Er ist satt, hat eine frische Windel und muss nach dem Spielen totmüde sein“, zählte ich auf. „Ich wette, er will nur wieder Aufmerksamkeit“, grinste ich zu Edward, schon halb im gehen, „aber das mach ich ja gerne.“ Ich lächelte und wollte gerade durch die Wohnzimmertür gehen, als Nela durch eben diese trottete. Sie lief nicht, sie rannte nicht, sie ging nicht – nein, sie trottete.
 

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Ich mag dieses Kap gerne, weil es den ersten "richtigen" nela-part inne hält, wovon ihr auch noch mehr kriegt ;)

Freue mich über alle Kommentare von euch



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Kommentare zu diesem Kapitel (8)

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Von:  jennalynn
2011-10-20T20:22:43+00:00 20.10.2011 22:22
präzise erleuterrung von Nelas Vortbewegung *grins*
Ach Emmett da hast ja voll ins schwarze Gegriffen.
Aber eigendlich finde ich Nelas Reaktion ein bisschen zu krass.
Emmett hat ja nichts böses gewollt.
Er ersparrte beiden nur haufenweise Fragen.
Nela kann es auch egal sein was andere über ihr denken.
Aber bei ihr wird es zum größten Teil an dem Wort Paar liegen, denn das verbindet sie mit Alec.
Von:  elena-mcgrey
2010-06-28T14:21:59+00:00 28.06.2010 16:21
Aloha ^_^

Ja ich weiß.Lang lang ists her, dass ich ein Kapitel kommentiert habe, aber frei nach dem Motto: Was lange währt wird irgendwann ( hoffentlich ) auch mal gut, hier nun mein Kommentar zu diesem Kapitel.

Ich fand es sehr schön.
Sehr schön und sehr authentisch, vor allem in Bezug auf Nela und die Überforderung.
Kein Wunder, immerhin hat sie die letzten Jahre behütet gelebt und war meist abgeschirmt von allem. Da hilft auch ihre Gabe nicht viel .. wenn man überfordert ist.

Was Emmett getan hat .. naja.
Man muss ihm zugute heißen, dass er es ja wirklich nur gut gemeint hat mit Nela. Jede andere Erklärung hätte die beiden später mal in Erklärungsnot bringen können, deswegen verstehe ich die Reaktion von Nela nur teilweise.
Aber man muss ihr eben zugute heißen, dass sie halt einfach mit der Gesamtsituation überfordert war und deswegen wahrscheinlich überreagiert hat.

Was die Beziehung zwischen den beiden Damen angeht .. ich bin immernoch der Meinung, dass Bella es ihrer Tochter gegenüber nicht böse meint. Ihr gesamtes Verhalten, dass sie aber im Moment einfach nur zu blind ist und es nicht sieht.

Vielleicht war der Ausbruch ihrer Tochter jetzt etwas, dass sie unter Umständen ein wenig wachgerüttelt hat.
Dass sich ihr Verhalten von jetzt auf gleich ändert, glaube ich nicht. Dafür ist das alles schon zu weit fortgeschritten. Aber, es wäre mal ein Anfang.

Und .. da brauch sie sich auch keine Gedanken machen. Denn sie sollte die Situation in abgewandelter Form ja kennen. So ein Austausch zwischen den Generationen kann auch sehr hilfreich sein.

Wie dem auch sei, ich warte gespannt auf die Fortsetzung :-D

Greetings, Elena
Von: abgemeldet
2010-06-26T19:42:17+00:00 26.06.2010 21:42
supi kapi freu mich wenns weiter geht bin gespannt was nela so gefunden hat und sich wegen emmett wieder beruhgit hat, er hat ja im grunde recht.

lg kleine
Von:  Twilight-Nicki
2010-06-26T13:46:29+00:00 26.06.2010 15:46
Oh Gott, jetzt wird Nela auch noch zum Problemkind.
Ich bin gespannt, ob Bella dem Drang zu Lion zu gehen, widerstehen kann.
Nela braucht sie nun dringender!!!!
BIn sehr gespannt, wie das weiter geht.
Liebe Grüsse
Von: abgemeldet
2010-06-24T12:33:06+00:00 24.06.2010 14:33
ihrgendwiee regt bella mich voll auf arme nela !!! die hatt es bei ihrer mam voll nicht einfach und bella merkt das nicht !!!!!
boar aber das aus nelas sicht is geil !!!
LG Bella_Edward_
Von: abgemeldet
2010-06-23T16:53:06+00:00 23.06.2010 18:53
Ja das Kapitel ist echt genial. Das hast du sehr gut beschrieben wie Nela sich fühlt. Nur weiter so
Von: abgemeldet
2010-06-23T11:26:54+00:00 23.06.2010 13:26
echt geniales kapi
freu mich shcon sehr aufs nächste
Von:  vamgirly89
2010-06-23T08:48:31+00:00 23.06.2010 10:48
Freue mich schon auf dein nächstes Kapitel. Lass dir nicht viel Zeit.


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