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Sommersonnwende

von

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Kapitel 2

Der zweite Teil. Viel Spaß beim lesen. :)
 

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Das geschäftige Treiben auf dem Dorfplatz näherte sich langsam dem Ende. Die letzten Tische wurden gedeckt und dekoriert, das Feuerholz in der Grube aufgestapelt und ein großes Bierfass in der Nähe des vor sich hin bratenden Spanferkels aufgestellt. Der Wirt Alrizio und seine Frau Alara reihten verschiedene Krüge auf einem der Tische auf, während die Schankmagd Algunde sich um das Spanferkel kümmerte. Sie drehte den Spieß und bestrich das Fleisch mit einem Gemisch aus Kräutern und Praiosblumenöl.

Rondirai und Karena hatten den Strohkerl fertig gestellt und in die Schmiede gebracht. Er sollte erst zu später Abendstunde verbrannt werden. Togan Angbarer, der Grobschmied des Dorfes, hatte alljährlich die Ehre das Fest der Sommersonnwende mit dem verbrennen des Strohkerls einzuleiten. Danach würde seine Gnaden Niam Peresen und der Haushofmeister Okenheld einige Worte an die Dorfgemeinschaft richten. Anschließend konnte das Fest beginnen.

Karena freute sich darauf. Als sie an den Perainegeweihten dachte, fuhr ihr ein wohliger Schauer über den Rücken. Vor einiger Zeit hatte sie den Entschluss gefasst Niam anzusprechen und ihm von ihren Gefühlen zu berichten. Doch bei jeder Gelegenheit die sich ihr geboten hatte war sie nicht mutig genug gewesen ihr Vorhaben in die Tat umzusetzen. Daran, das sie sich vor ihm blamiert hatte, wollte sie gar nicht erst denken. Rondirai hatte versucht ihr Mut zuzusprechen, doch für Karena war es eindeutig: Niam musste sie für einen Bauerntrampel halten.

Ein Seufzen entrang sich ihrer Kehle, als ihre dunklen Augen den Platz nach seiner Gestalt absuchten. Enttäuscht musste sie feststellen, das er nirgends zu sehen war. Wahrscheinlich bereitete sich der Geweihte bereits auf das Fest vor.

Rondirai trat neben sie. Die üppige Mittdreißigerin trug einen Korb voller Hanfbänder an ihrer Seite, mit denen sie den Strohkerl gebunden hatten. „Wir sollten uns auf das Fest vorbereiten Karena. Die anderen haben sich schon zurückgezogen.“ Als ihr die Schwarzhaarige nicht antwortete, stupste sie sie an. „Hörst du mir überhaupt zu?“

Karena blinzelte und sah sie irritiert an. „Wie bitte?“

Unwillkürlich musste die Frau des Müllers lachen. Ihr voller Busen hob und senkte sich, während die junge Frau sie weiterhin verwirrt anstarrte.

Rondirai beruhigte sich wieder und sah Karena amüsiert an. „Mein Liebes, tu mir einen Gefallen und sprich seine Gnaden heute Abend an. Ansonsten muss ich das übernehmen.“

Karenas Augen weiteten sich und sie schüttelte heftig den Kopf. „Nein! Bei Travia, tu das bitte nicht. Ich werde ihn selbst ansprechen.“ Sobald ich den Mut dazu gefunden habe, führte sie den Satz in Gedanken zu Ende. „Außerdem wenn Travia oder Rahja gewollt hätten, das wir beide zusammen sein sollen, hätten sie doch schon längst etwas unternommen, oder?“ Ihr schien es das Beste zu sein, ihre eigene Feigheit auf den Willen der Götter zu schieben.

Die Müllerin schüttelte den Kopf. „Willst du wirklich auf ein Zeichen warten? Du kennst meinen Mann. Hätte ich auf ein Zeichen von Rahja gewartet, ob ich eine Nacht bei ihm liegen dürfte, oder von Travia, ob ich mich für den Bund mit ihm entscheiden sollte, wären wir vermutlich immer noch nicht verheiratet.“ Sie legte Karena eine Hand auf die Schulter. „Du siehst also, die Götter mischen sich nicht immer in unsere Angelegenheiten ein. Ich denke, sie schätzen es wenn die Sterblichen einige Entscheidungen ihres Lebens eigenständig treffen und nicht auf ihr Urteil warten.“ Sie schenkte der Schwarzhaarigen noch ein aufmunterndes Lächeln, bevor sie den Korb fester packte und sich auf den Weg zur Mühle machte.

Karena senkte nachdenklich den Kopf. Einerseits hatte Rondirai recht, doch andererseits konnte sie den Geweihten nicht einfach darauf ansprechen. Er war schließlich ein Diener Peraines.

Sofort schob sie den Gedanken ärgerlich beiseite. Wieso machte sie es sich nur selbst so schwer? Er war schließlich auch nur ein Mann.

Entschlossen hob sie den Kopf. Ihr Entschluss stand fest: Im Laufe des Festes würde sie ihn ansprechen. Diesmal würde sie den Mut aufbringen und die Worte, die sie sich schon lange zurecht gelegt hatte endlich über die Lippen bringen. Sie malte sich bereits aus, wie sie in ihrem besten Kleid vor ihm stand und er ihr langsam näher kam. Die junge Frau errötete und wagte es nicht, diesen rahjagefälligen Gedanken weiterzuführen.

Mit einem entschlossenen Lächeln auf den Lippen machte sie sich auf den Weg zum Hof ihres Vaters. Dieser Abend sollte ein Erfolg werden!
 

Imiloné bestaunte mit großen, grünen Augen den hohen Feuerholzstapel vor sich. Er war dieses Mal um einiges höher als der vom letzten Rahja. Ob es wohl etwas besonderes zum Feiern gab?

Die Halbelfin wirbelte herum und wollte zu ihrem Großvater rennen, als sie mit jemandem zusammenstieß. Sie blieb erschrocken stehen und sah auf.

Ein blondhaariger Mann von vielleicht zwanzig Götterläufen stand vor ihr und betrachtete sie freundlich aus seinen grauen Augen. Er ging in die Hocke und legte den Kopf schief. „Du bist aber eine stürmische junge Dame. Wohin des Weges?“

Imiloné zeigte zu ihrem Großvater. „Ich wollte zu dada.“ Sie wunderte sich, warum sie ihm gegenüber nicht schüchtern war. Ihr Blick wanderte über sein Äußeres. Er war in schlichte Leinenkleidung von dunkler Farbe gehüllt und hatte einen Hut mit breiter Krempe auf dem Kopf. Seine grauen, wachen Augen befanden sich inmitten fein geschnittener Gesichtszüge. Feine Grübchen bildeten sich beim Lächeln und seine Zähne waren makellos weiß. Der junge Mann machte einen netten Eindruck auf sie.

„Du bist eine Halbelfin?“ Er hatte wohl ihre spitzen Ohren bemerkt.

Bevor sie antworten konnte, vernahm sie eine vertraute Stimme hinter sich. „Imiloné! Du sollst doch nicht immer so herumtoben!“ Wulfhelm kam mit schnellen Schritten zu seiner Enkelin gelaufen. Er sah sie streng an, bevor er sich an den fremden Mann wandte. „Entschuldigt bitte werter Herr. Sie ist einfach ein kleiner Wirbelwind und weiß nicht, wie man sich Fremden gegenüber verhalten muss. Ihr müsst ihr bitte vergeben.“

Der Blondhaarige lächelte überrascht und erhob sich. „Es ist ja nichts passiert. Außerdem kann ich einer hübschen, jungen Dame eine solche Kleinigkeit nicht übelnehmen.“ Er zwinkerte Imiloné zu, die daraufhin zu grinsen begann. „Doch verratet mir bitte, wie ein halbelfisches Kind hierher gelangt.“

Wulfhelm räusperte sich. „Ihre Mutter war eine Auelfin aus dem Norden. Mein Sohn Torben ist ihr Vater.“ Er verstummte und beobachtete wie sein Gegenüber reagieren würde.

Der junge Mann nickte jedoch nur und lächelte beide weiterhin an. Im nächsten Moment zog er seinen Hut vom Kopf und deutete eine Verbeugung an. „Darf ich mich vorstellen? Mein Name ist Sieghelm Wulfinger, Abenteurer aus Gareth.“

Imiloné sah ihn mit großen Augen an. „Ihr seid ein Abenteurer? Habt Ihr schon viel erlebt? Wo wart Ihr schon überall?“

„Kindchen! Bestürme den armen Mann doch nicht mit so vielen Fragen.“ Er wandte sich schnell zu Sieghelm um. „Entschuldigt bitte. Mein Name ist Wulfhelm und diese vorlaute Halbelfin hier ist Imiloné, meine Enkelin. Was führt Euch in diese Ländliche Gegend, wenn Ihr doch aus Gareth kommt?“

Sieghelm setzte seinen Hut wieder auf. „Ich begleite eine Tulamidin auf ihrer Reise durch den Norden.“

Imiloné zog aufgeregt am Ärmel von Wulfelms Hemd. „Dada. Sind Tulamiden nicht die, von denen du immer erzählst?“

Ihr Großvater schüttelte den Kopf. „Nein, Kindchen. Die Söhne der Wüste nennt man Novadis. Die Tulamiden leben nicht in der Khom.“

Sieghelm wiegte bei diesen Worten den Kopf hin und her. „Naja, wenn man danach geht ist Azina wohl eine Tochter der Wüste. Sie hat sich, bevor sie ihre Reise Firunwärts begann, als Karawanenführerin in der Khom verdingt. Zumindest hat sie das einmal erzählt.“

„Ist die Wüste so groß, das man dafür einen Führer braucht dada?“ Imiloné sah zu den beiden Männern auf.

Wulfhelm antwortete, während Sieghelm ein leises Lachen entfuhr. „Ja, die Khom ist so groß.“ Um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, breitete er seine Arme aus und zeichnete einen großen Kreis in die Luft. „Da kann sich ein sechsjähriges, neunmalkluges Mädchen wie du ganz leicht verlaufen.“

Imiloné verschränkte trotzig die Arme vor der Brust und sah ebenso drein, was Sieghelm ein erneutes Lachen entlockte. Wulfhelm fuhr seiner Enkelin entschuldigend durch die braunen Haare.

„Aber sagt, woher wisst Ihr soviel? Ist es nicht so, das man als einfacher Dörfler nie etwas anderes sieht als den nächsten Weiler?“ Der junge Mann sah sein Gegenüber interessiert an.

Der Grauhaarige nickte. „Ja, da mögt Ihr wohl recht haben. Meine… Schwiegertochter war eine Abenteuerin, die sich hier niederließ. Sie hat uns Geschichten über das Leben und die Landschaften der von ihr bereisten Länder erzählt.“

Imiloné unterbrach ihn. „Aber dada, du warst doch auch viel unterwegs.“ Sie reckte stolz die Brust und wandte sich an Sieghelm. „Er war schon in Perricum, Wehrheim und Havena! In Punin hat er bei Feldarbeiten geholfen. Außerdem hat er den Reichsbehüter schon einmal gesehen!“

Wulfhelm hielt seiner Enkelin den Mund zu. „Ist schon gut Kindchen. Das interessiert den werten Herrn doch gar nicht.“

Die Halbelfin machte sich los und sah ihren Großvater beleidigt an. „Doch, bestimmt. Du tust anderen gegenüber immer so geheimnisvoll, wenn es darum geht von deinen Reisen zu berichten. Dabei ist daran doch gar nichts schlimmes.“ Sie sah Sieghelm nach Unterstützung heischend an. „Oder?“

Dieser wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, besann sich jedoch und zuckte nur mit den Schultern.

Imiloné schnaubte, drehte sich um und rannte in Richtung Perainetempel.

Mit einem tiefen Seufzen wandte sich Wulfhelm an den jungen Garether. „Vergebt mir bitte. Diese Meinungsverschiedenheit hätte nicht hier ausgetragen werden müssen. Ihr müsst wissen, das Imiloné ihre Mutter nie kennen gelernt hat. Sie denkt, dass das Abenteurerleben nur gute Seiten hat und nichts schlimmes passieren kann. Doch in Wirklichkeit existiert nur hier eine heile Welt, die bisher von dem verschont geblieben ist was schon soviel zerstört hat. Hass, Mord und Habgier.“ Ein trauriger Zug trat in die Augen des Grauhaarigen. „Vielleicht bin ich an den Flausen, die in ihrem Kopf sind, auch selbst schuld. Ich lasse mich immer wieder dazu hinreißen ihr von fremden Orten zu erzählen, ohne mir bewusst zu sein wie sehr sie das zu einem Abenteurerleben motivieren könnte. Ach, was rede ich da. Hört nicht auf die Worte eines alten Mannes, Herr Wulfinger. Peraine sei mit Euch.“ Mit diesen Worten drehte er sich um und folgte seiner Enkelin.

Sieghelm blickte dem Alten betroffen nach. Er konnte nicht ahnen, das Wulfhelms erstgeborener Sohn durch seine Abenteurerlust umgekommen war. Der Keulenschlag eines Kriegsogers hatte seinem jungen Leben ein abruptes Ende bereitet.
 

Azina saß wieder im Gasthaus „Zum Stachel“. Um ihren Kopf war ein weißer Leinenverband geschlungen, unter dem der angenehme Geruch von Kräutern hervordrang. Trotzdem hatte sie so starke Kopfschmerzen das sie meinte, eine Hundertschaft Novadischer Reiter auf edlen Shadifs würde durch ihren Schädel galoppieren. So schön diese Erinnerung normalerweise auch war, konnte Azina ihr momentan nichts abgewinnen. Sie versuchte das Bild in ihrem Kopf erträglicher werden zu lassen, indem sie den donnernden Hufen Leinenwickel verpasste.

Die Tulamidin stöhnte schmerzvoll auf. Es half alles nichts. Zum Glück hatte sie sich dem Rat des Geweihten widersetzt und einen guten Rotwein bestellt. Vielleicht würde der Alkohol die Schmerzen etwas lindern.

Vor einer Stunde war sie, gestützt von Weibel Ilkhold, wieder in der Herberge eingetroffen. Ihr Reisegefährte war zwar nicht dagewesen, dafür aber Hesindiane. Die Schwarzhaarige Schönheit hatte Azina, trotz Ilkholds Widerspruch, sofort einen Wein gebracht. Sie war ebenso der Meinung, das eine kräftige Portion Alkohol eine Wohltat für den gemarterten Schädel der Tulamidin war. Der Weibel hatte sich schließlich lachend geschlagen gegeben und war mit einem „Bis später“ gegangen.

Nach einem kurzen Gespräch mit Hesindiane hatte sie erfahren, das die Herberge fast ausgebucht war. Eine Gruppe Glücksritter, drei Händler samt Gefolge und zwei hohe Herrschaften, wie die Garetierin sie nannte, hatten sich eingemietet. Letztere waren die einzigen, die sich im Schankraum aufhielten. Die beiden waren wohl ein Liebfelder Pärchen, das auf dem Weg nach Gareth war. Azina fand die edle, schwere Brokatkleidung mit den Spitzenbesätzen für diese Jahreszeit unpassend.

Die wollen sich ja wahrscheinlich selbst umbringen, also denk nicht weiter darüber nach. Das macht die Kopfschmerzen nur noch schlimmer.

Sie nahm einen tiefen Schluck aus ihrem Weinbecher und stellte ihn sanft wieder ab. Nur keine unnötig lauten Geräusche. Der Rebensaft floss ihre Kehle hinunter und hinterließ ein leichtes aber angenehmes Brennen in ihrem Magen.

Azina ließ die letzte Stunde noch einmal Revue passieren. Nachdem sie von Niam und Ilkhold zum Perainetempel geführt worden war, hatte der Geweihte sich um sie gekümmert. Auf dem kurzen Weg dorthin war zwar der Schock verflogen, dafür aber die Schmerzen gekommen. Ihrer Herkunft entsprechend hatte sie es sich nicht nehmen lassen kräftig vor sich hinzufluchen. Zum größten Teil waren die obszönen Worte gegen ihr Kamel gerichtet, der andere Teil gegen das Regal und die Eimer. Niam hatte anschließend eine Salbe aus heilkräftigen Kräutern, die er selbst anbaute, auf ihren Kopf gestrichen. Als er sie verbinden wollte, begehrte die Tulamidin auf. Sie wollte schließlich nicht mit einem krummen Verband auf dem Kopf herumlaufen. Als sie bemerkt hatte, das dieser eigentlich nur als Gedanke geplante Einwurf ihre Lippen verließ, entschuldigte sie sich in Feqzens und Peraines Namen bei ihm. Der Geweihte ließ Nachsicht walten und übergab ihr das weiße Leinen. Trotz der Schmerzen schlang sich Azina den Stoff wie einen Turban um den Kopf. Kurz darauf war sie von Niam entlassen worden, natürlich nicht ohne eine großzügige Spende ihrerseits. Ilkhold hatte sie anschließend zurück zum „Stachel“ geführt.

Nun saß sie hier, den schmerzenden Kopf zwischen den Händen und den Becher mit dem herrlichen Rebensaft vor sich. Die beiden Liebfelder tuschelten und warfen ab und an geringschätzige Blicke in ihre Richtung. Doch Azina ließ sich davon nicht stören.

„Geht es dir besser?“ Die sanfte Stimme Hesindianes riss sie aus ihren Gedanken.

Die Tulamidin sah auf und lächelte schwach. Sie hatte der Wirtstochter angeboten, die Förmlichkeiten zu übergehen und sich zu duzen. Hesindiane hatte lächelnd angenommen.

„Naja, es geht. Aber der Wein wirkt Wunder.“ Sie hob ihren Becher und trank erneut einen Schluck.

Hesindiane grinste. „Das ist auch das mindeste, was ich tun konnte. Schließlich waren es Eimer unserer Stallungen die dich beinahe erschlagen hätten. Ich muss Jadviga dringend darum bitten das Regal zu reparieren.“

Azina winkte ab. „Nein, wenn dann war das meine eigene Schuld. Oder die von Rasul.“

Im nächsten Moment wurde die Tür aufgestoßen und flog krachend gegen die Mauer. Die beiden Liebfelder und Hesindiane zuckten zusammen, während Azina ihren schmerzenden Kopf hielt. Wer auch immer jetzt einen Fuß in die Herberge setzen würde, sollte von Praios gerechtem Zorn zerschmettert werden.

Zwei breitschultrige Männer, beides Thorwaler, betraten lachend die Schankstube. Ihnen folgte eine Zwergin und ein schmächtiger, junger Mann in grellbunter Kleidung. Während die Angroscha grimmig dreinblickte und an einer Pfeife zog, grinste ihr Hintermann bis über beide Ohren. Seine karottenrote Haare standen in alle Richtungen ab und auf seiner Schulter saß ein Moosäffchen. Das musste wohl die Gruppe von Glücksrittern sein.

Hesindiane seufzte. Keiner der vier kümmerte sich darum die Tür zu schließen. Die Wirtstochter hatte sich gerade in Bewegung gesetzt, als noch jemand den Schankraum betrat. Eine kleine, schwarz gekleidete Frau durchschritt mit hoch erhobenem Haupt die Tür. Ihre Robe war mit silbernen Stickereien versehen und in der Rechten hielt sie einen mannshohen Stab auf dem ein bearbeiteter Kristall thronte.

Sofort verkrampften sich Azinas Hände an der Tischplatte. Das hatte ihr noch gefehlt. Die Kopfschmerzen waren vergessen. Gehetzt sah sie sich nach einem Weg um, um so schnell wie möglich aus dem Schankraum zu entkommen ohne dabei an der Magierin vorbei zu müssen. Denn das sie eine war, das stand außer Frage.

Während die drei Männer und die Zwergin an einem der Tische Platz nahmen, bewegte sich die Magierin auf die Treppe zu. Sie stieg die Stufen nach oben und verschwand.

Azina atmete gierig die Luft ein. Sie hatte vor lauter Schreck vollkommen vergessen zu atmen. Langsam entkrampfte sie sich wieder.

Hesindianes Blick bemerkt sie im ersten Moment gar nicht. Als sie aufsah, war eine Mischung aus Erstaunen und Belustigung im Gesicht der Wirtstochter zu erkennen.

Die Tulamidin warf ihr einen vernichtenden Blick zu. „Das ist nicht lustig.“

Hesindiane hob die Hände und schenkte ihr ein entschuldigendes Lächeln. „Deshalb hast du vorhin so seltsam reagiert, als ich unseren Magister Durnal erwähnte.“

Azina versteifte sich erneut. Das hatte sie gemerkt? Sobald ihre Reise durch den Norden beendet war, würde sie sich wieder dem Karawanenführen widmen. So viele Magier wie hier, waren ihr, zum Glück, noch nirgends begegnet.

Die Tulamidin rang sich ein Nicken ab. Ihre Schwächen einzugestehen mochte sie überhaupt nicht. Immerhin musste nicht jeder gleich wissen was sie am meisten in Schrecken versetzte. Deshalb räusperte sich Azina und senkte verschwörerisch die Stimme. „Das muss aber bitte unter uns bleiben. Verstanden?“

Hesindiane lachte und nickte. „Ich schwöre bei Rahja.“

Zufrieden nickend leerte Azina ihren Becher und übergab ihn der Wirtstochter. Die Schwarzhaarige machte sich auf den Weg zur Theke um ihn erneut zu füllen. Vorher fragte sie die Ankömmlinge nach ihrem Begehr.

Die Tulamidin verfiel derweil wieder in Grübeleien. Was mochte die Magierin hier wollen? Noch dazu vollkommen in schwarz gekleidet. War sie etwa eine Dämonenbuhle? Aber wieso reisten die anderen dann mit? Waren sie vielleicht ihre Diener? Bei diesen Nordmännern wusste man nie.

Sie unterbrach ihre Gedankengänge, als Hesindiane ihr einen neuen Becher Wein brachte. Dankbar nickend nahm sie ihn entgegen. Vielleicht gab es aber auch eine ganze einfache, logische Erklärung für das Ganze. Sie war immerhin etwas später eingetroffen als die anderen und konnte somit auch eine Reisende sein, die allein durch die Lande zog.

Azina bemerkte eine Bewegung im Augenwinkel. Als sie aufsah erkannte sie Sieghelm, der ihr den Rücken zuwandte und am Tresen stand. Er wechselte einige Worte mit Hesindiane, bevor er mit einem Becher in der Hand zu ihr herüber lief. Er bedachte Azinas provisorischen Turban mit einem Runzeln der Stirn.

„Wieso trägst du deinen Turban wieder? Und war der nicht eigentlich beige?“ Der junge Garether setzte sich ihr gegenüber auf die Bank. Nachdem er einen Schluck aus seinem Becher getrunken und noch immer keine Antwort bekommen hatte, hob er auffordernd die Augenbrauen.

Die Tulamidin seufzte. „Mir ist vorhin ein kleines Missgeschick geschehen.“

Als sie nicht weiterredete, war es an Sieghelm ein Seufzen auszustoßen. „Willst du es mir nicht erzählen? Danach geht’s dir bestimmt besser.“ Er lächelte ihr aufmunternd zu.

Die beiden Thorwaler am Nachbartisch lachten lautstark auf. Azina hielt sich die Ohren zu um ihren Kopf vor weiteren Schmerzen zu bewahren. Auch wenn der Wein langsam Wirkung zeigte, blieb doch ein dumpfes Stechen zurück. Sieghelm quittierte diese Geste mit einem Stirnrunzeln.

Die Tulamidin erzählte ihrem Gegenüber mit knappen Worten was geschehen war. Sie nahm einen großen Schluck Wein zu sich, als sie geendet hatte. „Du siehst also, dieser Turban ist nur ein Mittel zum Zweck.“

Sieghelms Mundwinkel zuckten und Azina sah, wie sehr er sich bemühte betroffen drein zu schauen. „Das… Das ist ja wirklich ein sehr dummer… ich meine sehr unglücklicher Zufall gewesen.“

„Pah, mach dich nur lustig! Das wird dir noch leid tun!“ Zischte sie. Im nächsten Moment stand sie auf, warf die Arme in die Luft und gab ihrer Stimme einen klagenden Ton. „Ich arme, von Feqz verlassene Frau. Warum musste ich mir ausgerechnet diesen undankbaren Sohn eines Wüstenfuchses als Weggefährten aussuchen? Entschuldige dich sofort du unzuverlässiger Sohn eines Quai Chelar´s!“ Absichtlich hatte Azina lauter gesprochen.

Die beiden Liebfelder warfen ihr verwunderte Blicke zu, während die Thorwaler und ihre zwergische Gefährtin sie nur verstohlen musterten. Einzig der junge Mann in grellbunter Kleidung schenkte ihr mehr Aufmerksamkeit. Als er ihren Blick bemerkte, huschte ein schelmischer Zug über sein Gesicht. Das Moosäffchen war nirgends zu sehen.

„Ist ja schon gut. Setzt dich wieder!“ Sieghelm hatte die Worte knurrend ausgesprochen und die Tulamidin an ihrem Hemdsärmel wieder auf die Bank gezogen. „Entschuldigen werde ich mich nicht. Du hast mich immerhin gerade beleidigt!“ Nach kurzem Zögern fügte er hinzu: „Oder?“

Azina sah den Garether triumphierend an und zuckte mit den Schultern. Wenn du dich über mich lustig machst, geschieht dir das nur recht!

Nachdem zwischen den beiden einige Minuten Schweigen geherrscht hatte und sie nicht mehr beobachtet wurden, begann die Tulamidin in versöhnlicherem Ton zu sprechen. „Hast du dir die Festvorbereitungen angesehen?“

„Ja. In einer Stunde soll es beginnen.“ Er deutete auf ihren Verband. „Meinst du, bis dahin geht es wieder?“

Azina lächelte. „Bei Feqz, so was lass ich mir doch nicht entgehen.“

„Gut.“ Sieghelm nickte. „Und wie wollen wir die Zeit bis dahin überbrücken?“

Die Schwarzhaarige hob ihren Becher und schwenkte ihn leicht hin und her. Mit einem breiten Grinsen zwinkerte sie ihm zu. „Mit diesem köstlichen Rebensaft, der uns von Rahja höchst selbst gegeben wurde.“

Sieghelm grinste ebenfalls und stieß mit Azina an.

Die Kopfschmerzen und die Anwesenheit der Magierin waren plötzlich vergessen.



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