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Shades

[KaRe // Drabble-Sammlung]
von

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Hinter dem Schleier jeder Nacht


 

Hinter dem Schleier jeder Nacht

Für Kore.

„In jedem Winter steckt ein zitternder Frühling und hinter dem Schleier jeder Nacht verbirgt sich ein lächelnder Morgen.“ (Khalil Gibran)
 

Rei hatte sich gerade eine Pyjamahose und ein ausgewaschenes T-Shirt übergestreift, als es an der Tür schellte. Sein erster Blick glitt zu dem Digitalwecker, der auf seinem Nachttisch stand und in roten Lettern 01:17 anzeigte. Ohne die geringste Ahnung, wer zu dieser späten Stunde noch bei ihm klingeln mochte, machte er sich auf den Weg in den Flur und betätigte den Summer. Gegen den Türrahmen gelehnt wartete er in der geöffneten Wohnungstür, nur um nach einigen Momenten Kai vor sich stehen zu haben.
 

„’llo“, sagte Kai und griff schwankend nach dem Treppengeländer. Das reichte schon, um Rei zu zeigen, wie betrunken Kai war, aber er trat dennoch zur Seite und sagte: „Komm rein.“

Als Kai an ihm vorbeiging, schlug ihm dessen Alkoholgeruch in diese Nase, und er fragte sich besorgt, was geschehen war, dass der andere so viel getrunken hatte, dass er kaum noch geradeaus laufen konnte.
 

Im Flur blieb Kai stehen und versuchte wenig erfolgreich, sich die Schuhe von den Füßen zu streifen. Rei schloss die Wohnungstür und seufzte. Er trat neben Kai, legte ihm locker seinen Arm um die Taille und führte ihn in sein Zimmer. Kai machte einen erneuten Versuch, sich die Schuhe auszuziehen, aber Rei drückte ihn gleich auf sein Bett.
 

„Ist schon gut, Kai, leg dich einfach hin.“ Rei setzte sich auf die Bettkante, als Kai sich zurück fallen ließ, und zog ihm vorsichtig die Schuhe aus.

Er brachte sie zum Schuhregal neben der Wohnungstür und kehrte in sein Zimmer zurück. Kai hatte seinen Handrücken auf seiner Stirn abgelegt und lag ruhig da, doch als Rei näher trat, sah er, dass seine Augen offen waren.

"Kai? Alles in Ordnung?", fragte Rei, nachdem er von der anderen Seite auf sein Bett geklettert war und dem anderen zögerlich die Hand auf die Schulter gelegt hatte. „Ist dir schlecht? Soll ich dir einen Eimer holen?“

„Hm“, machte Kai. Dann: „Keinen Eimer, brauch ich nich’.“ Er verschmolz die Wörter beim Sprechen, lallte. Jetzt sahen Kais Augen fast rot aus, als hätte er -

Rei verwarf den Gedanken.

“Was ist passiert, Kai?“, fragte Rei nach. Das „zur Hölle“ nach dem Fragewort sparte er sich.

Angesprochener fuhr sich mit seinen Händen über das Gesicht, bevor er antwortete: „Er will mich nich'.“
 

Ob dieser - unerwarteten - Antwort begann Reis Herz wild in seinem Brustkorb zu pochen und sein Mund war plötzlich staubtrocken.

„Was?“, brachte er schließlich krächzend hervor.

„Yuriy“, antwortete Kai hilfreicherweise. Es folgte ein langes Schweigen, während Kai regungslos an die Decke starrte. Rei stand kurz davor, eine weitere drängende Frage zu stellen, um seiner brennenden Neugier Abhilfe zu verschaffen, als Kai von sich aus weitersprach.
 

„Bin zu ihm gegangen. Wollte ihm 'ndlich sagn, dass ich...dass ich ihn- ach, verdammt.“

Innerlich beschwor Rei sich, weiterzuatmen, hoffte, dass Kai ihm nicht gerade das zu sagen versuchte, was er glaubte.

„Aber Yuriy hat gsagt, er – er liebt mich nich’.“ Nach diesen Worten lachte er bitter auf, während es Rei das Herz zusammenzog.
 

Es tat weh, Kai so zu sehen – betrunken, verletzlich und offensichtlich voll von Liebeskummer. Nicht nur, weil es dem Russen einfach schlecht ging und Rei selbst wusste, dass er wenig dagegen tun konnte. Denn wie lange schon empfand er mehr für Kai, ohne jemals irgendwem davon erzählt zu haben? Rei versuchte, den Kloß hinunterzuschlucken, der sich in seinem Hals gebildet hatte, doch es wollte ihm kaum gelingen. Am liebsten wäre er jetzt allein gewesen, um sich die Augen aus dem Kopf und den Schmerz von der Seele zu heulen. Doch ein Blick zu Kai und er wusste sofort, dass er den anderen nicht allein lassen konnte. Immerhin war er, Rei, es gewesen, bei dem Kai nach dem Fiasko mit Yuriy vor der Tür gestanden hatte.
 

Er rutschte also näher an Kai heran, der mittlerweile mit geschlossenen Augen da lag und zu dösen schien, und fuhr ihm vorsichtig durch die Haare. Daraufhin hob Kai noch einmal den Kopf, sah Rei an.

„Kann ich...?“, fragte er und bettete seinen Kopf ohne die Antwort abzuwarten in Reis Schoß.

„Hmm, sicher“, murmelte Rei und blickte mit tränenverschleierten Augen hinunter auf Kai, der sich offensichtlich schon wieder auf dem Weg ins Reich der Träume befand. Erneut strich er dem anderen durch die Haare, während er das Gewicht von Kais Kopf warm und schwer auf seinen Beinen spürte.

Irgendwann erkannte Rei an den langsamen und entspannten Atemzügen Kais, dass dieser eingeschlafen war. Erst dann erlaubte er, dass die Tränen seine Wangen hinunterrollten und in Kais dichtes Haar tropften. Rei verlor bald das Zeitgefühl dafür, wie lange er versuchte, gegen den Gefühlssturm in seinem Inneren anzukämpfen, während er mit Kai so da saß, starr. Er wusste jetzt, warum Menschen immer von gebrochenen Herzen sprachen, denn dort war es, wo es so unfassbar schmerzte, dass auch seine Tränen verschwendet versiegten.
 

Es blieb ihm nur ein Einziges.

Er würde für Kai da sein, egal, wie sehr es ihn selbst quälen mochte, und er würde hoffen, dass Kai irgendwann auch für ihn etwas empfinden konnte. Denn vielleicht – vielleicht verbarg sich der lächelnde Morgen erst hinter dem Schleier einer noch kommenden Nacht.



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Kommentare zu diesem Kapitel (8)

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Von:  Vergangenheit
2011-04-06T09:30:46+00:00 06.04.2011 11:30
Das ist ein wirklich trauriges Drabble. Mir sind fast die Tränen gekommen. Liebe ist irgendwie eine miese Sache.

Auf jeden Fall wieder wundervoll geschrieben, die Emotionen sind sehr gut rüber gekommen.

ByeBye
La-chan
Von:  Fye-chan
2011-03-16T21:29:28+00:00 16.03.2011 22:29
Es ist... ja, mir fehlen ein bisschen die Worte^^
Wieder wunderschön geschrieben, die Sitautionen, die Atmosphäre vor allem dort im Schlafzimmer... alles ist so realistisch dargestellt, und nachvollziehbar und eben deshalb auch so herzzerreißend und einen mitnehmend...
Ich bin sehr begeistert, auch wenn die beiden mir sehr Leid tun; Rei vielleicht noch ein wenig mehr als Kai, denn der hat nun zumindest Gewissheit und vor alleime eine Schulter, an die er sich in seinen schwachen Momenten anlehnen kann, während Rei für ihn stark bleibt aber innerlich ebenso leidet...
Was ich aber klasse finde, ist dass das Ende dennoch einen positiven Hauch hat, nicht alles verloren scheint.
Wirklich wirklich gut! :)
Ich freue mich ebenfalls auf weitere solcher kleinen aber tollen Drabbles! <3

GlG :)
Von:  Atem
2011-03-14T15:55:03+00:00 14.03.2011 16:55
Uhhhh die Drabble ist ja sowas von traurig ;__;. Ok, es ist schon traurig für Kai, dass seine Liebe nicht erwidert wurde... aber Rei, omg, der frisst alles in sich rein und ist die sprichwörtliche "Schulter zum Heulen"... mit ihm kann man alles machen.
Das hier schreit geradezu nach einer Fortsetzung XD". Aber ich weiß auch, dass das nicht der Sinn ist... also halte ich lieber meinen Mund XD".

Wirklich sehr schön geworden und ich hoffe nur für Kai... dass er mal seine Augen öffnet und das erkennt, was direkt vor ihm geschieht >o<.

*flausch*
Rei~
Von:  Minerva_Noctua
2011-03-08T07:49:09+00:00 08.03.2011 08:49
Helau!

Ich finde diesen Drabble wirklich fantastisch.
Du beschreibst die Gefühle so wahnsinnig gut. Man leidet richtig mit und wird gefesselt.
Die Szene auf dem Bett ist sehr schön und bewegend.
Ach, da möchte man gar nicht mehr aufhören zu lesen!
Das Zitat hast du prima mit dieser kurzen Story verschmolzen und ihm sogar zum Schluss hin einen optimistischen Touch verliehen.
Die Idee war an sich schon sehr gut.
Ach ja, ich freu mich auf mehr solcher Drabbles^^.

Bye

Minerva
Von: Alatus
2011-03-07T18:29:46+00:00 07.03.2011 19:29
Also das ... ist irgendwie total fies.
Nicht im Sinne von "schlecht", aber irgendwie ... eigentlich etwas, was jedem jederzeit passieren könnte und der Schluss ist doch ein wenig optimistisch formuliert, wie ich finde, aber die Situation an sich ist für Rei zumindest doch echt total mies ^^;
Soll kein Vorwurf sein, aber das war das Erste, was ich dachte, als ich die FF nun las. So: WTF! Wie kann man ihm das antun! Ò___Ó
Weil anfangs dachte ich noch, dass er nun vor Freude drei Kreuze machen würde, Marke: Yes, dann hab ICH ja eine Chance!
Oder gar nach dem Motto: Yeah, dann steht er ja doch auf Kerle!
... aber realistischer ist die Reaktion, die er dann tatsächlich brachte - der negative Gedanke daran, dass nicht er von Kai geliebt worden war. ^^;
Und genau das finde ich so "mies" ... es ist sehr realistisch und daher trifft es auch mitten ins Herz |D;
Was ich schade finde ist hier wohl, dass es so kurz ist ... denn nun fragt man sich wie das ganze Drumherum wohl ausgesehen haben möge - aber jaaa~ ich weiß auch, dass so Drabbles nicht länger sein SOLLEN und ich mir meinen Teil nun denken soll |DDD *lach*
Irgendwie auch inspirierend. "Liebeskummer" ist fast schon kitschig - aber eben nur fast, weil ich ja - als Kitsch-Liebhaber - dennoch der Ansicht bin, dass es immer wieder fies genug ist. ^^;

In dem Sinne, etwas verwirrend, aber: Allem voran gut geschrieben, ausdrucksstark im Zusammenhang mit der Länge (bzw. Kürze XD) und da es berührt, kam es auch gut an <3
Aber arme Schnuffis ... ;_; *dich dafür mit nem Wattebausch bewerf*>D
Von:  WeißeWölfinLarka
2011-02-27T11:21:50+00:00 27.02.2011 12:21
Oh mein Gott!
Das ist so herzlich!
So schmerzlich für Ray, ja, aber ... *____*
So unglaublich niedlich und toll, wie du das mit dem Besoffski-Zustand von Kai dargestellt hast. Echt toll.
Ich bin ja ein YuKa-Shipper, auch von daher fand ich diese Geschichte sehr toll. Jaaa, Yu will ihn nich - oh gerade dieser Satz, diese Stelle hat es mir echt angetan!
Ach, mir ist ein wenig weh zumut...
Tolle Sache!
Von:  Shayd_chan
2011-02-16T08:58:44+00:00 16.02.2011 09:58
Es ist soooo süß geschrieben!
Ich finde das ganze Szenario so realistisch und man kann sich so gut hineinversetzen.
Auch wenn das Thema so herzzereißend ist, kommt es trotzdem so wunderschön rüber.
Es macht wirklich immer sehr viel Spaß deine Drabbles zu lesen^^
Von:  Pfefferminze
2011-02-15T08:28:39+00:00 15.02.2011 09:28
Whuaaaaa! ;w; Viel zu früh am Morgen für so bittersüße Kost, aber da kannst du ja immerhin reichlich wenig dafür. *sigh*
Wunderschön gemacht. Mit deiner sou hübschen bildlichen Sprache und Leichtigkeit be/geschrieben <3 Zum Anbeißen.
Thematisch wollte ich (und habe ich angefangen aber angefangen hab ich ja eh viel Dx) das auch schon mal aufgreifen. Deine Umsetzung finde ich dann aber so schön... minimalistisch auf das wesentliche konzentriert (Drabble halt xD") und es bringt doch alles rüber- Reis wie Kais Herzschmerz und die Hoffnung auf den neuen Morgen, die Rei hegt.
Ist im Ganze halt wie Zartbitterschokolade: süß, bitter und einfach köstlich <3

*flausch*


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