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Syros

Die Rückkehr des letzten Wächters
von

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Rengaru

Yukio wurde von einer sanften Hand auf seiner Schulter geweckt.

„Die Fahrkarte, bitte.“
 

Der Junge blickte aus seinen eisblauen Augen hoch und sah eine junge Frau vor sich stehen. Sie hatte lange braune Haare, die zu einem langen Pferdeschwanz gebunden waren, grüne Augen und ein freundliches Lächeln auf den Lippen.

Nur ihr Kleidungsstil war ein wenig merkwürdig. Sie hatte etwas an, das wie eine dunkelblaue Uniform aussah. Die Schaffnerin hatte eine taillierte Jacke mit einer Doppelreihe silberner Knöpfe an. Die Manschetten hatten einen schwarzen Rand und waren nach oben umgeschlagen. Sie waren ebenfalls mit vier silbernen Knöpfen versehen. Oben auf dem linken Ärmel hatte sie zwei schwarze Riemen. Auch der Kragen hatte einen schwarzen Rand, war zirka eineinhalb Handbreit lang und war nach unten umgeklappt.

Die Hose war in dem gleichen Dunkelblau wie die Jacke und hatte auf dem linken Hosenbein ebenfalls zwei schwarze Riemen. Sonst war sie eher schlicht gehalten bis auf eine Silberkette, die aus der rechten Hosentasche hing, die offenbar an einem der Riemen für den Gürtel befestigt war, der sich allerdings unter dem Saum der Jacke verbarg.

Die Schuhe waren schlicht schwarz und auf dem Kopf trug sie die typische Schaffnermütze in passendem Dunkelblau.
 

Verwirrt sah Yu die Dame an, dann begriff er und holte aus seiner Tasche die Fahrkarte, die glücklicherweise neben ihm auf der Bank am Bahnhof gelegen hatte. Lächelnd nahm die Zugbegleiterin sie entgegen, zwickte sie ab und gab sie ihm wieder zurück.

„Entschuldigung, aber wo fährt dieser Zug eigentlich hin?“, fragte Yukio leicht beschämt. Er hatte eine Fahrkarte, wusste aber nicht wohin der Zug fuhr. Wie das wohl rüber kam?

Doch die junge Frau lächelte nur und ging weiter. Yu starrte ihr nach. Ging man so etwa mit Fahrgästen um? Yukio wollte schon aufstehen und ihr hinterher laufen, doch was hätte das für einen Sinn gehabt? Sie würde es ihm ja so oder so nicht sagen, sonst hätte sie es schon längst getan.

Verzweifelt lehnte sich der Junge wieder in seinen Sitz zurück.
 

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„Syros. Endstation. Bitte alle aussteigen. Wir hoffen Sie hatten eine angenehme Fahrt.“, erklang die Stimme der Kontrolleurin aus den Lautsprechern.

Verwirrt stand Yu auf. Außerhalb des Zuges herrschte noch immer bedrückende Dunkelheit. Langsam begab er sich zur Tür. Sie öffnete sich und der Junge trat in eine weitere dunkle Halle. Er konnte nicht viel erkennen, doch was er sah, unterschied sich nicht von der Bahnhofshalle in seiner Stadt. Nur war hier weniger Licht. Aber wo zum Teufel war Syros? Diesen Namen hatte Yukio noch nie gehört…
 

Die Zugtür schloss sich hinter Yu. Langsam setzte sich das Gefährt wieder in Bewegung und verschwand nach kurzer Zeit in der Finsternis des Tunnels.

„Na wundervoll… Jetzt sitze ich in einer anderen Halle fest. Da hat sich ja viel geändert.“ Bitterkeit und ein Hauch Verzweiflung lagen in Yu’s Stimme.

Schon wollte der Junge wieder anfangen die Beherrschung zu verlieren, als ihn der Gedanke überkam, dass es wohl keinen Unterschied machte ob er hier festsaß oder in der anderen Halle. Die Chancen, dass ihn jemand finden würde, waren wahrscheinlich an beiden Orten gleich.

Frustriert sah sich Yu genauer um. Ein Stück weiter sah er eine größere Lichtquelle. Da dies sein einziger Anhaltspunkt hier war, beschloss er darauf zu zugehen.
 

Das Ziel stellte sich als zwei große Lampen heraus, die an einer Wand befestigt waren. Dazwischen war ein Schild aufgehängt, auf dem komische Schriftzeichen standen, ähnlich denen auf dem Zug.
 

Yukio starrte ungläubig auf die Tafel. „Das… ist doch wohl ein schlechter Scherz. Oder? Ich bin eingeschlossen in einer Halle und der einzige Anhaltspunkt ist eine Tafel, die keiner lesen kann, auf der genau so gut ‚Rauchen verboten’ stehen könnte? Das ist doch wohl ein Albtraum!“

„Thehehe~ Ja, da haben die richtig viel Scheiße gebaut…“
 

Yu wirbelte herum. Plötzlich stand neben ihm ein alter Mann. Sein Rücken war krumm, er stützte sich auf einen knorrigen Stock und in seinem Gesicht wucherte ein mausgrauer Bart. Seine Kleidung war schlicht, grau, wie die eines alten Bauern. Seine Stimme war etwas kratzig aber doch ruhig und sanft.

Irgendwie strahle der Fremde etwas Mysteriöses aus. Vielleicht lag es auch an der Tatsache, dass er auf einmal einfach so neben Yu gestanden hatte und man ihn, alleine wegen seiner Gehhilfe, hätte schon von weitem in dieser stillen Halle hören müssen.
 

Der Alte kicherte erneut. „Die Garde hätte wissen müssen, dass der letzte Wächter seinen Sohn nicht einweihen konnte. Sie hätten wissen müssen, dass du den Schlüssel nicht bei dir trägst. Hmm… ja… Wenigstens Yukiko hätte bemerken müssen, dass du nichts weißt.“

Bildete sich das Yu nur ein, oder redete der alte Mann wirklich wirres Zeug?

„W-Wer ist Yukiko? Und wer sind Sie? Wie sind Sie hier hergekommen?“, verlangte Yu zu wissen.

„Junge, bist du unhöflich. Man stellt sich immer zuerst vor. Gibt es bei euch keine höflichen Umgangsformen mehr? Ich weiß, der Spruch ist schon abgedroschen, aber zu meiner Zeit, war das alles anders.“

Yu starrte den Weißbärtigen an. „Äh… Tut mir Leid… Mein Name ist Yukio…“

„Nett. Mein Name ist Rengaru.“, antwortete der Alte lachend. „Das wäre wohl die erste Frage. Zweite Frage… Yukiko ist die freundliche Zugbegleiterin… Leider ist sie etwas kurzsichtig was Menschenkenntnis angeht.“, seufzte Rengaru. „Tja und hergekommen bin ich durch das Tor, vor dem du gerade stehst.“, vollendete der Greis seine Erläuterung.
 

Yu wandte seinen Blick von dem Fremden ab und starrte erneut auf das kleine Schild vor ihnen. „…. Tor?“

Rengaru lachte lauthals los. „Ich mag dich Junge… Deine Skepsis wird dir noch nützlich sein in diesen unfreundlichen Tagen. Aber ja, das ist ein Tor, wenn man den Schlüssel dafür hat.“

„Und… Diesen Schlüssel haben Sie?“

„Och, nicht nur ich, mein Junge, den haben viele. Auch der letzte Wächter hatte ihn, doch leider ist er nicht dazu gekommen ihn an dich weiterzugeben.“ Die Augen des alten Mannes wurden traurig. „Ich mochte Seri immer sehr. Sie war eine ausgezeichnete Schülerin und beherrschte den Zweihänder besser als manches Muskelpaket.“, erzählte Rengaru ehrfurchtsvoll.

„Woher… Woher kennen Sie meine Mutter?“ Yu begann leicht zu zittern. Was war hier eigentlich los?

„Na ich hab sie damals ausgebildet. Ich war ihr Lehrmeister, wie von vielen anderen Wächtern. Aber das ist graue Vergangenheit…“ Der Alte seufzte erneut und streifte mit einer Hand über seinen Bart. „Aber das ist weder der richtige Zeitpunkt noch der richtige Ort um dir Geschichten über deine Mutter zu erzählen. Die wirst du schon noch zu hören bekommen. Jetzt wird es langsam mal Zeit hier raus zu kommen und diesen Bütteln, die sich Gardisten schimpfen, mal ordentlich die Meinung zu geigen. Immerhin sollten die Typen eigentlich wissen wie sie ihre Arbeit zu erledigen haben.“
 

Rengaru kramte in seiner rechten Hosentasche. Heraus zog er einen schwarzen Handschuh mit einem eigenartigen Symbol darauf. Es sah anders aus als die Symbole auf dem Zug und der Tafel. Die anderen Symbole waren eher eckig. Das auf dem Handschuh war geschwungen und rund.

„Na hoffentlich habe ich noch genug Kraft. Aber es wird schon gehen.“, meinte der alte Mann zuversichtlich.
 

Bestimmt zog er sich das schwarze Stück Stoff über. Er streckte die Hand aus und das Zeichen begann hellblau zu glühen an. Staunend verfolgte Yu das Szenario. Wo gerade eben noch massive Steinwand war, befand sich nun ein großes Eichentor.

Etwas schnaufend verstaute Rengaru den Handschuh wieder in den Tiefen seiner Hosentasche.

„Na dann. Geh vor, Junge.“, Rengaru deutete auf das Tor.

Yukio löste sich aus seiner Starre und drückte den Flügel des großen Portals auf. Vor ihnen erstreckte sich eine lange Steintreppe. Von oben herab fiel warmes Sonnenlicht und ließ jede Stufe einen kleinen Schatten werfen.
 

Yukios eisblaue Augen glitzerten vor Freude. „Ich dachte schon ich würde nie wieder Tageslicht sehen!“ Rengaru lachte. „Wir würden dich hier ja nicht verrotten lassen. Wo denkst du hin?“ Gemächlich machte sich der Alte auf den Weg nach oben. Yu folgte ihm.



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