Zum Inhalt der Seite

Darkness of the Phoenix

Die Gefahr wohnt in deiner Seele
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

10 Jahre später

*************************************************************************************
 

Gold/braune Haare die sanft in der lauen Brise des Frühlingsmittags wehten und hellblaue Augen, die sich schon fast etwas verträumt die Stadt ansahen, durch die sie getragen wurden. Das junge Mädchen hatte eine schlanke Figur und trug ein einfaches T-Shirt und eine Jeans.

Die kleine Kayla war gerade auf dem Heimweg. Sie kam von der Vorschule, die sie besuchte, bevor sie in die Schule kam um sich selbst noch etwas zu fördern. Doch diese war jetzt aus und so ging sie ihren gewohnten Weg – ganz alleine mit ihren zarten 10 Jahren – nach Hause. Papa wartete bestimmt schon mit dem Essen auf sie.

Doch, im Hof erwartete sie eine Überraschung. Das Auto ihres Vaters stand nicht in der Auffahrt, wie es sonst immer war.

Verwundert sah Kayla zum Haus. Sie hatte keinen Schlüssel dabei. Heute Morgen hatte sie ihn nicht gefunden und war deshalb ohne gegangen.

„Seltsam“ murmelte sie.

>In der Schule müsste noch jemand sein. Ich frag mal, ob ich Mama auf dem Handy anrufen kann< beschloss Kayla gedanklich und kehrte um.

Kaum war sie auf dem Gelände, kam ihr einer ihrer Lehrer entgegen und sie bat ihn gleich darum, dass sie ihre Mutter anrufen könnte.

Der Lehrer war freundlich und führte sie gleich ins Büro, wo Kayla ihre Mutter anrufen konnte.
 

„…und legen Sie bitte den Bericht mit dem Kostenvoranschlag der Geschäftsführung vor. Das ist eine größere Angelegenheit und da brauchen wir die Unterschrift“ erklärte die Abteilungsleiterin ihrem Kollegen freundlich, der daraufhin nur nickte und sich gleich an die Arbeit machte.

Gedanklich etwas abgehetzt begab sich die 28-jährige zurück in ihr Einzelbüro. Die junge Frau hatte mittellange braune Haare, strahlendblaue Augen und trug einen schwarzen Hosenanzug mit einer hellblauen Bluse unter der Jacke.

Jess hatte sich in den letzten Jahren ziemlich gemacht. Mit 19 Jahren war sie schwanger geworden und hatte ihre bereits 10-jährige Tochter auf die Welt gebracht. Alex war nach wie vor bei ihr und die beiden lebten auch weiterhin in Moskau – nun aber in ihrem eigenen kleinen Heim.

Mit 22 Jahren hatte sie dann ein Jobangebot von der BBA bekommen, in dem sie eine Ausbildung zur Organisatorin für Beyblade Turniere machen könnte. Heute war sie Abteilungsleiterin des Turniermanagements. Das hatte sich durch Zufall ergeben, denn der alte Leiter trat kurzfristig wegen eines schweren Unfalls ab und sie konnte – auch durch ihre langjährige Erfahrung als Teamchefin und der guten Ausbildung – den Job übernehmen.

Von ihren ehemaligen Teamkolleginnen hatte sie schon ewig nichts mehr gehört. Sie wusste nur, dass Miena irgendwohin ausgewandert war, da sie nicht in Russland bleiben wollte, wegen Talas Tod. Stefania war auch wie vom Erdboden verschluckt, nur von Irina wusste sie etwas.

Die Rothaarige war Beybladetechnikerin geworden und arbeitete in den USA mit weltberühmten Topforschern zusammen.

Jess schwelgte kurz in den alten Zeiten, doch ihr Handy, welches auf dem Schreibtisch lag holte sie in die Realität zurück.

Sie nahm ab und merkte schnell, dass sie ihre Tochter Kayla dran hatte.

„Mama, wo ist denn Papa?“ fragte die Kleine sofort.

„Dein Papa ist zuhause“ sagte Jess daraufhin verwundert.

„Nein, ich war da und sein Auto steht nicht. Ich kann auch nicht rein, ich hab keinen Schlüssel dabei“ klagte Kayla ihr Problem.

Jess runzelte die Stirn und sah kurz auf die Uhr in ihrem Büro.

„Hör zu, Liebes. Ich hab in einer viertel Stunde Pause und ich komme dann zu dir. Von wo aus rufst du denn an?“ fragte sie nach.

„Von der Schule aus. Soll ich hier warten?“ stellte Kayla die Gegenfrage.

„Ja, tu das bitte. In einer halben Stunde bin ich bei dir“ sagte Jess lächelnd.

„Ist gut“ erwiderte Kayla und legte auf.

Jess behielt ihr Handy in der Hand und sah kurz aus dem Fenster und fragte sich, was da los war. Alex war sonst immer zuhause um diese Zeit und wartete meistens schon mit dem Mittagessen auf ihre gemeinsame Tochter.

Entschieden suchte sie im Telefon die Nummer ihres Lebensgefährten und rief ihn an. Rauschen war im Hintergrund zu hören – ein sicheres Zeichen dafür, dass er im Auto saß.

„Ja?“

„Alex, wo steckst du?! Kayla sagt, du bist nicht zuhause. Sie kann nicht rein, sie hat ihren Schlüssel nicht dabei!“ sagte Jess sofort.

„In der Küche“ meinte Alex plötzlich.

„Bitte?“ fragte Jess verwirrt.

„In der Küche liegt ein Brief. Da steht alles drin“ erwiderte Alex nur monoton.

„Was soll das? Alex, ich-“

Doch er hatte schon aufgelegt. Jess ließ das Handy sinken und ihr schlich sich eine böse Ahnung auf.

Sie überlegte einen Moment und beschloss, gleich zu gehen und nicht noch zu warten. Kayla konnte sie immer noch holen. Schnell packte sie ihre Handtasche zusammen und wendete sich an ihren Arbeitskollegen.

„Könnten Sie für die nächste Viertelstunde meine Anrufe entgegennehmen? Ich hab gerade einen wichtigen Notfall. Das kann leider nicht warten“ erklärte sie kurz.

Der junge Mann nickte und Jess bedankte sich noch kurz, bevor sie das Büro verließ und zum Firmenparkplatz ging. Der kleine Audi A3 glänzte mit seinem dunkelblauen Lack im Sonnenlicht und die Blinkerlampen leuchteten kurz auf, als sich die Zentralverrieglung entsperrte.

Jess hatte mal ein größeres Modell, doch nach einem schweren Unfall auf der Autobahn, fuhr sie nur noch kleinere Wagen.

Sie fuhr erst mal zu sich nach Hause und parkte – nach dem Kampf durch die Innenstadt – ihren Wagen in der Hofeinfahrt. Sofort machte Jess das Auto aus und stieg aus dem Wagen. Sie schloss die Haustür auf und ging durch den Flur in die Küche. Auf dem Esstisch lag der besagte Brief.

Jess stellte ihr Zeug auf den Tisch und nahm den Zettel in die Hand. Langsam begann sie die Zeilen zu lesen:
 

Jess,

ich könnte dir die ganze Situation jetzt schön reden, aber das werde ich nicht tun. Ich weiß nicht, aber mein Gefühl sagt mir, dass ich einfach hier raus muss. Das mit Kayla wird mir zu anstrengend. Und du bist auch nur noch mit der Arbeit beschäftigt – aber vermutlich merkst du das nicht einmal mehr, da es dir ja „so viel Spaß“ macht. Ich will dir dein Leben nicht zerstören, aber für mich persönlich ist der Punkt erreicht, an dem ich sage, dass es – zumindest für mich – nicht mehr weitergeht. Schnapp dir deine Tochter und behalt sie – ich streite mich nicht mit dir um das Sorgerecht. Es tut mir leid, aber es ist wirklich aus.
 

Gruß, Alex
 

Jess sah entsetzt auf den Brief.

„Warum hast du denn nie was gesagt?“ hauchte sie verzweifelt.

Gestern war die Welt noch in Ordnung, doch mit einem Schlag schien das Glück wie zerstört. Sie wollte Kayla das Schicksal, was ihr damals passiert war – dass der Vater sie verlassen und nur die Mutter sich noch eine Zeitlang um sie gekümmert hatte – ersparen, deshalb war sie so glücklich darüber, dass Alex immer bei ihr gewesen war.

Doch offenbar hatte sie in einer Lüge gelebt. Jess wusste nicht, was sie jetzt machen sollte. Tränen der Verzweiflung bahnten sich ihren Weg über ihre Wangen. Es verging eine Weile, in der sie einfach da stand und versuchte ihrer Gefühle wieder Herr zu werden.

„Mama, was ist los?“ fragte plötzlich eine zaghafte Stimme.

Jess drehte sich um. Kayla stand im Türrahmen und wusste nicht, was sie von ihrer weinenden Mama halten sollte.

„Wo ist Papa?“ hakte Kayla weiter.

„Papa kommt nicht wieder“ sagte Jess monoton.

„Warum?“ fragte die Kleine traurig.

Jess wusste nicht, was sie sagen sollte und umarmte ihre Tochter einfach nur. Kayla wusste das nicht richtig zu deuten, nur dass gerade etwas Entscheidendes passiert war, war ihr wirklich klar.
 

Ein paar Tage vergingen. Jess hatte sich spontan zwei Wochen Urlaub genommen – der war sowieso überfällig. Sie konnte jetzt nicht mehr Vollzeit arbeiten, da Kayla nicht den ganzen Tag alleine bleiben konnte.

Jess spazierte gerade durch die Stadt, in der Hoffnung sich auf andere Gedanken bringen zu können. Sie war ganz gut darin, Sachen einfach zu verdrängen. Das half ihr über schwere Ereignisse hinweg zu kommen, auch wenn das – aus psychologischer Sicht – nicht gerade die beste Methode war.

Jess seufzte schwer. Sie wollte nicht an das Drama mit Alex denken, aber so sehr sie sich auch bemühte – ihre Gedanken schweiften immer wieder zu dem Warum.

>Alex, du bist echt so ein Schwein. Warum hast du nie was gesagt? Und warum lässt du mich und Kayla jetzt einfach so allein? Und warum war ICH verdammt noch mal eigentlich so blauäugig und hab das nicht gemerkt?< fragte sie sich gedanklich.

Sie schnaufte schwer. Es brachte im Endeffekt sowieso nichts – Alex war weg und er würde höchstwahrscheinlich auch nicht wiederkommen.

Jess war so sehr in Gedanken vertieft, dass sie kaum noch auf ihren Weg sah und plötzlich mit jemand zusammenstieß. Erschrocken wirbelte sie herum und setzte zu einer Entschuldigung an, doch sie war zu perplex, um überhaupt etwas zu sagen.

Der junge Mann, mit dem sie zusammengeknallt war, sah sie durch seine rubinroten Augen fast genauso erstaunt an.

„K-Kai?“ stammelte Jess verwundert und ihre Augen wurden groß.

„Jess, was machst du denn hier?“ stellte er die Gegenfrage.

„Was ich hier mache? Na, ich wohn hier immer noch! Was machst DU hier?“ fragte Jess freudig nach.

„Ich hab nach dir gesucht“ erwiderte er.

„Wieso das?“ wollte Jess wissen.

Sie dachte einen Moment nach.

„Ich wohne hier ganz in der Nähe. Komm doch einfach mit zu mir. Auf offener Straße so ein Gespräch zu führen ist mir unangenehm“ schlug sie vor.

„Ja, du hast recht“ meinte er.

Die beiden machten sich auf den Weg. Kayla wartete schon ungeduldig auf ihre Mutter. Sie war oben in ihrem Zimmer, las gerade ein gutes Buch und hatte die Tür offen, damit sie das Klacken der Haustür hören konnte.

Und das ließ nicht auf sich warten. Kayla sprang auf, schmiss das Buch achtlos auf ihr Bett und stürmte die Treppe herunter.

„Mama!“ rief sie freudig und umarmte Jess, die gerade die Tür hereinkam.

„Hallo, mein Schatz“

„Ich hab das Buch jetzt fast durch. Aber, ich muss später noch für Mathe lernen…“ nörgelte Kayla.

Sie wandte sich um und sah Kai, der im Flur stand.

„Mama, wer ist das?“ fragte sie neugierig.

„Oh, das ist Kai“ erwiderte Jess.

Enthusiastisch ging Kayla auf ihn zu und schüttelte ihm etwas überschwänglich die Hand.

„Hey, Onkel Kai, schön, dass ich dich mal kennen lerne! Mama hat schon so viel über dich erzählt“ sagte sie grinsend.

Kai war ein bisschen irritiert – mit so viel offenem Entgegenkommen hatte er nun wirklich nicht gerechnet. Jess, die dabei stand und das Ganze beobachtete, konnte sich ein kleines Lachen nicht verkneifen.

„Auf, Kayla. Geh mal hoch und les dein Buch fertig. Ich komm dann später und helfe dir bei Mathe“ sagte Jess nun.

„Ja, ist gut“ erwiderte Kayla grinsend und ging die Treppe wieder hoch.

Kurz herrschte Schweigen.

„Sie ist ziemlich… direkt“ war Kais Bemerkung.

Jess lachte kurz.

„Mit 17 oder 18 hättest du jeden, der das zu dir gesagt hätte, einen Kopf kürzer gemacht“

„Sie hat das Temperament von dir, oder?“ meinte Kai.

„Ja, aber sie ist noch wesentlich direkter als ich in dem Alter“ sagte Jess.

„Wohnst du eigentlich noch mit Alex zusammen?“ fragte Kai nach.

Mit einem Schlag kam bei Jess alles wieder zurück, was sich vor ein paar Tagen abgespielt hatte.

„Hättest du mich das letzte Woche gefragt, wäre meine Antwort so was wie: ‚Ich führe das perfekte Familienleben’ gewesen“ seufzte sie und ging in die Küche.

Kai ging ihr hinterher. Jess legte ihren Schlüssel auf die Arbeitsplatte, drehte sich um und lehnte sich dagegen.

„Was ist passiert?“ hakte Kai nach.

Jess atmete tief durch.

„Alex hat mich verlassen. Einfach so. Von jetzt auf gleich. Und ich will jetzt ehrlich gesagt nicht darüber reden…“

Kai nickte verstehend.

„Was treibt dich eigentlich hier her? Zehn Jahre Funkstille und auf einmal bist du wieder da“ sagte Jess nun.

Sie hatte offen gesagt nicht damit gerechnet, ihn hier anzutreffen. Sie dachte sich, wenn sie irgendwann mal geschäftlich oder eventuell sogar privat nach Japan kam, konnte sie ihn ja besuchen gehen – vorausgesetzt sie fand ihn dort.

„Wir wollen ein großes Treffen demnächst veranstalten. Viele der ehemaligen Beyblader haben noch Kontakt zu ihren alten Teamkollegen und nach einigem hin und her wurde eben beschlossen, dass wir uns vielleicht alle mal wieder sehen könnten“ erklärte Kai.

„Das wäre vielleicht sogar ganz gut. Ich kann Ablenkung gebrauchen, nach diesem Drama… Das ist schon komisch, immer wenn wir uns sehen, hab ich den Kummer“ sagte Jess.

„Da kann ich aber nichts für“ erwiderte Kai.

„Ich weiß, ich weiß“ winkte Jess ab.

„Mal schauen… wenn es klappt, zieh ich von hier weg. Ich will woanders ganz neu anfangen“

„Warum tust du es dann nicht in Japan? Miena lebt im Übrigen auch dort“ erwiderte Kai.

„Was? Miena lebt auch da?“ fragte Jess erstaunt, aber gleichzeitig auch erfreut.

„Ja, ich hab sie neulich getroffen und sie hat mittlerweile einen neuen Lebenspartner, mit dem sie auch ganz glücklich zu sein scheint“

Jess sah ihn an, als wäre ihm ein zweiter Kopf gewachsen. In all den Jahren hatte sie öfters mal an ihre einstmals beste Freundin gedacht, doch immer wieder war ihr was dazwischen gekommen, als sie sich entscheiden wollte, sie zu suchen.

Doch jetzt hatte sie vielleicht die einmalige Gelegenheit Miena nach über einem Jahrzehnt wiederzusehen.

„Ich komm auf jeden Fall mit zu dem Treffen. Die Chance lass ich mir nicht entgehen!“ beschloss Jess.

„Und was ist mit deiner Tochter?“ fragte Kai.

„Kayla nehm ich mit. Die kann ja schlecht hier bleiben“ sagte Jess leichthin.

Sie verschwand kurz im Wohnzimmer und kam mit einem Laptop in der Hand wieder. Schnell stand der tragbare PC auf dem Küchentisch. Auf der Außenseite war das BBA Logo geklebt.

„Was machst du eigentlich beruflich?“ fragte Jess interessiert.

„Turniermanager im Außendienst“ erwiderte er.

Jess stutzte.

„Wie kommt es, dass uns unsere Namen noch nicht über den Weg gelaufen sind?“ fragte sie verwundert.

„Warum?“

„Weil ich nämlich die Turniere auf der verwaltungstechnischen Seite leite“ antwortete Jess nur.

„Du bist weit gekommen in den letzten Jahren“ meinte er nur.

„Ja, ziemlich. Aber, ich kann den Posten eh nicht halten, nun da Alex weg ist“ erwiderte Jess seufzend.

„Und wenn ich wegziehe, hat sich die ganze Sache sowieso erledigt!“

Sie klickte sich durch ihr hoffnungslos überfülltes Postfach. Nur eine Mail markierte sie sich als wichtig.

„So… jetzt schauen wir mal, ob wir einen Flug nach Japan kriegen“ murmelte Jess.

„Ich könnte ja theoretisch mit euch beiden fliegen, nur meinen Flug müsste ich absagen“ sagte Kai schließlich.

„Mich kostet das nichts, wenn ich das im Firmenprotokoll als Geschäftsreise hinterlege. Mein Chef ist damit nicht so wirklich einverstanden, aber er sagte, wenn das nicht allzu oft vorkäme, könnte ich das ruhig machen. Und aufgrund meiner Position kann ich mir das auch erlauben“ erklärte Jess.

„Warum kaufst du dir nicht gleich deinen eigenen Jet?“

„Daran hab ich auch mal gedacht, aber die Dinger sind mir einfach zu teuer – von Pilotenbudget und Treibstoffkosten mal ganz abgesehen“ erwiderte Jess.

„Du hast damals mehr gekriegt als ich – kauf dir deinen eigenen!“

Kai lächelte leicht. Jess war immer noch fast genauso drauf, wie damals. Er war froh, dass sie sich nicht allzu sehr verändert hatte.

Nebenbei gab Jess die Daten für den bevorstehenden Flug ein.

„Deutschland… nie wieder!“ sagte sie plötzlich, als sie das Reiseziel angeben sollte und sich durch das Feld mit allen Ländern auf der Suche nach Japan kämpfte.

„So schlecht ist es da auch nicht“ erwiderte Kai.

„Nein, ich hab da vor knapp 4 Jahren einen schweren Autounfall gehabt“ sagte Jess.

„Aus Sicht der Rettungskräfte war es ein Wunder, dass ich den Crash mit dem Lastwagen überlebt hab“

Bevor sie weitererzählte, hielt sie plötzlich inne. Die Haustür wurde gerade aufgeschlossen. Kayla konnte es nicht sein, die war oben in ihrem Zimmer. Jess stand auf und ging in den Flur.

Dort stand Alex.

„Was willst du noch hier?!“ fragte Jess verletzt.

„Ich hab noch ein paar Sachen vergessen“ erwiderte er banal.

Jess stellte sich vor die Treppe mit der festen Absicht, ihn nicht durchzulassen.

„Raus hier! Ich will dich nicht mehr sehen!“ fauchte sie ihn sauer an.

„Irgendwie kommt mir das bekannt vor…“ sagte Alex nun.

Jess platzte fast aus allen Nähten.

„Warum hast du das gemacht, verdammt?!“ fragte sie gekränkt.

„Wenn du den Brief gelesen hast, weißt du warum“ antwortete er nur und versuchte sich an ihr vorbeizudrängen, um die Treppe hochgehen zu können.

„Ich will es aber von dir hören! So was schreibt man schnell auf einen einfachen Zettel, aber ich will wissen, ob wirklich was dahinter steckt!“ rief Jess sauer.

„Wenn du es so hören willst, ja, ich hab dich verlassen, weil mir das alles über den Kopf wächst und du nie für mich da bist!“ sagte Alex nun auch etwas angesäuert.

Jess war im ersten Moment wie erstarrt und er wollte genau das nutzen um sich an ihr vorbei zu schieben und seine Sachen von oben zu holen.

Doch er hatte die Rechnung ohne seine Ex-Freundin gemacht, denn genau die fing sich wieder und die Angst und Verzweiflung wichen in blanke Wut um. Mit aller Kraft schubste sie ihn von sich weg, nur um dann einen Schritt auf ihn zu zumachen und ihm mit voller Wucht eine zu scheuern.

„DU SCHWEIN!“ schrie sie ihn mit Tränen in den Augen an.

„Du zerstörst mein ganzes Leben – und das von deiner Tochter auch! Das wollte ich nie! Hörst du?! NIE hab ich mir für Kayla das gleiche Schicksal gewünscht, was mir damals auch passiert ist!! Verschwinde einfach! Geh und komm nie wieder! HAU AB!“

Ihre Stimme klang brüchig und Tränen liefen ihr über die Wangen. Jess war so sauer und so verzweifelt wie noch nie. Sie hatte jahrelang ein nahezu perfektes Leben geführt und war richtig glücklich gewesen. Und jetzt brach alles in sich zusammen.

Alex sah sie verwundert an. Er hätte nicht gedacht, dass sie so ausrasten würde. Aber, in der Hinsicht kannte er sie wohl schlecht.

Wortlos und mit einer etwas geschwollenen Wange, machte Alex kehrt und verließ das Haus. Die Tür fiel ins Schloss und dann war es einen Augenblick ganz still.

Kai, der noch in der Küche saß und alles mitbekommen hatte, stand nun auf und ging zur Küchentür.

Jess stand noch da, von leisen Schluchzern geschüttelt und mit Tränen auf den Wangen. Sie hatte das Gefühl, nicht mehr stehen zu können und deshalb setzte sie sich erst mal auf die Treppe und vergrub das Gesicht in den Händen.

Sie wollte das alles nicht wahrhaben. Irgendwer da oben hasste sie – ganz bestimmt!

Was Jess nicht wusste war, dass ihre Tochter Kayla alles mitbekommen hatte. Sie saß auf dem Boden im oberen Flur neben der Treppe hatte ihre Arme um ihre Beine geschlungen und weinte stumm vor sich hin.

>Warum hat Papa das gemacht?< fragte sie sich die Kleine immer wieder.

Sie war noch zu jung um das alles richtig zu begreifen, aber ihr tat es höllisch weh.

Jess heulte sich immer noch den Kummer von der Seele. Erst als sich Kai neben sie setzte, nahm sie ihre Umgebung wieder einigermaßen wahr.

„Das ist alles absolut unfair“ schluchzte sie.

Kai nahm seine jüngere Schwester in den Arm.

„Wenn er so einen Scheiß abzieht, ist er es nicht wert“ sagte er leise.

„Ich weiß, aber… Ich war so lange mit ihm zusammen. Wir haben das perfekte Leben geführt und jetzt das!“ fluchte sie sauer.

Jess schluckte schwer. Dann herrschte eine Weile herrschte.

„Ich komme mit. Ich bleib nicht hier in Russland“ sagte sie nach einer Weile entschieden.

„Das macht mich alles fertig!“

Kai seufzte kurz.

„Gut, das musst du wissen. Aber, wie gesagt. Du könntest Miena wieder sehen und dann wärst du vielleicht nicht ganz so allein“ meinte er.

Jess nickte verstehend.

Sie wollte Kayla nicht aus ihrer gewohnten Umgebung reißen, aber wenn sie hier bleiben würde, könnte sie wegen Depressionen zum nächsten Psychiater rennen – und das wollte sie noch weniger!
 

Anderthalb Wochen später war es dann soweit.

„Mama, ist fliegen schlimm?“ fragte Kayla interessiert, als sie am Flughafen standen.

„Nein, ganz und gar nicht“ sagte Jess lächelnd.

Kayla war ganz aufgeregt – doch nicht nur sie. Jess plagte auch die innere Unruhe, aber nicht wegen dem bevorstehenden Flug, sondern weil sie Miena wahrscheinlich bald begegnen würde. Und die beiden hatten sich eine gefühlte Ewigkeit nicht mehr gesehen.

Der bevorstehende Flug war lang und Jess war froh, dass ihre Tochter nicht die Flugphobie ihres Vaters hatte, sonst hätte das Ganze bestimmt schlimmer ausgesehen.

Selbst im Flieger, war die Kleine immer noch Feuer und Flamme. Jess lächelte kurz, bevor sie sich setzte.

Sie schnaufte plötzlich schwer.

„Warum so nervös?“ fragte Kai plötzlich.

„Ach, es ist wegen Miena. Ich bin total aufgeregt. Wir haben uns so lange nicht gesehen“ erwiderte Jess monoton.

„Mach dir keinen Kopf“ sagte Kai nur.

Jess lächelte kurz.

„Hey, Mama“ war Kayla dazwischen.

„Warum fliegen wir mit so einem mickrigen Flugzeug? Ich hatte gedacht, wir würden in einer großen Maschine nach Japan fliegen“

Sie zog einen Schmollmund.

„Weißt du, es gibt die normalen Leute, die sich das nicht leisten können in einem Privatflugzeug zu fliegen. Eigentlich würden wir auch in einem großen Flugzeug sitzen, aber es gehen nur wenige regelmäßig nach Japan und die sind gut besetzt. Und da alles schnell gehen musste, habe ich eben ein kleineres Flugzeug gebucht, dass mich fast nichts kostet“ erklärte Jess.

„Dann bezahlt bestimmt die BBA den Flug“ schlussfolgerte Kayla.

Jess nickte.

„Das find ich toll!“ sagte Kayla grinsend.
 

Der Flug verlief ruhig. Einige Stunden später war Kayla noch wach, dann hatte sie es sich in ihrem Sitz bequem gemacht und war eingeschlafen.

„Wenn ich so sehe, muss ich immer daran denken, wie ich in ihrem Alter war. Damals war ich mit meinem ehemaligen Team schon auf den ersten nationalen Turnieren“ sagte Jess.

„Bladet sie nicht?“ fragte Kai.

Jess schüttelte den Kopf.

„Das kommt noch. Sie interessiert sich schon dafür, aber es wird dauern, bis sie den Draht dazu findet. Sie ist etwas unsicher, weil sie denkt, es sei nur der typische Männerkram und sie hat wohl Angst sich zu blamieren, wenn sie auf einmal mit einem Beyblade in die Schule kommt und in der Pause jemanden herausfordert“

„Zu meiner Zeit war das ja auch noch so. Erst, als du dich mit den anderen hochgearbeitet hast, haben auch mehr Mädchen mit dem bladen angefangen“ meinte Kai nun.

„Ja, aber seit wir abgetreten sind, hat sich das Ganze wieder umgekehrt. Nach uns gab es keine Mädchengruppe, die auch nur annähernd so stark war, wie wir“ sagte Jess.

„Es ist viel passiert in den letzten zehn Jahren…“ seufzte Kai.

„Ja, sehr viel. Und auch viel in den letzten zwei Wochen“ nickte Jess zurück.

„Was genau, ist eigentlich in Deutschland passiert? Du hattest das Thema angeschnitten, aber nie konkret gesagt, was vorgefallen ist“ sagte Kai.

Jess seufzte schwer. Sie erinnerte sich nicht gern an diesen Tag zurück, dafür war zu schrecklich. Trotzdem rang sie sich durch und erzählte Kai, was vor knapp 4 Jahren passiert war…
 

~ Flashback ~
 

Jess seufzte erleichtert, als sie sich in ihr Auto setzte. Diese Besprechung hatte ihr den letzten Nerv geraubt und sie war diese ewigen Diskussionen langsam leid. Wenn die so viele Probleme damit hatten, hier in Deutschland ein Beybladeturnier zu veranstalten, dann sollten sie es eben bleiben lassen!

Jess verschwendete keinen weiteren Gedanken daran und machte sich auf dem Weg zu ihrem Hotel, welches ein paar Kilometer entfernt lag.

Schon kurz nachdem sie auf die Autobahn aufgefahren war, fiel ihr ein ziemlich dicht auffahrender Kleintransporter ins Auge, den sie wachsam im Rückspiegel beobachtete. Durch den dichten Verkehr konnte sie auf der linken Spur nicht sehr schnell fahren.

>Von Abstand hält der wohl gar nichts!< dachte Jess sich, versuchte aber weiterhin den Drängler zu ignorieren.

Als rechts endlich frei war, setzte sie den Blinker und wollte einscheren.

Im nächsten Moment knallte es an der hinteren Stoßstange fürchterlich und ihr Auto geriet außer Kontrolle.

Jess erschrak zu Tode, packte es aber ihr Auto kurz danach zum Stillstand zu bringen. Ihr Atem ging zittrig und sie versuchte sich beruhigen. Doch, sie stand nicht, wie sie angenommen hatte, auf dem Seitenstreifen sondern quer auf der rechten Spur mit der Fahrerseite zur Fahrtrichtung.

Ein lautes, tiefes Hupen, riss Jess aus ihren Gedanken. Ein 40-Tonner kam direkt auf sie zu und raste mit 60 Stundenkilometern in den Audi A6 hinein…
 

~ Flashback End ~
 

„… der Kleintransporter hat mich rechts überholt und ich hab es nicht gesehen. Das nächste, das ich noch weiß, war, dass ich im Krankenhaus wieder aufgewacht bin“ beendete Jess ihre Erzählung.

Kai seufzte kurz.

„Glück gehabt, würde ich mal sagen“ meinte er.

Jess nickte leicht.

„Mehr als das“



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Miena
2010-09-14T16:08:41+00:00 14.09.2010 18:08
Wow, super Kapitel. :)
Wird Jess hoffentlich Miena ja bald wieder sehen...
Schnell weiter schreiben. :D


Zurück