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Zehn Fragen - Zehn Oneshots

One Shot Sammlung
von

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Die Zeit als Vogelscheuche

Die Zeit als Vogelscheuche
 

Prinz Edmund war nervös. Er wartete auf einen seiner königlichen Hofzauberer. Eigentlich misstraute er jedem Zauberer, seit dem er mehrere Monate in der Gestallt einer Vogelscheuche verbracht hatte. Doch dieser Magier war ein Bekannter aus Kindheitstagen und von ihm erwartete der Prinz eine wichtige Nachricht.
 

Der Hofmagier hatte durch diverse Kontakte im Nachbarland, herausgefunden, wo sich das wandelnde Schloss des Zauberers Hauro aufhielt. Eigentlich war es ja nicht das Schloss an sich, das er gefunden, sondern nur das Tor, um Verbindung mit dem Magier aufzunehmen.
 

Doch das war wenigstens ein Anfang. Als er als Botschafter in das Land eingereist war, mit dem sie bis jetzt Krieg geführt hatten, konnte er von seiner Verhandlungspartnerin nichts über den Aufenthaltsort des Schwarzhaarigen – und für ihn viel wichtiger, von Sophie erfahren.
 

Er musste sie wiedersehen. Edmund war besessen von dem Gedanken, sie für sich zu gewinnen. Nicht das er nicht Respekt und Dankbarkeit gegenüber Hauro empfand, doch von seinem Fluch befreit hatte ihn Sophie.
 

Der Prinz war einfach felsenfest davon überzeugt, dass er die bessere Wahl für das silberhaarige Mädchen wäre. Er würde ihr mehr Liebe und Aufmerksamkeit zukommen lassen, als dieser Mann, der über die Landesgrenzen hinaus, dafür bekannt war, jungen Frauen die Herzen zu brechen.
 

Edmund ließ seine Gedanken einen kurzen Moment lang schweifen – er hatte ja sowieso nichts Besseres zu tun, während er wartete. Vor seinem inneren Auge sah er den Tag, als er dem Mädchen zum ersten Mal begegnet war.
 

Der Thronfolger hatte schon längere Zeit auf diesem Berg gelegen. Er wusste nicht wer ihn verflucht hatte oder warum er es getan hatte, doch die Tage, Wochen – oder waren es sogar Monate? – die er dort in diesem Gebüsch gelegen hatte waren seine Gedanken nur mit dieser Frage beschäftigt gewesen.
 

Es gab so viele Möglichkeiten. Die erste und wahrscheinlichste, die ihm in den Sinn gekommen war, lief darauf hinaus, dass jemand unbedingt diesen Krieg zwischen den beiden Ländern gewollt hatte und sein Verschwinden als Ausrede für einen offensiven Angriff verwenden wollte. Sollte er mit dieser Annahme Recht haben, so war derjenige, der diesen bösen Zauber über ihn ausgesprochen hatte, jemand aus seinem Hofstaat, denn der erste Angriff erfolgte von ihrer Seite.
 

Natürlich konnte es auch sein, dass dies alles eine doppelte List war. Der Feind konnte auch einen Spion in seinen Palast eingeschleust haben, um ihn – den Prinzen – zu verfluchen und dann den ersten Schlag des herrscherlosen Königreichs abzuwarten. So würde der Verdacht nie auf den eigentlichen Kriegsführer fallen.
 

Dies waren die politischen Gründe, aus denen er dort auf dem Berg gelegen haben könnte, doch es gab auch private, die für seinen damaligen Zustand verantwortlich gewesen sein könnten. Vielleicht war der Krieg nur eine Art Nebeneffekt, der aus seinem Verschwinden resultierte und derjenige, der ihn verzaubert hatte zog einfach nur seine Vorteile daraus?
 

War er etwa das Hauptziel dieser Aktion gewesen? Ging es nur darum ihn aus dem Weg zu räumen? Jeder seiner drei Brüder hatte einen Grund dafür, denn obwohl er nicht der älteste Sohn war, hatte sein Vater ihn zum Erben ernannt. Mit allen Pflichten und Privilegien.
 

Neid und Habgier waren immer ein gutes Motiv, doch warum hatte man ihn nicht getötet, sondern nur in eine Vogelscheuch verwandelt? Das machte beide Theorien doch etwas unlogisch. Natürlich konnte es sein, dass die Drahtzieher dieser Intrige weitere Pläne für ihn hatten, von denen er nichts wusste und diese waren der einzige Grund für das Überleben des Prinzen, doch je mehr er überlegte, desto mehr kamen ihm Zweifel an diesen Theorien.
 

Edmund selbst, erschien es wahrscheinlicher, dass dies ein Racheakt war. Derjenige, der den Fluch ausgesprochen hatte, wollte ihn demütigen und seine Macht beweisen. Diese Person wollte den Thronfolger unbedingt am Boden sehen.
 

Der Prinz hatte keine Feinde, die es speziell auf seine Erniedrigung abgesehen hatten. Auf sein Leben – ja, da gab es sicher viele. Dieser Plan war jedoch sehr perfide und war minuziös vorbereitet worden.
 

Der Prinz war in einen dunklen Raum gelockt worden. Da er in Erwartung eines Treffens mit einer der Hofdamen war, hatte er auf die Anwesenheit seiner persönlichen Leibwächter verzichtet. Ein böser Fehler, wie sich herausstellte. In dieser Dunkelheit wurde dem Blonden ein Tuch mit einem Betäubungsmittel vor die Nase gehalten, noch während er nach der Person suchte, die ihn zu diesen Treffen eingeladen hatte.
 

Danach war alles schwarz. Das nächste was er wusste, war, dass er auf irgendeinem Berg lag. Wahrscheinlich weit ab, von seinem Schloss und die Gestalt dieses Dings hatte. Der Prinz konnte sich nicht rühren. Derjenige, der diesen Zauber über ihn gelegt hatte, ließ ihn, mit dem Gesicht zum Boden, hier liegen.
 

Da seine Arme nur aus Stroh bestanden und er auch keine Beine, sondern nur einen Stecken hatte, konnte er sich nicht aufrichten. Zu seinem Glück, musste Edmund in dem Zustand, in dem er sich befand, nicht atmen.
 

Je länger er darüber nachdachte, desto mehr glaubte er, dass eine seiner früheren Affären sich so an ihm gerächt hatte. Da gab es mehrere, die nicht akzeptieren konnten, dass er ihre Beziehungen nach seiner Ernennung zum Thronfolger gelöst hatte. Mindestens zwei dieser Frauen, waren versessen darauf, Königin zu werden. Genau diese zwei Weibsbilder hatten ihm gedroht, dass er es bereuen würde, sie so behandelt zu haben.
 

Damals, auf diesem Berg, da hatte er sich bereits damit abgefunden gehabt, dort zu vermodern. Niemand würde ihn je finden und in einer besonders düsteren Stunde, fragte der ehemalige blondgelockte Jüngling sich, ob es wohl schmerzhaft wäre, bei lebendigem Leib zu verwesen.
 

Dann kam sie. Sophie. In ihrer verfluchten Form hatte sie zwar das Äußere einer alten Frau, aber da er selbst ja auch verflucht war, konnte er ihre wahre Erscheinung sehen. Warum sie es bei ihm nicht sehen konnte, wusste Edmund nicht, doch es war ihm auch herzlich egal.
 

Als er Sophie zum ersten Mal sah, strahlte sie wie ein Stern. Sie behandelte ihn auch gut. Nicht nur, dass sie ihm aufgeholfen hatte, nein, sie redete mit im auch wie mit einem Menschen. Tief in seinem Inneren wusste der junge Prinz ab da, dass sie es sein würde, die seinen Fluch brechen würde.
 

Gut, sie hatte ihn zu Anfang fortgeschickt. Das konnte der Thronfolger aber gut verstehen, da auch er nach seiner Rückverwandlung jeglicher Magie misstrauisch gegenüber stand.
 

Wenn Edmund ehrlich zu sich selber war, so musste er sich eingestehen, dass der Fluch auch etwas Gutes an sich hatte, denn die Zeit als Vogelscheuche war die glücklichste seines Lebens gewesen. Er hatte Freunde gefunden, hatte gelernt hart zu arbeiten und das Mädchen kennen gelernt, von dem er sicher war, dass er es liebte.
 

Sophie hatte seinen Fluch durch einen Kuss gelöst und dafür war er ihr sehr dankbar. Mehr als das, denn Edmund wusste, dass er den Augenblick, in dem sich ihre Lippen berührt hatten, niemals vergessen würde.
 

Mochte ja sein, dass die schöne, junge Frau mit den silbernen Haaren glaubte den Magier Hauro zu lieben, doch er würde sie davon überzeugen, dass er der Einzige war, der ihr geben konnte, was sie wollte. Tiefe Liebe, ewige Treue und wohlige Geborgenheit. Wie hatte die alte Frau gesagt?

„Das herz eines jeden Menschen verändert sich…“

Nun, dann würde er es bestimmt schaffen, dass sich Sophies Gefühle ihm gegenüber ändern würden.
 

Ein Klopfen an der Tür ließ Edmund aus seinen Gedanken hochfahren. Endlich war er da. Endlich würde er erfahren, wo er das Mädchen finden konnte, welches er so tief und innig liebte.



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