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Die Augen der Nacht

von

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Szene 3: Aller Anfang ist schwer

Szene 3: Aller Anfang ist schwer
 

Am nächsten Morgen fühlte Dayana sich völlig ausgelaugt. Lange hatte sie nicht einschlafen können, obwohl sie sich müde und schlapp gefühlt hatte. Aber wenn ihr dann mal für kurze Zeit die Augen zu gefallen waren, waren ihr immer die Bilder von zwei fast unmenschlich wirkenden Augen erschienen.

Als Dayana sich für den Tag fertig machte, schalt sich selbst eine Närrin. Sie hatte den Fremden doch kaum erkennen können, dafür war es einfach zu Dunkel gewesen und doch träumte sie sofort von ihm.

Zugegeben allein seine Stimme war ihr tief unter die Haut gegangen und wie er sie als Sternenkind bezeichnet hatte. Liebe Güte! Noch jetzt bekam sie eine Gänsehaut davon.

Energisch band sie ihre langen Haare mit einem Tuch zurück. Sie musste sich diesen Mann unbedingt aus dem Kopf schlagen. Heute gab es eindeutig wichtigere Dinge zu erledigen, als sich das Hirn mit einem geheimnisvollen Kerl zu zukleistern.

Genau, ganz oben standen ihr Gepäck und die Frage wie es weiter gehen sollte. Rasch steckte sich Dayana die Kette ihrer Mutter in die Rocktasche und verließ das Zimmer.
 

In der Wirtsstube herrschte fast eine unheimliche Stille im vergleich zum Vorabend. Nur der Gestank umhüllte wie nach zuvor ihre Nase. Suchend schaute Dayana sich um.

Kurz darauf entdeckte sie Rebecca beim putzen der Tische.

„Guten Morgen!“, rief sie freundlich durch den Raum, als die Wirtin den Kopf hob.

„Dir auch, setz dich ruhig schon hin. Natalia wird dir gleich dein Frühstück bringen“, schnaufend trug sie den Wassereimer zum nächsten Tisch hinüber.

„Rebecca könnte ich dich gleich sprechen?“, langsam glitt Dayana auf eine Holzbank und verschränkte die Hände auf dem Tisch. Die Wirtin nickte, bevor sich auflachte: „Das Gleiche hatte ich dich auch noch fragen wollen.“

Amüsiert glitt ein Lächeln über Dayanas Züge, während die blonde Natalia ihr einen Teller mit Brot und Aufschnitt hinstellte. Wobei, knallte es wohl besser traf und der Blick mit dem sie Dayana dabei bedachte war eindeutig Feindselig. Verwirrt blickte Dayana, dem Mädchen hinterher. Was hatte sie ihr denn Bitteschön getan?
 

Schließlich zuckte sie mit den Schultern und widmete sich ihrer Mahlzeit. Dayana hatte einen riesigen Appetit, immerhin war ihre letzte Mahlzeit bestimmt siebzehn Stunden her. So wurde sie gerade fertig als Rebecca sich ihr gegenüber setzte. Der Kopf der Wirtin war hochrot.

„So geschafft. Worüber ich mit dir reden wollte…“, Rebecca hielt inne. „Nun sicher möchtest du zurück nach Prag.“

Dayana hob eine Braue.

„Ich dachte nur, jetzt wo du weißt das Chagal tot ist und…“, die Wirtin wirkte seltsam nervös auf das junge Mädchen. „Was ich sagen will ist. Wie bist du überhaupt nachts alleine durch den Wald gekommen?“

Der ersten Braue folgte nun die zweite.

„Wie kommst du denn jetzt auf die Idee ich wäre alleine gereist?“, aufmerksam wartete Dayana die Antwort ab.

„Das fiel mir erst im Nachhinein auf. Du hattest weder eine Kutsche, noch ein Pferd bei dir“, erwiderte ihr Gegenüber irritiert. „Und sei mir nicht Böse, aber kein Mensch der bei Vernunft ist, durchquert nach Einbruch der Dunkelheit diesen Wald.“

Das junge Mädchen schaute kurz zum Fenster hinaus.

„Ich war nicht alleine gereist. Eine Kutsche brachte mich, doch mittendrin…“, im Eiltempo erzählte Dayana von dem seltsamen Verschwinden ihres Kutschers und dann von diesem geheimnisvollem Fremden.

Je mehr Dayana erzählte umso blasser schien Rebecca zu werden. Ihre Hände verkrampften sich zusehends.

„Du solltest dich aus dem Wald fernhalten. Deine Kleidung werden ein paar Männer aus dem Dorf holen“, nervös stand die Wirtin auf. „Wenn du hier bleiben willst, dann darfst du das gerne tun. Mir wäre eine weitere Hilfe hier gerade Recht.“

Damit verschwand Rebecca durch die Nebentür und ließ eine verwirrte Dayana zurück. Was hatte sie denn auf einmal?

Seufzend erhob sie sich und ging hinauf in ihr Zimmer. Eigentlich erschien ihr Rebecca als ganz nett, aber das eben war doch wirklich merkwürdig. Wie dem auch sei, so leicht würde Dayana sich nicht aus der Ruhe bringen lassen. Gerade jetzt erst Recht nicht, nicht wo ihr die Wirtin eben das angeboten hatte, was sie erwartet hatte fragen zu müssen.

Erleichtert über diesen Punkt beschloss sie sich das Dorf anzuschauen.
 

Schnell hatte sich Dayana ihren Umhang geholt und verließ das von Knoblauch miefende Wirtshaus. Daran würde sie sich noch gewöhnen müssen, soviel stand fest.

Draußen spazierte sie an den Häusern entlang und bekam dabei immer größere Augen. An jeder Haustür und damit wirklich jeder hing dieser verdammte Knoblauch. Als eine ältere Dame an ihr vorbei humpelte, hielt Dayana sie hastig auf.

„Verzeihung, aber warum hängt hier überall Knoblauch?“

Die Alte starrte sie wortlos an, nur um dann aufkreischend davon zu rennen. Perplex blickte Dayana ihr nach. Was war denn nun wieder los?

„Das ist Grete gewesen, sie ist verrückt“, wurde sie von hinten angesprochen. Fragend drehte das Mädchen sich um und schaute in Natalias abschätzendes Gesicht.

„Wenn das so ist, dann kannst du meine Frage sicher beantworten“, herausfordernd hob

Dayana ihr Kinn. Natalia lächelte überlegen.

„Sicherlich kann ich das. Die Leute hier sind übermäßig abergläubisch. Sie glauben, tief in den Wäldern würde in einem finsteren Schloss ein Vampir hausen.“

„Und du glaubst das nicht?“

Natalia zuckte mit den Schultern. „Mir hat noch keiner das Gegenteil bewiesen.“

Das konnte nun alles heißen, aber Dayana würde nach ihrer Haltung eher auf ein Nein tippen.

„Dann danke ich dir mal für die Auskunft“, erwiderte sie steif und wollte sich abwenden als Natalia die Hand hob.

„Warte mal. Vielleicht sollten wir uns besser kennen lernen. Jetzt wo wir doch so was wie Kolleginnen sind.“

„So sind wir das?“, Dayana funkelte das blonde Dorfmädchen ärgerlich an.

Diese grinste breit. „Ich denke ja, du siehst mir nicht danach aus, als wolltest du alsbald wieder abreisen.“

Dayana fühlte sich ertappt, gezwungen versuchte sie ein Lächeln.

„Okay vielleicht kannst du mir ja mehr über die hiesigen Traditionen erzählen.“

Natalia nickte leicht. Das würde sie nur zu gerne tun, behauptete sie während beide weiter zum Ende der Straße gingen. Dabei erfuhr Dayana einige Punkte die sie besser beachten solle, wenn sie hier in Ruhe leben wollte. Dazu gehöre vor allem niemals über diesen Vampir zu reden oder bei Anbruch der Nacht noch den Wald zu betreten, geschweige denn sich darin aufzuhalten.

Dayana nickte bei allem, doch innerlich schüttelte sie über die abergläubischen Menschen den Kopf. Vampire! Wo gab es denn so was?

Schließlich erreichten die beiden Frauen das Haus des Schmiedes, aus dessen Anbau lautes Hämmern drang.

„Komm mit, ich stell dir meinen Verlobten vor“, wie ausgewechselt öffnete Natalia die Tür und rief: „Tomas?“

Das Hämmern hörte auf und ein junger kräftiger Kerl kam auf sie zu. Dayana erkannte in ihm sofort den Mann vom Abend zuvor wieder und eine Zornesfalte bildete sich zwischen ihren Augen. Da hatte Natalia sich ja einen feinen Herren geangelt. Eigentlich wollte Dayana ihrer Unmut auch Luft machen, doch als Natalia so glücklich lächelte beschloss sie den Mund zu halten.

Stattdessen warf sie Tomas einen bitterbösen Blick zu und kam schließlich, als Natalia sie rief, mit einem scheinheiligen Lächeln auf ihn zu.

„Hallo Tomas, freut mich. Ich heiße Dayana und bin Chagals Tochter“, amüsiert beobachtete sie wie das junge Paar sie geschockt anstarrte.

„Du…du bist…“, Natalia stotterte mehr, als das sie sprach. Was Dayana irgendwie süß fand.

„Dayana Hovorka, Chagals uneheliche Tochter aus Prag, angenehm“, das Mädchen grinste leicht. Das Wort unehelich hatte sie schon immer gehasst.

„Dann ist sie Sarahs Schwester“, ohne sie weiter zu beachten begann das Paar zu tuscheln. Dayana interessierte das relativ wenig, sie war so ein Verhalten gewohnt. Die junge Frau wollte sich gerade umsehen, als die Tür aufgeschlagen wurde.

Ein dickbäuchiger Mann mit Mehl bedeckt stand schnaubend im Türrahmen und rief: „Er ist wieder da!“
 

Sofort war Dayana vergessen und alle drei rannten hinaus. Sie selber blieb verwundert stehen, ehe sie ihnen doch neugierig geworden folgte.

Draußen herrschte eine angespannte Stille. Alle starrten auf die edle Kutsche die mitten auf dem Dorfplatz stand. Dayana wollte schon zu einer Frage ansetzen, als sie den Grund der ganzen Aufregung entdeckte.

Ein buckliger in Lumpen gekleideter Mann schleppte verschiedene Pakete zur Kutsche und verstaute diese im Inneren. Dabei blickte er sich um, es schien fast so als suche er etwas oder jemanden.

Stumm begutachtete Dayana den Buckligen, bevor dieser ihren Blick abfing und auch sie direkt ansah. Erschrocken spürte sie, wie er versucht war auf sie zu zukommen. Es aber letztlich unterließ und auf seinen Kutschbock kletterte. Kurz darauf fuhr die Kutsche davon in Richtung Wald. Man konnte förmlich hören wie die Erleichterung über das Dorf hinweg glitt und auch erst jetzt merkte Dayana, dass sie ihren Atem angehalten hatte und ihre Haut von einer Gänsehaut überzogen war. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund, hatte sie das Gefühl bekommen. Das dieser komische Kauz sie gesucht hatte.

Noch ehe sie groß darüber nachdachte, verabschiedete sie sich von den beiden und rannte davon.
 

Als die Nacht hereinbrach, betrat Graf von Krolock das Kaminzimmer und rief Koukol zu sich. Noch lange bevor er an diesem Tag hatte schlafen können, musste er an die strahlenden Augen denken und mit jeder Sekunde die Verstrich wuchs sein Verlangen sie wieder zu sehen. Sie zu berühren, zu schmecken.

Koukol humpelte herein und verneigte sich so gut er konnte vor seinem Herren.

„Hast du ihren Namen heraus bekommen?“, der Graf vergeudete keine Zeit, sondern kam gleich zum Punkt. Koukol antwortete so, dass nur der Vampir es verstehen konnte.

„Dayana“, langsam ließ sich von Krolock den Namen auf der Zunge zergehen.

„Mutig und Willensstark“, amüsiert betrat Herbert den Raum. „Wenn sie so ist, wie sie heißt, dann dürfte dein kleiner Vogel nicht langweilig werden.“

Der Graf konnte sich ein schwaches Lächeln nicht verkneifen. Er musste zugeben, das eine unwillige Beute zur Abwechslung sicher seinen Reiz hatte.

„Ich werde ins Dorf gehen“, entschlossen wandte er sich um. Doch Herbert hielt ihn auf.

„Und dann? Die Leute werden sicher entzückt sein.“

„Diese Bauern interessieren mich nicht. Außerdem habe ich noch kein Abendessen gehabt“, rasch ließ er seine Zähne aufblitzen.

Ein leises Lachen entglitt Herbert. „Dann wünsche ich dir einen guten Appetit, Vater.“
 

Müde rieb sich Dayana den Nacken. Sie war inzwischen bestimmt gefühlte Hundertmal zwischen der Theke und den Tischen hin und her geflitzt. Dann noch diese anzüglichen Blicke und Bemerkungen der männlichen Gäste. Schrecklich!

Sie war erst einen Tag hier und schon graute es ihr vor der nächsten Zeit. Für eine Sekunde erschien ihr sogar der Platz im Kloster verlockend. Aber wie gesagt, nur für eine Sekunde.

Als Rebecca zurückkam, entschuldigte Dayana sich rasch: „Ich muss kurz raus, sonst schlafe ich noch im stehen ein.“ Die Wirtin hatte gelächelt und sie hinaus geschickt. Eine Brise frische Luft würde sie garantiert wieder Munter machen.
 

Draußen ließ Dayana sich auf eine Holzbank sinken und atmete tief durch. Der Tag war wirklich lang gewesen, nachdem sie Natalia und die beiden Männer verlassen hatte. War sie erst Ziellos durchs Dorf gestreift und letztlich durchgefroren ins Wirtshaus zurückgekehrt. Dort war Rebecca inzwischen schon wieder mit den Vorbereitungen fürs abendliche Essen beschäftigt gewesen und pflichtbewusst wie Dayana nun mal war, hatte sie ihr dabei geholfen. Nicht aber ohne die Wirtin dabei auszuhorchen.

So hatte sie zumindest erfahren das der Bucklige Koukol hieß und Diener im Schloss war. Zuvor hatte Dayana sofort auf die Vampirlegende angespielt, doch Rebecca hatte sie forsch abgeblockt. Es gab Dinge, die sie einfach nicht interessieren sollten.

Aber da kannte die Wirtin sie schlecht. Das Verbotene hatte Dayana schon immer magisch angezogen. In Gedanken plante sie auch schon einen kleinen Ausflug in den Wald.

Seufzend betrachtete Dayana den Mond und träumte vor sich hin, ohne zu wissen das sie beobachtet wurde.
 

Er hatte sie schneller gefunden als erwartet. Und das Objekt seiner Begierde war alleine, besser hätte es gar nicht laufen können.

Lautlos schlich sich Graf von Krolock näher an das Mädchen heran. Er wollte sie auch schon zu sich rufen, als er weitere Schritte vernahm.

Hinter ihm huschte ein blutjunges Mädchen zwischen den Schatten der Häuser entlang. Stets darauf bedacht nicht entdeckt zu werden. Ihr Herzschlag war bis zu seinem Platz im tiefsten Schatten der Häuser zu vernehmen und das Blut das durch ihre Adern rauschte, entfachte einen rasenden Hunger in ihm.

Mit einem kurzen Blick zu Dayana, wandte er sich dem kleinen Mädchen zu. Die offensichtlich auf dem Weg zu einem kleinen Stell-dich-ein mit einem der Dorfjungen war. Zu Schade das sie dort nicht mehr ankommen würde.

Ohne das geringste Geräusch zu verursachen, schlich er auf sie zu und stand ganz plötzlich vor ihr. Rasch legte er einen Finger auf ihre zarten Lippen, noch bevor diesen ein Ton hätte entweichen können.

„Psst wir wollen doch nicht entdeckt werden, oder?“, mit säuselnder Stimme schlang er einen Arm um ihre kleine Taille. Ein stummes Aufkeuchen entrang sich ihrer Kehle als er sie mit einem Ruck fest an seine Brust drückte. Wie gebannt starrte sie in seine funkelnden Augen die sie mit einem wilden Hunger immer tiefer in seine Fänge trieben.

„Keine Angst, du hast mich schließlich gefunden“, leise strich er ihr mit seiner freien Hand das Haar zurück, um dann mit seinen kalten Lippen ihren Hals zu liebkosen. Dem Mädchen entglitt ein verzückter Laut.

„Schließ deine Augen“, dem Befehl folgte sie nur allzu willig und von Krolock hatte leichtes Spiel als er ihren Kopf zur Seite neigte.

Das letzte was man sah, waren seine langen Zähne die im zarten Fleisch des Mädchens versanken. Ihr erschrockenes Aufkeuchen verklang schnell unter den gierigen Trinkgeräuschen des Grafen.



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