Die Ehe
Verärgert saß Draco im Wohnzimmer der Greengrasses. Die Luft wurde eng vor Anspannung. Etwas brodelte. Die kalte Atmosphäre hätte jeder in diesem Raum gespürt. Die Hand in der Hosentasche formte er zu Fäusten, um seinen Zorn nicht preiszugeben. Die Person gegenüber lächelte entschuldigt. Er konnte es ihr nicht mal verübeln. Etwas lief hier schief und er wusste auch an wem es lag. Draco starrte auf den runden kleinen Tisch mit den Gläsern und Getränken.
Sie, eine unbedeutende Person, hatte sich die Frechheit erlaubt seinen Antrag abzulehnen. Einfach so aus heiterem Himmel, obwohl man kaum von Verlobung sprechen konnte. Sie waren fast liiert. Sie würden noch diese Woche heiraten und heute sollten die letzten Vorbereitungen getroffen werden. Aber diese verrückte Ziege hatte die ganze Hochzeit einfach abgeblasen und das Allerschlimmste - sie tauchte nicht auf um ihm das persönlich zu sagen. Nein, sie ließ das ihre Mutter, die zumal auch Witwe war, machen. Dieses feige nutzlose Weib! Er konnte sich das Knurren gerade noch so verkneifen. Seine Augen funkelten zornig. Bisher gab es keine, die es gewagt hatte, zu einem Malfoy nein zu sagen. Was erlaubte sie sich? Wer war sie, dass sie so mit ihm umgehen konnte? Nein, nicht mit ihm. In ihm stieg noch mehr Wut auf, die nur darauf wartete frei gelassen zu werden. Doch noch immer saß er beherrscht auf seinem Plätzchen.
Er genehmigte sich einen Drink und starrte zum Portrait. Auch hier befand sich, wie in jedem Reinblüterhaus, ein Familienportrait. Der Vater in der Mitte, links die Mutter, rechts die beiden Töchter Daphne und Astoria. Sie hatten zwar keinen großen Stammbau wie er, aber doch sah man durch die Möbelstücke und der Dekoration wie wohlhabend sie waren. Elegant und traditionell. Ja, das strahlten so gut wie alle reichen Reinblüter aus. Die Wände waren schlicht hellgrün gestrichen. Die Vorhänge passend dazu weiß. Alles war an seinem Platz, wo es hingehören sollte. Es gab nichts Verrücktes, nichts Keckes, nichts Buntes. Der Raum roch nach Flieder und Rosenduft. Da fiel ihm ein, dass die Greengrasses eine Schwäche für Pflanzen hatten.
Er sah sich weiter um. Vom Porzellan zum Fenster weiter zu den Blumenvasen und zurück zu den beiden Frauen im Saal.
Wenn er mit seiner Mutter andere Familien besuchte, langweilte er sich oft, da es nichts Interessantes zu sehen gab. Aber jetzt übersah er es, denn er könnte vor Wut explodieren.
Astoria Greengrass, die Person, die er heiraten sollte, war der Grund für seine rasende Wut. In Hogwarts war sie ihm ein paar Mal über den Weg gelaufen. Er kannte sie als schüchternes, braves Mädchen und deshalb überraschte ihn auch die Absage.
Vor etwa zwei Monaten hatte er sie kennen gelernt. Ihm war es eigentlich völlig schnuppe, wie sie war. Sie sollte etwas Hirn haben und ihn äußerlich nicht verschrecken. Immerhin wollte er wenigstens Spaß im Bett haben.
Er fand, dass sie angemessen aussah, zugegeben nicht so schön wie ihre Schwester, aber hübsch. Er hatte kaum mit ihr gesprochen. Sie war sehr abwesend und zurückhaltend, aber doch zeigte sie Disziplin und Kontrolle. Ihre Blicke konnte er nicht lesen. Sie waren verschlüsselt. Das verriet ihm, dass sie wusste, wie man mit Reinblütern wie ihm umging. Gefühle zeigte sie nicht. Nein, er konnte nicht erraten, was für eine Frau sie war. Aber er würde es bald herausfinden!
Und er würde ihr zeigen, dass man mit ihm keine Spielchen trieb. Sie sollte Respekt vor ihm haben und eine willige Ehefrau sein.
In diesem Moment schnaufte seine Mutter. Natürlich billigte sie so etwas nicht. Traditionen und Regeln der Gesellschaft waren von enormer Wichtigkeit.
Wieso konnte dieses dumme Weib nicht einfach ja sagen und damit hat sich die Sache. Räuspernd trat Narzissa Malfoy hinter ihn. "Nun, da ihre Tochter nicht einwilligt meinen geliebten Sohn zu heiraten, ist es das Beste die Sache einfach ruhen zu lassen und zu gehen." Die eisige Stimme seiner Mutter zeigte, wie empört und verletzt sie war. "Es tut mir leid Mrs. Malfoy, aber seid ihr Vater von uns gegangen ist, spinnt das Kind etwas." Ihr drang ein Seufzen aus dem Mund. "Ich versichere ihnen, normalerweise ist Astoria ein braves, ruhiges Mädchen, vielleicht manchmal zu still, aber das ist ganz und gar nicht ihre Art.", verteidigte sie sich.
Narzissa sah sie mit einem argwöhnischen Blick an und drehte sich zum Gehen um. Sie wusste, dass das unhöflich war, aber irgendwie musste sie den noch vorhandenen Stolz der Malfoys retten. "Draco, wir gehen!" Doch dieser schüttelte den Kopf und wandte sich an Mrs. Greengrass. "Wo befindet sie sich derzeit?" Die Frau des Hauses sah ihn überrascht an und vermutete nur das Schlimmste. "In der Bibliothek, a-aber warum?" Sie verstummte, als sie sah, wie Draco sich entschlossen aus dem Sessel erhob. "Sie haben doch nichts dagegen, wenn ich mit ihr rede?", fragte er mit gespielter Freundlichkeit. Er würde auch ohne ihre Erlaubnis zu ihr gehen, aber es gab eine gewisse Grenze an Manieren, die er nicht überschreiten durfte. Draco schritt zur Tür. "Draco, das brauchst du nicht tun! So etwas ist nicht ehrenhaft für einen Malfoy!" Er kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen und sah seine Mutter drohend an. "Ich werde trotzdem mit ihr reden! Und haben wir Malfoys nicht genug Ehrenhaftes getan?!", fragte er voll Verbitterung und wartete gar nicht auf ihre Antwort.
Als er in den Flur hinaustrat atmete er erst mal aus. Die Vergangenheit klebte wie eine blutige Spur an ihm. Die Gesellschaft traute ihnen nicht. Sein Vater, Lucius Malfoy, war in Askaban. Ihr Ruf als angesehene, vermögende Zaubererfamilie war dahin und er musste alles wieder in Ordnung bringen.
Warum musste er, ausgerechnet er, das, was sein Vater gemacht hatte, wieder gerade biegen?
Es war auch der letzte Wunsch seines Vaters, erinnerte er sich. Bevor man Lucius Malfoy nach Askaban verbannt hatte, hatte er sich gewünscht, dass er mit Astoria sein restliches Leben verbringen sollte. Nun, diesen letzten Wunsch würde er ihn erfüllen und dann würde er vergessen, vergessen und nach vorn sehen. Er würde den Namen Malfoy auf seine Art und Weise mit neuem Glanz füllen, sodass die ganze Zaubererwelt der Atem stocken würde und sie aufhören würden, wie Tiere über sie herzufallen. Das war der erste Schritt, sagte er sich.
Gelassen suchte er die Räume ab. Während er sich umschaute, bemerkte er ein Zimmer, das sich von den anderen unterschied. Bunte Blumentöpfe standen auf der Fensterbank. Das Zimmer duftete nach Waldblüten, nach ihr. Blaue Vorhänge waren zurück geschoben, sodass der Raum hell erleuchtet war. Bilder von ihr und ihrer Schwester. Interessant, dachte er. Ein Familienmensch. Sonst würde sie niemals Bilder von Familienmitgliedern im Zimmer haben. Gelbe Rosen lagen auf ihrem Schreibtisch. Unordentlich lagen die Formulare daneben. Doch nicht so ordentlich. Ein Grinsen schlich sich auf sein Gesicht. Ein Kästchen lag dort ganz weit hinten. Neugierig betrat er den Raum, sah sich um und bemerkte ihren Stil, der ihm, als er das Zimmer sah, sofort ins Auge stach. Langsam öffnete er das Kästchen. Erbärmlicher Schmuck lag darin. Er runzelte die Stirn. Er hatte an etwas Edles, Wertvolles gedacht. Plötzlich kam ihm ein Gedanke. Vielleicht konnte er durch seinen Reichtum die Frau überzeugen? Wer würde da nein sagen? Falls nicht, würde er ihr das Leben zur Hölle machen. Er konnte sich gut vorstellen, dass sie auch dann ablehnen würde, wenn er ihr ein luxuriöses Leben anbot. Bei Merlins Schwanz, das war schwieriger, als er anfangs dachte. Er seufzte. Eilig betrat er den Flur. Verflucht! Er hatte besseres zu tun, als sich wegen einer dummen Göre aufzuregen. Am Liebsten würde er die Wand einschlagen wollen. Hätte er ruhig Pansy Pakinson, seine beste Freundin, die auch noch für ihn schwärmte, geheiratet. Aber er hatte eine gewisse Vermutung, dass sie das nur tat, um Blaise eifersüchtig zu machen. Er kannte sie halt zu gut. Sonnenlicht blendete ihn. Das Licht, das aus dem Raum am Ende des Ganges kam, wurde durch einen Spiegel reflektiert und traf ihn somit.
Er näherte sich dem Raum aus dem das Licht kam. Angewurzelt blieb er stehen. Da saß sie. Durchwühlte Unterlagen auf dem rechteckigen Schreibtisch aus dunklem, edlem Holz. Das Fenster hinter ihr war weit offen und eine Priese Luft kam herein. Die gelben Vorhänge wirbelten in der Luft herum. Auch hier gab es Blumenvasen mit Verzierungen. Sonnenstrahlen fielen auf ihr rehbraunes Haar. Eine lose Strähne strich sie zurück. Ganz vertieft wie sie war, bemerkte sie nicht, dass er den Raum betrat und ihr bei der Arbeit zu sah. Gedankenverloren spielte sie mit der Feder in ihrer Hand. Durch ihre Mimik und Körperhaltung bemerkte er wie konzentriert sie war. Irgendwas beschäftigt sie, dachte er, als er gegenüber Platz nahm. Draco machte sich nicht die Mühe sie darauf hinzuweisen, dass sie nicht mehr allein war. Früher oder später würde sie es so oder so bemerken. Einen Augenblick weiter beobachtete er sie. Ihre Haare hatte sie streng zu einem Zopf gebunden. Ihre Augen hatten die Farbe und Tiefe des Ozeans und ihre Gesichtszüge waren zierlich und sanft. Ein sanftes warmes Lächeln umspielte ihr Gesicht. Überrascht hob er eine Augenbraue. Er hatte sie noch nie Lächeln gesehen. Doch als sie den Kopf hob und ihn ansah, verschwand es so plötzlich wie es gekommen war. Ein überraschendes Aufflackern in ihrem Auge unterdrückte sie gleich und räusperte sich dafür. "Gibt es etwas Mr. Malfoy?", fragte sie höflich und ordnete ihre Unterlagen. "Mir wäre es lieber, wenn du mich Draco nennst und wenn du schon so fragst, ja, es gibt etwas, was ich mit dir besprechen möchte."
Er verbiss sich krampfhaft einen dummen Kommentar. "Ach ja?" Sie hob eine Augenbraue. Ganz kurz sah er, dass sie amüsiert eine Haarsträhne hinters Ohr schob. "Tu nicht so unschuldig, Astoria! Findest du es nicht etwas feige, dass deine Mutter mir sagt, dass du die Hochzeit abblasen lassen willst?" Sie zuckte gleichgültig mit den Schultern. "Ich dachte, dass es so unkomplizierter ablaufen könnte. Außerdem hab ich nur so aus reiner Höflichkeit gehandelt." Wütend sah er sie an und sie erwiderte es mit einem kühlen Lächeln. Sie war wirklich cool. Lässig stand sie auf und nahm die Bücher in ihre Hand, um diese in das Regal zurück zu stellen.
„Dann beantworte mir eine Frage!“ Mit ihren kleinen Händen strich sie über die Bücherrücken und hob den Kopf um ihn überrascht anzusehen. „Und die wäre?“ Astoria blieb weiterhin neben dem Regal stehen. „Warum willst du mich nicht heiraten?“, fragte er sie direkt. Er hatte mit dieser Reaktion gerechnet. Sie sah ihn offen an und er konnte in ihren Augen lesen. Doch wie üblich verschloss sie sich wieder. „Ich möchte nicht heiraten!“, sagte sie leise und er erkannte, dass sie das Heiraten im Allgemeinen meinte und nicht die Ehe mit ihm. „Du hast mich doch vorher nicht einmal einen Augenblick angesehen noch mit mir gesprochen. Außerdem hat mich keiner gefragt, ob ich das überhaupt will.“ Er nahm im Sessel eine bequeme Haltung ein. Es war schon vor Monaten ausgemacht und jetzt kam sie ihm mit diesen Argumenten. Misstrauisch legte er ein Bein auf das andere. Fragend sah er sie an. „Und was willst du?“ Sie sah ihn für einen Moment stumm an und drehte sich mit einer leichten eleganten Bewegung um. Ihre Haare schwangen mit, als sie es tat. Er bemerkte, dass sich ein paar Haarnadeln selbstständig machten und kleine feine Strähnen sich aus der strengen Frisur lösten. „Es ist wirklich leicht zu erraten, was du willst, aber nicht was ich will.“, begann sie ruhig. „Ach ja? Und was will ich?“, fragte er neugierig. Sie schritt zu dem offenen, breiten Fenstern und schob die Vorhänge weit nach außen. Tief einatmend legte sie ihre Hände auf die Fensterbank und sah fest und entschlossen nach draußen. „Einen Erben und keinen Ärger.“ Kurz und knapp argumentierte sie. „Ich will in meiner Ehe meine Ruhe, ich will nicht kommandiert werden und ich dulde weder eine zweite Frau noch eine Mätresse.“
„Einverstanden!“
Verwundert drehte sie sich um und sah ihn an. Sein grauer Anzug passte perfekt zu seiner hellen Haut und seinen Augen. Sie öffnete den Mut und klappte ihn wieder zu. Ein kleines Grinsen schlich sich auf seine Lippen. „Dann wäre das geklärt!“ Er wusste, er hatte sie jetzt und auch wusste er, dass er sie überrumpelte.
Mit einer Eleganz, die sie bei ihm kannte, erhob er sich und ließ sie stehen, ohne ein Wort des Abschieds.
Fortsetzung folgt...