Prologue
Das Leben war nie fair.
Auch nicht zu ihr... Vor allem nicht zu ihr, um das einmal klarzustellen.
Schließlich war sie es, die vor knapp zwei Jahren ihre ältere Schwester verloren hatte und jetzt quasi als gesuchte Wissenschaftlerin einer hochgefährlichen Verbrecherbande bei ihm unterkam.
Was sich als schwieriger erwies, als sie ursprünglich dachte.
Er... Er war der größte Idiot, den sie kannte.
Großgewachsen, mit breiten Schultern und einem umwerfenden Lächeln.
Zweifelsohne sah er gut aus. So gut, dass sie eine leichte Gänsehaut bekam, wenn sie ihn in Gedanken auszog.
Doch dieser gutaussehende Idiot mit dem umwerfenden Lächeln und der überragenden Intelligenz hatte einen entscheidenden Makel, der ihr absolut nicht passte: denn er liebte sie nicht.
Dabei bekam sie alles von ihm: Küsse, die ihr den Boden unter den Füßen wegzureißen schienen, besitzergreifende Umarmungen, sein heißer Atem, der ihre Wangen kitzelte, seine geschickten Hände...
Ein erotisches Abenteuer, das war alles, was sie für ihn war.
An ihre Gefühle dachte er dabei nie. Für ihn war der Spaß maßgebend. Die Befriedigung. Durch wen er diese erhielt, war ihm letztendlich gleich. Zumindest machte er diesen Eindruck auf sie.
Dich er bedeutete ihr etwas. Egal, wie sehr sie sich gegen diese Gefühle sträubte. Er bedeutete ihr Alles.
Doch was war sie für ihn?
Ein Mensch, der ihm auf eine ganz eigene Art und Weise wichtig war, aber eben nicht so wichtig, als dass er ohne sie nicht auskommen würde.
Dabei war es ihr egal, ob er sie wirklich liebte oder überhaupt was für sie empfand.
Sie wollte auch gar nicht diese drei Worte hören, von denen so gut wie jede Frau schwärmte.
Die Worte, nach denen sie sich sehnte, waren: "Bleib bei mir!"
Für sie war dieser kleine Satz mehr wert als jede Liebeserklärung.
Sie wollte einfach nicht allein sein.
Denn Einsamkeit war momentan das Einzige, das ihre so leer erscheinende Seele füllte.
Nur in den kurzen Momenten, in denen er sie küsste, umarmte oder mit ihr schlief, ließ er sie diese Einsamkeit vergessen.
Er war zwar nicht wie der Leben bringende Rettungsring, der sie davor bewahrte, dass sie in ihrer Einsamkeit ertrank, aber er war zumindest die daran befestigte Rettungsschnur.
Ihr Alltag war monoton, denn sie durfte das Haus nicht verlassen.
Er hatte ihr angeboten, sie zu verstecken, wenn sie seine Lust ab und an befriedigen würde.
Da sie ihn kannte und damals sehr geschätzt hatte, hatte sie eingewilligt.
Damals war sie sogar ein wenig in diesen eingebildeten Schimpansen verliebt gewesen.
Das war, bevor er zu diesem egoistischen Frauenhelden mutierte.
Man konnte das Innere eines Menschen wirklich nicht verstehen.
Und sein Inneres konnte sie noch nicht einmal nachvollziehen.
Doch solange sie zumindest eine Rettungsschnur besaß, hielt sie daran fest.