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Blauer Himmel

von

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Tsunami und andere Katastrophen

Renjiro wischte sich unwirsch das feuchte Haar aus dem Gesicht und versuchte sich in der nächtlichen Glitzerwelt zurecht zu finden. Im bizarr anmutenden Halbdunkel, das mit seinen aufblitzenden Lichtern harte Schatten warf, wirkten all die Menschen, die sich darin bewegten, seltsam flach und konturlos. Die Luft war erhitzt von den vielen Menschen und Renjiro schüttelte das nasse Jackett ab, ließ den Blick dabei über die Menge schweifen. Vor der Bühne schlüpften einige Mitarbeiter durch die Lücken zwischen den Besuchern, aber es war unmöglich viel zu erkennen. Eine Mischung aus Ungeduld und Frustration stieg langsam in ihm auf.

Es würde ein Albtraum werden, hier drin nach seinem Ziel zu suchen.

Unschlüssig näherte er sich der Bühne, auf der ein junger Körper wild umherwirbelte. Ein rabenschwarzes Hemd in langen, sauber geschnittenen Fetzen war alles was den Tänzer verbarg. Intakt war der schwarze Stoff nur dort, wo er eigentlich nicht hingehörte - wie eine unheimliche Maske erstreckte der Stoff sich über das Gesicht des Mannes, ließ nur grobe Konturen erkennen. Die wirbelnden Fetzen waren immer in Bewegung, und schon nach wenigen Augenblicken wurde Renjiro klar, dass kein noch so aufmerksamer Beobachter je einen Blick auf das würde erhaschen können, was darunter lag.

Er wandte sich ab und ließ den Blick über die Zuschauer schweifen. Obwohl Renjiro das Gesicht des Tänzers nicht sehen konnte, schloss seine Körpergroße aus, dass es sich um Renjiro's Zielperson handeln konnte. Das reine Weiß der Uniformen der Angestellten zog seine Aufmerksamkeit auf sich, aber schon bald musste er enttäuscht feststellen, dass nur wenige männlich waren und keiner dieser wenigen der Gesuchte war. Plötzlich wurde er aus nächster Nähe angesprochen, neben ihm stand eine junge Frau in der Uniform der Angestellten die ihm helfen wollte einen guten Platz zu finden. Ein zynisches Grinsen ließ seine Mundwinkel zucken. Nein, einen Platz brauchte er nicht, aber sie konnte ihm durchaus helfen etwas anderes zu finden.
 

Mit einem undeutbaren Blick starrte Akio's Kollege zu ihm herunter.

"Was genau....tust du da?"

Akio, der in der Hocke saß, sich am unteren Regalbrett hinter der Theke festklammerte um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, und dabei immer wieder vorsichtig den Kopf gerade weit genug hob, um einen schnellen Blick in den Raum zu werfen, gab durchaus ein ungewöhnliches Bild ab. Er ignorierte die Frage, aber der andere ließ nicht locker.

"Hast du was verloren? Soll ich suchen helfen?" fragte er hilfsbereit. Akio, der gerade wirklich andere Sorgen hatte, fauchte ihn unfreundlich an: "Nein man! Und jetzt halt bitte einfach mal die Klappe, das hier ist wichtig!"

Betreten und durchaus auch ein wenig beleidigt wandte Akio's Kollege sich zum Gehen.

Akio atmete tief durch. Er wusste, dass er überreagiert hatte, aber seine Nerven lagen blank. Er wollte dem Mann von gestern nicht begegnen, aber alles in ihm schrie, ihn sich genauer anzusehen, wenigstens um sich zu versichern dass er einfach nur ein Mann wie jeder andere war und ganz und gar nicht..attraktiv. Gleichzeitig war da eine unbekannte leise Stimme in seinem Kopf die nicht hier gesehen werden wollte, einfach nur, weil es einen falschen Eindruck erwecken würde. Bevor seine Gedanken zu einer bewussten Entscheidung gekommen waren, hatte er bereits seinen Kollegen am Handgelenk gepackt.

"Warte."

Der junge Kerl wandte sich um und sah mit einer Mischung aus Ärger und Sorge zu Akio hinab, dem die leichte Panik wohl ins Gesicht geschrieben stand. Akio überlegte fieberhaft.

"Nehmen wir mal an...ein Ex von mir wäre hier, dem ich auf keinen Fall begegnen will...von dem ich nicht will, dass er erfährt dass ich hier arbeite..." begann er. Die Miene seines Kollegen verzog sich zu einem Grinsen.

"Sag das doch gleich! Um wen geht's denn?" fragte er, deutlich erheitert.

Akio schalt sich für die blöde Ausrede die ihm eingefallen war, schließlich war er nicht schwul, aber es war ihm seltsam naheliegend erschienen. Er lugte über die Theke.

"Der, der sich gerade mit Emi unterhält." erklärte er, nachdem er wieder sicher auf Tauchstation gegangen war. Hoffentlich empfahl sie dem ehrenwerten Kunden nicht, es sich an der Bar bequem zu machen, schoss es Akio durch den Kopf.

"Mit Eri meinst du?" hakte der junge Mann nach, der ganz ohne Scham neugierig in die besagte Richtung starrte. Dann stieß er einen anerkennenden Pfiff aus. "Kein Wunder dass du noch nie Interesse an irgendjemandem hier gezeigt hast, wenn das dein Standard ist..."

Akio ging nicht darauf ein.

"Kannst du hier für mich übernehmen? Nur ein paar Minuten, bis er einen Platz gefunden hat und kein Risiko mehr besteht, dass er rüberschaut?" Der junge Mann hatte Akio offensichtlich bereits verziehen, denn er nickte und scheuchte Akio mit einer Handbewegung von der Bar weg. Diesem rutschte das Herz in die Hose. Es war ein ganz schön langer Weg von der Theke bis zur Tür, welche zum Mitarbeiter-Bereich führte. Am liebsten wäre er einfach hier sitzen geblieben, aber er wusste dass er hier nur im Weg war und so richtete er sich auf um vorsichtig an der Wand entlang zu verschwinden.
 

Renjiro wandte der Angestellten leicht sein Ohr zu um sie besser zu verstehen, aber die Musik war während dem Hauptact zu laut, um sich angemessen unterhalten zu können. Frustriert wandte er sich schließlich von ihr ab und ließ den Blick ein weiteres Mal über den Raum schweifen. Vielleicht war der Junge heute auch einfach nicht da. Sein eigenes Auto hatte ihn schließlich erst gestern fast überrollt, warum sollte er also heute bereits wieder hier sein? Unschlüssig wandte Renjiro sich der Bühne zu - sollte er direkt wieder gehen? Er hatte vorgehabt mit der Leitung des Clubs zu sprechen, aber das Gefühl einer weiteren Sackgasse, einer weiteren Niederlage, war gerade fast zu stark.

Auf der Bühne wirbelte der junge Mann immer wilder umher, die Masse schien regelrecht hypnotisiert von seinen Bewegungen zu sein; nach und nach lösten sich einzelne Sotfffetzen, gaben den Blick auf porzellanweiße Haut frei, und folgten einer steilen Flugbahn ins Publikum, wo sie johlend aufgefangen wurden. Renjiro's Blick fiel auf einen Fetzen der in die falsche Richtung flog, einen Spiegel traf und zu Boden fiel. Ähnlich erfolgreich zeigten sich bisher seine eigenen Bemühungen, zu dem Jungen durchzudringen!

In dem Moment fiel ihm in der spiegelnden Oberfläche ein Schopf auf, der nicht zu den vorherrschenden dunklen Haaren passte. Renjiro wirbelte herum und versuchte die Stelle wiederzufinden, an der er gerade gemeint hatte, das Ziel seiner Suche entdeckt zu haben.
 

Erleichtert erreichte Akio die versteckte Tür zur Treppe und zog an der eingelassenen Türklinke. Er war so froh um den Tänzer auf der Bühne! Erstens war es hier hinten relativ dunkel, um die Bühne stärker in den Fokus zu rücken, und zweitens hatte Akio bemerkt, dass der Mann sich interessiert der Bühne zugewandt hatte. Gerade bevor er durch die Tür in die Dunkelheit dahinter schlüpfen konnte, wurde die Tür sanft aber bestimmt geschlossen. Verwirrt warf Akio einen Blick über seine Schulter und erstarrte. Die markanten Züge waren ihm näher als je zuvor, der Mann hatte sich mit einer Hand über Akio abgestützt und mit dieser den Spalt wieder geschlossen.
 

"Man trifft sich im Leben immer zweimal."
 

Die Stimme war dunkel und rau, und trotz der lauten Musik nahm Akio jeden Laut überdeutlich wahr. Alle anderen Gedanken waren wie weggefegt, dass er diesem Mann eigentlich nicht hatte wiederbegegnen wollen um nicht noch verwirrter zu werden, dass es ein wenig peinlich war in einem Strip-Club zu jobben, dass der Mann ein Stammkunde war und daher wusste was es bedeuten musste, wenn Akio in Freizeitkleidung hier war. Aber er war nicht verwirrter, er war klarer als je zuvor! Alles in ihm sehnte sich danach, dieses Gesicht zu berühren, durch die dunklen Haare zu streichen und die Finger über den kräftigen Körper gleiten zu lassen.

Erschrocken von der Leidenschaft seinen eigenen Gedanken, brachte Akio kein Wort heraus. Es war zu nah, zu viel. Langsam sank sein Rücken gegen die Tür.
 

Renjiro atmete innerlich auf. Fast hatte er die Chance verloren, die sich so wundervoll ergeben hatte! Aber das zählte jetzt nicht mehr, der Junge war hier und konnte vorerst nicht weg. Die Frage war jetzt, wie er ihn unauffällig hier wegbrachte. Sein ursprünglicher Plan hatte vorgesehen über die Leitung des Clubs an Akio heranzukommen, sich als Chef der Kette vorzustellen, und das Gespräch dann im Privaten darauf zu lenken, dass er etwas zu dem Unfall von gestern zu besprechen hatte, das im Club nicht ging. Aber die Eile hatte ihn gezwungen sich dem jungen Mann anders zu nähern als geplant, und das machte ihn nervös. Nun ja, und die Tatsache, dass er gerade eine Entführung plante wie andere Menschen ihren Sonntagsausflug - selbst für Renjiro's klaren, berechnenden Verstand war das etwas, das ihm das Herz ein wenig in die Hose rutschen ließ.
 

Akio versuchte etwas zu sagen aber kein Laut entwich seinen Lippen. Beschämt räusperte er sich, schlug die Augen nieder und versuchte dem Sog der Schwarzen Löcher zu entgehen, die jeglichen Anstand aus ihm herauszusaugen schienen. Dafür war sein Blick jetzt auf das Hemd des Fremden gerichtet, unter dem sich ein wohltrainierter Körper abzeichnete. Akio selbst war nicht wirklich für Sport zu begeistern, er konnte zwar essen was er wollte, aber Muskeln erwuchsen daraus nicht. Er hatte Respekt vor Männern, die regelmäßig trainierten. Das eine oder andere Mal hatte er durchaus mit ein wenig Neid auf seine fitnessbegeisterten Mitschüler geschaut, aber was er im Moment empfand war kein Neid. Es war pure Bewunderung.

Äußerst verspätet riss er sich genug zusammen um eine Antwort von sich zu geben:

"Was für ein Zufall, was?" Das Lachen das darauf folgte, war nicht ganz echt.
 

Über Renjiro's Lippen huschte ein seltenes Lächeln. Es war nicht ganz fair, aber er wusste, dass er sowohl bei Frauen als auch bei einigen Männern durchaus einen starken Eindruck hinterließ. Der junge Mann vor ihm gab sich offensichtlich alle Mühe sich nichts anmerken zu lassen, aber dass Renjiro ihn nicht kalt ließ, war offensichtlich. Und auch er selbst hätte sich in einer anderen Situation und unter anderen Umständen durchaus ein wenig Spaß mit ihm vorstellen können. Aber das war in einem anderen Leben. Jetzt war ihm die zündende Idee gekommen, um das Gespräch über einen kleinen Umweg zurück zu seinem ursprünglichen Plan leiten zu können. Doch als der Erbe des Higuchi-Imperiums den Blick wieder hob, fiel Renjiro. Fiel in die Tiefen dieser Augen, welche grün schimmernd das aufblitzende Licht von der Bühne reflektierten, und Beifall brandete auf für die wilde Sehnsucht in ihnen.

Erst einige Momente später realisierte Renjiro, dass der Beifall dem Tänzer in ihrem Rücken galt. Und bevor er nachdenken konnte, waren ihm ganz andere Worte über die Lippen gekommen, als er eigentlich hatte sagen wollen:
 

"Was, wenn es kein Zufall war?"
 

Akio's Knie wurden weich. Kein Zufall? Was wollte der geheimnisvolle Fremde damit sagen? War er etwa wegen ihm hier? Akio schalt sich für den Gedanken. Das war albern, der Mann kannte ihn ja überhaupt nicht und wusste daher auch nicht, dass er hier arbeitete. Und überhaupt, was könnte er schon von Akio wollen?

Oh, natürlich wusste er, wofür einige Männer hierher kamen! Aber doch nicht...mit ihm. Die Musik war leiser, jetzt da der Hauptact vorbei war, sonst wären die Worte wohl kaum verständlich gewesen, die Akio wisperte: "Dann hatte wohl jemand unziemliches Interesse an mir..."

Entsetzt über seine eigenen Worte starrte Akio zu dem Mann hinauf. Das ging alles zu schnell, und die Nähe des attraktiven Fremden verdrehte ihm den Kopf. Kurz blitzte Sorge in ihm auf, was wohl sein Chef denken würde, wenn er hiervon erfuhr. Von Anfang an hatten alle Mitarbeiter eingetrichtert bekommen bloß keine Annahmen über die Kunden des XY zu machen. Natürlich waren einige schwul und kamen mit gewissen Absichten, aber viele kamen tatsächlich des künstlerischen Anspruchs wegen, und es wäre eine große Beleidigung ihnen unlautere Absichten zu unterstellen. Mit gemischten Gefühlen wartete Akio auf die Reaktion des offensichtlichen Stammkunden.
 

Verdutzt und belustigt starrte Renjiro auf ihn hinunter. Damit hatte er nicht gerechnet! Und er hatte den Nagel auf den Kopf getroffen, näher, als es Renjiro eigentlich recht war. Anerkennend musterte er den jungen Mann genauer. Er war deutlich kleiner als Renjiro, aber nicht kleiner als die meisten anderen Männer im Raum. Die Gesichtszüge, welche diese unglaublichen Augen umrahmten, waren fein gezeichnet und obwohl auch heute das ungewöhnlich helle Haar alles andere als gebändigt war, so verdeckte es immerhin nicht mehr den Großteil des Gesichts. Der ansehliche junge Mann trug ein einfaches T-Shirt und enge Jeans und in dem Moment durchfuhr Renjiro die Erkenntnis was das bedeutete.

Kein Wunder dass der Kleine sich nicht so leicht einschüchtern ließ, er flirtete hier sicher nicht zum ersten Mal mit jemandem; und Grund sich zu verstecken hatte er definitiv auch nicht. Unziemliches Interesse? Zuvor hatte Renjiro nur an die Entführung gedacht, doch jetzt blitzte vor seinem inneren Auge die kleine Wachfantasie auf, die sich beim Umziehen in seinen Kopf geschlichen hatte. Wenn du wüsstest, du würdest schreiend ans Ende der Welt flüchten, dachte er, und ein leises Lachen entwich ihm.
 

Akio erschauderte als er das Lachen hörte. Es war nicht unangenehm, aber es schien, als würde der Fremde über einen ganz eigenen, persönlichen Witz lachen, den Akio nicht verstand. Die Härchen in seinem Nacken stellten sich auf, aber es war eine angenehme Gänsehaut. Nach wie vor war Akio gefangen zwischen der Tür, die mit der Wand verschmolz, und dem Körper des Mannes - doch er fühlte sich nicht mehr ganz so hilflos wie zuvor. Das Spiel von Blicken und Worten begann ihm Spaß zu machen.
 

Renjiro lehnte sich ein wenig zurück und stütze sich zu beiden Seiten des jungen Mannes ab, der so perfekt in sein persönliches Beuteschema passte. Gleichzeitig schrillten alle Alarmglocken in seinem Hinterkopf. War er denn verrückt geworden?! Dieser junge Mann war ein Ziel der Organisation! Was tat er hier eigentlich, dass er so offensichtlich mit ihm flirtete? Wo würde es hinführen, wenn er das fortführte? natürlich wäre es ein Leichtes, ihn verschwinden zu lassen, wenn er ihn für eine gemeinsame Nacht mitnahm. Aber was wäre die Folge davon? Ein Arbeitgeber der ein wenig mit seinem Angestellten geplaudert hatte bevor dieser bald darauf verschwand war nicht gerade verdächtig, es war einfach ein blöder Zufall. Aber ein Geliebter? Mit sexuellen Beziehungen kamen Eifersucht, Wut und andere nutzlose Emotionen die einen zum perfekten Verdächtigen machten! Also was zur Hölle dachte er sich dabei, mit dem Jungen zu flirten?!

Mit Mühe entzog Renjiro sich dem Bann der grünen Augen, lehnte sich vor bis seine Lippen fast das Ohr des jungen Mannes berührten und flüsterte: "Tut mir leid dich enttäuschen zu müssen, aber keine unziemlichen Gedanken meinerseits. Ich bin nur der knausrige Alte der dir so wenig Gehalt zahlt." Dann lehnte er sich zurück und grinste.
 

Akio's Herz schlug als würde er einen Marathon laufen als der geheimnisvolle Fremde ihm so nahe kam und im nächsten Moment fühlte er sich, als hätte ihm jemand einen Eimer Eiswasser übergekippt.

"Wie..bitte?"

Der Mann schien sich köstlich zu amüsieren. Den Blick weiter Auf Akio's entsetztes Gesicht gerichtet, führte er weiter aus: "Es ist tatsächlich kein Zufall dass ich hier bin. Mir gehört das XY. Und nach der anschaulichen Beschwerde gestern Abend dachte ich mir, ich muss mir mal die Arbeitsbedingungen hier genauer ansehen, die angeblich ein höheres Gehalt rechtfertigen."

Er schien auf eine Reaktion zu warten, doch Akio war zu geschockt um reagieren zu können.

Oh shit.

Das durfte doch einfach nicht wahr sein!

Während Renjiro geduldig wartete, versuchte Akio sich wieder zu fangen. Sag irgendwas! motivierte er sich selbst. Es wird nur immer noch schlimmer je länger du schweigst!

Seine Stimme zitterte leicht, als er schließlich meinte: "Und, welchen Eindruch haben Sie bisher gewonnen?"
 

Renjiro vergaß seinen ursprünglichen Plan sofort wieder. Der Higuchi-Erbe war einfach zu amüsant. Und dieser trotzige Blick...mh. Renjiro liebte es andere zu dominieren, doch es bereitete ihm kein Vergnügen wenn diese sich nicht wehrten. Der Widerstand in den Augen des jungen Mannes hingegen gefiel Renjiro. Genau so musste es sein.

Akio Higuchi. Renjiro ließ sich den Namen auf der Zunge zergehen. Der Junge schien mehr Überraschungen bereitzuhalten als er erwartet hatte. Oh verdammt. Er konnte Akio jederzeit an Kaminari übergeben. Ein kleines Spiel davor, was machte das schon? Er würde einer von vielen sein, es spielte keine Rolle für seine Verbindung zu dem Jungen. Langsam näherte er sich Akio, der nun noch näher an die Wand gedrängt war, und sagte leise: "Bisher habe ich den Eindruck, ein bestimmter Mitarbeiter arbeitet nicht gerade viel..."
 

Akio stockte der Atem als der Mann ihn an die Wand drängte. Er war gefangen, ein Unterarm war über ihm an die Wand gestützt, der andere berührte Akio leicht an der Schulter und sandte Wellen durch seinen ganzen Körper. Er versuchte nach Luft zu schnappen, aber seine Lungen hörten einfach nicht auf ihn. Irgendwo schrie der letzte Rest seines Verstands: Du lässt dich gerade von einem Mann verführen! Du stehst auf Frauen! Was tust du da!, aber der Gedanke war weit weit entfernt. Jede Faser seines Seins sehnte sich nach mehr. Es musste absolut atemberaubend sein, diesen Mann zu küssen. Akio's Blick hing an den Lippen, die zu einem schwachen Lächeln verzogen waren. So nah. Zu fern. Nur mit Mühe schaffte Akio es, sich genügend zusammenzureissen, um etwas atemlos zu antworten: "Das lässt sich ändern. Kann ich Ihnen etwas anbieten...?"
 

Die Musik wurde wieder lauter, einer der Sideacts musste die Bühne wieder in Beschlag genommen haben, doch keiner von beiden hatte Augen dafür. Die wilde Gier die in Renjiro's Augen aufblitzte, als er Akio's Frage vernahm, war Antwort genug. Er wollte sich diese weichen Lippen nehmen, wollte dass die Augen sich schlossen, die ihn so bedingungslos anzogen und wollte gleichzeitig nicht, dass dieser Sog je endete.

Als er die letzten Zentimeter zwischen ihnen schloss und seine Lippen Akio's Ohr näherte, stieß dieser schwer die Luft aus, die er zuvor angehalten hatte. Doch Renjiro's Spiel war noch nicht vorbei - seine Lippen streiften die weiche Haut an Akio's Hals und Renjiro spürte die Gänsehaut unter seinen Lippen.

"Ja..." murmelte er, nur für Akio hörbar. Dieses freche Mundwerk würde ihm gehören, der schmiegsame Körper, der sich ihm mehr unbewusst als bewusst entgegendrückte. Ganz von selbst löst seine Hand sich von Akio's Schulter und wanderte tiefer, schlang sich um die Hüfte des schlanken Mannes, von dem alle Scham abfiel und der in Renjiro's Haar griff und dessen Lippen sich einladend öffneten.
 

"...dich."
 

Die Berührung kam völlig unerwartet trotz allem was zuvor passiert war und riss Akio fast von den Füßen. Die festen Lippen schmolzen ihn und setzten ihn neu zusammen, lediglich der trainierte Körper der ihn an die Wand drückte hielt ihn aufrecht, und das Bein, das sich vorwitzig zwischen seine eigenen gestohlen hatte.

Akio fehlte plötzlich die Kraft, die Augenlieder geöffnet zu halten, als würde die leichte Berührung ihrer Lippen ihm bereits alle Energie nehmen und ihn willenlos machen. Überall wo sie sich berührten kribbelte es, und eine unglaubliche Wärme stieg in Akio auf.

Es war kein zarter Kuss, nicht liebevoll und auch kein vorsichtiges Herantasten. Pure Dominanz stürmte auf Akio ein, und er wollte diesem Mann alles zu Füßen legen was dieser in Besitz nehmen wollte. Seine Hand glitt herunter, die Wange des Fremden war rau, er hatte sich wohl nicht rasiert bevor er in den Club gekommen war. Das Gefühl von Haut auf Haut war elektrisierend, aber...
 

Es war nicht genug.
 

Da war plötzlich eine Hand in Akio's Nacken die seinen Kopf nach hinten zog und der Kuss wurde tiefer; er erschrak über die Zunge die plötzlich seine eigene anstieß.

Keine Erlaubnis. Keine Bitte. Einfach da.
 

Akio hatte das Gefühl zu fallen und die Kontrolle zu verlieren, zu viel stürmte auf seine Sinne ein. Vor Schreck trafen seine Zähne auf die fremde Zunge, die sich zurückzog, begleitet von einem unwilligen Laut der Akio's Herz flattern ließ. Sofort sehnte er sich nach dem unbekannten Geschmack, dem Hauch von Minze und etwas, das er noch nie geschmeckt hatte. Ungeduldig stieß er selbst in die fremde Welt vor, doch sie blieb verschlossen. Ein frustriertes Wimmern entwich Akio. Sein Atem ging schnell, zu aufregend, zu schnell, zu atemlos war das hier.

Alles schien sich zu drehen und hinter seinen geschlossenen Lidern flackerte das Licht und die Musik schien so unendlich fern und gleichzeitig dröhnte sie um die beiden herum.

Schmerz zwang Akio zurück in die Realität, als der Fremde in seine Unterlippe biss. Akio stöhnte auf, halb Schmerz, halb Lust. Doch alles war vergessen, als die Zunge zurückkehrte und spielerisch über die wunde Stelle leckte.

Es war so unwirklich.
 

Akio öffnete die Augen und wünschte sich sogleich, es nicht getan zu haben. Die braunen Augen waren dunkel und die Gefahr in ihnen jagte Akio einen Schauer nach dem anderen über den Körper. Das war der Blick eines Raubtiers, und es hatte die Fänge bereits in seiner Beute vergraben...und diese Beute wollte zerfleischt werden!
 

Die Hand an seiner Hüfte rutschte plötzlich tiefer, griff besitzergreifend an seinen Hintern. Akio versteifte sich. Diese eine Berührung löste den Wall auf, den der Zauber errichtet hatte, den der Fremde über ihn gelegt zu haben schien. All die Ängste und Bedenken stürmten von einem Moment auf den anderen wieder auf Akio ein - zu bewusst war ihm plötzlich, wo das hier hinführen würde wenn er dem nicht bald ein Ende setzte. Hätte er mit einem Mädchen...? Vielleicht. Aber er wusste von Schilderungen aus der Umkleide des XY zu gut, was passieren würde, wenn er dieser Naturgewalt in Menschenform freie Hand ließ.
 

Der Mann schien zu merken dass Akio nicht mehr bei der Sache war, denn mit einem einzigen Ruck stieß er sich plötzlich von Akio ab, der den Halt verlor und zu Boden rutschte. Der leichte Aufprall tat nicht wirklich weh, der eisige Blick der ihn von oben herab traf aber durchaus. Ohne ein weiteres Wort drehte der Fremde sich um und verschwand. Akio blieb sprachlos und schwer atmend an die Tür gelehnt sitzen. Er hatte das Gefühl ein Tsunami wäre gerade über ihn hinweggefegt und hätte nur Ruinen zurückgelassen. So extrem das Erlebnis gerade eben auch gewesen war, so schnell war es wieder vorbei.

Als ihn plötzlich jemand von der Seite anstubste zuckte er heftig zusammen, doch es war nur eine Kollegin die Feierabend machen wollte und dafür durch die Tür musste. Ihrer Nervosität nach hatte sie wohl schon länger darauf gewartet dass die Tür wieder passierbar wurde, sich aber nicht getraut das ungleiche Paar zu stören, das den Weg blockierte. Akio nickte ihr ein wenig beschämt zu und beeilte sich, zurück zur Bar zu kommen. Seine Beine wollten ihn immer noch kaum tragen.
 

Das feixende Grinsen das ihn dort begrüßte war Akio gar nicht recht, und er schüttelte den Kopf in der Hoffnung nicht weiter ausgefragt zu werden, von dem Kollegen, der für ihn eingesprungen war. Ein Blick auf die Uhr ließ Akio an seinem Verstand zweifeln. Nur wenige Minuten waren vergangen, aber es hatte sich angefühlt wie etliche Stunden! War das alles gerade wirklich passiert? Er wusste nicht, was bedenklicher war - gerade einen Tagtraum gehabt zu haben, in dem er mit einem Wildfremden herumknutschte, oder es wirklich getan zu haben.
 

Es waren jetzt deutlich mehr Kunden an der Bar als während dem Hauptact, und Akio hatte einiges zu tun. Aber seine Gedanken waren ganz woanders - nach und nach sank das gerade Erlebte wirklich ein.

Er hatte mit einem anderen Mann herumgemacht.

Er hatte keine Ausreden, es war keine Wette gewesen, kein Alkohol. Er hatte es bei völlig klarem Verstand getan - obwohl Akio jetzt im Nachhinein durchaus den "klaren Verstand" anzweifelte - und es hatte ihm gefallen. Eine Mischung aus Verwirrung und Verzweiflung stieg in ihm auf. Was hieß das denn jetzt für ihn? Er war doch nicht schwul...oder?


Nachwort zu diesem Kapitel:
Sind die beiden sich also auch endlich wieder begegnet! Eine Begegnung, die beide wohl mit einem ziemlichen Schock zurückgelassen hat :3

Dazu warum es fast ein Jahr gedauert hat seit dem letzten Kapitel sag ich jetzt wohl besser nix, sonst würde ich wohl aus dem Erklären nicht mehr rauskommen °-°
Insofern..sorry für die frustrierend langen Wartezeiten bei mir! Ich hoffe es gibt trotzdem noch den einen oder anderen Leser der sich an einem neuen Kapitel erfreut^^°
Über Feedback freue ich mich jedenfalls immer, auch wenn es mir bescheinigt den schlechtesten Kuss in der Geschichte der Literatur geschrieben zu haben xD

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: AomaSade
2015-05-27T17:12:13+00:00 27.05.2015 19:12
Hallo Yuiki,

ich habe mich sehr über das neue Kapitel zu deiner Geschichte gefreut. Deine FF ist eine der wenigen, bei welcher ich auch noch nach über einem halben Jahr weiß, worum es geht und sofort wieder mitten im Geschehen bin. So eine besondere und außergewöhnliche Story hast du geschrieben. Kompliment!
Und nun stehen beide Hauptcharaktere vor einer schwierigen Entscheidung. Renjiro muss wählen zwischen Entführung und seinen eigenen Wünschen. Akio ist unsicher, ob er neben Frauen auch auf Männer steht. Wie werden sie sich entscheiden? Endet alles in einer Katastrophe oder gibt es ein Happy End? Ich bin eindeutig für ein gutes Ende und sehr gespannt auf die nächsten Kapitel. Bitte mach auf alle Fälle weiter.

Liebe Grüße
AomaSade
Antwort von:  Yuiki
03.07.2015 21:42
Vielen lieben Dank für deinen Kommentar! :)
Es freut mich total dass dir Story und Charaktere genug im Gedächtnis geblieben sind um direkt wieder ansetzen zu können! Gerade wenn man einen so langsamen Schreib-Rhythmus hat wie ich, ist die Sorge natürlich immer groß, dass der Zusammenhang beim nächsten Mal verloren geht oder die Charaktere nicht interessant genug sind um im Gedächtnis zu bleiben. Daher freut mich dein Lob ganz besonders ^-^

Ich bin gestern mal nochmal meine Notizen zur Story durchgegangen und kann so viel verraten: im Moment existieren zwei Fassungen vom Ende ;)
Beide sind aber noch ein gutes Stück entfernt und für welche ich mich letztendlich entscheide hängt von vielen Faktoren ab :)
Ich wollte dich nur wissen lassen: irgendwo da draußen existiert ein Happy End! Gib die Hoffnung nicht auf! xD

Liebe Grüße,
yuiki


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