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Asriel's Tage vor der Beerdigung

Prolog
von

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Seine Lippen brennen. Fühlt sich schwer, sein Körper schmerzt. Er windet sich vor Schmerzen hin und her. Krümmt sich auf dem, für ihn zu harten, Bett. Es fühlt sich an als wenn seine Brust zerquetscht wird. Sich weiter windend keucht er auf.
 

Er will das alles unterdrücken, deshalb dieser Schmerz. Schwer atmend hält er sich die Brust.

Seine Mutter kommt herein. "Schatz. Du solltest noch etwas essen." Schlagartig liegt er still da. Will seinen Schmerz nicht weiter Zeigen, will ihr keinen Kummer bereiten. "Wenigstens etwas." Sie stellt das essen, ein paar frische Erdbeeren, auf dem Nachttisch ab. "Ich...will nichts....." Mit tieftraurigem Blick geht sie wieder. Er will keine Nähe zu ihnen, er will die Nähe zu ihm, nur zu ihm.... Wieder kommt der Schmerz in ihm auf. Wieder hört er ihre Stimme und die seines Vaters vor der Tür. "Er möchte nichts...ich habe es ihm hingestellt..." sagt sie mit gefasster sorgenvoller Stimme. "...ich mache mir auch sorgen um ihn....wie konnte es nur dazu kommen?" Eine weinende Frauenstimme schlurzt auf.

Er hört es. Vergräbt sein Gesicht unter seinen Händen. Auf die Seite gerollt sieht er auf die Erdbeeren. Doch ihm wird bei deren Anblick nur schlecht. Er möchte sich übergeben, will aber nicht aufstehen, so unterdrückt er den Würgreitz, hält seine Hände vor den Mund gepresst und schluckt ein paar mal. Er schließt die Augen versucht ruhiger zu atmen. Zuckt nur noch ab und zu vor dem Gefühl, das ihm die Brust zusammen schnürt. Dann schläft er langsam ein.
 

Mitten in der Nacht, seine Eltern schlafen schon. Er fröstelt etwas. Das Fenster steht offen. Der junge Mann kommt näher an das Bett. "Uhm...du? Was?....." fragt sein Gegenüber verschlafen, durch die kälte aufgeweckt. "Schhhhh....schlaf weiter...." flüstert der andere, legt dabei eine Hand über die Augen des Schwarzhaarigen. /Träume ich noch?...// Er merkt nichts, denkt er würde Träumen....fühlt sich träumend. Die langen, hellvioletten Haare seines Gegenübers wehen im Luftzug. Der schwarzhaarige fängt wieder an zu zittern. Sachte nimmt der Langhaarige die Decke unter seinem Gegenüber und deckt den Jungen zu. Sanft streicht er über dessen Stirn ein paar Strähnen davon. Der Schwarzhaarige wendet sein Gesicht von ihm. Mit tieftraurigem Blick wird er angesehen. Der nächtliche Besucher nimmt eine der Erdbeeren und hält sie dem liegenden entgegen. Seine Lippen flammen wieder auf. Schrecklich. "...nein..." flüstert er.

"Du hast Tagelang nichts gegessen......"

"Woher willst du das wissen?"

"Weil ich es nicht getan habe....."

"Na und?" ist die kalte Antwort des Schwarzhaarigen. Das Brennen soll von seinem Mund verschwinden. Wieder berührt die kühle Erdbeere die schmerzende Haut. Wiederwillig nimmt er sie in den Mund, beißt ab. Dem Rest den er strickt nicht will nimmt der andere.

"Deine Haare....warum sind die spitzen ein dunkleres Violett als der Rest der Haare?" Eine belanglose Frage, in einer belanglosen Situation. In einem, für ihn, unwichtigen Traum....Er streckt seine Hand um eine der langen Strähnen zu erhaschen.

Der Mann mit den violetten Haaren streicht ihm über die Wange. "...so weich...genau wie er...." Der Satz war zu viel. Der Schwarzhaarige reißt die Augen auf, richtet sich schlagartig auf und schlägt dem anderen die Hand weg. "Verschwinde! Ich will alleine sein! Geh verdammt nochmal!" schreit er ihm entgegen. Wieder dieser Tieftraurige Blick. Der Mann verschwindet wieder durch das Fenster. Die Fenster schließen sich und es ist als wäre er nie da gewesen. Der Zurückgebliebene wirft sich wieder auf das Bett. Der Schmerz ist zurück gekehrt. Wieder windet und krümmt er sich unter ihm. Wieder keucht er, keine Luft bekommend. Seine Kehle wird ihm zugedrückt, sodass Tränen über sein Gesicht rinnen. Dieses Rauschen in seinem Kopf, dieses so unglaublich laute Rauschen dieser Stille und dazu sein ohrenbetäubender Puls. Wieder dieser tieftraurige Blick wie bei allen anderen zuvor. Jeder sieht ihn nun so an. Jeder. Sogar sein eigenes Spiegelbild. Müssen sie ihn immer an Ihn erinnern? An Ihn? Den, den er so geliebt hat? Er kann nicht mal in den Spiegel sehen, in keinen, auf kein Foto. Es tut zu sehr weh an Ihn erinnert zu werden. Bald darauf schläft er wieder ein. Sein Körper ist zu kraftlos.

Der nächste Morgen zeigt sein aschgraues Gesicht. Regenwolken hängen schon seit gestern am Himmel. Seine Mutter weckt ihn. Ihre schwarze Kleidung sieht so förmlich, so steif aus. Er selbst hat immer noch schmerzen, doch diesmal vom liegen, der Erschöpfung....der eigentliche Schmerz kommt erst langsam, beim Anblick seiner Mutter. "Zieh dich bitte an....es ist schon spät...." Die Kleidung liegt bereit. Nachdem sie angelegt ist, wird er zum Auto geführt. Die Fahrt über sieht er zum Fenster hinaus. Seine Mutter ist heute strenger zu ihm. Sein Vater ist noch stiller, beachtet ihn kaum. Ausgerechnet an einem solchen Tag. Als sie an der Kapelle ankommen ist klar warum.....

Die anderen warten schon.

"So eine Tragödie."

"Furchtbar das es immer noch nicht alles geklärt ist."

" Grässlich wie es geschehen ist."

"Doch...zum Glück war es der schlimmere von beiden Brüdern. Solche starrköpfigen Jungen sind doch nicht zu gebrauchen. Kaum zu glauben, dass beide Zwillinge waren."

Seine Eltern haben schwer mit dem ganzen zu kämpfen und die Ruhe zu bewahren. Er...geht Taub durch die Menge, jedes Wort trifft ihn wie ein Dolch ins Herz. Er geht vor zu dem schwarzen Sarg. Nicht mal offen konnten sie diesen zeigen. Er schweigt, kein einziges Wort verlässt eine Lippen.

Da drin soll er liegen?

Da drin sind die Reste von seinem Körper?

Da drin soll sein über alles geliebter Bruder seine letzte Ruhe finden?
 

Er sieht auf das Bild, das ausgestellt wurde. Sein Bruder....wie immer. So fröhlich lachend, er sieht ihm direkt in die Augen. Nein. Sein Bruder sieht ihn nicht an.....es ist sein eigenes Spiegelbild, das er auf dem Glas vor dem Foto ausmacht. Dieser so tieftraurige Blick....Hat er ihn nun auch übernommen? Von all den anderen?
 

Ein stechen in seiner Brust. Ein Schwindelgefühl überkommt ihn. Er muss sich am Sarg abstützen. Er hält seinen Kopf schmerzlich mit der anderen Hand. Auf diese riesigen weißen Lilien neben sich starrend wird ihm langsam schwarz vor den Augen. Ihr Duft sticht ihm in die Nase, durchzieht seinen Kopf, seine Lunge.

Seine Mutter steht neben ihm. Hält ihn bei der Schulter. "Komm....steh hier nicht rum. Sie wollen anfangen. " Ihre harte Stimme lässt ihn wieder aus dem Schwindelgefühl kommen. Er reißt sich zusammen und geht zu seinem Platz in der ersten Reihe.

Ein schwindelig, taubes Gefühl. Er kann dem Priester gar nicht richtig zuhören. Dabei will er doch wissen was sie über seinen Bruder zu sagen haben. Das Taubheitsgefühl wird stärker. Als ob sein Körper seinen Geist verdrängen will.

".... furchtbar was mit dem älteren passiert ist....."

"...und der jüngere kann sich an nichts von diesem Tag erinnern?..."

"...nein...."

"...unter solchen Umständen. Wenn man bedenkt wer der Freund des älteren war...."

"...er soll mit diesem Jungen vorgehabt haben durchzubrennen, sie waren alle im gleichen Alter...."

"...was für eine Schande für die armen Eltern..."

"...immerhin ist unser jüngerer wohl erzogen. Er würde so dummes Zeug nicht einmal denken...."

Nein. Taub war er nicht. Hören konnte er sehr wohl noch.

Wie viele Stimmen waren es?

Wie vielen Stimmen entstammten diese lieblosen, monotonen Worte?

Wie viele Stimmen wagten es noch während der Rede des Priesters so schlecht über seinen geliebten Bruder zu reden?

Es schmerzt ihn. Es tut so fürchterlich weh. Doch er war zu gut erzogen um auch nur im geringsten zu zeigen wie wütend er war. Er hat gelernt das alles zu unterdrücken. Sich vor Schmerz und Übelkeit in den Saum seines schwarzen Anzuges krallend sitzt er zitternd da.

Er wagt es nicht mehr zu dem Bild hochzusehen. Sein, vor Trauer verträntes Gesicht, vor dem seines Bruders zu erkennen.
 

Draußen rauscht der Regen laut.

Die Kälte kriecht durch den Raum und windet sich seine Glieder hoch. Doch er spürt nichts, sein Körper ist dafür taub, der Schmerz lässt ihn Taub werden. Er selbst lässt alles an sich vorrüber gehen. Alles. Es ist ihm egal. Er will nicht mehr.
 

Die Rede ist beendet. Die Gemeinschaft erhebt sich für den Trauerzug. Seine Mutter sieht zu ihm herab. "Steh auf! Wir müssen los!" Inzwischen hat er seinen Körper unter Kontrolle. Ohne Schmerzen, ohne Übelkeit, ohne irgendetwas steht er auf und geht seiner Mutter hinterher.

"Hier!" Sie drückt ihm eine wunderschöne, rote Rose in die Hand; die einzige der gesamten Feier. "Du wirst sie als erstes auf den Sarg werfen. Dann wird die Erde rüber geschüttet...Hast du gehört Asriel?" Er nickt nur abwesend.



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