Zum Inhalt der Seite

Lost Emotion

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

~

Damals war alles anders. Damals, als wir uns trafen, weißt du noch? Die Sitzplatzverteilung in der Schule wählte jedes Jahr aufs Neue einen Tischpartner aus, mit dem man die nächsten zwölf Monate gemeinsam arbeiten würde. Ich hatte schon immer Pech gehabt in solchen Dingen. Jedes Mal setzte sich ein größerer Junge neben mich, ließ mich zusammenschrumpfen und mich in mein Schneckenhaus zurückziehen.

Ich mochte sie nicht, damals. Sie waren gemein zu mir, behandelten mich wie etwas Niederträchtiges, doch war ich es nicht anders gewohnt. Noch nie hatte ich bis dahin die Wertschätzung eines anderen Menschen erfahren.

Ich kannte es nicht.
 

Wie Kinder nun mal sind, merkten sie ziemlich schnell, wer schwach war und wer nicht. Ich war schwach. Ich war ein Opfer. Es begann irgendwann in der dritten Klasse, als sich so manche Raufbolde ihrer Stärke bewusst und wir Schwachen zu beliebten Zielen wurden. Wir wurden gehänselt, geschlagen, doch es war normal. Wie gesagt, ich kannte es nicht anders.
 

Zu dieser Zeit dachte ich, es wäre normal so. Wäre normal, dass mich andere bespuckten und auslachten, mich mit ihrer Abneigung straften. Ich hatte keine Freunde, nur viele Feinde, die es mir jeden Tag schwerer machten, überhaupt aus dem Bett zu kriechen. Doch dann…
 

Dann kamst du.
 

Schüchtern hattest du mich angelächelt, leicht dein Haupt geneigt und eine leise Begrüßung genuschelt. Ich war rot geworden, hatte meinen Kopf gesenkt und noch ein bisschen leiser zurück gegrüßt. Deine Wärme war von da an mein ganzer Halt gewesen. Ich spürte, dass du es genauso schwer hattest, wie ich. Und das verband uns.

Es kam nicht selten vor, dass eine fliegende Papierkugel deinen Kopf traf und dich zusammenfahren ließen. Doch immer hattest du dieses selige Lächeln auf deinen Lippen. Warst du ihnen denn gar nicht böse?
 

In jeder von diesen Situationen haben wir still gebetet, dass sie aufhören, rückten zusammen und standen die ewige Pein gemeinsam durch. Wir wurden Freunde, unausgesprochen brauchten wir einander, um diesen Schmerz zu lindern. Den Schmerz der immerwährenden Abweisung.
 

Ich erinnere mich noch zu gut an eine Situation. Im Nachhinein, würde ich sagen, war es der Moment, in dem du ein Teil von mir wurdest. Wieder einmal grübelten wir über unseren Aufgaben, arbeiteten still vor uns hin, immer wieder kleine Gummitierchen aus eine der Tüten klauend, die du gerne mit in den Unterricht gebracht hattest. Ein Stuhl schnarrte und ich hob meinen Kopf, sah gerade noch, wie sich unsere Lehrerin der Klassentür näherte.

Nein…

„Ich muss eben zu Kuchiro-san, bitte arbeitet fleißig weiter“, hatte sie gesagt und auch dir damit Angst eingejagt.

Kurz hattest du mich angesehen, als auch schon die Tür ins Schloss gefallen war. Und schon kamen massenhaft Papierkügelchen geflogen. Laut gackernd beschossen sie uns, beinahe die ganze Klasse schien einen Spaß daran zu haben, uns mit angerotzten Papierfetzen zu bewerfen.

Wie ich sie doch hasste.
 

„Tooru“, hattest du leise gehaucht und nach meiner Hand gegriffen. Verzweifelt hattest du zugedrückt, genauso verzweifelt wie ich, wollte ich doch nur endlich diese Tortur überstehen und verschwinden. Verschwinden aus dieser Hölle.
 

Es war das erste Mal gewesen, dass wir uns nahe kamen. Das erste Mal hatte ich deine Haut an meiner Gespürt und wenn ich ehrlich bin spüre ich noch heute den Druck deiner Finger, wie du versucht hast, bei mir Halt zu finden und mir im gleichen Zuge eben diesen zu geben.
 

Doch wir waren Kinder, zu jung, als dass wir hätten begreifen können, wie wir zueinander standen. Alles was wichtig war, warst du in meinen Armen, wann immer wir wieder gehänselt und beschimpft wurden. Dich zu umarmen hatte mir schon immer einen enormen Rückhalt gegeben. Wenn wir uns nur so schützen konnten, würden wir alles überstehen…
 

An einem Morgen, als ich dich wie immer zur Schule abholen wollte, stand ich plötzlich vor einem leeren Haus. Ich konnte es damals nicht realisieren. Ich wusste, dass ich an der richtigen Adresse war, doch wieso warst du nicht da? Wo warst du?
 

In dem Moment, als ich allein durch die Klassentür trat, durch die ich die letzten zwei Jahre nur mit dir gemeinsam getreten war, wurde es mir bewusst.

Ich war allein.
 

Der folgende Schultag war wohl der schlimmste meines Lebens. Dass du nicht mehr an meiner Seite warst, nutzten die anderen schamlos aus, um sich über dich lustig zu machen. Rissen blöde Scherze, die mich so sehr verletzten und nahmen es erst recht als Anlass, mich bis in die hinterste Ecke unseres Klassenraumes zu treiben.

Ich hatte geweint, mich bitterlich gegen die Wand gedrückt, um Schutz zu finden. Doch niemand konnte mir mehr den Schutz geben, den ich bei dir verspürt hatte. Heute weiß ich es besser. Der Schutz war verloren, den du über meine Seele ausgebreitet hattest.
 

Ich hatte dich verloren.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (2)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  klene-Nachtelfe
2011-05-16T17:50:11+00:00 16.05.2011 19:50
Omg..das ist einfach nur traurig....aber ich bin jetzt total gespannt wie es weiter gehen wird!!!
Genialer Prolog!!!
LG -^.^-
Von:  -Uruha-
2010-12-11T17:31:20+00:00 11.12.2010 18:31
AHHHHHHHHHHHHH Uruha und Kyo
meine beiden Favos und dann auch noch zusammen XD
juhu.nur kann ichs jetzt gar nicht lesen weil ich gleich auf Arbeit muss...verdammt XD

Das Bild kenn ich gar nicht..das von kyo o.o
sieht ihm auch nicht wirklich ähnlich..iwie..machte mich etwas stutzig XD

Aber naja..muss mich fertig machen gehen...dabei will ich doch lesen verdammt <.<


Zurück