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Du könntest meine Schmerzen lindern

-KaZe-
von

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Gerissen.

~*~Fast alles, was du anfängst, ging bisher schief~*~
 

Stumm starrte er auf seine mittlerweile leere Reisschüssel. Es war still geworden, da Hizumi und Tsukasa den Versuch, ein Gespräch aufzubauen, aufgegeben hatten. Karyu begann schon, die Uhr ticken zu hören, die über der Tür der Küche hing.
 

„Ist irgendwas passiert?“, erkundigte sich der Drummer schließlich und sah fragend zwischen ihm und Zero hin und her. Kurz schaute Karyu zu Zero, welcher zurückblickte. Es war ein verstohlener Blick, den sie austauschten. Karyu schüttelte nur den Kopf und sah wieder auf seine Reisschüssel, während Zero sich immerhin zu einer hörbaren Antwort durchrang.

„Nein...man darf ja mal schlecht gelaunt sein...“
 

Unwillkürlich runzelte er die Stirn. Der Bassist war schlecht gelaunt? In der Nacht hatte er ja noch zufrieden gewirkt, als er ihn allein gelassen hatte.

„Hat dich jemand geärgert?“, hakte der Drummer nach, weswegen es Karyu schwer fiel, nicht genervt zu seufzen. Tsukasa war echt eine Glucke.

Zero hingegen seufzte tatsächlich und klang dabei unerfreut. „Ich bin nur frustriert, mein Lieber. Wer wäre das nicht in meiner Situation?“

„Du schlägst dich doch bisher wacker und meisterst das bravurös. Es wird jeden Tag besser“, erwiderte Tsukasa mit besorgtem Gesichtsausdruck.

Zero ließ sich von dieser schwachen Aufmunterung nicht beeindrucken. „Es wird nicht jeden Tag besser. Es dauert ewig, bis ich wiederhergestellt bin. Nicht mal mir selbst einen runterholen kann ich“, murrte er, woraufhin Karyus Wangen heiß wurden. Jetzt fing das wieder an. Hoffentlich verriet Zero nicht auch noch, dass er ihm bei seinem Problem geholfen hatte. Dann würde er Tsukasa am Hacken haben und nie wieder loswerden. Er würde sich dessen Vorträge noch öfter anhören dürfen. Irgendwas unangenehmes würde sicher passieren.
 

Langsam hob er den Blick und sah Zero warnend an, allerdings wagte er das auch nur, weil Tsukasa und Hizumi den Bassisten mit hochgezogenen Augenbrauen ansahen und offenbar überrascht waren.

„Tja“, meinte der Sänger dann trocken und lehnte sich mit verschränkten Armen zurück. „Die Welt ist hart.“

„Mein Schwanz auch.“, erwiderte Zero brummend, woraufhin Hizumi lachte. Tsukasa musste immerhin schmunzeln. Nur Karyu selbst hatte immer noch etwas Panik, dass dem Bassisten ein paar zu viele Informationen rausrutschen würden.

„Du packst das schon“, meinte Hizumi und klopfte ihm schmunzelnd auf die Schulter, woraufhin der Bassist schnaubte.

„Ja, ich lass mir was einfallen.“
 

Karyu schluckte. Das hatte Zero bereits getan. Ohne sich an der Diskussion zu beteiligen, stand er schließlich auf und stellte sein Geschirr in den Spüler. „Ich geh mal...Sachen machen“, murmelte er nur, bevor er die Küche verließ. Endlich.
 

Irgendwie erleichtert, dieser merkwürdigen Atmosphäre zu entkommen, suchte er den Probenraum auf. Es war mal wieder Zeit, sich die Gitarre zur Brust zu nehmen. Vielleicht würde ihm das irgendwie helfen. Beim Gedanken ordnen beispielsweise.

Leise schloss er die Tür hinter sich und ging zu seiner E-Gitarre. Er schloss sie nicht an, sondern setzte sich mit ihr in der Hand so auf einen der frei stehenden Hocker.
 

Die Stimmung beim Frühstück war tatsächlich angespannt und unangenehm gewesen. Bei ihm selbst hatte es einfach an der Unsicherheit gelegen. So ganz wusste er nicht, wie er mit Zero umgehen sollte. Außerdem fiel es ihm schwer, ihm in die Augen zu sehen, ohne rot zu werden.

Dass die Atmosphäre zwischen ihnen verändert war, hatte aber auch an dem Bassisten gelegen. Dieser hatte überhaupt nichts gesagt. Er war ja sonst auch eher schweigsam, aber heute war es schlimmer als sonst.
 

Ob ihm die Sache nun peinlich war? Ob er sie gar bereute?

Gerade als Karyu daran dachte, dass wohl bald ein Gespräch dahingehend nötig sein würde, klopfte es leise an der Tür. Fragend drehte er den Kopf zur Seite und sah, wie Zero eintrat. Wenn man vom Teufel sprach.
 

Lautlos seufzend stellte er seine E-Gitarre neben sich in die Halterung, bevor er den Bassisten wieder ansah. "Was gibt's?"

Der Dunkelhaarige reagierte nicht sofort, sondern schaute sich schweigend im Raum um, starrte dann seinen Bass an, bevor er sich schließlich vorsichtig auf einen freien Hocker setzte. "Ich wollte mit dir wegen gestern Nacht reden."

Karyu erwiderte den ruhigen Blick ausdruckslos. "Das hab ich mir fast gedacht", meinte er und hob eine Schulter. "Das lief jetzt beim Frühstück nicht so gut. Vielleicht denkt Tsuka ja, ich wäre noch sauer auf ihn", hoffte er, woraufhin Zero leicht eine Augenbraue hob.

"Du willst ihm also nicht die Wahrheit sagen, wenn er nachbohrt?"

Er starrte ihn aus großen Augen an. "Nein? Ich hab keine Lust, dass er mich zerfleischt, weil ich dich in deinem Zustand angefasst hab. Der denkt doch gleich, ich hätte dich gezwungen und all so was."

Zero schnaubte. "Da habe ich aber ein Wörtchen mitzureden. Er soll sich mal nicht so anstellen."

"Das denke ich mir ja auch. Ist ihm aber egal", erwiderte Karyu und seufzte. "Hör mal, ich will keinen Stress mit ihm. Können wir also darüber schweigen, was gestern Nacht passiert ist? Das schont die Nerven aller.", bat er den Bassisten, welcher Anstalten machte, die Beine übereinander zu schlagen, aber es wollte nicht gelingen.

"Na gut. Wenn es dir lieber ist, halte ich die Klappe. Aber mal was anderes..." Fragend sah Karyu ihn an und wartete ab. "Ich war gestern echt verzweifelt.. Und hab überreagiert. Ich wollte mich entschuldigen. Du bist mir nicht böse, oder?"

Etwas verwundert erwiderte er den Blick seines Freundes. "Ähm, nein...ich bin dir nicht böse. Du hast mich ja zu nichts gezwungen. Es war schon ok..." Er senkte den Kopf und starrte abwesend auf die Gitarre neben sich. "Ich war eben da."

Zero neigte den Kopf. "Was willst du damit sagen?"

Stirnrunzelnd wandte er ihm wieder den Blick zu. "Dass ich eben da war. Hätte ja auch jemand anders sein können."

"Okay...?" Verständnislos sah Zero ihn an, weswegen Karyu den Kopf schüttelte.

"Was willst du? Beschwer ich mich?"

"Ich weiß nicht...du wirkst etwas unzufrieden, würde ich meinen.", erwiderte Zero ruhig. "Ist wirklich alles in Ordnung? Wenn du mir was zu sagen hast, dann ruhig raus damit."

Verärgert runzelte er die Stirn. "Nein, es ist nichts. Können wir das jetzt bitte als geklärt ablegen?"

Zu seiner Überraschung seufzte der Bassist tief und frustriert, bevor er sich schließlich umständlich auf die Beine begab - das Aufstehen schien mittlerweile zu funktionieren. "Schön, wie du willst." Mehr sagte Zero nicht, während er sich zur Tür des Raumes begab und schließlich schweigend durch diese hinaus trat.

Verwirrt blieb Karyu zurück. Ihm war nicht bewusst gewesen, dass er seinem Freund nun so sehr vor den Kopf stieß.
 

Den Mittag verbrachte er weiterhin im Probenraum. Zu seiner Überraschung schaute keiner seiner Freunde vorbei. Zero kam nicht noch mal zum Reden, Hizumi wollte sich von ihm nicht die Langeweile vertreiben lassen und ihn ärgern, Tsukasa kam nicht um nachzufragen, warum er am Morgen so merkwürdig gewesen war. Das alles irritierte Karyu zwar etwas, aber er störte sich nicht genug daran, dass er hinaus ging.
 

Erst, als er sich nicht mehr mit seiner Gitarre ablenken konnte, stellte er sie zurück und verließ ihren gemeinsamen Musikraum. Es war geschäftig in der restlichen Wohnung.

Tsukasa und Hizumi liefen hin und her. Fragenden Blickes schnappte er sich den Sänger, der an ihm vorbei ging. "Was ist denn los?", erkundigte er sich.

"Wir gönnen uns mal einen ruhigen Tag. Wir gehen schwimmen und dann was essen."

Verwirrt hob er eine Augenbraue. "Aha? Und was ist mit mir?"

Der Sänger schmunzelte. "Einer sollte sich doch um Zero kümmern. Und ein bisschen mehr Ruhe kann dir nicht schaden. Außerdem haben wir gestern hart gearbeitet."

"Da bin ich mir nicht so sicher. Ihr erzählt ja nichts.", erwiderte er trotzig.

Hizumi grinste nur frech und klopfte ihm kurz, aber kräftig auf den Rücken. "Du siehst doch gern nach Zero, nicht wahr? Also mach das mal. Macht euch einen schönen Abend."

"Vergiss nicht, ihn wieder einzureiben", ertönte Tsukasas Stimme von nebenan, weswegen er die Augen verdrehte.

"Ja ja..", murmelte er nur und ließ die Schultern hängen. Irgendwie hatte er sich heute nicht um Zero kümmern wollen. Ihm war nach ausweichen. Kontakt vermeiden. Vorerst. Denn irgendwie war nichts geklärt - er fühlte sich immer noch verlegen in der Nähe des Bassisten, und dieser hatte ihr Gespräch ungewöhnlich gereizt verlassen, sodass Karyu sich sicher war, dass etwas nicht stimmte. Er musste was falsch gemacht haben - etwas falsches gesagt haben...?
 

"Wo ist Zero denn...?"

"In seinem Zimmer." Hizumi deutete auf die Tür. "Er wollte seine Ruhe. Aber er weiß Bescheid. Wir haben schon mit ihm gesprochen."

Karyu nickte nur. "Wann kommt ihr wieder?"

"Keine Ahnung", der Sänger zuckte mit den Schultern. "Nachts. Vielleicht sind wir noch was trinken."

"Ihr könntet hier mit uns was trinken."

"Nein...Zero darf keinen Alkohol trinken.", erwiderte Hizumi und natürlich rief das Thema auch gleich Tsukasa auf den Plan - und in den Raum.

"Er nimmt Tabletten, Mensch. Da ist Alkohol verboten."

"Wogegen denn?", fragte Karyu verblüfft nach. Das hatte er nämlich noch gar nicht mitbekommen.

Tsukasa hob auch gleich kritisch eine Augenbraue, während Hizumi nur seufzte. "War ja klar", murmelte der Drummer wie zu sich selbst. "Schmerzmittel und Antibiotika, mein Lieber."

"Schmerzmittel? Die scheinen aber nicht zu helfen dann", erwiderte Karyu überrascht.

"Sie sind nicht besonders stark...", meinte Tsukasa nur schulterzuckend. "Er nimmt sie ja auch schon eine Weile. Vielleicht hat es was mit Abhängigkeit zu tun... Das will man ja vermeiden. Es reicht schon, dass er so viel raucht."

Karyu brummte nur leise und sah zur geschlossenen Tür. Der Bassist hatte also seine Ruhe gewollt...seine Ruhe vor ihm vielleicht?

"Macht euch ein schönes Abendessen", redete Tsukasa weiter. "Wir sehen uns morgen, denk ich."

Die beiden gingen in den Flur um sich anzuziehen, dann waren sie auch schon verschwunden. Was Karyu mit dem restlichen Tag anfangen sollte, wusste er nicht wirklich.
 

Als er sich umdrehte, fiel ihm die Couch ins Auge. Also schmiss er sich einfach darauf, starrte kurz ins Leere, dann zum Fernseher, den er schließlich anschaltete. Aber es lief nichts interessantes, weswegen er sich dazu entschied, eine Spielkonsole anzuschalten. Es war nicht die neueste, weswegen sie entschieden hatten, sie für die Allgemeinheit ins Wohnzimmer zu stellen. Dafür hatten sie auch nur Spiele, die meist für Multiplayer geeignet waren. Dennoch fand Karyu ein Spiel, dass er auch so genießen konnte. Ob Zero mit ihm spielen wollte, fragte er ihn nicht, da er nicht stören wollte.
 

***
 

Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass bereits zwei Stunden vergangen waren. Er rieb sich über die Augen und stellte das Spiel auf Pause, bevor er aufstand. Es war nach wie vor still in der Wohnung. Von Zero war weder etwas zu hören noch zu sehen gewesen, daher entschied er sich, einmal nach ihm zu sehen.
 

Ein wenig zaghaft klopfte er an. Er wollte Zero ja nicht wieder bei was Wichtigem stören...

"....ja...", kam es genervt wirkend nach ein paar Sekunden aus dem Zimmer, weswegen er zögerlich eintrat.

Als er Zero mit Kopfhörern am Schreibtisch sitzen sah, atmete er erleichtert aus. "Ich dachte schon, du würdest wieder an dir rumspielen..", gab er zu und schmunzelte sachte. Zero erwiderte das jedoch nicht. Sein Herz rutschte ihm in die Hose.

Der Bassist brummte nur und lehnte sich zurück, während er die Kopfhörer beiseite legte. "Was gibts?"

"Ich wollte nur nach dir sehen", antwortete Karyu leise und blieb unschlüssig in der Mitte des Raumes stehen. "Hast du Hunger?"

"Etwas..." Skeptisch sah Zero ihn an. "Willst du kochen?"

"Um Gottes Willen, nein", stellte Karyu sofort klar, woraufhin der Bassist erleichtert wirkte. "Ich würde uns etwas bestellen. Hast du auf was Bestimmtes Lust?"

Für einen Moment starrte Zero aus dem Fenster, hob dann eine Schulter und sah ihn wieder an. "Italienisch vielleicht?"

"Sicher... Ich hol meinen Laptop und wir schauen gemeinsam", schlug er vor, doch Zero winkte ab.

"Nein, bestell mir einfach ne Pizza Funghi."

"...okay", murmelte er und verließ das Zimmer lieber wieder, anstatt noch irgendwas zu sagen. Er hatte definitiv was Falsches gesagt oder getan. Zero wirkte angepisst. Dass er wortkarg war, kannte er ja bereits von ihm, aber er hatte selten so uninteressiert und abweisend gewirkt - als wolle er ihn ignorieren.

Seufzend machte Karyu am PC die Bestellung. Wirklich Hunger hatte er nicht mehr.
 

Lustlos setzte er sich wieder auf die Couch und spielte auf der Konsole weiter. Lieber vertrieb er sich damit die Zeit, bis das Essen kam, als dass er noch mal Zero aufsuchte. Das schien heute erst mal nicht viel zu bringen.

Vielleicht würde sich alles von selbst erledigen - das war zumindest so seine Hoffnung. Nicht einmal sich selbst gegenüber wollte er ehrlich sein und verdrängte die wichtigsten Fragen: hatte Zero bemerkt, was Karyu für ihn fühlte? Wusste er, dass es mehr als bloße Freundschaft sein musste? Und was empfand Zero eigentlich selbst? Wie dachte er über diese Sache, die nachts in seinem Zimmer passiert war? War Karyu für ihn mehr als ein Freund?

Das alles waren entscheidende Fragen, die Antworten waren umso wichtiger - aber niemand stellte sie.
 

Abwesend starrte er auf den Bildschirm und schreckte dann hoch, als es plötzlich an der Tür klingelte. Ihr Essen war schon da? Rasch sprintete Karyu in den Flur und wickelte alles ab, nahm die Gerichte entgegen.

Vorsichtig stellte er erstmal alles in der Küche ab. Er wusste nicht, ob Zero gewillt war, hier mit ihm zusammen zu essen, oder ob er lieber allein in seinem Zimmer blieb.
 

Gerade wollte er nachfragen gehen, als die Stimme des Bassisten hinter ihm erklang. "Wie viel schulde ich dir?"

Er überlegte nicht lange und winkte ab. "Nichts, ich lad dich ein." Er wollte dem Bassist was Gutes tun. Dieser war ja schließlich krank bzw. verletzt, da konnte man dem Armen schon mal was gönnen.

"Okay, danke..", murmelte Zero nur und kam langsam näher.

"Läuft wohl schon besser mit dem Aufstehen und Gehen, oder?"

Der Bassist nickte. "Etwas, ja. Alle zwei, drei Tage merk ich Verbesserungen." Er stellte sich zu ihm an den Tisch. "ist auch besser so, dann muss ich vielleicht nicht in die Reha. Oder nur kurz."

Wieder ein Punkt, von dem Karyu gar nichts gewusst hatte. Das wollte er aber mal nicht offenbaren. "Verstehe", erwiderte er daher nur und starrte auf das verpackte Essen. "Isst du hier oder lieber bei dir?"

"Hier", antwortete der Bassist knapp und begann, die Sachen auszupacken.
 

Schweigend bereiteten sie alles vor und setzten sich schließlich gemeinsam an den Tisch.

Im Gegensatz zu Zero hatte er sich Pasta bestellt. Das war mal eine kleine Abwechslung. Kurz sah er zu dem Bassisten. "Haben sich die beiden mal bei dir gemeldet?"

"Nein. Sie haben nichts geschrieben oder so. Die genießen sicher ihre Zeit ohne mich." Lustlos wirkend knabberte der Dunkelhaarige an seiner Pizza.

Verständnislos runzelte er die Stirn. "Denkst du, du gehst ihnen auf die Nerven? warst du unfreundlich?"

Zero hob eine Schulter. "Nicht direkt. Aber sie müssen sich seit Wochen um mich kümmern. Die Band läuft nicht... Sie müssen die Termine allein wahrnehmen... Das würde mich auf Dauer auch stressen. Sie geben mir ja keine Schuld, aber schön ist es dennoch nicht."

Nachdenklich starrte Karyu auf seinen Teller. "Ich denke, am schwersten hast es immer noch du. Das wissen sie auch. Mach dir um sie mal keine Sorgen."
 

Zero brummte nur, anstatt was zu erwidern, dann spürte er seinen Blick auf sich, weswegen er fragend aufsah. "Und du kannst meinetwegen nicht auf die Bühne."

"Hä?" Da kam er nicht ganz mit.

"Ich weiß doch, wie schnell dir Konzerte fehlen.. Meinetwegen musst du jetzt wochenlang auf das nächste warten. Dir fehlt was zum Abreagieren. Ich kenn dich ja mittlerweile.", erklärte der Bassist ruhig, wirkte dabei aber nicht unbedingt traurig. Warum sagte er das dann?

"Ach...es geht schon.", erwiderte Karyu nur. "Auch darum musst du dir keine Gedanken machen. Ich finde andere Möglichkeiten, wenn mir die Decke auf den Kopf fallen sollte."

Der Bassist summte nur leise und aß weiter. Seine Pizza schaffte er aber nicht ganz.
 

Als er bemerkte wie Zero sich zurück lehnte und das Gesicht verzog, runzelte er die Stirn. "Was hast du?"

"Ach...manchmal zwickt es...", murmelte der Bassist und klammerte sich mit einer Hand an die Tischkante. Das machte Karyu doch etwas misstrauisch.

"Aha? Wenn du was isst, oder wie?"

"Nein...einfach so..."

Ratlos kratzte Karyu sich am Kopf, während er den leeren Teller von sich schob. "Vielleicht solltest du das mal beim Arzt erwähnen."

"Ja...das denke ich auch...ich hab Ende der Woche einen Termin im Krankenhaus", erzählte Zero und schloss die Augen.

Karyu nickte nur und stand langsam auf, um ihre Teller beiseite zu stellen. "Isst du den Rest deiner Pizza später noch?"

"...bestimmt", antwortete der Bassist knapp, weswegen er ihm einen kurzen Blick zuwarf und erstarrte.

"Zero?"

"Es geht gleich wieder..", presste dieser hervor, aber daran glaubte er nicht. Denn etwas Blut lief ihm am Mundwinkel hinab zum Kinn.
 

Reglos starrte er für einen langen Moment auf das intensive, unheilvolle Rot, und wurde erst aus seiner Starre gerissen, als der Bassist plötzlich einiges an Blut spuckte, mitten auf den Tisch. Auf eben diesen ließ Karyu die Teller wieder fallen, bevor er zu Zero stürzte und sich an seine Seite hockte. "Was hast du? Wie ernst ist es?", stellte er ihm sinnlose Fragen, während Zero sich leicht krümmte.

"Ich spuck Blut...es ist sehr ernst..", erwiderte Zero leise, während er versuchte, aufzustehen.
 

Sofort schlang er die Arme um ihn, da er sehr wackelig auf den Beinen stand. Bevor Karyu entscheiden konnte, was jetzt das Beste und Klügste war, wurde der Bassist von einem Hustenanfall geschüttelt - und ein Schwall Blut ergoss sich über Karyus Oberteil. Als Zero dann auch noch die Beine weg knickten, war der Moment der Panik vollkommen.
 

Glücklicherweise hielt er ihn noch in den Armen, sodass er nicht unsanft auf dem Boden aufschlug. Er ließ sich mit ihm zu Boden sinken und sah sich geistesgegenwärtig nach seinem Smartphone um. Das lag immer noch auf dem Esstisch, weswegen er nach oben langte und hektisch die Notrufnummer wählte. Etwas anderes fiel ihm jetzt nicht ein. Zero indessen atmete unregelmäßig und schien ernsthafte Schmerzen zu haben.
 

Sobald sich beim Notruf jemand meldete, plapperte Karyu drauf los. Er ließ die Dame gar nicht erst ausreden - für Höflichkeiten war keine Zeit. Knapp schilderte er die Situation und wo sie wohnten. Ihm fiel ein kleines Steinchen vom Herzen, als die Dame versprach, dass ein Krankenwagen in fünf Minuten ankommen würde.
 

Er legte das Handy beiseite und sah Zero in seinen Armen an. Sie waren beide blutbeschmiert, aber der Bassist schien bisher kein neues Blut gespuckt zu haben. "Hilfe ist unterwegs", sagte er mit zitternder Stimme. "Nur fünf Minuten, das wirst du wohl schaffen, oder?" Erst, als er das aussprach, wurde ihm bewusst, dass er Zeros Tod befürchtete - hier und jetzt an seiner Seite. Ihm wurde eiskalt bei dem Gedanken.

"Sicher...", murmelte Zero während er sich eine Hand auf den Oberkörper presste. Ob es dort weh tat? Bevor er fragen konnte, krümmte sein Freund sich und hustete wieder Blut - zu früh gefreut.

Schon spürte er, wie ihm Tränen in die Augen stiegen. Am liebsten wollte er heulen. Da hörte seine Männlichkeit auf - er hatte gerade einfach nur Angst um Zero.

"Hey...jetzt heul nicht", brachte der Bassist stockend hervor. "Ich darf das...nicht du." Er atmete hörbar ein und verzog dabei das Gesicht. Was war da nur los?
 

Eigentlich hätte er seinen Freund beruhigen müssen: es würde schon wieder alles gut werden, der Notarzt wäre gleich da, er würde wieder gesund werden. Aber Karyu war selbst außer sich. Ihm machte das hier alles scheinbar sogar mehr Angst als Zero. Es lief ihm eiskalt den Rücken runter, immer wieder, und sein Herz klopfte so wild, dass er fürchtete, es würde bald stehen bleiben.
 

Er schluckte und ergriff Zeros Hand, drückte sie sanft. Für einen Moment sahen sie sich an, und als ihm bewusst wurde, wie furchtbar diese Szene aussah mit all dem Blut, machte er einfach unbedacht den Mund auf.
 

Im selben Moment ertönte die Türklingel. Zero schaute ihn zwar immer noch an, aber war sich unsicher, ob dieser ihn jetzt überhaupt verstanden hatte - wiederholen würde er das, was er ihm gesagt hatte, aber nicht.

"Bin sofort wieder da", versprach er ihm und legte den Kopf des Bassisten vorsichtig auf den Boden, bevor er zur Wohnungstür lief und die Sanitäter ins Treppenhaus herein ließ.

Er öffnete die Wohnungstür und rief ihnen das Stockwerk zu, ließ die Tür offen, um gleich wieder zu seinem Freund zurückkehren zu können. Für einen kurzen Moment konnte er sich noch mal zu ihm knien, dann musste er aber Platz für die zwei Notärzte machen.
 

"Was ist vorgefallen?", erkundigte sich der eine, während sein Kollege schon Zero untersuchte.

"Er hat angefangen Blut zu spucken...", antwortete Karyu nur, während er den Blick nicht vom Bassisten wenden konnte.

"Gibt es eine Vorgeschichte?"

"Er hatte vor einiger Zeit einen Autounfall und lag eine Weile im Krankenhaus.. Es ging ihm eigentlich wieder gut...", murmelte er und schluckte. Der Sanitäter nickte nur und schob das blutbefleckte Oberteil des Bassisten hoch, um ihn zu untersuchen.

"...wird eine innere Verletzung sein."

"Vielleicht ist was gerissen."

"Denk ich auch. So schnell wie möglich ins Krankenhaus. Ich leg nen Zugang und du sagst Bescheid." Der Mann sah wieder zu Karyu auf. "In welcher Klinik war er untergebracht?"

"...Tokyo West", antwortete er nach ein paar Sekunden. Mit dem Nachdenken hatte er momentan etwas Probleme - er konnte nur daran denken, dass da was gerissen sein sollte. Das klang gar nicht gut.
 

Plötzlich kam ein dritter Sanitäter hinzu, mit einer Trage in den Händen.

"Gut, rauf mit ihm und ab ins West. Wir müssen uns beeilen."

Karyu versuchte den Blick von seinem Freund zu lösen. "Er wird doch wieder?"

"Das werden wir sehen. Eine OP wird nötig sein.", erwiderte einer der Ärzte knapp.

"Kann ich mitkommen?"

Der Mann hielt inne und sah ihn an. "Leider nein. Wir haben keinen Platz. Sie werden nachkommen müssen." Er machte ein entschuldigendes Gesicht und klopfte ihm auf die Schulter, bevor er sich wieder seinen Kollegen zuwandten, die Zero mittlerweile auf die Trage gelegt hatten.
 

"Karyu.."

Er stellte sich neben ihn. "Ja?"

"Sag Tsuka und Hizu nichts..die flippen aus."

Seine Augen wurden groß. "Natürlich werde ich es ihnen sagen. Das können wir doch nicht verheimlichen! Mach dir ihretwegen keine Sorgen, ich kümmer mich da schon drum. sieh du zu, dass du wieder auf die Beine kommst."

Der Bassist machte ein Gesicht, als wolle er jetzt weiter mit ihm diskutieren, aber die Sanitäter waren so nett und trugen ihn hinaus. Karyu ging nicht sofort hinterher. Er brauchte einen kurzen Moment, um nachzudenken, um wieder zu sich zu kommen.
 

Er wandte sich um und starrte in die Küche. Der Tisch und der Boden war voller Blut. Es sah grässlich aus. So grässlich, wie er sich im Innern fühlte.
 

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to be continued



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